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Psychotherapeutenausbildung: Wie das so (ab)läuft


Vica

3.183 Aufrufe

Es ist der Corona-Sommer. Der Sommer der Kurzarbeit, Übergangsjacken (hier wird's partout nicht wärmer als 19 Grad) und zudem der letzte Sommer in "Freiheit" :) - danach beginnen laut meinem ausbildenden Institut die angeblich härtesten 3 Jahre meines Lebens. Die Verwaltungsmühlen laufen wegen Unterbesetzung und Urlaubszeit sehr langsam momentan, und so eine PP-Ausbildung bedarf zum Teil mehr behördlichem Papierkram, als ich ihn damals zum Standesamt schleppen musste. :D 
Selbst eine simple Zeugnis-Beglaubigung für's LPA brauchte 4 Wochen Vorlauf. 

Mittlerweile ist schon einiges klarer bezüglich der Ausbildung und ich habe meinen "Stundenplan", der ab Dezember beginnt :D Das gefällt mir, so kann man auch besser Urlaub und besondere Termine planen. 


Insgesamt sieht Belegung so aus (Achtung, kann sich von Institut zu Institut unterscheiden)

Block 1, Theorie

  • 600 Stunden
  • Betrifft den ganzen psychologischen Hintergrund
  • Gut finde ich, dass ich dazu nicht unbedingt pendeln muss, sondern die Theorie auch in einem Partnerinstitut hier in der Stadt besuchen könnte (je nach freien Plätzen natürlich). 

 

Block 2, Selbsterfahrung

  • 120 Stunden
  • Hier lernt der angehende Psychotherapeut, sein eigenes Verhalten zu reflektieren und zu ergründen. 
  • Je nachdem kann sowas vor Ort stattfinden, aber ich habe auch schon von Kursen gehört, die über ein Wochenende in die Berge fahren und sich dort in eine Hütte einschließen :D 

 

Irgendwo hier: Erste Zwischenprüfung. 

Block 3, Klinikjahr (PT1)

  • 1200 Stunden 
  • In einer Klinik mit eigenen Patienten, Gruppenleitung etc.
  • Viele fangen nicht erst hier an, sondern lassen sich vorher als klinischer Psychologe anstellen (schon in Block 1) und können sich diese Stunden uU auch für das Klinikjahr anrechnen lassen.
  • Für diese Tätigkeit sind qua Gesetz 1000€ Vergütung von den Krankenkassen vorgesehen worden, die aber nicht immer in diesem Umfang gezahlt werden. (Bis vor kurzem war es so, dass man hierfür zum Teil gar nichts bis 450€-Job-mäßig bezahlt wurde trotz laufender Kosten beim Institut).

 

Block 4, Klinikjahr (PT2)

  • 600 Stunden
  • Klinik, Lehrpraxis, Psychiatrie etc. 
  • Eigentlich soll das in einem anderen Institut als PT1 erfolgen (finde ich auch interessanter, um mehr Bereiche abzudecken bei der Ausbildung), aber aufgrund der Knappheit solcher Plätze, machen viele das auch bei ihrer PT1-Stelle
  • Diese Stelle MUSS nicht vergütet werden (die Vergütung gilt ausschließlich für PT1). Entsprechend hat man hier prekäre Verhältnisse (0 - 300 € scheint der Durchschnitt zu sein)

 

Block 5, Ambulanz 

  • 600 Stunden
  • Hier kümmert man sich um eigene Patienten, die überwiegende Mehrheit scheint dies in Lehrpraxen abzuleisten, geht aber auch in Kliniken, sofern sie Ambulanz-Patienten aufnehmen. 

 

Block 6, Supervision

  • 150 Stunden
  • Der Name ist selbsterklärend. Beratung und Reflexion durch einen anderen Psychotherapeuten (sozusagen dem Ausbildungsleiter unter den Psychologen)
  • Ich durfte da im Praktikum einige PiAs bei begleiten und finde das eine ziemlich gute Sache :D 

 

Frei Spitze

  • 930 Stunden
  • Quasi der Papierkram: Weiterbildung, Videos anschauen, Falldokumentation, Antragsstellung usw. 


Insgesamt ist das auf 3 Jahre angelegt. Aber die sind wohl insgesamt eher unrealistisch, da einem ja auch mal etwas dazwischen kommen kann. Man kann dies auch in Teilzeitmodellen mit insgesamt 5 Jahren machen. Wer zwischendurch unterbrechen muss (Schwangerschaft, Krankheit usw.) kann natürlich die gesamte Spanne der Übergangszeit nach neuem PsychThG nutzen, also quasi 7 Jahren +, aber wie genau das ganze läuft, kA. 

Der ganze Spaß kostet reduziert (da Eintritt in den gleichnamigen Interessensverein, ähnlich dem BDP) um die 19.000€ , weshalb von eurem Gehalt nicht super viel stehen bleiben wird :) Zudem gibt es aber die gute Nachricht, dass die Kliniken oft zwischenzeitlich die Ausbildungskosten übernehmen oder sich beteiligen. Ist nicht immer so.
 

Und nun nehme ich meinen Kopf wieder aus der Zukunft und komme mal wieder in der Gegenwart an, tatsächlich tippe ich noch bis Oktober an der Masterarbeit :D Man muss ja aufpassen, dass man den Wald vor lauter Bäumen nicht aus den Augen verliert. 

Euch ein schönes Wochenende, bleibt gesund + haltet zusammen. 

LG

Feature Foto: Anrea Piacquadio | pexels.com 


 

6 Kommentare


Empfohlene Kommentare

Viel Erfolg. Das hört sich nicht nach Zuckerschlecken an. Vor allem weil die Ausbildung erst nach dem Master stattfindet und vermutlich auf diesem aufbaut.

Bearbeitet von Skedee Wedee
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Zitat

laut meinem ausbildenden Institut die angeblich härtesten 3 Jahre meines Lebens

 

Na das ist ja eine tolle Begrüßung... Steckt da so eine preußische Einstellung von wegen "was mich nicht umbringt, macht mich stärker" dahinter? Zu angehenden Psychotherapeuten finde ich das eine wirklich seltsame Aussage. 

 

Und zu den Kosten und allgemeinen Bedingungen dieser Ausbildung sage ich mal lieber nix, darüber habe ich mich in meinem Leben schon genug aufgeregt ;) 

Aber ich will hier nicht so negativ schreiben, ich freu mich immer noch sehr für dich, dass du den Weg zu deinem Traumberuf gefunden hast, und bin überzeugt, dass du darin auch deine Erfüllung finden wirst 😀

 

Bearbeitet von ClarissaD
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Sehr interessanter Überblick - das zeigt auch gut, was die Ausbildung zusätzlich zum Studium bietet, und auch zu manchen anderen psychologischen Ausbildungen, die so angeboten werden.

 

Ich bin gespannt, wie das bei dir so werden wird.

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vor 10 Stunden, ClarissaD schrieb:

Na das ist ja eine tolle Begrüßung... Steckt da so eine preußische Einstellung von wegen "was mich nicht umbringt, macht mich stärker" dahinter? Zu angehenden Psychotherapeuten finde ich das eine wirklich seltsame Aussage. 

 

Man soll sich nichts vormachen. Eine Therapieausbildung ist kein Zuckerschlecken, sowohl vom Zeitaufwand als auch von der psychischen Belastung.

 

Ich habe eine dreijährige Familientherapieausbildung gemacht. Die war längst nicht so umfangreich wie die Ausbildung, die Vica hier beschreibt. Aber das erste Jahr war schwerpunktmäßig Selbsterfahrung - und das war für jeden hart. Da kommt man an Grenzen, das tut weh. Da soll man sich nichts vormachen!

 

Was die Kosten angeht: Was wäre denn für solch eine Therapieausbildung ein angemessener Preis, Clarissa? Und wie sollten die Bedingungen aussehen?

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vor 1 Stunde, KanzlerCoaching schrieb:

Man soll sich nichts vormachen. Eine Therapieausbildung ist kein Zuckerschlecken, sowohl vom Zeitaufwand als auch von der psychischen Belastung.

 

Das ist klar, aber Aussagen wie "die härtesten x Jahre des Lebens" empfinde ich nicht als besonders objektiv. Es klingt fast wie eine Art von morbider reißerischer "Werbung". Man könnte auch einfach möglichst sachlich über die Herausforderungen informieren. Aber ich weiß natürlich nicht genau, in welchem Kontext diese Aussage gefallen ist.

Außerdem bezieht sich die Härte oft auch gar nicht auf die Inhalte der Ausbildung, sondern auf die äußeren Bedingungen, siehe unten.

 

vor 1 Stunde, KanzlerCoaching schrieb:

Was die Kosten angeht: Was wäre denn für solch eine Therapieausbildung ein angemessener Preis, Clarissa? Und wie sollten die Bedingungen aussehen?

 

In Deutschland ist es meines Wissens nach normalerweise nicht üblich, dass die Kandidaten die Kosten für eine Berufsausbildung überhaupt selbst tragen. Es handelt sich ja nicht um eine x-beliebige Weiterbildung, sondern um die Voraussetzung, den Beruf Psychotherapeut überhaupt ausüben zu können. Vergleichbar ist das ja z.B. mit einer Facharztausbildung oder mit einem Referendariat bei Juristen oder Lehrern. Daher finde ich es schon mal nicht nachvollziehbar, wieso die Kosten den Kandidaten überhaupt selbst auferlegt werden.

 

Und skandalös finde ich, dass die PiAs im Rahmen der Ausbildung oft von Anfang an wie volle Kräfte eingesetzt werden und dafür nichts verdienen. Dass jetzt 1000€ (brutto?) ins Gesetz aufgenommen wurden und das als Fortschritt gilt, zeigt ja schon, wie niedrig der Standard dort ist. Man bedenke: Das sind Leute mit einem Masterabschluss, die in einem anderen Bereich ein ganz normales Akademiker-Gehalt bekommen würden und mit denen die Kliniken häufig fest rechnen (als Grund gegen die bessere Bezahlung von PiAs wurde in der Debatte ernsthaft angeführt, dass dann die Versorgung nicht mehr funktionieren würden, weil die Kliniken auf die nicht-bezahlten PiAs angewiesen sind...).

 

Dieses Missverhältnis von hohen Kosten, die selbst getragen werden müssen, und keiner bis geringer Bezahlung bei faktisch häufiger Übernahme einer (Fast-)Vollzeitstelle finde ich einfach völlig unangemessen. Mir fällt auch kein anderer Beruf ein, in dem das so gehandhabt würde. Die Bedingungen sollten meiner Meinung nach so aussehen, dass die PiAs für ihre Arbeit entsprechend dem normalen Tarif bzw. entsprechend ihrem Grundberuf bezahlt werden und dass sich die Kliniken an den Ausbildungskosten zumindest zu großen Teilen beteiligen. Mit der Gesetzesreform soll zumindest der erste Teil davon ja auch umgesetzt werden.

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Gast

Geschrieben (bearbeitet)

Ehrlichen Respekt an deine Motivation, dass noch hinterher zu schieben! Da merkt man deine Leidenschaft für den Bereich, monetär dürfte sich dieser immense Lebenszeiteinsatz sicher nicht lohnen. Aber das muss auch keine entscheidende Faktor für einen sein.

Bearbeitet von Muddlehead
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