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Licht und Schatten


Silberpfeil

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Nach dem Klausurmarathon im Dezember hatte ich die Hoffnung, dass es anschließend ruhiger wird. Leider ist das Gegenteil eingetreten. In meiner Naivität hatte ich zum neuen Schuljahr eine Klassenleitung übernommen, die mir mit zwei bis drei Wochenstunden Arbeitsaufwand verkauft wurde.

 

Zur Erklärung ist es wichtig zu wissen, dass die Arbeitszeit von Lehrkräften nicht nach tatsächlicher Arbeitszeit bemessen wird. Als Vollzeitkraft mit einer 39,5 Stunden Woche müsste man, um die Ferienzeit „vorzuarbeiten“, 48,74 Stunden pro Woche arbeiten. Das macht bei einer 5-Tage-Woche ein Tagessoll von ca. 9,7 Stunden. Der Hauptfaktor bei der Berechnung der Arbeitszeit von Lehrkräften ist aber die Unterrichtszeit, also die Wochenstunden Unterricht. Die sind je nach Schulform und Bundesland verschieden. In Niedersachsen muss ich als Berufsschullehrerin 24,5 Stunden pro Woche unterrichten. Weder Vor- und Nachbereitungszeit, Klausuren, Klassenleitungstätigkeiten noch Konferenzen werden darauf angerechnet.

 

Und was alles zu Klassenleitungstätigkeiten gehört, habe ich im letzten halben Jahr erfahren. Von Eltern- und Ausbildersprechtagen, der kompletten Dokumentation der An- und Abwesenheiten der Schüler:innen (inklusive entschuldigter und unentschuldigter Fehltage), Schülergesprächen, Elterngesprächen, die zusätzlichen Corona-Maßnahmen (Verteilung der Tests, Kontrolle der Testergebnisse, Führen der Listen etc.), Konferenzen zum Leistungsstand und dem Arbeitsverhalten und der Erstellung der Zeugnisse hat mir leider im Vorfeld niemand etwas erzählt. Mehrarbeit bzw. Überstunden gibt es eben  auch nicht.🥵

 

Überhaupt ist die Erstellung der Zeugnisse ein Musterbeispiel für die Digitalisierung und die Bürokratie in der Schule: es gibt einen sogenannten Zeugnisklient, für den man als Klassenleitung einen Zugang bekommt. Dieser Zugang ist aber nicht aus dem Homeoffice möglich, sondern ausschließlich über einen Rechner in der Schule. Dort kommen auf einen Rechner ca. 10 Lehrkräfte… man muss also Glück haben. Aus dem Klient druckt man eine Notenliste aus, die man in einen Ordner im Lehrerzimmer heftet. Dort tragen dann alle Lehrkräfte ihre Noten per Hand ein. Anschließend muss die Klassenleitung diese Zahlenkolonnen dann wieder in den Zeugnisklient übertragen. Diese fertige Notenliste wird dann ausgedruckt, damit alle beteiligten Lehrkräfte noch mal kontrollieren können, ob ihre Noten korrekt übertragen wurden. Wenn das der Fall ist, kann die Klassenlehrkraft die Datei exportieren und an den zuständigen Kollegen schicken (der vermutlich Anrechnungsstunden dafür bekommt), der dann die fertige Datei ans Sekretariat weiterleitet, wo die Zeugnisse gedruckt werden. Und das ist nur ein Beispiel von Digitalisierung in der Schule. Hier macht sich niemand Gedanken über Arbeitsprozesse, sondern es geht um Datenschutz, Finanzierungsprobleme (externe Berater werden nicht finanziert über den Digitalpakt) und natürlich Befindlichkeiten – viele haben halt lieber Papier in der Hand.🤦‍♀️

 

Auf Intensivstation habe ich Digitalisierung weitgehend als Arbeitserleichterung empfunden. Da haben sich Leute wirklich Gedanken gemacht über die einzelnen Schritte von Arbeitsprozessen und diese digital abgebildet. Beispiel Pflegedokumentation: das ist mittlerweile so gut geworden, dass man auf meiner Station nur noch so selten Stifte benötigt, dass man die im seltenen Anwendungsfall erst mal suchen muss. Und ob Schwester Uschi und Dr. Brinkmann vor der Rente keine Lust mehr haben, sich mit Digitalisierung auseinanderzusetzen, kann bei bei der Einführung keine Rolle spielen. Im Gegensatz dazu kommt mir dieses bürokratische Monster, mit dem ich jeden Tag in der Schule zu tun habe, einfach absurd vor. Für alles gibt es mindestens ein Formular, eine Konferenz und ein Gespräch. Was für eine gigantische Ressourcenverschwendung das ist, wenn man mehr mit der Bürokratie beschäftigt ist als mit den Problemen, die man lösen könnte. In den letzten Monaten hat es mich eine Menge Energie gekostet, immer wieder gegen Betonwände zu laufen.😕

 

Auf der Haben-Seite kann ich allerdings phantastische Schüler:innen verbuchen, die sogar in der 9. Stunde noch schlaue Fragen stellen und für Spaß im Unterricht jederzeit zu haben sind. Was für Details sie noch aus Unterricht abrufen können, der teilweise monatelang zurück liegt, erstaunt mich jedes mal. Und so einen kaputten Overheadprojektor kann man super nutzen, um noch mal über den IV. Hirnnerv – den Augenrollnerv - zu sprechen. Den muss man ja schließlich auch nutzen.🙄🙄🙄

 

Eine Prüfungsleistung in meinem Zertifikatsstudium steht noch aus. Das Modul Spezielle Krankheitslehre wird eine geteilte Prüfungsleistung haben – im März und im April – die zum Glück beide online stattfinden. Ich werde berichten.

Mal schauen, wie es danach weitergeht.

 

Haltet durch!

Viele Grüße

Silberpfeil

 

5 Kommentare


Empfohlene Kommentare

Die Erstellung der Zeugnisse hört sich sehr arbeitsaufwendig an. Hier könnte man meiner Meinung noch deutlich mehr digitalisieren und die Prozesse verbessern.

 

Die Arbeitszeit überrascht mich ein wenig. Klar bin ich davon ausgegangen, dass Lehrer nicht nur die reine Unterrichtszeit haben. Aber bis jetzt bin ich immer sehr neidisch über den vielen Urlaub gewesen und bin es immer noch 😁

Bearbeitet von Aramon
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vor 1 Minute schrieb Aramon:

 

 

Die Arbeitszeit überrascht mich ein wenig. Klar bin ich davon ausgegangen, dass Lehrer nicht nur die reine Unterrichtszeit haben. Aber bis jetzt bin ich immer sehr neidisch über den vielen Urlaub gewesen und bin es immer noch 😁

Es ist so ein ähnliches Konstrukt wie die 4-Tage-Woche: die Arbeitszeit, gerechnet auf Monate oder ein Jahr, verkürzt sich nicht. Man arbeitet "vor" für die Ferien -  was ja durchaus eine tolle Möglichkeit ist. In der Pflege habe ich im Prinzip nichts anderes gemacht, als ich Nachtdienste mit 10 Stunden AZ hatte. Dafür hatte ich dann mehr Tage frei.

Nur zählt in der Schule ausschließlich die Unterrichtszeit als Arbeitszeit. Wenn man 50 oder 60 Stunden pro Woche arbeitet, sind das keine Überstunden. 

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Na ja, die Schule zahlt aber auch in den Ferien durchgängig das Gehalt.

 

Ich kann Sie übrigens trösten. Der zeitliche Aufwand nimmt mit den Jahren und der Erfahrung ab mit der Routine, die man gewinnt und mit den Unterrichtsvorbereitungen, die man dann liegen hat.

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vor 23 Minuten schrieb KanzlerCoaching:

Na ja, die Schule zahlt aber auch in den Ferien durchgängig das Gehalt.

 

Ich kann Sie übrigens trösten. Der zeitliche Aufwand nimmt mit den Jahren und der Erfahrung ab mit der Routine, die man gewinnt und mit den Unterrichtsvorbereitungen, die man dann liegen hat.

Das ist richtig, aber die Zeit für die Ferien habe ich vorher schon gearbeitet. Aufs Jahr gerechnet arbeite ich nicht weniger, denn es bleibt beim regulären Urlaubsanspruch von 30 Tagen.

 

Die Unterrichtsvorbereitung ist gar nicht mein größtes Problem, denn ich habe nach 3,5 Jahren schon recht viel vorbereiteten Unterricht. Abgesehen davon muss ich den trotzdem jedes Mal um neueste wissenschaftliche Erkenntnisse ergänzen. Aber hauptsächlich sind es die Verwaltungsaufgaben, die die meiste Zeit fressen… 

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30 Tage Urlaubsanspruch hat man nicht automatisch. Der gesetzliche Urlaubsanspruch beträgt 24 Tage. Höhere Ansprüche sind in den diversen Tarifverträgen geregelt.

 

Aber das Schule zum ÖD gehört, haben Sie natürlich recht. Und dass Verwaltungsaufgaben Zeit fressen, das ist und bleibt ein Übel.

 

 

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