Zum Inhalt springen

Die lieben Arbeitskollegen (Who is Who auf Station)


Vica

449 Aufrufe

Auch auf die hat das Studium klinische Psychologie nicht im Geringsten vorbereitet 😁 Dabei wäre tatsächlich ein Exkurs im Thema "Stationsablauf" gar nicht so übel, um mal einen groben Überblick zu bekommen. Für alle angehenden (klinischen) Psychologen hier also ein kleiner Überblick, wer auf Station wer ist. 
(Natürlich nur wieder auf uns bezogen, variiert überall leicht) 

Klinikleitung
Die Klinikleitung ist jemand, den man nur aus Sagen und Legenden kennt. Sie trifft alle Entscheidungen für jede Station und die Zukunft des Hauses, hat aber überhaupt gar keine Bodenhaftung zur Station. Viele wissen nicht mal den Namen der Leitung und wer überhaupt dahinter steckt. Nicht mal wo sein Büro ist ist bekannt, und seine Telefonnummer kennt nur die Verwaltung. Ist nur in seltenen Fällen ein Arzt, häufig eher betriebswirtschaftlicher Lebenslauf.
Hat bei uns so in etwa den Rang einer Sagengestalt à la Loreley. Gibt es ihn wirklich? Einige haben ihn mal gesehen, aber kann man das glauben?...

Direktor
Sozusagen der Chef aller Chefärzte. Der Direktor ist zwar nie auf Station, dennoch omnipräsent. Er veranstaltet und leitet Klinikkonferenzen und verschickt regelmäßig Rundmails, wo z.B. wichtige Dinge wie Kündigungen, Stationszukunft oder Dienstpläne angesprochen werden -  wodurch alle an seinen Lippen hängen. Er gibt auch regelmäßig Zeitungsinterviews und ist überhaupt das mediale Gesicht der Klinik. Ist wie gesagt Arzt, auf den Stationen sieht man ihn hingegen aber nie. 

Hat sowas wie den Status von Gott, manche erstarren richtig in Ehrfurcht, wenn sie ihm zufällig begegnen. 

Chefarzt
Dem Chefarzt unterstehen alle Stationen eines Klinikteils (z.B. Allgemeinpsychiatrie, 4 Stationen oder Suchtklinik, 5 Stationen etc.). Er ist auch ein wenig sowas wie Gott. Wenn er seinen Besuch ankündigt, fangen alle nervös an, aufzuräumen etc. Hat so eine gewisse Autoriät, die er vor sich herschiebt, ist wissenstechnisch brillant, aber gefürchtet für seine Kritik. Auf Station ist er eher selten zu sehen, aber immerhin zum Fixtermin, nämlich der Chefarztvisite. Er ist sowas wie der direkte Vorgesetzte der Psychologen + Stationsärzte und untersteht nur dem Direktor. Heißt: Krankmeldungen, Kündigungen etc. gehen alle an ihn. Anders als der Direktor schlüpft er manchmal aber dennoch in die Rolle eines Stationsarztes, z.B. um den Oberarzt zu vertreten. Kommt gut aus mit anderen Ärzten, hält aber nicht so viel auf die Meinung der anderen Stationsmitarbeiter.  

Oberarzt 
Ist sozusagen der Kopf aller Stationsärzte einer Station. Ist ein Facharzt und als solcher höhergestellt als die normalen Stationsärzte, Der Oberarzt ist freilich kein Chefarzt, aber die Grenzen verschwimmen total. Er ist direkter Teampartner des Chefarztes, doch letzterer ist zu selten da, um wirkliche Teamarbeit zu leisten. Sieht sich aber auch als direkter Vorgesetzter der Psychologen. Ein Posten mit viel Aktivität, aber im Gegensatz zum Chefarzt sehr nahbar. Der Oberarzt ist immer zugänglich. Er macht neben Visite auch Kurvenviste, Entlassungsplanung, spricht regelmäßig auch Patienten, aber nicht so oft wie z.B. Stationsärzte.  Greift auch aktiv in die Ausbildung des Psychologen ein, hilft, verwaltet und organisiert. Hält viel von der Meinung anderer Stationsmitarbeiter. 

 

Stationsarzt

Ärzte, die noch jung und noch "unverbraucht" sind, es gibt aber welche, die auch 50+ sind. Arbeiten unglaublich hart und effizient. Haben dasselbe Aufgabengebiet wie der klinische Psychologe, bloß dass er medikamentös vorgeht und keine psychologischen Interventionen anbietet. Arbeitet als direkter Teampartner des klinischen Psychologen. Fehlt einer von beiden, wird es für den anderen schwierig. Ist auch sehr eng mit der Pflege; sind optisch oft nicht von der Pflege zu unterscheiden, da sie dasselbe tragen. 

Psychologische Psychotherapeuten (Approbierte)

Haben ähnliche Kompetenzen und Zuständigkeitsbereiche wie der Oberarzt. Ihre Arbeit ist im Gegensatz zum Psychologen mehr therapieintensiv, also auf Patientengespräche und Gruppen ausgerichtet, weniger das Drumherum wie psychopathologische Befunde und überhaupt die ganze Diagnostik. Leiten bei uns Supervisionen, also die "Therapie" für die Psychotherapeuten in Ausbildung. 
Direkter Vorgesetzter und direkter Teampartner ist der Chefarzt; kommen aber besser mit dem Oberarzt klar.  

 

Psychologen
Was genau ein klinischer Psychologe macht, habe ich hier etwas intensiver beschrieben:


Sozialarbeiter
Meistens der Held/die Heldin der Station. Hat unglaublich guten Draht zu Patienten, Pflege UND ärztlich-therapeutischen Personal. Für die Patienten der greifbarste Mitarbeiter, da diese natürlich viele Angelegenheiten regeln, mit denen der Patient nicht mehr klarkommt: Pflegegrad, Heimanbindung, Geld, Langzeittherapiemaßnahmen. Besichtigt auch noch Unterbringungen mit Patienten und organisiert Veranstaltungen. Löscht nebenher noch kleine Brände, z.B. Teamkonflikte, setzt sich wie ein Anwalt für Mitarbeiterbelange beim Chefarzt an. Braucht regelmäßig psychologische Gutachten. Hat besonders guten Draht zum Pflegepersonal und ist skeptisch gegenüber Psychologen.
Es lohnt sich, sich mit dem Sozialarbeiter gut zu stellen und gleich mit ihm ein Team zu bilden!  

Pflege
Tragen die gesamte Station auf ihren Schultern. Leisten Übermenschliches vom Arbeitspensum. Haben oftmals unglaublich breites medizinisches Wissen, haben Präsentationstalent (Übergabesituationen) und sind die größten Arbeits-Organisationstalente, die ich kenne. Haben einen sehr kumpelhaften Draht zu den Patienten und in Krisensituationen immer eine Lösung. Erscheinen gegen Ekel absolut immun und sind vor allem bemerkenswert mutig. Sind im Grunde dauerüberlastet, machen trotzdem Überstunden bis zum Mond. Eine ganz faszinierende Gruppe, von der man selbst viel lernen kann. 
Sind skeptisch gegenüber Ärzten und Psychologen (gut stellen sehr wichtig!). Werden vom Chefarzt leider nicht ernst genug genommen und daher oft nicht gut auf diesen zu sprechen. 

Pflegeleiter
Ist sozusagen der Chefpfleger der Station, aber nicht deren Vorgesetzer, sondern ein Primus Inter Pares. Hat ein unglaubliches Organisationstalent und bildet eine kommunikative Brücke zwischen allen Stationsangehörigen. Kann auch gut mit allen Arztversionen und Psychologen. Kümmert sich und ist ein absoluter Macher. Setzt Belange aller Mitarbeiter beim Betriebsrat durch.  

   

Putzpersonal 
Meine Hochachtung vor allen, die im Krankenhaus putzen. Gerade bei Patienten, die keine Kontrolle mehr über ihre Körperausscheidungen haben, sind sie sehr häufig im Einsatz. Mit dem Putzpersonal am besten gleich gut stellen. Ich mache manchmal Pause mit ihnen. Haben sehr guten Draht zu den Patienten. 

Richter & Polizei
Sind keine wirklichen Mitarbeiter unserer Station, aber mehrmals täglich bei uns, so dass man häufig per Du ist. Sie haben gar kein Wissen über psychische Erkrankungen, entsprechend distanziert ist natürlich der Patientenkontakt.  


Dies  also mal als "kleiner" Überblick aller wichtigen Organe, die eine Station zusammenhalten. Bestehende Hierarchien sollte man meiner Meinung nach ignorieren und jeden auf Augenhöhe betrachten und entsprechend ernst nehmen. Das gilt auch für das Putzpersonal. So erreicht  man nicht nur die beste Stimmung, sondern auch die effektivsten Ergebnisse. Und das kann der Station schonmal den Hintern retten, wenn sie von der Schließung bedroht ist. 

LG 

Feature Foto: Tima_Miroshnichenko/pexels.com 

Bearbeitet von Vica

3 Kommentare


Empfohlene Kommentare

Ich fand deinen Schreibstil schon immer genial, aber man merkt wirklich, dass du dich auch in den Schreiblehrgang reinkniest! :)

 Lese deinen Blog sehr gern!

Link zu diesem Kommentar
vor 2 Stunden hat lukasvagyok geschrieben:

Ich fand deinen Schreibstil schon immer genial, aber man merkt wirklich, dass du dich auch in den Schreiblehrgang reinkniest! :)

 Lese deinen Blog sehr gern!

Dem schließe ich mich absolut an! Wenn Du mal ein Buch schreiben solltest, bin ich auf jeden Fall Kunde.

Auf jeden Fall ein sehr spannender Einblick in die (für mich nicht ganz so) fremde Welt der Psychiatrie. Auch wenn das nicht mein Fachbereich war, gibt es sehr viele Überschneidungen. Und wie Du schon schreibst, schade, dass  man im Studium nicht auf diese Welt vorbereitet wird.

 

Link zu diesem Kommentar

Ich liebe Deine Berichte. Toll, wie Du das Gelernte aus dem Studium in die Praxis umsetzt und uns dabei mitnimmst. 
Ich überlege schon lange, ob ich nach dem Master genau so fit sein werde wie Du. Einer meiner Schwerpunkte ist zwar Klinische, aber das scheint mir nur marginale Kenntnisse zu vermitteln, obwohl ich mich tatsächlich reinhänge. Aber ich habe ja noch ein Jahr.

Oder hast Du da Geheimtipps?

Link zu diesem Kommentar

Erstelle ein Benutzerkonto oder melde Dich an, um zu kommentieren

Du musst ein Benutzerkonto haben, um einen Kommentar verfassen zu können

Benutzerkonto erstellen

Neues Benutzerkonto für unsere Community erstellen. Es ist einfach!

Neues Benutzerkonto erstellen

Anmelden

Du hast bereits ein Benutzerkonto? Melde Dich hier an.

Jetzt anmelden



×
  • Neu erstellen...