Labor Sensorik
Lieber Leser,
heute berichte ich von meinen Eindrücken des Sensoriklabors in Ellwangen. Das Praktikum wurde von einer sehr erfahrenen Dozentin geleitet, die ihr Wissen auch gerne weitergab.
Freitag haben wir zuerst die Grundgeschmacksarten + 2 weitere wichtige Geschmacksarten verkostet. Dabei bekommt man kleine „Schnapsgläschen“ gereicht. Die Substanzen, die den Reiz auslösen, sind darin in Wasser verrührt. Das klingt alles banal, doch ist schwieriger als gedacht. Die 8 Teilnehmer lagen mehr oder weniger daneben, während beider Labor Tage. Danach ging es um das Riechen. Man musste eine Geruchsprobe von zu Hause mitbringen. Maskiert in einem neutralen Gefäß, mit Watte abgedeckt. Gerüche blind zu erkennen ist ebenfalls schwieriger als gedacht. Meine Muskatnuss (frisch zerteilt) erkannte niemand.
Den restlichen Abend beschäftigen wir uns mit Temperatur- Schmerz (ja!) empfindungen, kinästhetischen, akustischen Wahrnehmungen beim Essen. Warm (Meerrettich, Ingwer...), kalt (Kokosfett, Eisbonbon...), bittere Getränke wie chininhaltige Limonade, saures Brausepulver, Essig, Pfeffer, Zwiebel... das alles wurde verkostet, berochen und anschließend neutralisiert*. Auch wurden Teilchengrößen (Grieß und Reis) und Buchstaben aus Zucker im Mund befühlt.
Nicht unerwähnt bleiben sollte der Test auf Non- Medium- und Supertaster: Nontaster weisen gewöhnlich weniger als 20 Geschmackspapillen pro cm² Zunge auf. Sie „essen alles“, Essen ist ihnen egal, gegessen wird, was auf dem Tisch kommt. Die Mediumtaster weisen 20 bis 40 Geschmackspapillen/cm² auf. Essensaufnahme ist ihnen wichtig, es dient nicht nur zur Nahrungsaufnahme. Bitter ist ihnen unangenehm, aber nicht unerträglich. Ganz anders für die Supertaster: Sie sind die Sensibelsten. Mit über 40 GP/cm² ist ihnen alles bittere zu wider. Essen ist für sie zentraler Teil des Lebens. Sie wissen meist auch, was es gestern zu Essen gab. Einem Nontaster ist das völlig „wurst“. Ich finde das höchst interessant.
Getestet wurden wir mit einem sich selbstauflösenden Blättchen, das Bitterstoffe enthält und das man auf die Zunge legt. Ein Supertaster spuckt es fast sofort wieder aus, weil der Reiz für ihn unerträglich ist. Bei uns war das niemand. Ein anderer Test wäre, die Geschmackpapillen einzufärben und zu zählen, was wir hier nicht durchführten.
Trivia: Da die Sensorik Anfang des 20. Jhd. aus dem US-amerikanischen Raum ihren Ursprung fand, verwendet man heute noch viele englische Vokabeln. Das hat hier also historische Gründe, warum man von Nontastern und einem Panel (Sensorik Versuchsgruppe) spricht.
Am Samstag konnten wir unsere eigenen Versuche durchführen. Alle bereiteten einen Dreiecksversuch vor. Der Proband bekommt 3 Proben. Eine davon weicht ab. Die Proben, genannt Triade, sind durch Zufallszahlen codiert um keine Rückschlüsse auf den Inhalt zuzulassen. Wir verkosteten Schokolade, Cola, Cornflakes, Vanille Aroma, Limonade, Orangensaft. Anbei ein Foto von der Prüfkabine. Das Rotlicht ist gewollt umso Farbunterschiede zu maskieren. Der Tester konzentriert sich in der Prüfkabine nur auf das Attribut „Süße/bitter/xyz" statt durch Farbe abgelenkt zu werden.
Da niemand einen Rangfolgetest vorbereitete, bekamen wir ihn von der Dozentin. Eine Rangfolge wird gebildet, indem man Intensitäten aufsteigend erkennen lässt. Bei dem Joghurt (Foto) war dies eindeutig: Der 0,1% fetthaltige war deutlich saurer als der 10% fetthaltige.
Die Krönung des Tages war eine sensorische Profilbildung von „Cookies“. Es wurden 4 verschiedene Cookies unterschiedlicher Hersteller verkostet. Der Test war aufwendiger als die vorangegangenen Tests. Es startet mit einer einfachen beschreibenden Prüfung, deren Ziel es ist, dass die Gruppe sich auf ein Vokabular einig.
(Stichwort: Weinverkostung unter Laien, A: „Gänseblümchen.“ B: „Gänseblümchen?! Johannisbeere!“ C: „Nein, Erdbeere!“ <- das soll vermieden werden)
Der einfach-beschreibende Test wurde mit einer anderen Cookie-Sorte als bei dem eigentlichen Profilbildungstest durchgeführt. Mein Bedarf an Cookies ist übrigens jetzt erstmal gedeckt. Es sollen dabei möglichst hedonische Ausdrücke vermieden werden. („Wie bei Oma aus dem Ofen!“ ist hedonisch. Besser: Röstaromen) Nachdem sich die Gruppe auf ihr Vokabular geeinigt hat, werden Attribute gefunden und festgelegt. Nach diesen Attributen, z.B. Süße, Knusprigkeit, Salzgehalt, Körnigkeit, werden die Cookies beurteilt. Bei uns waren es 16 Attribute. Um das ganze nun messbar zu machen werden Linienskalen erstellt. Links steht die schwache Ausprägung, rechts die starke Ausprägung. zB. 1 steht für „soft“ und 10 für „knusprig“. Oder 1 „nicht süß“ und 10 „sehr süß“. Am Ende, wenn das Panel die Bewertungen abgegeben hat, erstellt man daraus ein Spinnennetz Diagramm, was wir freilich aus Ermangelung statistischer Daten nur theoretisch besprochen haben. So kommt man bei einem sensorisch geschulten Panel auf das „Charakterprofil“ von Produkten und findet messbare Eigenschaften.
Nun stehen nächste Woche Freitag und Samstag für mich 2 Klausuren an. Ich hoffe, dass ich das Sensorik Protokoll noch rechtzeitig fertigbekomme, sonst darf ich Sensorik nicht mitschreiben.
Ende Juli liegt eine Präsenz in Heidelberg zur Finanzwirtschaft bei mir an. Vorher werde ich noch ein bisschen Urlaub machen und meinen Geburtstag feiern.
Bis bald mal wieder!
*Neutralisationsmittel können neben Leitungswasser Buttermilch sein (um scharfe in Öl lösliche Substanzen wie Capsaicin aus Chili zu entschärfen), Matzen (nicht gesäuertes, nicht gesalzenes Brot), an der eigenen Haut am Arm riechen (um Geruchsmoleküle zu neutralisieren), oder sogar Karamellbonbon (Muhmuh-Weichkaramellen wurden gereicht, besonders geeignet um bittere Stoffe wieder „wegzuspeicheln“).
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