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Die Qual der Wahl


TomSon

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Die letzten Tage habe ich mir Gedanken gemacht, wie es für mich im Anschluss an den Master weitergeht. Es steht ja schon länger fest, dass ich in eine Klinik gehe und die Ausbildung zur psychologischen Psychotherapeutin beginnen möchte.

 

Allerdings stehen zwei Fragen im Raum, die ich für mich klären muss:

  1. Welche Klinken kämen denn in die engere Wahl?
  2. Welche Fachkunde möchte ich denn erlernen?

 

Frage 1 kann ich natürlich nicht alleine bestimme. Kommt ja immer darauf an, welche Klinik gerade freie Plätze hat und bereit ist, mich aufzunehmen.

 

Allerdings gibt es hier in der Umgebung auch Kliniken, die 1. und 2. miteinander verbinden: Manche haben angegliederte Ausbildungsinstitute, die Ausbildungsgebühren werden damit automatisch auch von der Klinik mitübernommen, während man in der Klinik angestellt ist und seine Praxisphasen absolviert. Das ist natürlich sehr komfortabel und die Kliniken wiederum sehr begehrt. Andererseits sind das ausschließlich Institute, die die Fachkunde in Verhaltenstherapie lehren. Das wäre kein Beinbruch, ich stehe der VT sehr offen gegenüber.

 

Aber genau da kommt 2. ins Spiel: Ich habe ja die Möglichkeit, zwischen Verhaltenstherapie (VT), systemischer Therapie (ST), tiefenpsychologisch fundierter (TP) und analytischer Psychotherapie (AP) zu wählen. Letztere fällt für mich raus, da ich keine 5-jährige Ausbildung absolvieren möchte. Alle anderen sind auf 3 Jahre ausgelegt und alle drei finde ich interessant. Und wer die Wahl hat, hat ja auch die Qual. Und genau "das Problem" habe ich nun.

 

Prinzipiell würde ich sehr gerne die Fachkunde systemische Therapie machen. Diese Weiterbildung steht schon seit einigen Jahren auf meinem Plan. Bisher hat die Zeit dafür nicht ausgereicht, sodass ich es immer wieder verschoben habe.

 

Ich bin mir im Moment etwas unsicher, wie die Zukunft hier aussieht, da die ST erst seit 2020 als vierte Fachkunde zugelassen wurde. Ich erlebe es immer wieder bei der Arbeit, dass die meisten Patienten eine Empfehlung für VT bekommen. Das liegt sicherlich auch daran, dass die allermeisten Therapeuten in Kliniken und auch in Praxen Verhaltenstherapeuten sind; da werden Patienten eben auch an Kollegen verwiesen, die ähnlich arbeiten.

 

Das, aber auch die Tatsache, dass die VT durch eine Vielzahl an Studien eine hohe Wirksamkeit hat, spräche für diese Fachkunde. Ich glaube auch, dass die meisten Kliniken mittlerweile hauptsächlich verhaltenstherapeutisch arbeiten und darauf schauen, dass die angestellten Psychologen zur Ausrichtung passen. Somit sehe ich für die berufliche Zukunft die meisten Chancen in der VT.

 

Bleibt noch die tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie. Ich gebe zu, dass ich früher eine eher negative Einstellung zur TP hatte. Das lag daran, dass ich einige Psychoanalytiker kennenlernen durfte, die mir alles verleidet haben, was auch nur annähernd mit Tiefenpsychologie oder Psychoanalyse zu tun hat. Ich musste aber feststellen, dass die meisten tiefenpsychologisch arbeitenden Kollegen gar nicht so verbohrt und rigide sind wie Analytiker vom alten Schlag. Anderereits sind die Ausbildungskosten für die TP um einiges höher als bei der ST oder VT. Das liegt daran, dass hier ein hoher Anteil an Selbsterfahrung erwartet wird. Sprich: Der angehende Therapeut soll selber Therapie machen. Auch das finde ich prinzipiell gar nicht verkehrt, bin aber noch hin- und hergerissen, ob ich die wesentlich höheren Kosten auch tragen kann.

 

Und dann ist der Bewerbungsprozess für die TP nochmal eine andere: Alle anderen Institute wollen die angehenden Psychotherapeuten natürlich persönlich kennenlernen. Aber bei der TP geht es direkt ans Eingemachte: Vor Aufnahme der Ausbildung sollen 3 bis 5 Gespräche mit verschiedenen Gutachtern des Instituts geführt werden, um die Eignung festzustellen. Und diese Gespräche kosten direkt schon Geld.

 

Ich habe mich nun erstmal bei drei verschiedenen Instituten zu Info-Veranstaltungen angemeldet. Die Veranstaltungen finden im Laufe des März und April statt und sind fast alle online. Die meisten Ausbildungen werden im Herbst starten, ich habe also noch einige Zeit, ehe ich mich entscheiden muss.

10 Kommentare


Empfohlene Kommentare

Ja, Freunde von der PFH machen auch TP und ich war schon erstaunt, wie sich diese Kennenlerngespräche gestalten. 😅 Wobei meine auch nicht so ganz ohne waren, aber ich empfand sie als nicht so tief-bohrend. (Bei VT geht's dann mehr so Richtung Grawe -> Wirkfaktoren).
Ich habe aber auch schon von VT-Vorstellungsgesprächen gehört, die Geld kosten. War dasselbe Institut wie meins, jedoch nur ein bestimmter Standort. Krieg ich auch nicht zusammen... 

Weiß gar nicht, wie viel Selbsterfahrung die so machen. Wir haben aktuell alle 3 Monate Selbsterfahrung. Dazu noch jede Woche an der Klinik Supervision mit eine*m Approbiert*en. In der Ambulanzzeit kommt noch ein Gruppensupervisor dazu. Für den Berner Master und die KJP brauche ich ebenfalls noch Einzelsupervision. 

Bin mal sehr gespannt, wie dir die Infoveranstaltungen gefallen :thumbup:

Bearbeitet von Vica
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Gibt es nicht die Möglichkeit, die Fachkunde für VT zu erwerben und im Anschluss die Fachkunde für systemische Therapie zu ergänzen? Ich meine, bei einem Institut mal gelesen zu haben, dass so etwas gehen würde. 

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vor 8 Stunden schrieb psycCGN:

Gibt es nicht die Möglichkeit, die Fachkunde für VT zu erwerben und im Anschluss die Fachkunde für systemische Therapie zu ergänzen?

 

Davon habe ich bisher nichts gehört, mag möglich sein. Mir ist hier in der Umgebung kein Institut bekannt, dass das so anbietet.

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Mir persönlich sagt ja der systemische und ganzheitliche Ansatz sehr zu, weil ich davon überzeugt bin, dass Probleme im psychologischen Bereich immer auch eine Komponente des Umfeldes dabei haben und hier stört mich am rein verhaltenstherapeutischen Ansatz, dass hier oft ein Verhalten sehr isoliert betrachtet und therapiert wird – und sich dann stattdessen ein anderes Verhalten zeigt, weil die Ursache dahinter zu wenig betrachtet wurde. Und von dem, was ich so mitbekommen habe, hat der systemische Ansatz ja durchaus auch viele Elemente aus der Verhaltenstherapie.

 

Klar, rein aus beruflicher Sicht spielt die ST im Moment noch eine Nebenrolle, andererseits könnte diese durch die Anerkennung auch schnell wachsen und es ist möglich, sich mit einer Qualifikation in diesem Bereich abgrenzen zu können. Das benötigt aber vermutlich noch Zeit.

 

TP finde ich auch nur als Teil eines ganzheitlichen Ansatzes sinnvoll.

 

Soweit mal meine persönliche Meinung als Nicht-Therapeut, der sich intensiv mit Themen der Psychologie und Therapien beschäftigt hat.

 

Ich bin gespannt, wie Du Dich entscheiden wirst und wie Dein Weg dann aussieht und wo Du mal „landest“.

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Ich bin ja selber personzentriert "vorbelastet". Da die Gesprächspsychotherapie nach Rogers (und überhaupt die humanistischen Psychotherapien) es wohl nicht mehr schaffen werden, in Deutschland als Fachkunde zugelassen zu werden, fühle ich mich persönlich dem systemischen Ansatz eher zugeneigt. Zum einen aus den von dir genannten Gründen, zum anderen weil die Systemiker durchaus Anteile des personzentrierten Ansatzes vertreten. 

 

Nichtsdestotrotz bleibt die VT stark - und wird sich die Butter auch nicht mehr vom Brot nehmen lassen. Das sieht man ja auch daran, dass evidenzbasierte Therapiemethoden in die VT eingegliedert werden - manchmal auch ganz schamlos. Andererseits profitiert gerade Deutschland von diesem Vorgehen, weil hier die Anzahl an Therapiemethoden grotesk klein gehalten wird. Die VT wird meines Erachtens die stärkste Kraft bleiben. 

 

Allerdings hoffe ich dennoch, dass der systemische Ansatz sich etwas mehr durchsetzen kann - egal wie ich mich an Ende entscheide. 🙂

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Wenn denn die freie Wahl möglich wäre (auch in Hinblick auf eine spätere Tätigkeit), dann würde ich eine systemische Ausbildung wählen. Einmal aus den Gründen, die Herr Jung aufgeführt hat, zum anderen aber auch deshalb, weil sich in eine systemische Arbeit immer auch andere Therapieansätze integrieren lassen.

 

Ich habe vor Jahren lange nach einer qualifizierten Weiterbildung für jemanden mit einem pädagogischen Studium gesucht, als ich noch in einer stadtteilbezogenen Beratungseinrichtung gearbeitet habe, die von offener Kinder- und Jugendarbeit über klassische Erziehungsberatung, Beratung von Erwachsenen in schwierigen Lebenssituationen und Beratung zu Finanzen etc. alle Felder bearbeitet hat. Natürlich nicht in einer Person, sondern mit Personen unterschiedlicher Profession. Da gab es von Verhaltenstherapie durch den einschlägig vorgebildeten Psychologen über Logopädie, Legasthenikerbetreung, Familientherapie und Freizeitangeboten alles, oft auch mehrere Angebote innerhalb einer Familie. Diese Art zu arbeiten empfanden alle Beteiligten als außerordentlich hilfreich: Schulen, die betroffenen Personen, behandelnde Ärzte und wir als Mitarbeiter.

 

Aufgrund dieser Erfahrungen (und Herumprobierereien davor in verschiedene Richtungen) habe ich mich für eine Familientherapieausbildung entschieden und bin seither jeden Tag froh darüber. Denn diese Ausbildung hat mir einen breiteren Blick nicht nur auf Personen und Familien mit Beratungsbedarf geöffnet, sondern eigentlich auf alles und auch auf mein eigenes Leben.

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vor einer Stunde schrieb KanzlerCoaching:

weil sich in eine systemische Arbeit immer auch andere Therapieansätze integrieren lassen.

 

Ich gebe Ihnen da recht, dass sich der systemische Ansatz gut mit anderen Hilfsangeboten verträgt. Andererseits kommt es auch oft auf die Mitwirkenden an, die eine gewisse Offenheit gegenüber anderen Ansätzen zeigen müssen. Es hängt also nicht immer an dem, was ich (oder der andere) gelernt habe.

 

vor 56 Minuten schrieb Vica:

Ich finde aber, dass man sich unter den Therapieschulen nicht zu viel vorstellen muss, man kann trotzdem die Methoden anderer miteinfließen lassen.

 

Das macht die VT ja schon verstärkt. Allerdings sind Methoden oft nicht alles. Manche Ansätze sind stark durch ihr Menschenbild geprägt und die reine Anwendung von Methoden berücksichtigt oft das dahinterstehende Menschenbild gar nicht.

 

Nichtsdestotrotz bin ich mir bewusst, dass ich mit einer Fachkunde nicht zwangsläufig auf eine Arbeitsweise festgelegt bin. Zum einen nimmt der Anteil integrativer Ansätze zu, zum anderen kenne ich Therapeuten, die eine Fachkunde erlernt, in ihrer täglichen Arbeit aber einen ganz anderen Ansatz anwenden. Das ist manchmal paradox, wenn auf dem Praxisschild "Verhaltenstherapie" draufsteht, der Therapeut dann aber Gestalttherapie macht. Allerdings kenne ich noch keinen Therapeuten, der mit dieser Arbeitsweise Probleme bei Krankenkassen oder Gutachtern gehabt hätte.

 

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Am APP Köln kann eine zweite Fachkunde gelernt werden. Ich hatte auch gedacht, dass am Würzburger Institut für systemisches Denken und Handeln die Möglichkeit besteht, die Fachkunde für systemische Therapie zu erlangen für all diejenigen fertigen Psychotherapeuten, für die der systemische Ansatz in Frage kommt. Aber dazu finde ich auf der Seite vom Institut nichts (mehr?) 🙈

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Ich habe die dreijährige Fortbildung zur systemischen Therapeutin in Hamburg gemacht und ich habe extrem viel daraus für meine Arbeit als Suchtberaterin mitnehmen können, grade in Bezug auf den familiären Kontext der psychischen Erkrankung. Schade, dass noch nicht so viele Patienten eine Empfehlung dafür erhalten.

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