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Covid-Intensiv-Erfahrungsbericht: Kapitel 2


Silberpfeil

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Corona Blues

 

Nun habe ich die erste Woche rum und war auch im Corona Bereich. Zur Zeit sind wir noch ziemlich gut besetzt, da die Kapazitäten nicht ausgelastet sind.

Wobei ja die zahlenmäßige Besetzung immer eine andere Sprache spricht, als der tatsächliche Arbeitsaufwand. Eigentlich klingt eine 1:1 Betreuung traumhaft, sagt aber nichts über den Arbeitsaufwand aus.

Ein kleines Beispiel aus dem pflegerischen Alltag dazu: an meinem ersten Tag übergab mir der Kollege den Patienten, dazu standen wir am Bett. Der Patient ist ziemlich groß und schwer, beatmet und in Narkose. Wir bemerkten, dass wir ihn säubern mussten und drehten ihn dazu ein kleines bisschen auf die Seite... woraufhin der Patient mit der Sauerstoffsättigung und dem Kreislauf sofort einbrach.

Natürlich reagierten wir sofort und leiteten alle notwendigen Maßnahmen ein, aber letzten Endes dauerte es zwei Stunden, bis der Patient sich wieder stabilisiert hatte.

 

Und das ist der Teil, den ich so gruselig fand, als ich gehört habe, dass mal eben so Pflegekräfte ohne Intensiverfahrung in Beatmungsgeräte eingewiesen werden. Es ist toll, wenn man weiß, wie die Knöpfe zu bedienen sind. Aber ohne Erfahrung mit solch hochkomplexen Krankheitsbildern werden die Kollegen da schnell an ihre Grenzen stoßen. Ich hoffe sehr, dass ihnen das auch gesagt wurde und sie nicht am Ende traumatisiert sind, weil sie im Ernstfall doch nicht helfen konnten.

 

Dazu kommt noch, dass man im Covid Bereich diese spezielle Schutzkleidung tragen muss: Kittel, die beschichtet und dadurch flüssigkeitsabweisend sind, Haube, FFP3 Maske und Schutzbrille oder Visier, da das Virus auch über die Skleren übertragen werden kann.

Man schwitzt schon beim Anziehen in der Schleuse, darf aber natürlich in diesem Bereich nichts trinken... was auch blöd wäre, weil man so nicht auf die Toilette gehen kann. Dafür muss man sich ablösen lassen und ausschleusen. Einmal draußen, schüttet man sich so viel Wasser rein, wie geht... nur damit man dann nach einer Stunde in der Iso feststellt, dass man wieder raus muss. Der ewige Kreislauf... 😁

 

Spaß beiseite... ich kann mir nicht mal annähernd den Horror in den Kliniken vorstellen, die voll ausgelastet und unterbesetzt sind. Denn es braucht einen bestimmten Personalschlüssel, um Pausen zu gewährleisten. Denn man schwitzt, dehydriert, und soll sich dabei aber trotzdem voll konzentrieren und auf den Punkt reagieren.🥵 Da braucht man einfach Pausen.

Lustig, dass gerade jetzt die tägliche maximale Arbeitszeit von 9 auf 12 Stunden angehoben wurde.🤦‍♀️ Das kann doch kein Mensch aushalten, ohne sich selbst zu schaden. Vielen Dank dafür an die Bundesregierung. Ich möchte nicht beklatscht, sondern mit vernünftigen politischen Entscheidungen unterstützt werden.

Zum Glück gibt es diese 12 Stunden Schichten bei meinem Arbeitgeber nicht. Wir werden zur Zeit eher behandelt wie Goldstaub, und da gehe ich tatsächlich gern arbeiten.🙂

 

Was mich persönlich betrifft, fühlt es sich an, als hätte mich die Station einfach absorbiert und als wäre ich nie weg gewesen. Es ist natürlich absolutes Luxus-Mimimi, aber es gab so zwei Tage, an denen mich der Corona Blues ziemlich im Griff hatte. Mein Leben hat sich von einem Tag auf den anderen um 180 Grad gedreht, ich kann meine Eltern und meinen Bruder nicht besuchen (Risikogruppe), und Konzerte oder Sport mit anderen ist gar nicht mehr möglich. Der Schichtdienst setzt mir auch zu, denn daneben komme ich zu kaum etwas. Weil ich das geahnt habe, habe ich meine Hausarbeit bereits fertig geschrieben.

Gemessen an den Problemen anderer Leute ist das natürlich nichts.

 

Und so oft ich über das deutsche Gesundheitssystem geschimpft habe, sehe ich doch zur Zeit auch sehr viele positive Seiten daran: Krankenversicherung für alle! In Deutschland bekommt jeder die lebensnotwendige Versorgung. Man muss nur zu den USA schauen... zivilisierte, aber bewaffnete Menschen mit einer 2-Klassen-Medizin. Schrecklich!

 

Was mir in diesem Zusammenhang zunehmend auf den Geist geht, sind diese chronischen Meckerer, selbsternannten Experten und Aluhutträger, die meinen, sie wüssten alles besser. Vermutlich sind das die ehemaligen Impfgegner, die jetzt eine neue Spielwiese gefunden haben.😉

 

Über Ostern habe ich  meine ersten Nachtdienste seit über einem Jahr! Mal schauen, wie mir das bekommt.

Passt auf euch auf!

Silberpfeil

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Bearbeitet von Silberpfeil

11 Kommentare


Empfohlene Kommentare

Ich bin als OP-Schwester im HNO-Bereich tätig und wurde jetzt dem Corona-Tracheotomie-Team zugeteilt. Noch gibt es bei uns keinen Bedarf und die Schutzanzüge, die wir tragen müssen, da wir ja am offenen Atemweg operieren, sind noch nicht eingetroffen, aber ein Exemplar habe ich schon gesehen. Erinnert ein bisschen an einen Raumfahrtanzug >.< Ich bin gespannt, aber nicht ängstlich. Wir werden eingewiesen in die richtige An- und Ausziehtechnik und wenn man dann mit Kollegen arbeitet, die entsprechend qualifiziert sind, scheint mir das Infektionsrisiko beherrschbar.

Deswegen empfinde ich diese Ideen mit dem „Beatmungsgerät-Hilfspersonal“ auch als wirklich gefährlich. Nicht nur für die Patienten, sondern auch für die Pflegenden selbst und ihre Kollegen.

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Danke für deinen Bericht. Ich kann mir das jetzt alles viel besser vorstellen und möchte gar nicht wissen, wie es gerade und auch schon die letzten Wochen in Italien und Spanien aussah...

 

Zitat

Und so oft ich über das deutsche Gesundheitssystem geschimpft habe, sehe ich doch zur Zeit auch sehr viele positive Seiten daran: Krankenversicherung für alle! In Deutschland bekommt jeder die lebensnotwendige Versorgung. Man muss nur zu den USA schauen... zivilisierte, aber bewaffnete Menschen mit einer 2-Klassen-Medizin. Schrecklich!

 

Das denke ich auch! Ich kenne ein paar Leute, die die USA für das gelobte Land halten und dort alles viel besser finden, auch das Sozialsystem, wegen "Eigenverantwortung". Ich frag mich, ob die ihre Meinung im Laufe dieser Krise wohl ändern werden...

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Diese Schutzanzüge erinnern mich so an den Film Outbreak. Nur ist es im Film Ebola und in Wirklichkeit Corona.

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vor 2 Stunden, ClarissaD schrieb:

 

Das denke ich auch! Ich kenne ein paar Leute, die die USA für das gelobte Land halten und dort alles viel besser finden, auch das Sozialsystem, wegen "Eigenverantwortung". Ich frag mich, ob die ihre Meinung im Laufe dieser Krise wohl ändern werden...

Eigenverantwortung ist immer schön für die, die es sich leisten können.

 

Wobei einige Wochen Krankenhaus, Beatmung und Intensivstation da wohl auch Besserverdiener an ihre Grenzen bringen...

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Gast

Geschrieben (bearbeitet)

Ich glaube, du musst das Bild noch etwas verkleinern. So auf 24 Zoll ist es beängstigend 😄 . Aber zumindest ist der Beweis erbracht - hinter Silberpfeil befindet sich ein echter Mensch 😉 .

Bearbeitet von Muddlehead
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Hammer das Bild, man denkt wirklich eher an eine Ebola-, Lassa- etc. Epidemie 😮. Aber ich bin froh, dass ihr so gut ausgestattet seid. Habe Berichte gelesen, wo es für Pfleger am Grundsätzlichsten fehlt und sogar die Chefärzte mit Masken nähen. 


Sehr spannend deine Berichte, ich hänge voll dran! :) 
 

Zitat

Was mir in diesem Zusammenhang zunehmend auf den Geist geht, sind diese chronischen Meckerer, selbsternannten Experten und Aluhutträger, die meinen, sie wüssten alles besser. 


Das ist wirklich unerträglich...
Und auch die Schlammschlachten, die sich die einzelnen Splittergruppen liefern. 😠 

LG + bleib gesund
 

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Wenn ich mir so vorstelle, ich müsste als "Fachdepp der Psychiatrie" an ein Beatmungsgerät, würde mir Angst und Bange werden. Auch ich habe mich ja damals aus einem guten Grund für die Psychiatrie entschieden und ich denke so geht es jeder Pflegekraft, die sich für eine Fachrichtung entscheidet. So wie viele sagen "Ich könnte Psychiatrie nicht", sage ich, ich könnte Intensiv-, Notfallmedizin oder Neurologie nicht. Ich kenne meine Fähigkeiten, meine Stärken, aber auch meine Schwächen. Aushelfen, unterstützen sofort. Aber ich halte es für falsch, Menschen zu überfordern. Vor allem, wenn es dabei um Menschenleben geht. Von der mangelnden Erfahrung mal ganz abgesehen. 

Im Moment erlebt man, was sich die letzten 15 Jahre im Gesundheitswesen entwickelt hat. Die Profitgier unter dem Mantel der Wirtschaftlichkeit hat einen Personalschlüssel möglich gemacht, der schon in Normalzeiten menschenwürdige Pflege kaum möglich macht. Nun versuchen Betreiber Pflegekräfte zu akquirieren, wo es nur geht. Gerade hier bei uns auf dem Land schwierig. Ich helfe am Wochenende jetzt stundenweise bei meinem alten Arbeitgeber in Bereichen aus, wo sie Personal für die Coronastation abgezogen haben. 

Ich verfolge Deinen Blog ja schon ein Weilchen. Ich fand Deine Motivation und Deine Art an Dinge heran zu gehen schon immer ansteckend. Für Dein Engagement in der aktuellen Lage, bewundere ich Dich sehr. Ich wünsche unserem Berufstand, dass dieser Einsatz nach Abflauen der Krise nicht vergessen wird und Pflegekräfte die Wertschätzung erhalten, die sie verdienen. 

Pass auf Dich auf und bleib gesund! Und für Deine Patienten einen positiven Verlauf und baldige Genesung. 

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vor 12 Stunden, Colle84 schrieb:

Ich wünsche unserem Berufstand, dass dieser Einsatz nach Abflauen der Krise nicht vergessen wird und Pflegekräfte die Wertschätzung erhalten, die sie verdienen. 

Daran glaub ich nicht. Ich bin seit 1.5 Jahren dabei und will nur noch raus. Gerne hätte ich Intensivpflege studiert, aber warum? Man bekommt nur Verachtung von allen Seiten. Und anstatt zusammen für den Beruf und sich selbst einzustehen, opfern sich die Kollegen bis zum bitteren Ende auf und hoffen das der Vorstand evtl vllt doch etwas für Sie macht, und checken nicht das Sie Frontfutter sind.

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@JonasWBH: Trotzdem haben sich viele aus bestimmten Gründen für diesen Berufszweig entschieden. Unabhängig vom Tun der Vorstände gibt ihnen der Beruf und der Patientenkontakt, das Helfen einfach sehr viel. Genau für diese Menschen hoffe ich, dass es eine Veränderung gibt! 

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Soll ja auch so sein aber unter den Kollegen herscht viel zu viel Uneinigkeit. Man müsste alle zusammenschließen und dann gemeinsam füreinander einstehen.

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Je mehr ich mitbekomme von dem, was du und natürlich auch deine Kollegen und Kolleginnen leisten und was es wirklich bedeutet so zu arbeiten, desto mehr steigt mein Respekt - und bei dir ganz besonders, dass du das freiwillig tust.

 

Bleib gesund und achte auf dich.

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