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Wie Seminar-Präsenztage aussehen


Vica

399 Aufrufe

Am Ende war es ein kleines Sommermärchen: Die Theorie-Ausbildungsseminare fanden nach einem langen Online-Winter und Frühling wieder in Präsenz vor Ort statt. Es gab grünes Licht vom Landesprüfungsamt für Ärzte und PPs. Viele hat es sehr gefreut, alle wieder in Natura zu sehen. 
Jetzt geht unsere Ausbildung aber wieder in den Lockdown, d.h.: Ende mit Präsenz - wir sehen uns online!
Aber was machen wir da eigentlich genau, in dieser Präsenzzeit, bzw. was haben wir bisher gemacht?
Ein kleiner Überblick nach fast 1 Jahr Theorie-Seminaren: 

Wann?
Der Rhythmus ist zweiwöchentlich, manchmal aber auch mal nur alle 3 Wochen oder - wenn man Glück hat und bisher keins verpasst hat - auch mal nur 1 im Monat. Da unser Ausbildungsinstitut kapazitätentechnisch im Moment aus allen Nähten platzt, wurden manche Kurse auch schon vor dem aktuellen Ausbildungs-Lockdown online abgehalten. 
Seminare gehen von freitagmorgens oder bis Samstagabend oder bis zum Morgen des Sonntags.  Typische Zeiten sind: 9:30 bis 18:30 oder 11:00 bis 20:00. 
...so läuft das jetzt noch bis Ende 2023! 😅:rolleyes:

Ort:
Unser Institut hat mehrere Ambulanzen, in dem auch Patienten empfangen werden, und in einem der 4 ist dann abwechselnd das jeweilige Seminar. Die Ambulanzen kann man sich wie normale Arztpraxen vorstellen. Manche sind mitten in der Stadt, manche außerhalb. In unserem Fall muss man auch erst tatsächlich am zum Teil sehr vollen Wartezimmer vorbei watten und stiefelt dann in einen hinteren Teil, der nur Mitarbeitern zugänglich ist. Hier befinden sich neben den Behandlungsräumen dann Seminarzimmer. Für jede Gruppengröße was dabei. Die Zimmer sind typische Seminarräume, wie sie häufig in Fortbildungen genutzt werden. 

Wer doziert? 
Es gibt ein Seminar zu ziemlich vielen Themen aus der Psychotherapie, aber auch Medizin (meisten Psychopharmakologie) und Rechtsthemen. Die Seminarleiter arbeiten quasi nebenher für das Institut und verdingen sich hauptberuflich in Praxen, Unis, Kliniken (meist aber nur die größeren, z.B. Charité) . Es sind fast immer Oberärzte, Professoren, niedergel. Psychotherapeuten, Chefärzte (in der Reihenfolge). In Rechtsseminaren sind es häufig Anwälte

(davon häufig Syndikusanwälte). Rechtliche Seminar-Themen sind etwa: Arzthaftungsrecht, Schweigepflicht, aber auch Praxisgründung, Haftungsfälle usw. Diese Leute sind zum Teil auch für andere Institute und Ausbildungsverbände tätig. 
Es handelt sich aber fast immer um Koryphäen auf dem jeweiligen Gebiet: Im Seminar um Suizidalität hatten wir z.B. eine Psychologin, Notfall-Helferin für ein gewisses Einzugsgebiet ist. Viele dieser Leute sind in ihrer Welt auch prominent, haben Podcasts bei großen Zeitungen, in der Forschung tätig und fast alle haben Literatur herausgebracht (wie viele Leben braucht man dazu wohl?).

Ablauf eines Seminartages:
Fast jedes Seminar beginnt mit einer Vorstellungsrunde. Heißt, man plaudert also reihum, wer man ist, wo man arbeitet und welche Fragen und Ansprüche man vielleicht im Vorfeld an das Seminar hat. Sich bei jedem Seminar erneut vorzustellen macht schon Sinn, weil wir keinen Dozenten zweimal haben und sich auch oft Gasthörer bei uns befinden (das sind Leute, die zu einem anderen Kurs gehören, aber dieses Seminar im Vorjahr verpasst haben und nun nachholen). 
Die Fallstricke und Herausforderungen anderer in deren Kliniken sind auch sehr interessant.

Nach der Vorstellungsrunde beginnt uneeeeendlich viel Theorie (Studien, Psychotherapieforschung, Medizin, viel Statistik, aktuelle Literatur <- keine Sorge, man hat NACH dem Studium und Prüfungsleistungen einen entspannten Bezug dazu). Das ist mal mehr, mal weniger interessant, je nach "Unterhaltungstalent" des Dozenten*der Dozentin. Ich habe gemerkt, dass ich mehr damit anfangen kann, wenn immer mal wieder kurz Zwischenfragen gestellt werden, wie man das findet.

Nach dem Theorieblock geht es in den Praxisblock. Hier bilden sich Kleingruppen und fast immer wird das Folgende im Laufe des Tages abgedeckt:

  • Flipchart oder Power Point Präsentation erarbeiten 
  • Schauspielerische Einsätze. Einer ist Patient, der andere Therapeut, der dritte ist Beobachter, der am Ende Feedback gibt (ich spiele btw besonders gerne Patienten :-) Insgeheim bringe ich auch manchmal ein echtes Problem aus dem Alltag rein, hehe).
  • Intensive Diskussionsrunden zu gewissen Fragestellungen (mag ich am liebsten)
  • Arbeitsblätter ausfüllen und später vorstellen
  • Exkursion, also z.B. in Kleingruppen spazieren gehen und sich da mal gewissen Herausforderungen stellen, um über die eigenen Grenzen zu gehen. Z.B. sich im Geschäft intensiv beraten lassen und dann doch etwas ablehnen usw. Wird weniger genutzt seit Corona.

Die Kleingruppen finden in einem der anderen Räume statt, sofern da nicht gerade Therapien laufen. Der Dozent selbst rotiert zwischen den Räumen und gibt Tipps und Hilfestellungen. 

 

Pausen:
Die einzigen Fragen, die Leute zu Beginn stets haben, ist, wie die Pausenregelung so aussieht 😁 Oft haben wir mehrere 10-Minuten Pausen. Zum Mittag einigen wir uns oft auf 1 Stunde Pause, was etwas wenig ist, angesichts dessen, dass man eigentlich 2 Stunden hätte. Aber ihr ahnt es vielleicht schon, dafür kann man früher Schluss machen...
Eine Pause kann aber unheimlich toll sein, z.B. wenn man die Zeit findet, mal Pizza essen zu gehen. Das bleibt auch lange in Erinnerung hängen. Oft schaffen wir das aber nicht, und großartig vorgekocht hat auch keiner, da er davor ja eine harte Arbeitswoche hatte. Also bleibt es oft bei: Brötchen und Sandwiche aller Art und alles, was Bäcker und Netto so herhalten...(meistens eher unbefriedigend, wenn man gerne Mittagstisch hätte, aber es geht).  
Zwischen den Pausen kann man auch immer wieder rausgehen. Es stehen dutzende Kaffeemaschinen, Tee, Nervennahrung usw. bereit.

Abschluss:
Am Ende gibt es immer Feedback-Runden. Der Dozent will wissen, was gut war, was er besser machen kann usw. usf. Meistens will niemand der Erste sein, der sich meldet. Ich bin oft so durch am Ende eines Tages, dass ich keine Kapazitäten im Oberstübchen mehr frei habe, da viel zu sagen - ich bin aber meistens auch einfach zufrieden und äußere das so. Kritisch fällt mir oft auf, dass viele schlechte PPs erstellen: Anstrengendes Design (Blaumann-Blau als Hintergrund, weiß-rote Schrift, komisches Gedöns), vollgeschrieben ohne Ende und dann 200 Seiten Slides. Das wird aber auch schon immer ausreichend zurückgemeldet. 
Es gibt fast immer massenweise Handouts mit: Tests, gebundene Booklets (auf Wunsch auch digital), Arbeitsblätter für Patienten oder Kopiervorlagen. Eine Literaturliste für Vertiefung gibt es ebenfalls. Bisher hab ich fast immer eines davon besorgt.  
Ganz am Schluss gibt's dann die Unterschrift ins Ausbildungsheft (wehe dem, der es verliert!). 

Hygiene-Konzept & Technik:
In jedem Seminar gibt es einen Corona-Beauftragten, der offiziell auf die Lüftungsabstände achtet und die Fenster öffnet bzw. das Signal dazu gibt. Das ist jemand aus dem Kurs, vorher dazu auserkoren.  Klaro auch, dass die gesamte Tagesdauer Masken getragen werden müssen. Zugang ist nur 2G. 

Außerdem wird immer jemand zum technischen Gehilfen gewählt. Falls der Dozent nicht weiterkommt. Bedeutet in der Realität: Beamer anstecken, PC neu starten, falls nix mehr geht, aufkommende Panik bei Bluescreens verhindern...:rolleyes: Ist aber noch nie vorgekommen, dass das von Dozentenseite benötigt worden wäre.

Nutzten im Alltag: 
Ich persönlich finde die Theorieausbildung, die Seminare und Dozenten einfach brillant. Entsprechend HOCH ist der Nutzen auf der Arbeit. Aber  auch generell ist die Ausbildung so ein life-changing Ding. 


...ist aber alles schon wieder vorbei :-) Mit sofortiger Wirkung sind alle noch kommenden Ausbildungsseminare auf Online umgestellt worden. Das ist auch okay. Zum einen kann ich keinen Qualitätsabbruch feststellen. Zum anderen gibt es innovative Ideen, das ganze Online zu gestalten. Statt Kleingruppen dann Breakout-Räume, in die man einige Zeit geschickt wird. Anwesenheitslisten werden regelmäßig abgefragt, die Kameras bleiben an. 
Manche haben sich schon sehr an online gewöhnt. Irgendwie scheint es effizienter zu sein, wie auch das Home-Office. 

Dass die PP- und auch Ärzteausbildung im Theorieteil jeweils zum Fernstudium werden könnte, hätte man sich vor 2 Jahren nicht mal ansatzweise denken können.
Ich habe zwar den Eindruck, dass es immer noch eine Notlösung darstellt, die man nicht gerne sieht; aber ich habe auch schon gehört, dass man gewisse Kurse auch noch Corona online beibehalten will. 

Im Moment muss man ja hoffen, dass es mal ein "nach Corona" geben wird :64_zipper_mouth:
Ich bin erstmal froh, dass die Kurse auf Online umgestellt sind. Mehr Zeit zu Hause, weniger Reisekosten und vor allem: Weniger Infektionsgefahr. Lange Zugreisen bringen ja doch eine gewisse Gefahr mit sich, und gerade in geschlossenen psychiatrischen Einrichtungen hat man da eine gewisse Verantwortung. In der Familie sind zudem viele Risikogruppen, die man nicht gefährden will - obwohl die zum Glück ihren Booster schon haben. 

Bleibt gesund & haltet zusammen,

LG

Feature Foto: fauxels/pexels.com  

Bearbeitet von Vica

2 Kommentare


Empfohlene Kommentare

Boah! Mal wieder super spannend, total gut geschrieben und ich gebe zu...an dieser Stelle wurde ich neidisch: 

 

Zitat

Aber  auch generell ist die Ausbildung so ein life-changing Ding. 

 

Magst du dazu noch etwas mehr verraten? 😇

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