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Studium im Rückblick


kurtchen

1.460 Aufrufe

Ausgangslage

 

Angefangen hatte alles damit, dass ich als Kindergärtner auf der Suche nach einer interessanten Weiterbildungsmöglichkeit war. Dabei stieß ich auf den B.Sc. Sozialinformatik der Hochschule Fulda. Dieser berufsbegleitende Studiengang richtete sich an ausgebildete Fachkräfte im Sozialbereich oder im IT-Bereich. Ein einschlägige Ausbildung und Beschäftigung während des Studiums war Zugangsvoraussetzung. Ziel des Studiums war die Qualifizierung von IT-Fachkräften für den Sozialbereich, also etwa in Analogie zum Wirtschaftsinformatiker für den Unternehmensbereich. Das klang für mich interessant.

 

Damals habe ich auch einen Thread hier im Forum gestartet, in der Hoffnung, Studierende zu finden, die mir etwas aus erster Hand berichten konnten. Das hat leider nicht geklappt. Ich hatte damals das Glück, mit Hilfe des Studienbüros einen Studierenden in diesem noch recht jungen Studiengang zu finden, der mir etwas über seine Erfahrungen berichten konnte. Abgehalten hat mich eigentlich nur der relativ starre Zeitplan an der HS Fulda. Zwar gab es die Möglichkeit, verpasste Klausuren oder Module im Folgesemester oder im Folgejahr nachzuholen, aber ich war mir nicht sicher, wie rasch meine Lernfortschritte sein würden. Insbesondere konnte ich nicht abschätzen, wie schwer es mir fallen würde, mich wieder mit Mathematik zu beschäftigen. Rückblickend meine ich, dass ich mit diesem Studium gut zurecht gekommen wäre. Es gab damals ein paar Forumsteilnehmer, die in Zweifel zogen, ob Sozialinformatik als richtiges Informatikstudium gelten konnte. Heute meine ich, das Curriculum dieses Studienganges selbst ganz gut beurteilen zu können. Und finde, dass der B.Sc. Sozialinformatik ein attraktives Studienangebot ist, wenn man mit dem vorgegebenen Tempo zurecht kommt.

 

Nachdem ich mich schon einmal mit der Möglichkeit auseinandergesetzt hatte, mich mit Mathematik, Programmierung und Algorithmen zu beschäftigen, schaute ich mich nach anderen Anbietern mit einem flexibleren Studienmodell um. Zuerst stieß ich dabei auch auf die WBH, die ja ein besonders bekannter Anbieter technischer Fernstudiengänge ist. Es gab aber auch weniger bekannte Anbieter mit interessanten Konzepten. An Springer Campus - damals noch W3L AG - gefiel mir, dass sie sehr transparent über die Inhalte ihrer Module informierten. Man konnte sich zu jedem Modul Probelektionen freischalten lassen und sich so einen Eindruck von der Lernplattform verschaffen. So konnte ich sehen, dass mir die Inhalte des Curriculums gefielen. Die freie Zeiteinteilung bei der Belegung der Module und der Anmeldung von Prüfungen hätte es aber auch bei anderen privaten Anbietern - wie z.B. der WBH - gegeben

 

Sehr interessiert hätte mich auch der Studiengang IT-Analyst der Hochschule Kaiserslautern. Auch hier gefiel mir die Zusammenstellung der Themen und Module. Und auch die HS Kaiserlautern informierte sehr transparent über Inhalte. Leider war einschlägige Berufserfahrung eine Zugangsvoraussetzung, die ich nicht erfüllen konnte.

 

So bin ich also bei Springer Campus gelandet. Sie boten ihren Studiengang in Kooperation mit der FH Dortmund an, die später auch den Abschluss verleihen sollte.

 

Was mir am Studium bei Springer Campus gefallen hat:

 

  • Die inhaltliche Zusammenstellung des Curriculums: Der Studiengang hatte vergleichsweise viele Module zur Programmierung in Java, so dass ich mir zumindest in einer Programmiersprache eine wirklich solide Grundlage erarbeiten konnte. Außerdem wurde das Gebiet der Softwaretechnik sehr ausführlich behandelt.
  • Die didaktisch gut gemachten Mathematik-Module: Hier ist insbesondere der sehr sanfte Einstieg mit dem Modul "Mathematisch-logische Grundlagen der Informatik" zu nennen. Die Module "Mathe 2" (Analysis und Lineare Algebra) und "Mathe 3" (Numerik, polynomiale Interpolation und Approximation sowie Grundlagen der Kryptographie) waren schon schwieriger. Gut waren hier die zur Verfügung gestellten PDF-Tools, mit denen man sich beliebig viele Übungsaufgaben erstellen konnte.
  • Das Tutorensystem: In jedem Modul hatte man einen Ansprechpartner, der Einsendeaufgaben korrigierte und Fragen beantworten konnte. Das war mir oft sehr nützlich. Allerdings muss man sich klar machen, dass man als Studierender an einer Hochschule eine "Holpflicht" hat und nicht "mit dem Löffelchen gefüttert" wird. Manche Studierende berichteten mir, dass sie lediglich Aufgaben eingesendet und Korrekturen empfangen hatten. So kann es gehen, wenn man keinen Kontakt mit dem Tutor aufnimmt. Ich habe mich bei allen Tutoren vorgestellt, bei den Korrekturen nachgehakt, z.T. überarbeitete Lösungen eingereicht oder auch Fragen zum Stoff oder zum Transfer in die Praxis gestellt. So ergab sich oft ein recht intensiver Austausch mit meinen Tutoren. Mir blieb zwar nichts anderes übrig, als berufsbegleitend zu studieren, aber deswegen musste ich ja kein Einzelkämpfer sein.
  • Die gute Betreuung durch das Studienbüro: Springer Campus war ein vergleichsweise kleiner Fernstudien-Anbieter. Man kannte die Mitarbeiter und die Mitarbeiter kannten die Studierenden. Wenn es etwas zu klären gab, hatte man schnell einen Verantwortlichen an der Strippe. Man konnte mit den Leuten reden. Das war oft sehr hilfreich.
  • Die Lotsenfunktion des Studienbüros beim Finden eines Betreuers: Das hat sowohl bei der Projektarbeit als auch bei der Bachelorarbeit hervorragend geklappt.
  • Die Präsenztage: Diese waren zunächst verpflichtend und dann freiwillig. Bei vielen Studierenden waren sie unbeliebt, weil man dafür nach Dortmund anreisen musste. Darum gingen die Teilnehmerzahlen stark zurück, als die Präsenztage freiwillig wurden. Schade, denn die Präsenztage waren sehr nützlich, um mit anderen Studierenden in Austausch zu kommen und auch die Hochschullehrer ein bisschen kennenzulernen. (Das hilft zum Beispiel, wenn man einen Betreuer für seine Bachelorarbeit sucht.)
  • Das Praxisprojekt: Da ich fachfremd studiert habe, war mir bei Aufnahme meines Studiums nicht klar, wo und wie ich ein Praxisprojekt würde durchführen können. Ich habe darauf vertraut, dass sich schon etwas ergeben würde. So kam es dann ja auch. Gerade das Praxisprojekt hat im Vergleich zu anderen Modulen sehr viel Zeit verschlungen, vor allem gemessen daran, das es nur 5 ECTS brachte. Aber ich würde sagen, dass ich durch dieses Modul am meisten gelernt habe, weil ich im Praxisprojekt die Inhalte vieler Module verbinden und im Zusammenspiel erleben konnte.
  •  Die flexible Steuerung des Workloads: Es zeichnet vor allem private Anbieter von Fernstudiengängen aus, Module im eigenen Rhythmus belegen und bearbeiten zu können; und regelmäßige Prüfungstermine für alle Module anzubieten. Diese Flexibilität erfordert vom Anbieter natürlich einen hohen Aufwand, den man mit entsprechenden Studiengebühren bezahlt. Wenn man berufsbegleitend studiert, ist das aber sehr wichtig. Auch wenn ich über weite Teile meines Studiums ziemlich schnell vorangekommen bin, gab es Zeiten, in denen ich ein von außen vorgegebenes Tempo nicht hätte halten können. Das hätte sich bei manchen Anbietern verlängernd auf die Studienzeit ausgewirkt. Die Möglichkeit, mein Studientempo flexibel an meine berufliche und familiäre Belastung anpassen zu können, war für meinen Studienerfolg sehr wichtig.
  • Die Anbindung an die FH Dortmund: Insbesondere bei der Projektarbeit und bei der Bachelorarbeit fand ich es toll, Betreuer zu haben, die auch ganz normal im täglichen Lehrbetrieb einer Präsenzhochschule stehen. Ich hatte zu keinem Zeitpunkt das Gefühl, dass meine Betreuer zwischen den Präsenzstudierenden und uns Fernstudierenden einen Unterschied machten.

 

Was mir nicht so gut gefallen hat:

 

  • Manche Module waren "schlecht gealtert": Es gibt Module, bei denen es nichts ausmacht, wenn sie ein paar Jahre "auf dem Buckel" haben. Dazu zählt z.B. Mathematik aber auch Module wie "SQL und relationale Datenbanken". Und auch in einem einführenden Modul in Algorithmen und Datenstrukturen ändern sich die Inhalte nicht alle Jahre. Dringend überarbeitungswürdig gewesen wäre das Modul "Multimedia". Hier spielte z.B. Flash noch eine große Rolle. Aber auch im Modul "IT-Recht" waren viele Inhalte durch neuere Gesetzgebung nicht mehr aktuell. Dazu gehörte z.B. das Thema DSGVO. Die ist ja nicht vom Himmel gefallen. Da wäre es schon wünschenswert gewesen, darauf hinzuarbeiten, dass das Modul rechtzeitig aktualisiert wird.
  • Für ein Studium der Web- und Medieninformatik kam mir das Thema Frontend zu kurz: Das Modul "Skriptsprachen", das als gründliche Einführung in JavaScript konzipiert war, wurde ersatzlos und ohne Ankündigung gestrichen, kurz bevor ich es belegen wollte. Im Modul "Web-Engineering" wurde unter anderem das GWT behandelt. Da wird das Front-End in Java geschrieben und per Transpiler zu JavaScript übersetzt. Mag sein, dass das mal als aussichtsreicher Ansatz galt. Letztlich hat es sich nicht durchgesetzt. Gleichzeitig hat sich JavaScript als Sprache stark weiterentwickelt. Es wäre wünschenswert, im Studium wenigstens ein modernes UI-Framework zu behandeln, also etwas wie Angular, React oder Vue.
  • Freiwillige Präsenztage: Die Entscheidung, die Präsenztage freiwillig zu machen, fand bei den Studierenden viel Beifall und war damals auch durch Gesetzgebung des Landes NRW so vorgegeben. Ich halte die politische Entscheidung rückblickend für falsch. (Soweit ich weiß, ist das von der neuen Landesregierung inzwischen auch wieder korrigiert worden.) Leider habe ich den Eindruck gewonnen, dass viele Studierende mit der neuen Freiheit nicht sinnvoll umgehen konnten. Dazu nur ein Beispiel: Wenn man sich erkundigte, welche Module als herausfordernd wahrgenommen wurden, hörte man immer wieder "Mathe 2", also Analysis und Lineare Algebra. Eben dazu wurden auf den Präsenztagen regelmäßig Tutorien angeboten. Die spärlich besucht wurden. Es passt für mich nicht zusammen, wenn man klagt, wie schwierig Mathe sei, aber angebotene Hilfen nicht wahrnimmt.
  • Die Lernplattform als solche: Sie hatte viele Merkmale, die de facto niemand nutzte. Dazu zählten insbesondere Social Media Funktionen wie eigene Foren und Messaging Systeme. Meine Kommilitonen nutzten für ihren Austausch lieber allgemeine Plattformen wie Facebook oder Whatsapp. Es macht in meinen Augen auch wenig Sinn, wenn jeder Anbieter so etwas selbst implementiert. Insbesondere nach Einführung der neuen Plattform reagierten die Server manchmal recht träge, was angesichts der Studierendenzahlen nicht nachvollziehbar war. Für einen Studiengang, der einen Schwerpunkt auf serverseitige Webprogrammierung legt, war die neue Plattform nicht gerade ein Aushängeschild. Die hier investierten organisatorischen und finanziellen Ressourcen hätte man meiner Meinung nach lieber in die Aktualisierung der obenen genannten Module oder in neue Inhalte investieren sollen. Und stattdessen eine der vielen vorhandenen Lernplattformen nutzen können, die andere Hochschulen mit Erfolg verwenden.

 

Was mir gar nicht so wichtig war:

 

  • Der inhaltliche Schwerpunkt "Web- und Medien". Betont wurde die serverseitige Web-Programmierung. Die fand ich auch interessant. Aber ich habe mein Studium in erster Linie als Informatikstudium an einer FH aufgefasst. Das Curriculum eines Bachelorstudiengangs muss naturgemäß erst einmal breite Grundlagen vermitteln. Zwar ist es "chic" geworden, schon im Bachelor recht spezialisierte Bezeichnungen zu verwenden, aber das sollte man meiner Meinung nach nicht überbewerten. Mathematik, Programmierung, Algorithmen, Betriebssysteme, Netze, Softwaretechnik, das alles sind Beispiele für Themen, die wohl in jedem Bachelor der Informatik vorkommen dürften. Echte Spezialisierung dürfte erst im Master realistisch sein.

 

Was ich mir noch gewünscht hätte:

 

180 ECTS sind naturgemäß zu wenig, um alle inhaltlichen Wünsche an ein Informatikstudium abzudecken. Aber es wäre schön gewesen, bestimmte Themen im Wahlbereich belegen zu können.

 

  • Künstliche Intelligenz: Das einzige Modul, dass ein bisschen in diese Richtung wies, war das Wahlpflichtmodul "Text Mining". Aus meiner Sicht wäre es an der Zeit gewesen, ein Modul über künstliche neuronale Netze anzubieten.
  • Datenvisualisierung: Ich hätte gerne aufbauend auf dem Modul "Statistik" ein Modul gehabt, bei dem man die dort vermittelten Verfahren mit einer geeigneten Programmiersprache und geeigneten Frameworks nutzt. Also z.B. ein Modul über Statistikprogrammierung mit R oder Python. Oder eines über Datenvisualisierung im Browser, z.B. mit Frameworks wie D3.js.
  • Ethik der Informatik oder Informatik und Gesellschaft: Das ist für mich ein anderes Thema als Datenschutz oder IT-Recht. Es gibt in den letzten Jahren zunehmende Diskussionen über gesellschaftliche Auswirkungen neuer Informationstechnologien. Ich hätte mir ein Modul gewünscht, bei dem es um ethisches und/oder politisches Abwägen und Argumentieren in diesem Themenfeld geht.

 

Wie es war, berufsbegleitend zu studieren:

 

Für den größten Teil meines Studiums habe ich 30 Stunden als Erzieher im Kindergarten gearbeitet. Das ging überraschend gut. Mein Job und mein Studium zehrten von unterschiedlichen Ressourcen. Im Kindergarten braucht man vor allem Nerven, um mit den vielen Stressoren und der sich ständig ändernden Situation umgehen zu können. Man muss kurzfristig auf neu auftretende Bedürfnisse und Konflikte reagieren. Wenn ich nach Hause kam, war ich nervlich ermüdet. Denken in formalen und abstrakten Strukturen ist im Kindergarten dagegen weniger gefragt. Zu meiner Überraschung war ich am späten Nachmittag und Abend gut in der Lage, mich noch lange auf Themen wie Mathematik, Programmierung, Algorithmen und Softwaretechnik zu konzentrieren. Das Studium bildete einen fruchtbaren Gegenpol zu meiner Arbeit. Und nach einem Wochenende vor dem Bildschirm freute ich mich auch wieder auf den Trubel mit den Kindern.

 

Für die Projektarbeit und die Bachelorarbeit wollte ich meinen Arbeitsumfang aber reduzieren. Hier musste ich mit meinem Arbeitgeber verhandeln. Während ich anfangs an jedem Wochentag gearbeitet hatte, war es nun für mich günstiger, ganze Tage im Kindergarten und ganze Tage für mein Studium zu haben. Gerade wenn ich beim Projekt oder bei der Bachelorarbeit eine härtere Nuss zu knacken hatte, war es hilfreich, nicht immer mitten im Tag umschalten zu müssen, sondern an manchen Tagen auch mal 8 Stunden an einer Sache dranbleiben zu können, um nicht immer wieder neu in ein komplexes Thema finden zu müssen.

 

Für meine Einrichtung war es sicher nicht leicht, mir solch ein Arbeitszeitmodell anzubieten. Dass es geklappt hat, lag sicher auch daran, dass auch meine Region inzwischen vom Erziehermangel betroffen ist, von dem man so häufig in den Medien liest. Vor zehn oder auch nur fünf Jahren wäre mein Wunsch nach Stundenreduzierung vielleicht nicht erfüllt worden. Aber die Träger müssen heute schon sehr flexibel sein und oft Stellen aus Teilzeitverträgen "zusammenstückeln", um die geforderten Betreuungsschlüssel erfüllen zu können. Aus frühpädagogischer Perspektive wäre es freilich wünschenswerter, Vollzeitkräfte in die Gruppen zu stellen, die ihre ganze Kraft den Kindern widmen. Die gibt der Arbeitsmarkt nach dem raschen Krippenausbau aber nicht mehr in ausreichender Zahl her. Und die Politik hat es versäumt, mit den Betreuungseinrichtungen auch die Ausbildungseinrichtungen für Fachpersonal auszubauen.

 

Für mich kam diese erzwungene Flexibilität der Träger zur rechten Zeit. Gleichzeitig habe ich auch gespürt, wie viel dies den Mitarbeitern abverlangte. Denn auch ich musste mich damit auseinandersetzen, dass viele meiner Kolleginnen nur in Teilzeit anwesend waren. Das erforderte viele Absprachen und auch ein hohes Maß an Toleranz und Flexibilität. Ich bin dankbar, dass mein Team mich auf dem Weg zum Bachelor unterstützt hat und auch an meinem Studienfortschritt Anteil genommen hat. Das ist nicht selbstverständlich. Vor allem wenn man bedenkt, dass dieses Projekt das mittelfristige Ziel hatte, mich als Mitarbeiter zu verabschieden.

 

Perspektiven nach dem Studium:

 

Fast unmittelbar nach Abgabe meiner Bachelorarbeit ergab sich für mich eine Beschäftigungsmöglichkeit, die indirekt mit meiner Projektarbeit zusammenhing. Damals habe ich ja eine Steuersoftware für chronobiologische Experimente entwickelt. Im Moment mache ich etwas ähnliches für einen Neurobiologen. Mein Arbeitgeber ist also die örtliche Universität. Mit meinem Studienschwerpunkt Web- und Medieninformatik hat das wenig zu tun. Ich programmiere kleine Single Board Computer wie den Raspberry Pi. Weil das eine Menge mit Hardware zu tun hat, wäre es eigentlich besser, ich hätte technische Informatik oder Elektrotechnik studiert. Die Stelle ist in Teilzeit und befristet auf ein halbes Jahr. Ich sitze jetzt an drei Tagen pro Woche als einziger Informatiker unter lauter Biologen, die an sozialen Insekten forschen. Das ist ein spannendes Umfeld, weil ich unter sehr cleveren Leuten bin, die sich mit Inhalten beschäftigen, von denen ich keine Ahnung habe. Was mir fehlt, sind andere Software-Entwickler, von denen ich lernen könnte.

 

Nicht so beeindruckend ist meine Bezahlung. Da ich als Kindergärtner schon recht viel Berufserfahrung hatte, war ich in der tariflichen Eingruppierung schon ganz gut gestiegen. Man kann ja regelmäßig in der Zeitung lesen, dass Erzieher nicht so gut bezahlt werden. Und gemessen an einer Ausbildungszeit von 5 Jahren, von denen 4 nicht vergütet sind, ist da schon etwas dran. Umso überraschter waren meine Kolleginnen, dass ich im Kindergarten den höheren Stundenlohn erziele als an meiner neuen Arbeitsstelle.

 

Aus diesem Grund arbeite ich noch immer an zwei Tagen pro Woche im Kindergarten. Und freue mich auch jedes Mal darauf. Gleichzeitig fällt mir zum ersten Mal in meinem Leben auf, wie emotional fordernd diese Arbeit ist. Der Kontrast zu meiner neuen Arbeitsumgebung könnte kaum größer sein.

 

Bis zum Juni werde ich also zweigleisig fahren und habe die Chance, erstmals Code gegen Bezahlung zu schreiben. Bis dahin muss sich erweisen, ob es in meiner Region Unternehmen gibt, die auch einen Berufseinsteiger im mittleren Alter einstellen möchten.

 

Was ich aus dem Studium ziehe:

 

Aufgenommen habe ich mein Studium, weil ich nicht nur einen beruflichen sondern auch einen fachlichen Wechsel wollte. Ein wichtiger Grund dafür war, dass ich es für unwahrscheinlich hielt, die Arbeit als Erzieher im Gruppendienst bis zum regulären Renteneintrittsalter ausüben zu können. (Ich habe leider nur wenige Erzieherinnen erlebt, die bis zum vorgesehenen Ende durchgehalten haben.) Ein Maßstab für meinen Studienerfolg wird also sein, ob der Sprung auf ein anderes Gleis tatsächlich klappt.

 

Persönlich meine ich, stark davon profitiert zu haben, durch mein Studium viele neue inhaltliche Impulse und Perspektiven bekommen zu haben. Dadurch habe ich manchmal sogar neue Freude an meinem bisherigen Beruf gefunden. Nach einem Tag vor der Tastatur war es toll, am nächsten Morgen wieder eine Turnstunde zu leiten.

 

Natürlich bin ich mit diesem Studium ein bisschen "der bunte Hund" im Team. Kindergärtner, die berufsbegleitend studieren, gibt es häufiger als man denkt. Aber meistens werden sie Sozialarbeiter, Sozialpädagogen oder Kindheitspädagogen.

 

Insgesamt war es eine tolle Erfahrung, dieses Studium zu machen. Nach etwas mehr als 4 Jahren kann ich nun sagen:

"Ich bin Informatiker."

7 Kommentare


Empfohlene Kommentare

Toller Bericht und eine tolle Leistung, vielen Dank dafür! 

 

Schon sehr schade, daß die Bezahlung an der Uni so schlecht ist. Aber das hört man ja auch öfter. 

Sinnvoll wäre m. E. nach wenn du möglichst schnell in ein Unternehmen wechselst, bei dem du von Senior Entwicklern viel lernen kannst. 

Je nach Region sollten doch eigentlich die Jobaussichten auch im fortgeschritten Alter ganz gut sein. Kommt natürlich auch darauf an, welche Branche für dich interessant ist (Pharma?) und ob du für den Job umziehen würdest. 

 

 

Bearbeitet von Steffen85
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vor einer Stunde, Steffen85 schrieb:

Sinnvoll wäre m. E. nach wenn du möglichst schnell in ein Unternehmen wechselst, bei dem du von Senior Entwicklern viel lernen kannst.

Ja, das denke ich auch.

 

vor einer Stunde, Steffen85 schrieb:

Je nach Region sollten doch eigentlich die Jobaussichten auch im fortgeschritten Alter ganz gut sein. Kommt natürlich auch darauf an, welche Branche für dich interessant ist (Pharma?) und ob du für den Job umziehen würdest.

Aktuell möchte ich nicht umziehen, denn unsere Kinder stehen kurz vor ihren Schulabschlüssen. In ein bis zwei Jahren ist dieses Thema durch. Leider hat meine Partnerin einen Beruf, in dem man nicht so leicht eine neue Stelle findet.

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Gratulation. Eine tolle Leistung. Du hast dir im Studium ja auch mehr als die 180 Credits erarbeitet. Ich denke, dass deine Motivation, dein Wissenswille und dein Ehrgeiz gute Vorraussetzungen sind für eine Anstellung als "Programmierer". Ich wünsche dir einen guten und hoffentlich erfolgreichen Übergang in die IT-Arbeitswelt. 

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Gast

Geschrieben (bearbeitet)

Gratulation nochmal und schade für den wohl mittelfristigen Verlust durch dich am „Kindergartenmarkt“ - insbesondere als sowieso seltene Spezies des Erziehers. für mich weitaus wichtiger als all das IT Gedöns und das sag ich als ITler.

Bearbeitet von Muddlehead
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Hey kurtchen,

interessanter Rückblick.

 

Zitat

Angefangen hatte alles damit, dass ich als Kindergärtner auf der Suche nach einer interessanten Weiterbildungsmöglichkeit war.


Du bist Erzieher? Sehr sympathisch! :) 

Beste GRüße

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Vielen Dank für diesen ausführlichen Rückblick und Ausblick.

 

Mir ist bei deinen Blogbeiträgen oft aufgefallen, dass du für die Themen gebrannt hast und tiefer eingestiegen bist, als es rein für den Studienerfolg notwendig gewesen wäre. Ich glaube, dass dir das dann auch bei der Stellensuche zu Gute kommen kann, wenn du das rüber bringst.

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Wow. Ein wirklich sehr ausführliches Resümee. 🙂 Für mich stellt es sich so dar, dass der Studienabschluss ein echtes Upgrade für Deinen weiteren Berufs- und Lebensweg ist. Ich finde es auch interessant, wie sich Deine Sicht auf Deinen bisherigen Beruf verändert hat. Glaube die Distanz hat Dir auch ganz gut getan.

 

Zitat

Manche Module waren "schlecht gealtert"... Dringend überarbeitungswürdig gewesen wäre das Modul "Multimedia"

 

Das ist in einem IT-bezogenen Studiengang natürlich suboptimal. Ich denke halt, dass das auch daran liegen kann, dass hier Akkreditierung und Neuerungen von Lehrinhalten zeitlich nicht wirklich Hand in Hand gehen können.

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