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Praktikum Tage 3 & 4: Erster und zweiter Tag an der Diskotür


DonGeilo

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Tag 1:

19.30 Uhr:

Anfang, Einweisung, Stichschutzweste und Stichschutzhandschuhe erhalten, zwei erfahrenen Türstehern zugewiesen wurden. Ich wurde ausdrücklich darauf hingewiesen, keine Heldentaten zu vollbringen, egal was ich mitbekomme.

20.30 Uhr:
Besprechung und Aufbau der Absperrgitter etc.pp.

22.00 Uhr:
Disko öffnet, erste Einlasskontrollen

22.30 Uhr:
Zwei Minderjährige ohne volljährige Begleitpersonen werden abgewiesen.

23.00 Uhr
Meldung darüber, dass zwei Minderjährige auf dem Parkplatz Leute ansprechen, ob sie für sie die Aufsichtspersonen sein können, die sie brauchen, um reinzukommen. Sie werden aufgegriffen und erhalten sechs Wochen Hausverbot und gehen dann freiwillig.

0.00 Uhr
Erster Alarm! Ein alkoholisierter Gast versuchte der Barkeeperin an die Brust zu fassen. Er wurde raus gebracht, Polizei gerufen, Anzeige erstattet und Hausverbot von zwei Jahren Dauer erteilt.

1.30 Uhr:
Meldung darüber, dass auf dem Herrenklo in Gemeinschaft gekifft wird. Dies konnte bei der Kontrolle bestätigt werden. Betreffende Personen wurden raus gebracht, Polizei gerufen und Hausverbot erteilt. Die Polizei stellte mehrere kleinere Päckchen Cannabis sicher, die wahrscheinlich am Körper rangeklebt reingeschmuggelt wurden.

2.00 Uhr
Noch während die Polizei vor Ort ist ertönt neuer Alarm. Rangelei an der Bar, Streitursache war eine Frau (wie fast immer). Beide wurden raus gebracht und gingen freiwillig nach Hause.

3.00 Uhr
Mehrere Schnapsleichen wurden nach Draußen gebracht und dafür gesorgt, dass sie nach Hause kommen.

3.30 Uhr
Erneuter Alarm! Wieder Rangelei an der Bar. Diesmal wussten die beiden Typen selber nicht so genau, worum es eigentlich ging. Beide wurden verwarnt und fielen danach nicht wieder auf.

4.15 Uhr
Vollgekotzte und kaum ansprechbare Person im Gang zur Toilette gefunden, Krankenwagen angerufen, Verdacht auf Alkoholvergiftung, wurde ins Krankenhaus gebracht.

5.00 Uhr
Ankündigung des DJs, dass noch drei Lieder gespielt werden und dann Schluss ist.

5.20 Uhr
DJ kündigt Schluss an.

5.45 Uhr
Rundgang durch alle Räumlichkeiten, verbliebene Gäste wurden raus gebeten, gleichzeitig wurden draußen Absperrgitter usw. abgebaut.

6.15 Uhr
Nachbesprechung

6.45 Uhr
Feierabend

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Tag 2

19.30 Uhr

Anfang, Besprechung, denselben Türstehern wie am Vorabend zugeteilt wurden.

21.00 Uhr
Aufbau Absperrgitter usw.

22.00 Uhr
Disko öffnet, erste Einlasskontrollen, mit Unterstützung von zwei Kollegen darf ich jetzt selber die ersten Einlasskontrollen machen

22.45 Uhr
Es ist zu merken, dass heute viele Leute dort aufschlagen, die von vorneherein streitlustig waren. Bis jetzt wurden mehrere Personen abgewiesen, da sie bereits beim Einlass Stress machten.

23.15 Uhr
Erste abgewiesene Person kommt wieder und diskutiert, teils sehr beleidigend dabei.

23.45 Uhr
Erster Alarm! Schlägerei an der Bar, ein Barhocker wurde dabei zerstört. Polizei hinzugerufen, eine Person wurde mitgenommen, eine andere nach Hause geschickt. Beide erhielten Hausverbot von einem halben Jahr, da nicht zu ermitteln war, wer angefangen hat.

0.30 Uhr
Erneuter Alarm! Schlägerei vor den Toiletten. Grund dafür war eine Frau. Polizei wurde hinzugerufen, Anzeigen aufgenommen, einer ging nach Hause und der andere machte später nochmal vor der Tür von sich Reden.

0.45 Uhr
Noch während ein anderer Alarm abgearbeitet wird, kommt eine Gruppe von Frauen auf uns zu. Eine Freundin von denen wurde gerade von ihrem eifersüchtigen Freund mit der Faust ins Gesicht geschlagen. Frau flüchtete sich in eine Lounge, die eigentlich nur für zahlungskräftige Gäste gedacht ist. Gesicht blutig, erster Blick zeigte Platzwunde an der linken Augenbraue und geschwollenes Auge. Grund: Sie flirtete mit einem anderen Typen, was ihren Freund nicht passte. Suche nach ihrem Freund wurde aufgenommen, aber leider war er nicht mehr vor Ort. Polizei und Krankenwagen wurden gerufen, die junge Frau mit ins Krankenhaus genommen, sie verzichtete auf eine Anzeige.

1.45 Uhr
Für Türsteher wird es langsam gefährlicher! Der Typ, der gegen 0.30 Uhr rausgeschmissen wurde, ist wieder da. Diesmal mit zwei Freunden. Erster Versuch sich gewaltsam Zutritt zu verschaffen. Dieser konnte relativ einfach abgewehrt werden. Polizei kam erneut, die drei Typen waren aber wieder Weg. Anzeige wegen versuchten Hausfriedensbruch. Doch das letzte Wort ist noch nicht gesprochen.

2.30 Uhr
Mehrere Schnapsleichen werden raus gebracht und dafür gesorgt, dass sie nach Hause kommen.

Gleichzeitig erscheint der Typ, der um 0.30 Uhr rausgeschmissen wurde, wieder. Diesmal aber mit sieben bis acht Freunden. Sie versuchen, sich gewaltsam Zutritt zu verschaffen, was scheiterte. Irgendwo haben sie dann Zaunlatten abgerissen und schlugen damit gegen die Tür, die von innen zugehalten wurde. Sicherheitschef trommelte alle verfügbaren Türsteher zusammen (ich glaube, es waren fünf), die dann fast alle rausgestürmt sind und den Chaoten gegenüber standen. Ich sollte hinter der Eingangstür bleiben. Polizei wurde nebenbei verständigt. Türsteher vor der Tür wurden mit Latten angegriffen aber hielten die Stellung bis zum Eintreffen der Polizei  und schlugen, teilweise mit Teleskopschlagstöcken bewaffnet, zurück. Resultat: Vier ordentlich verletzte Chaoten (einer bekam den Teleskopschlagstock mit voller Wucht auf die Hand, Hand wahrscheinlich gebrochen), ein leicht verletzter Türsteher (Wunde am Unterarm, die genäht werden musste). Alle wurden ins Krankenhaus gebracht. Polizei nahm den Rest der Chaoten fest, die vorherige Anzeige wurde aktualisiert und ausgeweitet. Hausverbot jetzt lebenslang.

Gleichzeitig bestreifen zwei Türsteher den Parkplatz und vernichten dort deponierte Alkoholflaschen.

5.00 Uhr
Ein Bühnentechniker eines DJs kommt mit einem Gast im Schwitzkasten auf uns zu und schmeißt ihn raus, weil er ihn mutwillig sein Getränk über seine Elektronik kippen wollte. 

5.30 Uhr
DJ kündigt die letzten drei Lieder an.

5.45 Uhr
DJ verkündet das Ende für dieses Wochenende

6.00 Uhr
Rundgang, verbliebene Gäste werden rausgebeten. Gleichzeitig Absperrgitter usw. abgebaut.

6.45 Uhr
Nachbesprechung, Bestandsaufnahme nach der Schlägerei vor der Tür

7.30 Uhr
Feierabend
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Vor allem am zweiten Tag wurde mir bewusst, dass wohl kaum ein Job im Sicherheitsdienst so viel Konflikt- und Verletzungspotential mit sich bringt, wie der Job an der Tür. Gleichzeitig wurde mir auch klar, dass gerade bei Türstehern die Grenzen der Notwehr/-hilfe auch schnell überschritten sind, was ich nachvollziehen kann, wenn da jemand ist, der einem ernsthaft ans Leder will (z.B. hat fast jeder dienstältere Türsteher durch Messerstiche und Glasschnitte vernarbte Hände). Und gerade für Türsteher ist die seit 2016 geltende Zuverlässigkeitsprüfung ein ernsthaftes Problem, denn im Gewühle und unter Adrenalin ist die Grenze zur Strafbarkeit sicherlich nicht immer klar zu erkennen und schnell überschritten. Eine Anzeige und Verurteilung zu mindestens 3 Monaten Freiheitsstrafe, eine Geldstrafe über 90 Tagessätze oder zwei kleinere Geldstrafen und man ist seinen Job spätestens bei der nächsten Überprüfung los. Häufig werden sogar eingestellte Anzeigen für die Unzuverlässigkeit als Rechtfertigung angegeben, was eigentlich unzulässig ist. Das bestärkt mich in der Ansicht, dass die jetzige Art und Weise, wie die Zuverlässigkeitspüfung gemacht wird, falsch ist und durchaus die Umstände, die zur Tat geführt haben, berücksichtigt werden müssen (was eigentlich auch vorgesehen ist, aber nicht umgesetzt wird) und nicht nur das, was in § Schießmichtod Abs. Peng steht und mit der Realität fast nichts zu tun hat.

Nach dem zweiten Tag sagten mir zwei ältere Türsteher auf dem Mitarbeiterparkplatz das, was ich in den letzten Wochen schon mehrfach gehört habe: Der Job von Einsatz- und Sicherheitskräften, egal ob staatlich oder privat, wird zunehmend gefährlicher! Gerade an der Tür würde man das merken, denn es wäre ein Querschnitt der Gesellschaft, der dort aufschlägt. Vor 20 Jahren wurden Gäste aus der Disko rausgezogen wenn sie sich daneben benommen haben, haben dann noch etwas diskutiert und wenn es ganz dumm lief, musste man sich beleidigen oder anspucken lassen. Auch kam es manchmal vor, dass jemand auf die Türsteher losgehen wollte, nur kam das viel seltener vor und selbst da gab es meistens noch Grenzen. Heute ist es so, dass es eigentlich täglich dazu kommt, dass Türsteher beleidigt, bedroht, angespuckt oder gar angegriffen werden oder man ihnen sogar noch nach Arbeitsende auflauert und auch der Einsatz von Waffen ist kein Tabu mehr. Diejenigen, die rausgeschmissen wurden, lassen das nicht auf sich sitzen und kommen immer häufiger auch mit mehreren Leuten wieder. Erst vor gut einem Jahr gab es ein Bericht darüber, dass sich 300 Jugendliche zusammengerottet und versucht haben, eine Disko zu stürmen, nachdem Türsteher einem Gast den Eintritt zur Oberstufenparty verweigerten. Das ist auch heute ein Extremfall, aber die Hemmschwelle sinkt ständig und ernsthafte Verletzungen, die auch tödlich sein können, werden immer häufiger billigend in Kauf genommen. Daher riet man mir, dass ich genau darüber nachdenken soll, ob ich das in Zukunft machen möchte, denn die Zustände werden nicht besser werden.

Trotz allem werde ich mir, nachdem ich die Sachkundeprüfung für das Bewachungsgewerbe bestanden habe, an der Diskotür den einen oder anderen Euro dazu verdienen.

Die meisten Gäste, die aus der Disko entfernt werden mussten, weil sie auffällig wurden, waren Personen mit Migrationshintergrund - meistens Türken/Araber, Russen und Osteuropäer im Allgemeinen, wobei man sagen muss, dass die Disko in einem Viertel mit hohem Anteil russischer Einwanderer liegt . Ich mache mir jetzt schon Sorgen um meinen Bericht über meine Tage beim Sicherheitsdienst einer Asylunterkunft, was meine letzte Station im Praktikum sein wird. Wie soll man über das, was man dort mitbekommt, ehrlich berichten, wenn man doch sofort in die Nazi-Ecke gesteckt wird, wenn man sowas ausspricht.

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