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How-to Publikation während der Promotion (und auch sonst)


MartinGS

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Hallo zusammen,

 

in diesem Beitrag geht es um ein Thema, das für die Forschungstätigkeit enorm wichtig ist, aber gerade bei berufsbegleitenden Promotionsformaten (meiner Meinung nach häufig) kurz bzw. zu kurz kommt: Die Auseinandersetzung mit Publikations-Plattformen und das Einbringen der eigenen Arbeit in die Scientific Community.

 

Damit meine ich nicht nur die abschließende Veröffentlichung der Dissertation, sondern das Präsentieren und Publizieren von Erkenntnissen und (Teil-)Ergebnissen, die unter Umständen auch als Nebenprodukt der eigenen Untersuchungen anfallen und inhaltlich aus dem Scope des Promotionsthemas (im engen Sinne) fallen. So handelt es sich bei solch einem Projekt um einen mehrjährigen Dauerlauf, der nicht nur vom Gesamtergebnis ganz am Ende lebt. Vielmehr kommt es darauf an, sich auf dem Weg zur fertigen Thesis Zwischenziele zu stecken und diese zu erreichen, um die gewonnenen Erkenntnisse immer wieder kritisch zu hinterfragen, den eigenen Horizont offen zu halten und sich nicht zuletzt selbst zu motivieren. Denn sind wir mal ehrlich: Bei einem (im Schnitt) vier- bis fünfjährigen Projekt ohne Zwischenergebnisse kann es schnell dazu kommen, dass man die eigenen Scheuklappen anlegt, betriebsblind wird und über die Zeit die Motivation für das Vorhaben verliert. Vor allem letzteres erscheint mir nochmal schwieriger als bei einem Bachelor- oder Masterstudium, weil der Fortschritt einer Promotion nicht bspw. durch die Anzahl bereits erreichter ECTS-Punkte gemessen werden kann. Insofern können Publikationen auch dazu dienen, den eigenen Fortschritt besser greifbar zu machen.

 

Ob und in welcher Form man Publikationen veröffentlicht, hängt natürlich von den eigenen Zielen, Ansprüchen sowie den Rahmenbedingungen des jeweiligen Promotionsprogramms ab. Dissertationen können im Allgemeinen in zwei Formen abgefasst werden, die den Output zu gesonderten Anlässen wesentlich beeinflussen:

 

  • Bei Monographien handelt es sich um das klassische "eine dicke Buch", das der bzw. die Promovierende im Laufe der Zeit abfasst und am Ende einreicht. Es handelt sich also um ein einzelnes, in sich logisch geschlossenes Gesamtwerk, das mit der Zeit aufwächst und "in einem Schwung" vorgelegt wird. Je nach Universität und je nach Anspruch eines Lehrstuhls bzw. einer Professur kann es sein, dass bei Monographien keine zusätzlichen Paper zu veröffentlichen sind oder das Thema ergänzende Publikationen nur eine untergeordnete Rolle spielt. Diese Dokumentenform lässt sich in seiner Beschaffenheit (jedoch nicht in seinem Umfang und Anspruch) mit (ebenfalls in sich geschlossenen) Bachelor- und Masterarbeiten vergleichen.
  • Kumulative Dissertationen sind demgegenüber eine Zusammenführung von mehreren Publikationen, die zum jeweiligen Forschungsthema bereits vor der eigentlichen Einreichung der Schrift auf Konferenzen oder in Form von Journalbeiträgen veröffentlicht worden sind. Man schreibt also im Laufe seiner Forschungstätigkeit mehrere Paper, die am Ende - vereinfacht formuliert - um eine Einleitung/ Synopse und Zusammenfassung mit Ausblick ergänzt und in ein Gesamtdokument zusammengegossen werden.

 

Je nachdem, für welches Format sich der/ die Promovierende zu Beginn ihres/ seines Projekts entscheidet, ergibt sich logischerweise auch der Bedarf, die eigenen Erkenntnisse und (Zwischen-)Ergebnisse in geeigneter Weise zu publizieren. In meinem Fall habe ich mich etwa dafür entschieden, eine Monographie zu erstellen und diese mit weiteren Publikationen zu flankieren. Allerdings gibt es bspw. auch Promovierende, die Zeit ihres gesamten Vorhabens keine einzige Veröffentlichung schreiben und sich "nur" darauf beschränken, ihre Thesis anzufertigen. Am Ende des Tages ist dieser Punkt eine individuelle Design-Entscheidung, die jede*r für sich entscheiden muss.

 

Doch was kann man sich genau darunter vorstellen, "etwas zu publizieren"? Hier gibt es unterschiedliche Formen und Formate, die der/ die Promovierende je nach individuellem Ziel nutzen kann. Beispiele für Formate sind etwa:

 

  • Forschungskonferenzen und -tagungen: Hier werden schriftliche Beiträge mit einem Umfang ca. 6-12 Seiten eingereicht und im Nachgang als Tagungsbänder (sog. Proceedings) publiziert. Hier werden die Ergebnisse üblicherweise auf der Veranstaltung präsentiert und zur Diskussion freigegeben. Oftmals wird dabei nach sog. Full Papern (--> die Publikation ist eine in sich geschlossene, "fertige" Arbeit und tendenziell umfangreicher) und Work-In-Progress/ Short Paper (--> die Publikation ist eher kürzer und stellt tendenziell eher Zwischenergebnisse oder Zwischenstände dar) unterschieden. Um die Qualität der Beiträge sicherzustellen, werden diese häufig einem sog. Peer Review-Verfahren unterworfen (vergleiche auch hier).
  • Doktorand*innenforen: Große, etablierte Konferenzen und Tagungen halten häufig sog. Doctoral Tracks ab, auf denen Promovierende schriftliche Beiträge zu ihren Forschungsthemen einreichen (typischerweise auch mit einem Umfang von ca. 8-12 Seiten) und zur Veranstaltung vorstellen. Bei den Beiträgen handelt es sich in der Regel um weiterentwickelte Research Proposals (vgl. als Anhalt meinen Eintrag hier) oder um eine Form von Zwischendarstellungen, in denen bspw. erste Erkenntnisse aus dem Promotionsprojekt vorgestellt und eingeordnet werden. Die Qualität von Beiträgen auf Doctoral Tracks ist (meiner Erfahrung nach relativ) häufig gut mit der von peer-reviewed Beiträgen vergleichbar, auch wenn sie einen thematisch anderen Scope esitzen.
  • Poster Sessions: Ebenfalls häufig parallel zur eigentlichen Konferenz bieten viele Formate die Möglichkeit an, Themen nicht nur in Form von schriftlichen Beiträgen, sondern in Poster Sessions vorzustellen. Solche Sessions kann man sich ähnlich wie einen Besuch auf einer Industriemesse vorstellen: Die Promovierenden eentwickeln auf einem Poster einen verständlich dargestellten Gesamtüberblick über ihr Untersuchungsthema, das durch Besucher*innen der Session diskutiert wird. Solche Poster Sessions sind tendenziell eher dazu geeignet, Untersuchungsthemen zu präsentieren, die sich noch ganz am Anfang befinden.
  • Journal-Beiträge: Forschungsthemen, die qualitativ besonders hochwertig auf Konferenzen und Tagungen präsentiert werden, erhalten oftmals die Möglichkeit, in erweiterter und ergänzter Form -  oder aber auch als Stand Alone -  in wissenschaftlichen Journals publiziert zu werden. Journal-Artikel sind tendenziell nochmal länger (üblicherweise 15-30 Seiten - je nach Thema und Journal) und stellen für viele Forschende den Goldstandard der Publikation dar. Wer es mit den eigenen Ergebnissen in renommierte Journals schafft (möglicherweise auch in mehrere hintereinander), empfiehlt sich tendenziell für eine wissenschaftliche Karriere (auch wenn das kein Garant ist).
  • Fachzeitschriften: Abgesehen von den genannten Formaten kann es auch eine Option sein, Beiträge zum eigenen Untersuchungsthema in (nicht-wissenschaftlichen) Fachzeitschriften zu verfassen. Diese erreichen zwar nicht den wissenschaftlichen Standard eines Journal-Beitrags oder eines Full Papers auf einer renommierten Konferenz, kann jedoch (je nach Thema und Zielsetzung) bspw. als Door Opener mit Hinblick auf ein bestimmtes Expert*innenpublikum erwendet werden.

 

Und wie lassen sich schriftliche Beiträge inhaltlich ausgestalten? Eine sehr gute und berechtigte Frage! Typischerweise haben Publikationen die folgende (oder ähnliche) Struktur: (1) Einleitung mit Problemdarstellung, (2) Darstellung der Ausgangslage, (3) Darstellung der gewählten Methoden/ des methodischen Vorgehens, (4) Vorstellung der Ergebnisse, (5) Diskussion der Ergebnisse, und (6) Zusammenfassung und Ausblick. Je nach Forschungsfrage können die Beiträge unterschiedlich ausgestaltet werden, bspw. als:

 

  • (Stand-Alone) Literature Review,
  • Darstellung eines Forschungsdesigns,
  • Vorstellung/ Beschreibung eines Ergebnisartefakts (bspw. eines Modells),
  • Darstellung von (Expert*innen-)Interviews und deren Ergebnisse,
  • Evaluation von (Zwischen-)Ergebnissen,
  • Workshop-Ergebnis,
  • [....]

 

Hier kommt es darauf an (wie in der Forschung sonst auch), aus dem methodischen Werkzeugkoffer eine für ein bestimmtes Problem bzw. für ein bestimmtes Ziel geeignete Methode auszuwählen, diese konsequent anzuwenden und die eigene Tätigkeit sowie die Ergebnisse und Erkenntnisse von der Erhebung von Daten bis hin zur Diskussion durchgängig zu dokumentieren - denn nur auf diese Weise werden wissenschaftliche Ergebnisse nachvollziehbar und somit robust.

 

Des weiteren stellt sich neben dem "Was gibt es zu publizieren?" und dem "Wie ist zu publizieren?" die Frage nach dem "Wo wird publiziert?". Und genau so, wie es auf dem freien Markt gute und weniger gute Anbieter für bestimmte Produkte und Dienstleistungen gibt, existieren auch für die Scientific Community gute und eher weniger gute Adressen.

Ein Anhalt darüber, wie seriös eine Konferenz oder ein Journal ist, ist zum einen die Indexierung der Inhalte in wissenschaftlichen Datenbanken wie EBSCOHost, Scopus, Google Scholar, PubMed oder WebOfScience. Ein zweiter Anhalt wiederum sind Rankings für Journals und Konferenzen und Tagungen wie bspw. der Impact-Faktor, mit dem die wissenschaftliche Relevanz und die Qualität von Publikationen messbar gemacht werden sollen (kleiner Exkurs: In der Wirtschaftsinformatik existiert etwa der AIS Senior Scholar's Basket of Journals als Gradmesser für qualitativ hochwertige Journals). Ein weiterer Anhalt sind z.B. Erfahrungsberichte mit Konferenzen und Tagungen - hier kann Dr. Google an vielen Stellen ausführlich unterstützen.

 

Keiner dieser Punkte bietet jedoch einen vollständigen Schutz vor betrügerischen Plattformen und Formaten, den sogenannten predatory journals and publishers. Hier kommt es darauf an, sich in der jeweiligen Fachdisziplin einzuarbeiten und sich mit der entsprechenden Wissenschafts- und Medienkompetenz ein (soweit wie möglich) objektivierbares Gesamtbild zu machen. Denn es kann bspw. auch der Fall sein, dass für die eigene Tätigkeit relevante Publikationen nicht in großen Journals, sondern auf eher kleinen Konferenzen zu finden sind - genau so, wie nicht automatisch jeder vermeintliche predatory publisher auch tatsächlich betrügerisch ist. In der Vergangenheit hat sich mit Beall's List eine Liste potentiell betrügerischer Publisher entwickelt. Diese sehe ich jedoch nur als einen Eingangspunkt zu möglichen schwarzen Schafen auf den Markt - und ich empfehle hier im Einzelfall kritisch zu hinterfragen, wie gut oder weniger gut eine Publikationsplattform ist, weil aus meiner Sicht auch eine Reihe falschpositiver Einträge auf der Übersicht zu finden sind.

 

Zusammenfassend ist festzuhalten: Das Thema Publikationen und Publikationsformen ist keine Rocket Science - aber es lohnt sich als angehende*r Forschende*r, sich eingehend mit der Thematik auseinanderzusetzen, wenn man neben der eigentlichen Thesis noch Konferenzbeiträge o.ä. veröffentlichen möchte oder muss. Diese bieten meiner Meinung nach ein wertvolles Werkzeug, um die eigenen Erkenntnisse sowie "Beiwerk" aus der Forschung zur Diskussion zu stellen und somit auch die Qualität der eigenen Arbeit zu verbessern. Darüber hinaus ermöglichen sie es, eigene Meilensteine im Promotionsvorhaben zu umreißen und sich dadurch fortlaufend für die Forschung zu motivieren. Und wer würde sich nicht freuen, wenn der Name im Programm einer prominenten Konferenz stehen würde? Ich zumindest habe mich auf dem Wissenschaftsforum letztes Jahr wie ein Schnitzel gefreut 😁

 

In diesem Sinne, Cheers!

Martin

Bearbeitet von MartinGS
Korrektur und diverse Typos

2 Kommentare


Empfohlene Kommentare

Auch von mir vielen Dank für diese umfassende Betrachtung, die mir auch neues Wissen gebracht hat. Auf den Beitrag werde ich bei passenden Anfragen gerne verweisen.

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