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Fifty Shades of Schreibdruck


Vica

539 Aufrufe

Bücherwälzen, Termindruck,  gesteigerter Kaffeekonsum (die wievielte Tasse war es nun?),  verkrampfte Finger, Seitenzahlbegrenzung, tippen, löschen, umformulieren, immer an der Borderline zur manifestierten Schreibblockade 😁
Was könnte es anderes sein als eine Hausarbeit, was sich da so an Wochenendbeschäftigung mit Abgabe Dienstag auftut? Allerdings bin ich ja kein Studi mehr und die Hausarbeitszeit ist längst vorbei. In der PP-Ausbildung gibt es sowas natürlich auch nicht mehr. 
Es handelt sich stattdessen um einen Langzeittherapie-Antrag für den VT-Gutachter bei der Krankenkasse. Wird der bewilligt, kann die Therapie für den Patienten starten. Die Krankenkasse zahlt dann. Jedoch kann man nicht nach Lust und Laune Stunden beantragen: Man muss sehr genau transparent machen, welche Verfahren geplant sind und eine Prognose dazu abgeben. Mit anderen Worten: Davon hängt was ab. Wird er abgelehnt, gibt's auch keine Therapie. Anders als bei der Hausarbeit bin dann nicht ich der Doofe, sondern Patient. Klar erzeugt das Druck, es auch bloß richtig zu machen. Ebenfalls ein wichtiger Unterschied zur Hausarbeit ist, dass der Bericht aus höchstens 2 Seiten bestehen soll. Wobei ich auch im Fernstudium oft gedacht habe: "Haha, höchstens 4 Seiten, das ist in einer halben Stunde gemacht". Tatsächlich fand ich es immer schwieriger, weniger zu schreiben, als sehr viel zu schreiben 😁

Was muss rein? Die Punkte sind genau vorgegeben. 
 

  • Relevante soziodemographische Daten (Beruf, Familienstand, Kinder)
  • Symptomatik und psychischer Befund (Schweregrad, wie selbst und wie vom Umfeld erlebt, Verlauf, Interaktion, Ergebnisse der diagnostischen Tests usw)
  • Somatischer Befund/Konsiliarbericht (Somatische Befunde, Suchtmittelkonsum)
  • Behandlungsrelevante Angaben zur Lebensgeschichte, zur Krankheitsanamnese, zur Psychodynamik
  • Diagnose zum Zeitpunkt der Antragstellung
  • Behandlungsplan und Prognose
  • Zusätzlich erforderliche Angaben bei einem Umwandlungsvertrag
  • Das Ganze muss vom Supervisor unterschrieben werden

 

Nicht schlecht für 2 Seiten 😁

Wer sich im Detail für sowas interessiert, kann sich hier anschauen, wie ein Antrag aussieht: https://www.kbv.de/media/sp/02_Mustersammlung_PT.pdf 


Viele Gespenster im Umlauf
Gerade angehende Psychotherapeuten sind verunsichert bei ihren ersten Anträgen. Das liegt aber an vielen Mythen, die im Umlauf sind, ich nenne sie eher Gespenster. Etwa, dass ihr Antrag nur durchgegangen ist, weil sie sich außergewöhnlich ins Zeug gelegt hätten oder spezielle Literatur dafür benutzt haben (der Markt boomt übrigens, was das angeht). Tatsächlich scheint es aber so zu sein, dass nur die allerwenigsten Anträge abgelehnt werden. Da wird definitiv anderes kommuniziert, auch vom Institut gibt es mehr Druck.  
Nun ja: Alles ist ein Versuch 😎

Ich muss aber sagen, dass ich mich etwas selbstbewusster fühle, weil ich im Fernstudium viele solcher knapp begrenzten schriftlichen Arbeiten hatte, wo quasi jeder einzelne Satz ein hart recherchierter, komprimierter Fakt ist. Als hätten die Profs (vor allem die in klinischer Psych.) genau das kommen sehen!
Allen Studis der klinischen Psychologie, die in diese Richtung wollen, würde ich echt empfehlen, Arbeiten/Hausarbeiten ernst zu nehmen, die in diese Richtung gehen. Man lernt definitiv für's Berufsleben 😁

Mal sehen wie's gelingt. 
Doof nur, dass am Wochenende auch die Seminare wieder anstehen und ich gleich eines habe. Tja. 

Oh, und was Positives zum Schluss: Wer das liest, besteht seine nächste Hausarbeit (+Bachelor/Master-Arbeiten oder Therapieanträge! :) ) 🍾

Bleibt gesund und haltet zusammen,

LG

Feature Foto: Karolina_Gravowska/pexels 

Bearbeitet von Vica

4 Kommentare


Empfohlene Kommentare

Mal wieder ein sehr spannender Einblick. 
Ich wünsche Dir viel Erfolg fürs schreiben und dem Patienten, dass der Antrag durchgeht. 

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Zitat

Man lernt definitiv für's Berufsleben 😁

 

So etwas lese ich immer besonders gerne, wenn deutlich wird, dass sich manche Quälerei im Studium später als nützlich erweist und das Leben leichter macht. 🙂

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