Kniet nieder, Fernstudenten! sagt der Dualstudent
Ich habe einen Moment lang überlegt, ob ich diesen Eintrag schreiben soll oder nicht. Ich habe eigentlich schon vor langer Zeit beschlossen, mich nicht mehr über Vorurteile ggü Abend- und Fernstudenten aufzuregen. Aber manchmal begegnet man einfach Menschen, die schaffen es, innerhalb von Sekunden so die Knöpfe zu drücken und auf wunden Punkten herumzureiten, dass man aus der Haut fahren möchte.
Ein Kollege, der in unserer Firma als Dualstudent ausgebildet wurde, und ich haben uns über unsere Studien unterhalten. Unter anderem kam das Thema auf die Abschlussnote. Er lag da, glaube ich, irgendwo im 2,x-Bereich, aber eher in Richtung 3. Meine 1,5 habe ich ihm auf Nachfrage gesagt, nicht weil ich angeben wollte. Und auf einmal ging es los. "JAaaaa. War ja klar. Also ich habe ganz klar das Gefühl, das diese ganzen Bezahlstudenten von Hause aus mindestens eine 1,x bekommen. Alle, die ich kenne und ein Fernstudium machen oder eben abends, haben so gute Noten. DAS wäre bei uns gar nicht möglich gewesen. Wenn ich höre, was bei denen in der Klausur rankommt, sowas hatten wir mal eben in einer Vorlesung!" Da war ich erstmal baff. Es ging dann aber noch weiter. Darüber, dass er als BA-Student auf so hohem Niveau gelernt hat. Darüber, dass er ja arbeiten und studieren musste (!!!!!!!!!) und oftmals noch nach der Arbeit (ja ist es denn die Possibility!!!!) Praxistransferberichte schreiben musste. Darüber, dass seine Noten ja eben nur schlechter sind, weil er sein Studium nicht bezahlt hat. Also ganz ehrlich, bei so viel Ignoranz, Unwissen und schlichter Dämlichkeit musste ich aufpassen, nicht auf der Stelle loszuschreien.
Folgende Argumente musste ich ihm dann einfach mal um die Ohren knallen:
- sein Studium wurde sehr wohl bezahlt, nämlich von unserer Firma
- im Gegensatz zu ihm werden Fernstudenten für ihrer Studiererei nicht (finanziell) entlohnt
- wenn er 12.000 Euro hätte abdrücken müssen, wäre er vielleicht auch motivierter gewesen und hätte in der Folge bessere Noten geschrieben
- wie er auf die Idee kommt, dass Fernstudenten keine Seminararbeiten schreiben müssen?
- ob er schon jemals irgendeine Art von Fernlehrkurs gemacht und weiß, was es BEDEUTET, sich neben VOLLZEITJOB, Familie, Freunde etc. alles SELBST anzueignen, ohne Dozenten, der einem alles vorkaut?
- und noch einiges Anderes.
Am liebsten hätte ich ihm reingedrückt, dass ER von allen Studenten, nach Meinung vieler Vollzeitstudenten, sowieso auf unterster Stufe steht, denn: BA liegt unter FH, FH unter Uni. Aber so bin ich ja nicht.
Ich bin ziemlich stolz auf mich, weil ich das Ganze tatsächlich in einem neutralen, sachlichen Ton rüberbringen konnte und das Tourette-Syndrom, welches sich bei mir spontan ausgebildet hat, total unterdrückt habe. Ich habe es tatsächlich geschafft, dass er mal kurz sein Denker-Gesicht aufgesetzt hat und für eine Milli-Sekunde über die Argumente nachgedacht hat. Das wars dann aber auch schon. Sein Abschlusskommentar zu unserer Diskussion: "Hmmm. Aber trotzdem...."
Achja, ich vergaß. Er ist natürlich auch völlig bei uns unterfordert und fragt sich, warum er nicht in unserer Firma sofort ins Management gewechselt ist nach dem Studium? Manchmal möchte ich weinen.
Genau solche Leute sind es, die mich dazu bringen, mein Master-Studium erst einmal nicht an die große Glocke zu hängen. Der Bachelor war ein wichtiges Signal an die Firma, aber den Master mach ich für mich.
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