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Was macht ein klinischer Psychologe? Meine Aufgaben


Vica

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Das Studium klinische Psychologie war lang und hart, das Einschreiben in den Schwerpunkt mit zusätzlichen Hürden verbunden. Viele belegen das Fach, weil es Voraussetzung für die Psychotherapeutenausbildung ist. Dabei lernt man erstaunlich wenig darüber, was man in der Zwischenzeit so als klinischer Psychologe überhaupt tut 😁 Das kann natürlich von Klinik zu Klinik auch variieren, aber ich merke bei meinen "Mit-Azubis" aus dem Kurs, dass es sich doch überall überschneidet. 

 

Zusammenarbeit mit den Ärzten

Meine direkten Teampartner sind die Stationsärzte (nein, es gibt keine Hierarchien!). Sie brauchen meine Meinung z.B. hinsichtlich Suizidalität, Konsumverhalten oder dem Vorhandensein von Störungsbildern, um die Medikation anzupassen. Kurzum: Die Ärzte unternehmen nichts ohne mich und ich wiederum nichts ohne sie. Hört ein Patient z.B. Stimmen, schicken sie ihn zu mir. Ich kläre es ab und verweise wiederum auf die Ärzte, wenn es um die Medikation geht. Diese Teamarbeit macht mir großen Spaß und umgekehrt ist es genau so. Man fühlt sich wie eine Forschergruppe. Sind wir tatsächlich alle ratlos, wird noch der Oberarzt und/oder der Chefarzt hinzugezogen. 

 

Explorieren

Hier wird mit qualifizierter Gesprächsführung herausgefunden, wie sich gewisse Sachverhalte beim Patienten darstellen. Konsumiert er? Eigen- oder Fremdgefährdung? Suizidal? Wahnhaft? Usw. Sehr wichtig ist dabei eine guter Zugang als Therapeut. Wir orientieren uns dabei an einem Erfassungssystem für den psychopathologischen Befund, das AMDP-System, welches im klinischen Schwerpunkt auch Thema war. 

Fremd-Explorieren

Das ist Explorieren mittels Hilfe von Angehörigen, wenn der Patient nicht in der Lage ist, sich zu äußern. Dazu muss eine Schweigepflichtsentbindung vorliegen. Wenn nicht, ist sie sehr schwierig durchzuführen; man muss hoffen, Informationen zu bekommen, ohne gleichzeitig zu sagen, wofür. Zum Glück seltener Umstand. 

 

Testdiagnostik 

Ich führe regelmäßig Testungen durch auf psychische Krankheiten, z.B. das Korsakow-Syndrom, Dissoziative Persönlichkeitsstörung, schwere Depression, aber auch auf ADHS, Intelligenzminderung usw. Darauf wird man in Testtheorie vorbereitet, es lohnt sich schon während des Studiums hier sehr sorgfältig zu lernen. Die Tests sehen unterschiedlich aus. Manche sind Testbatterien, bestehend aus Fragebögen, Merkfähigkeitsaufgaben, aber auch z.B. Muster legen. Die dauern mitunter Stunden. Andere sind Screeningfragebögen, da geht es um die Selbsteinschätzung der Patienten. In der Regel sind sie skaliert. Testergebnisse sind wichtig für die Krankenkasse und die Anschlussperspektive, so z.B. auch für den Sozialarbeiter. 
(Und ja, die Auswertung erfolgt statistisch!) 

 

Therapeutische Gespräche

Diesen Part lernt man im Studium nicht, dafür während der PP-Ausbildung. Sie dauern idR 25 oder 50 Minuten, je nachdem, was die Kasse für die Störungsbilder eurer Station so vorsieht. Therapieintensive Stationen haben auch 100 Minuten. Je nachdem, welches Krankheitsbild der Patient hat, sind die Gespräche mal sehr niederschwellig, mal fordernder (z.B. Situationsanalysen). Ich empfinde das als schönsten Teil der Arbeit und musste sehr drum kämpfen, diesen weiter auszubauen. 

 

Aufnahmegespräche

Mit dem Stationsarzt zusammen. Direkt nach Einlieferung geht es dann ins Untersuchungszimmer. Der Arzt untersucht körperlich, der Psychologe stellt Fragen zur Anamneseerhebung und beschreibt den Zustand des Patienten. 

 

Spontane Krisenintervention

Bedeuten bei uns z.B. Selbstmorde verhindern. In heiklen Situationen, wo ein Patient sterben möchte, greift man ein. Zum Glück gibt es auf einer geschlossenen Station natürlich nicht viele Möglichkeiten, dies auch umzusetzen. Dennoch versucht man, hier einzugreifen. Ich habe diese Deeskalationsaufgabe noch um "Fixierungen vermeiden" erweitert. Häufig lässt sich eine Fixierung/Sedierung doch noch verhindern, wenn man ruhig zuredet (aber natürlich nicht immer). 

 

Gruppentherapie

Gab es auf meiner Station nicht mehr, habe ich daher eingeführt. Mit ziemlichen Erfolg. Hier führen wir Psychoedukation (Aufklärung über Krankheiten) durch oder machen daraus offene Runden. Häufig gibt es ein Thema, z.B. Abstinenzmotivation und wir sammeln gemeinsam. Hier sind ein wenig Entertainer- und Lehrpersonal-Qualitäten gefragt. Ebenfalls ein sehr schöner Teil der Arbeit. 

 

Anhörungen mit Richtern 

Regelmäßig haben wir Richter auf der Station, die darüber entscheiden, ob eigen- und fremdgefährdete Personen mittels Unterbringungsbeschluss bei uns verweilen. Sie müssen aber auch Fixierungen/Sedierung zustimmen. Die Runde besteht dann aus den Ärzten und mir, zuvor auch aus dem Patienten, da die Richter ein persönliches, medizinisches und psychologisches Urteil wollen. Diese Gespräche gestalten sich oft etwas schwierig, weil Richter keinerlei psychiatrische Kenntnisse haben und z.B. bei sehr fassadären Krankheitsbildern (z.B. Schizophrenie) Schwierigkeiten haben, die Fassaden zu unterscheiden. Insgesamt habe ich hier aber nur gute Erfahrungen gemacht. Es wurden in meiner Zeit hier noch keine leichtfertigen Urteile gefällt. 

 

Psychopathologischer Befund und Entlassbericht diktieren

Für mich der schwierigste Teil der Arbeit. Hier wird der ganze Behandlungsverlauf anhand der Akte zusammengefasst. Man hat nie Zeit dafür, zudem fehlt mir das Wissen über Medikamente so sehr, dass ich viel Zeit brauche, um alles nach zu recherchieren. Ich teile mir die Briefe mit den Stationsärzten auf. Kontrolliert werden sie vom Ober- oder vom Chefarzt. Ist was falsch, kriegt man es gnadenlos um die Ohren gehauen. Bei uns achtet der Oberarzt auch auf Ausdruck, Grammatik usw. Ich bekam anfangs viele wieder zurück. Mittlerweile gelingen sie mir sehr gut. Ich war so frei, sie sogar um einen Punkt zu ergänzen, nämlich die psychologischen Interventionen. Hat keinen gestört, im Gegenteil 😁 Wir hatten während der PFH solch ein Schreiben als Projektarbeit, doch leider hatte ich bis dahin den Großteil wieder vergessen. 

 

Übergabe (2x täglich)

Hier redet das gesamte Team (inkl. Pflege, Sozialarbeiter usw.) über jeden Patienten auf Station. Es geht um Beobachtungen, Medikation. Psychologenmeinungen waren hier eigentlich nicht so gefragt. Das habe ich direkt geändert und trage nun auch meine Arbeit vor, was sehr gut ankam.  

 

Vorträge auf Klinikkonferenz 

Na, wer hat gedacht, dass er keine Präsentationen mehr halten muss, wenn das Studium vorbei ist? 😁 Wir müssen regelmäßig unsere Stationsarbeit vorstellen, und zwar vor dem versammelten Rest aller Klinikmitarbeiter. Häufig sind diese Präsentationen direkt aus der Hölle. Ich hingegen trage erstaunlicherweise recht gerne vor und fühle mich da durch die extrem häufige Anwendung bei der PFH mittlerweile routiniert. Das Ganze findet wieder am Podium in einem riesigen Zuschauersaal statt. Das mach mir keine Angst (mehr). Bammel habe ich meistens vor technischen Dingen. Bisher ging aber alles gut. 

 

 

Ein kleiner Abriss der Arbeit, die man so tut; nicht mit einbezogen habe ich Tätigkeiten wie Konferenzen, Sondersitzungen, Dokumentation aller Gespräche, die Verhandlung von Verlegungen, meine eigenen Fallberichte für die Ausbildung etc. pp. Wie gesagt ist das überall anders, aber in etwa könnt ihr erwarten, dass euch auf Station ähnliche Aufgaben erwarten.

Bleibt optimistisch & haltet zusammen,
LG

Feature Foto:
Gustavo_Fring/pexels.com 

 

4 Kommentare


Empfohlene Kommentare

😀

Wow,  das ist mal wieder total spannend! Ein paar Sachen sind dabei, bei denen ich erst mal schlucken musste - Krisen-Intervention, Suizidalität abklären... klingt schon heftig, vor allem als Berufsanfängerin. Irgendwie finde ich es fast "lustig", dass du die Bürokratie als das schwierigste empfindest, obwohl da ja - von außen betrachtet - die Verantwortung viel geringer ist, vor allem wenn es noch mal überprüft wird. Aber ich kann mir schon vor stellen, dass sich das von innen ganz anders anfühlt.

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Klingt nach sehr ausgefüllten Tagen und einer sehr vielseitigen Tätigkeit. Erneut vielen Dank für Deine Einblicke.

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