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Der bewegendste Moment der Thesis


polli_on_the_go

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Manchmal liest man in Büchern und Arbeiten Widmungen. Der Hund, der einen begleitet hat, die Mutter oder die Gießkanne auf der Fensterbank. Und auch während der Literaturarbeit in der Thesis bin ich natürlich in der ein oder anderen Dissertation darüber gestolpert. Im Grunde empfinde ich es als unpassend, so eine Widmung in eine Forschungsarbeit zu schreiben und doch animiert mich genau das, diesen Beitrag zu verfassen. Paradox nicht?

 

Fragen, die einen während so eines Mamutprojekts gestellt werden gibt es viele. Was ist das Schwierigste? Kommst du gut voran? Was machst du gegen Schreibblockaden? Und, bist du schon fertig? Eine Frage, die ich mir selber gestellt habe ist "Was war der bewegendste Moment der Thesis, der Moment der eine Widmung verdient hätte?".

 

Oft wird das Fernstudium als isoliert, dezentral, einsam oder mit Einzelkämpfertum verbunden. Den wenigsten Studierenden begegnet man im realen Leben und wirkliche Freundschaften zu bilden außer dem platonischen Studiumsgeplänkel das geht nicht, oder? Nunja, ich denke ein Fernstudium kann so "sozial" werden, wie man selber bereit ist das Risiko dieser "Nutzbekanntschaften" einzugehen, denn manchmal wird es doch mehr als nur eine virtuelle flüchtige Lernbekanntschaft daraus.

 

Als ich für meinen PreTest Studierende gesucht habe, waren mir bestimmte Kriterien wichtig. Ich wollte die Studierenden abbilden. Dazu habe ich Personen gesucht, die in den verschiedenen Studiengängen waren, die ein oder mehrere Kinder hatten oder die die Barrierefreiheit des Fragebogens bei visueller Beeinträchtigung testen konnten. Doch dann kam alles anders und ich glaube, das war der Anfang des bewegendsten Moments meiner Thesis.

 

Als es nun daran ging die bereits "sicheren" Pretester über den voraussichtlichen Starttermin des Tests zu informieren, so dass ich noch einmal abklären konnte, dass alles passt, hat ein Tag mein Thesisthema realer werden lassen als jedes Dokument, was ich zuvor gelesen habe. Eine Frage in meinem Fragebogen war, ob Besonderheiten vorliegen die das Studium erschweren können. Eine der Antworten war "schlechte Nachricht selber erhalten (z.B. Diagnose einer schweren Erkrankung bei dir selbst)". Am selben Tag teilten mir gleich zwei Pretester mit, dass sie in den Tagen vor meiner E-Mail eine unschöne Diagnose erhalten haben. Und dann kam das, was mich berührt hat. Person eins, der eine zeitnahe OP bevorstand, hat den Kontakt zu einem Ersatz hergestellt, damit die Barrierfreiheit dennoch getestet werden kann. Und Person 2? Person zwei ist eine Kommilitonin aus meinem Studiengang, jemand mit dem ich oft rumalber und der mich in meinen chaotischten Phasen im letzten Jahr absolut geerdet hat. Was sagt sie? Schick mir das mal zu, dann habe ich im Krankenhaus nach der OP keine Langeweile.

 

Seit Dezember ist daraus der größte Motivator in meinem Thesisschreibprozess geworden. Neben dem gemeinsamen Hoffen und Bangen, der niederschmetternden Nachricht, dass es bösartig ist, hat sie tatsächlich kurz nach der OP mit Amputation den PreTest ausgefüllt, obwohl ich ihr gesagt habe, dass sie das nicht braucht. Gemeinsam haben wir dann darauf gewartet wie viele Lymphknoten befallen sind und zwischendurch den Satz "Alles wird gut" über den Haufen geworfen denn bei so einer Diagnose wird nicht alles gut oder wie vorher, gemeinsam geweint und gelacht und in all dem Ganzen eine gehörige Portion Galgenhumor gehabt. Und was macht die Socke, sie hat dann auch noch an der eigentlichen Befragung teilgenommen. Was mich so während der Thesis inspiriert und motiviert hat ist die Art und Weise, wie wir uns gegenseitig auch mal die Wahrheit ins Gesicht sagen konnten und dabei trotzdem am Ende immer ein gutes Wort für den anderen hatten. Als ich hier mit anderen Baustellen rumsaß, hatte sie trotzdem ein Ohr oder den Satz, der hilft weiter zu schreiben. Und mich hat es berührt, dass ein Mensch, den ich noch nie real getroffen habe, den ich nur über das Studium und Whatsapp kenne doch zu so einer wundervollen Freundin werden kann. Da wird das Studium auf einmal weniger virtuell und mehr real, wenn dir jemand ein Bild schickt von Haaren, die an krebskranke Kinder gespendet werden, bevor sie selber ausfallen werden während du über Herausforderungen des Fernstudiums schreibst oder eins innerhalb ersten Chemositzung während du über akademische Resilienz (Widerstandsfähigkeit schreibst) oder sie dir eine tolle FA Bewertung zeigt während du weißt, was die Umstände während der Erstellung waren.

 

Vermutlich ist es wirklich so, dass man genau solche Sachen oft im Fernstudium nicht bekommt. Ich weiß selber, wie schnell man vergessen ist unter den Studierenden, wenn man auf einmal nicht mehr so aktiv ist. Und zugleich hat gerade das letzte Jahr meines Studiums die tiefe Menschlichkeit des Fernstudiums gezeigt. Das hier ist sicher nicht der typische Fernstudienbeitrag und vielleicht auch für den ein oder anderen zu persönlich. Aber wenn ich meine Thesis einer Person widmen würde, dann wäre es diese Prävi Kommilitonin, die kurz vor der Freigabe meines Exposés begonnen hat einen Kampf zu kämpfen, bei dem es nicht um gute Leistungen geht, sondern einfach darum zu leben, zu lachen und zu hoffen und das Schreckgespenst, das über einem schwebt im Zaum zu halten. Und die doch immer wieder den Moment oder die Zeit gefunden hat mir einen kleinen Motivationsschubser oder wenn notwendig ein virtuelles Taschentuch zu geben.

 

 

4 Kommentare


Empfohlene Kommentare

Wow, mir fehlen die Worte für diese Zeilen. Hat mich gerade zu Tränen gerührt. 
Heike, ich wünsche dir ganz viel Erfolg für deinen Endspurt und danke dir für deine inspirierenden Blogeinträge, ich habe alle 108 gelesen und mich hier nie zu Wort gemeldet, ich bin auch in deiner WhatsApp Gruppe und habe schon oft eine super Unterstützung von dir bekommen.

Mach weiter so, Powerfrau! Ich selbst habe nicht die beste Resilienz und kämpfe mich täglich durch meine persönlichen Höhen und Tiefen, in- und außerhalb des Studiums. Danke für deine Motivation! LG Sandra

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Resilienz ist ja ein interessantes Thema. Ich wünsche deinen beiden Pretestern  eine ganze Menge davon und ich bin sehr beeindruckt, dass sie trotz aller Widrigkeiten für einen Ersatz gesucht bzw. dich weiter unterstützt haben. Solche Mitstudenten sind Gold wert und deren Freundschaft wird sicher auch noch nach dem Studienende bestand haben.

Dir wünsche ich für den Endspurt alles Gute! Nicht mehr lange und du bekommst den HUT.

Bearbeitet von csab8362
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Moin,

hatte dir zwar schon in der WA-Gruppe gratuliert, aber an dieser Stelle auch noch

mal.

vor 5 Stunden, sandrahase schrieb:

alle 108 gelesen

Auch ich habe sie alle gelesen und sie waren, wie in meinem Jahresrückblick erwähnt, ausschlaggebend mit diesem Studium anzufangen:

 

Die noch anstehende Perso-Klausur ist ja dann auch nur noch ein kleiner Schritt und das kann ich sagen, denn die habe ich dir ja schon vorraus :15_yum:

 

Gruß

 

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