Zweiter klinischer Ausbildungsblock - das große Krabbeln
Bei schönstem Frühlingswetter (wie war das nochmal mit dem angeblichen Wintereinbruch?) fand er statt: Der zweite klinische Ausbildungsblock in Göttingen. Ok, eigentlich ist es ja der dritte, aber ich bin ja erst seit letztem Mal dabei
Dieses Mal hat es sich voll und ganz lohnt, sich morgens um 4 aus dem Bett zu quälen, um pro Tag zwei Fernreisen zu unternehmen. Warum, werdet ihr gleich erfahren. Der Einfachheit halber gliedere ich meinen Bericht ein wenig.
Zeitpunkt:
Mittwoch bis Sonntag, jeweils 9.30 bis 17.00 Uhr, wobei sonntags natürlich minimal früher geschlossen wird, wegen der ganzen Abreisen.
Kursteilnehmer:
Ich glaube, wir waren insgesamt 26 oder 27 - eine hatte sich abgemeldet, daher weiß ich es nicht mehr ganz genau. Aber auf jeden Fall eine Zahl in diesem Bereich, also schon so groß oder klein wie ein Schul-Klassenzimmer
Themen:
Es handelte sich ja um einen 5-Tage Block.
Thema Tag 1-3: Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie bzw. Diagnostik. Hier ging es hauptsächlich um Leitlinien zur Diagnostik psychischer Störungen bei Kindern aber auch um typische Störungsbilder (z.B. Essstörungen). Hier konnten wir auch unsere Referate vortragen, die wir vorbereiten mussten.
Thema Tag 4-5: Psychotherapeutische Intervention bei Erwachsenen
Dozenten:
Es gab diesmal zwei Dozentinnen. Die Dozentin vom verkorksten Block davor ist nicht mehr tätig für die Hochschule. Die beiden, die das jetzt gemacht haben, waren zwei ziemlich interessante Persönlichkeiten. Die erste ist gerade erst von der Uni weg, hat den Master jetzt in der Tasche und hat ihr erstes Seminar gehalten. Ich fand es faszinierend, wie gut man das machen kann. Sie hat von Anfang an sehr klar kommuniziert, wie sie das Seminar gliedert, was uns erwartet und auch was sie erwartet. Auch hat sie uns aktiv mit eingebunden, so dass eine richtige Interaktion zustande kam. Sie hat sich auch ziemlich gut strukturiert und sich mittels Sticky Notes weitergeholfen, die sie am Morgen schon angebracht hatte.
Die zweite ist Diplompsychologin und - obwohl sehr jung - schon routiniert im Vortragen, da sie an ihrer Uni wohl auch doziert. Sie hat auch die PP-Ausbildung hinter sich und konnte da wertvolle Tipps mit an die Hand geben. Auch bei Fragen zur Ausbildung bot sie sich an. Überhaupt eine tolle Persönlichkeit, aber dazu komme ich gleich.
Ablauf:
Seminar KiJu: Hier haben wir natürlich hauptsächlich Diagnostik-Leitlinien besprochen, konnten uns dazu auch Original-Fragebögen anschauen oder Testinventare ausprobieren und eben auch die Referate vortragen. Es gab Referate zu den Leitlinien und zu Störungsbildern. Ich war recht fasziniert, wie unterschiedlich kreativ die Leute diese gestaltet haben: Einige haben Items verteilt, die man z.B. bei selbstverletzendem Verhalten als Substitution nutzen kann (etwa Ammoniak-Ampullen zum dran schnüffeln, Vitaminbrausetabletten fürs Wasser, die man stattdessen auf der Zunge zergehen lässt usw.). Andere haben kleine Einspiel-Videos mit ihren von Autismus betroffenen Geschwistern verwendet oder waren per se eben Vortragetalente.
Seminar Psychotherapeutische Intervention bei Erwachsenen: Hier hat die Dozentin viel zu ihren (wirklich außerordentlich guten) Folien erzählt und blieb dabei immer wieder ganz nah an der Praxis. Wir wurden stets um Meinungen gebeten und damit ständig eingebunden. Zwischendrin hat sie aber auch immer wieder Spiele zur Auflockerung gemacht, z.B. wie man eine Depressions-Gruppe erheitern kann - mit einem Spiel wie Obstsalat etwa. Das machte Lust und Laune Beim Thema Phobien und Intervention ging es ganz besonders zur Sache (damit könnt ihr euch wahrscheinlich den Beitragstitel erklären). Es ging um Patienten mit Angst vor Schaben - was würde man hier tun? Zunächst wurden uns Bilder von Schaben gezeigt, was ja noch ok ist. Videos von Schaben waren schon eine andere Nummer, aber auch noch erträglich für die meisten. Dann packte die Dozentin ohne Witz kleine Packungen mit je 2 echten Schaben aus dem Zoohandel aus. Jeder Gruppentisch bekam zwei Schaben. Wer mutig war, konnte sie selbst auspacken und die Konfrontationstherapie gleich bei sich selber testen Fazit: Leichter als gedacht. Das fanden alle so genial - sicher noch ein Anekdötchen für die Enkel
Anreise, Unterkunft?
Die meisten waren natürlich in Hotels untergebracht, nur wenige hatten die Möglichkeit, mit Auto oder Bahn anzureisen. Wir haben Leute aus Italien, Abu Dhabi oder - huiii - Australien! Beliebt in Göttingen ist das Box Hotel direkt unter der PFH ab 25€ die Nacht. Die anderen waren überwiegend im Hotel Rennschuh untergebracht, welches so ca. 2 km von der PFH entfernt liegt.
Bahn-Chaos?
Ich hatte ja täglich meine 2 Fernreisen, 250 km hin und zurück. Das geht insgesamt mit 5-6 Zügen, je nach Verbindung. Ich hab gar nicht mehr geschaut, wie genau ich fahren muss. Meistens bin ich einfach nur bis Hannover gefahren und hab mir da den nächsten Zug gesucht, der in meine Richtung fuhr. Irgendwas geht da immer - hat ganz wunderbar funktioniert. Die Bahn-APP ist da euer Freund. War aber auch nur möglich, weil ich ein ICE-Wochenticket hatte und dadurch freie Zugbindung. Für die 2.Klasse kostet es 230 €.
Das hat an allen Tagen wie gesagt vorbildlich funktioniert. Nur am Samstag stellte sich ein Totalchaos ein: Hier hieß es nämlich um 5:52 am Bahnhof mal eben, dass mein Zug heute entfalle. Rechne sich meistens nicht, weil zu wenige mitfahren meinte ein Mitarbeiter dort (hallo, geht's noch??). Leider gab es auch keinen Ersatz oder irgendwas, was mich zu meinem Bahnhof für den zweiten Zug hätte bringen können. So gammelte ich über 1 Stunde bei McCafé herum und wartete auf einen Zug nach Osnabrück, von wo aus ich es wenigstens nach Hannover schaffen kann (= 30 Minuten nach Göttingen).
In Osnabrück erwischte ich auch rechtzeitig den Anschlusszug. Aber während ich drin saß, kam die Meldung, dass ein so genannter "Notarzteinsatz am Gleis" (der Bahn-Code für Suizid) sich ereignet hatte. Ganze 38 Minuten Verspätung waren durch das tragische Ereignis angesetzt, aber es führte dazu, dass der Bahnverkehr in der Region zunächst komplett implodierte. Fast 2 Stunden zu spät saß ich im Seminar. War aber kein Problem.
Blödeste Idee ever:
Diesmal hab ich kein Meal Prep gemacht, weil ich mich in Göttingen selbst versorgen wollte. Mit dem Eregebnis, dass ich nun arm und 2,5 kg dicker geworden bis. Nächstes Mal also wieder vorbereiten
Auch noch gut zu wissen:
- 2 mutige Studis haben ihren Weg bis zum Präsidenten der Hochschule gemacht, um mit ihm in unserem NAmen über die verkorkste Seminarsituation von dem Block davor zu reden.
- Der war wohl menschlich total toll und hatte Einsicht
- Es wird nun finanzielle Entschädigung geben, weil die Leistung in dem Sinne nicht erbracht worden war. Sieht so aus, dass das nächste Seminar also nichts extra kostet. Finde ich super so.
- Der Prüfungsstoff wird sich nur auf die Fernlehrbriefe beziehen, die uns zum Thema Klinische noch bereit gestellt wurden, denn die Folien der Dozentin sind fehlerhaft, lückenhaft und zum Teil auch einfach nur Copy+Paste gewesen.
- Es sind nicht nur eine Hand voll zur PP-Ausbildung zugelassen, sondern sogar zur Doppel-Approbation (Als KJP und PP -> Bundesländer: Niedersachsen + Baden Württemberg)
So, nun ist es doch eine Wall of Text geworden.
Ich vergebe eine 1,00 in der Zufriedensheitsskala und freue mich auf das nächste Seminar im Juli.
Feature Foto: pexels.com
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