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Neun Bewerbungen, neun Einladungen - Teil 1


Vica

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Ich war neben dem einen Praxistag auf der Suche nach einer halben psychologischen Stelle.  Das Problem hier: Zu viele Psychologen, zu wenige Stellen 😁
HAbe ich hier im Ballungsraum das Nachsehen, Seite an Seite mit vielen sehr jungen Kollegen mit 1,0-UniversitĂ€tsabschlĂŒssen und Abitur-Landesbesten? Schon möglich...aber ihr wisst ja, wie das mit den Hummeln und der Aerodynamic ist. Gegen jede Erwartung fliegen sie eben doch. Das Prinzip lautete also wie immer: Einfach mal machen 😁

Ich habe ĂŒbrigens keinen Druck, eine Stelle zu finden, da ich ja wie gesagt die Praxis habe. 

Doch es sah gut aus: Alle meine neun Bewerbungen haben zu einer Einladung gefĂŒhrt. 

Das Ergebnis meiner Suchen prĂ€sentiere ich euch in 3 Teilen (sonst wird es etwas zu kompakt), die allerdings zeitlich etwas versetzt sind 😄 Ich habe mich ĂŒberwiegend im KJP-Bereich beworben. 

Noch ein paar Eckdaten zur Bewerbung. 
Enthalten waren ein Deckblatt, Anschreiben + Lebenslauf (ausschließlich mit Psychologie-Relevantem). Das Design habe ich bei einer Grafikdesignerin gekauft, die auf Bewerbungen spezialisiert ist, und meine Sachen entsprechend eingefĂŒgt (das war trotzdem eher schwierig). Das Design ist modern, aber trotzdem sehr minimalistisch). Bachelor + Masterurkunde + Zeugnis,/ToR, Arbeitszeugnisse, Empfehlungsschreiben, Nachweis der PP-Ausbildung + Ausbildungsstand (+dasselbe fĂŒr KJP).

Stelle Nr. 1: PÀdiatrische Onkologie (Initiativbewerbung) 
Voraussetzung: Master in klin. Psychologie, KJP-Erfahrung von Vorteil
BeschÀftigungsart: Unbefristet 
Aufgabenbereich: Einzel- + GruppengesprÀche, ElterngesprÀche, je nachdem auch Trauerbegleitung. HauptsÀchlich ressourcenaktivierende Arbeit, Entlastung, Angstthematik.  
Schwierigkeit, hier genommen zu werden: Eher gering, da Personalmangel, PP/KJP-Ausbildung nicht unbedingt vorausgesetzt, ĂŒberwiegend medizinische Station. 
Ausgang: Ghosting seitens des AGs

Hier habe ich mich noch wĂ€hrend meiner Klinikzeit im letzten Jahr beworben - das ganze war eine initiative Angelegenheit meinerseits. Eine Kinderkrebsstation konnte ich mir sehr gut vorstellen und so habe ich ganz klassisch den Hörer geschwungen und auf Station angerufen. Mein Nachfragen ergab, dass auf jeden Fall Bedarf besteht. Innerhalb einer Woche war alles klargemacht: Bewerbung, nachgereichte Unterlagen, VorstellungsgesprĂ€ch. Das Interview fand im Blutabnahme-Raum mit insgesamt 6 Personen statt, ChefĂ€rztin + Bereichsleiter:innen. Ich saß auf dem Platz, wo der Patient auch Blut abgenommen bekommt, was ich dezent beklemmend fand; ich konnte das aber fĂŒr mich gut ausblenden. Meine 6 GesprĂ€chspartner waren extrem freundlich, so dass ein sehr gutes GesprĂ€ch entstand. Die ChefĂ€rztin, das konnte ich spĂŒren, war nicht ganz so ĂŒberzeugt von mir. Auf DrĂ€ngen der anderen 6 konnte dann aber eine zweitĂ€gige Hospitation klargemacht werden. Die zwei Tage waren phantastisch. Man war schnell mit dem Team per Du, von der Pflege bis zum Oberarzt. Ich wurde sehr genau eingewiesen und es wurden bereits Listen mit mir aufgestellt, welche Patienten ich zuerst behandeln sollte, je nach Warteliste. Ich fĂŒhlte mich da pudelwohl. Ehrlich gesagt schĂ€tzte ich meine Chancen auch nicht schlecht ein, immerhin arbeiteten hier 4 Psychologen zu wenig. Am letzten Tag versicherte mir dann die ChefĂ€rztin, das Team sei ja begeistert, und wann ich anfangen könne (es war allerdings keine mĂŒndliche Zusage in dem Sinne!). Ich nannte ein Datum und nun ja, bis dahin klappe es aber ihrer Meinung nach nicht, das mĂŒsse ja alles auch erst durch den Betriebsrat usw. Es wĂŒrde sich zeitnah schnellstmöglich gemeldet. Ich fand schon ein wenig verdĂ€chtig, dass man keine Zusage geben konnte, auch nicht im Sinne von: Wir stellen Sie erst einige Wochen spĂ€ter ein. Allerdings war die Station vertrauenserregend, weil die Kommunikation gut klappte im Bewerbungsprozess, die Stimmung so gut war und ja nun auch Personalmangel herrschte. Ich rechnete mir beste Chancen aus. Allerdings geschah zunĂ€chst nichts. Das Warten war brutal, und nach 4 Wochen fasste ich per Mail nach um zu hören, dass der Prozess noch nicht abgeschlossen war. Ein weiteres Nachfassen mit der Frage, ob die Stelle noch vakant sei (nach 8 Wochen) ergab dasselbe. 
Nun, das Ganze ist nun 4,5 Monate her und ich habe nie wieder was gehört von der Station 😉. Ziemlich krass finde ich, dass man nicht einfach eine Absage formuliert, nachdem man immerhin 2 Tage dort probegearbeitet hat. Letztlich kann es natĂŒrlich auch sein, dass es keine Absage gibt und ich einfach im Bewerberpool gelandet bin, fĂŒr den Fall, dass irgendwann mal Knappheit besteht. Oder die MĂŒhlen laufen wirklich so langsam (öD!). Die einzige Möglichkeit, etwas herauszufinden, war die Team-Seite der Station. Dort steht tatsĂ€chlich noch niemand Neues drin, sogar noch die alten, ausgeschiedenen Teammitglieder sind noch on. Nichts Genaues weiß man nicht. Es wĂ€re aber merkwĂŒrdig, bei dringendem Bedarf nicht direkt nachzubesetzen. Letztlich war ich hier sehr gefrustet. 

Stelle Nr.2: Chirurgische Abteilung in einem Krankenhaus, Bereich fĂŒr pĂ€diatrische Tumorbehandlung
Voraussetzung: Master in klinischer Psychologie, angefangene PP-Ausbildung, Erfahrung mit Schmerzpatienten 
Art: Befristet auf 1 Jahr fĂŒr die Laufzeit eines Forschungsprojekts. Keine Aussicht auf VerlĂ€ngerung/Übernahme, da Psychologen hier regulĂ€r nicht arbeiten. 
Aufgabenbereich: Arbeit mit Patienten eingewoben in ein Forschungsprojekt (getestet wird, ob psychologische GesprÀche durch eine App ersetzt werden können oder eben nicht).
Schwierigkeit, hier genommen zu werden: Moderat; ausgeschriebene Stelle eben, allerdings befristet ohne Aussicht auf VerlĂ€ngerung, wer lĂ€ngerfristig etwas sucht, wird also nicht glĂŒcklich.
Ausgang: Absage, ca. 6 Wochen nach GesprÀch

Das fand ebenfalls im letzten Jahr noch wÀhrend meiner Klinikzeit statt. Das Interview war mitten in meine Arbeitszeit terminiert, aber es gab keine Aussucht auf Verschiebung, weswegen ich auch gar nicht danach fragte - so musste ich aber einen Urlaubstag nehmen. 

Hier hatte ich wenige Stunden nach der Bewerbung eine Einladung zum GesprĂ€ch bekommen mit dem Vermerk, dass ich nach einer ersten Durchsicht bereits auf Platz 1 der aussichtsreichen Kandidaten gelandet wĂ€re, was mich etwas stutzig machte. Die entsprechende Klinik fand ich gar nicht. Die angegebene Hausnummer existierte nicht und wurde einfach ĂŒbersprungen, wie ein 13.Stock in Hotels. Kurios: Niemand im Haupthaus konnte mir weiterhelfen. Ich fand die Klinik schließlich hinter einer FeuerschutztĂŒr auf dem Flur eines anderen Bereichs - das wirkte wie eine LagertĂŒr beim Discounter, die man auch nicht weiter beachtet.  Die chefĂ€rztliche SekretĂ€rin bestritt zunĂ€chst, dass es ein VorstellungsgesprĂ€ch gab. Gut, dass ich die Einladung dabei hatte. Ich wurde dann in der KĂŒche der Mitrarbeiter hinter der SpĂŒlmaschine geparkt. Hier erschien dann tatsĂ€chlich auch bald ein Mitarbeiter, der mich aber ignorierte und begann, vor seinem PC Mittag zu machen und am Handy ĂŒber andere Kollegen zu lĂ€stern. Die leitende ChefĂ€rztin konnte nicht aufgefunden werden, sehr zur Peinlichkeit der HR-Managerin, die auch völlig ĂŒberrascht war von dem Termin. Sichtlich blamiert betĂŒddelte sie mich mit Kaffee und Keksen und machte sich nun per pedes auf den Weg durch die Klinik, um sie zu finden. ZunĂ€chst gab ich an, dass das schon okay sei. Jedoch verstrich die Zeit. Bald waren mehr als 20 Minuten rum und ich merkte, wie in mir langsam Wut hochkochte. Schließlich schneite die ChefĂ€rztin dann doch rein, sichtlich durch den Wind und hatte noch 10 Minuten Zeit fĂŒr mich, ob das schlimm sei. Der lĂ€sternde Mitarbeiter durfte weiterhin im Raum bleiben, das fand ich sehr beklemmend, aber ich fragte mich insgeheim auch, ob das alles ein Stresstest sein sollte (was ich nicht ausschließen kann, aber fĂŒr sehr unwahrscheinlich halte, hier wĂ€re viel schauspielerisches Talent gefragt gewesen(. Das GesprĂ€ch war erstaunlicherweise ziemlich sympathisch, so dass es dann am Ende doch lĂ€nger ging. Mehrmals wurde begeistert ĂŒber die Bewerbung und die Punkte darin gesprochen, die auch markiert waren - also gelesen hatte man sie tatsĂ€chlich.

Mir war allerdings schon auf dem Nachhauseweg klar: Hier wird es nichts, auch von meiner Seite aus nichts. Es wurde 1 Woche Bedenkzeit angekĂŒndigt. Nach 6 Wochen kam eine Absage per Mail - da hatte ich die Stelle schon gar nicht mehr auf dem SchirmÂ đŸ€

Stelle Nr.3: Kinder- + Jugendlichenpsychiatrie (inkl. Promotion)
Voraussetzung: Master in klinischer Psychologie, fortgeschrittene PP-Ausbildung (PT1 + 2 mĂŒssen abgeschlossen sein), Gruppenpsychotherapie-Schein,+ fĂŒr PPs muss eine fortgeschrittene KJP-Zusatzausbildung vorhanden sein, Masterzeugnis nicht schlechter als 2,0.   
Art: Auf 4 Jahre befristet, wobei das letzte Jahr komplett der Promotion gewidmet werden soll
Aufgabenbereich: Einzige Psychologin auf einer spezifischen Station (unklar) + Arbeit fĂŒr die Uni 
Schwierigkeit, hier genommen zu werden: Brutal, siehe Voraussetzung 
Ausgang: Absage zum verabredeten Zeitpunkt
Ebenfalls im letzten Jahr! Okay, ich muss sagen: Hier eingeladen zu werden war schon eine Ehre, denn allen gruseligen Klinikbewertungen zum Trotz gibt es hier Legionen von Mitbewerbern und jetzt wurden nur 3 Leute eingeladen. Auch hier wurde die Bewerbung mit allen Punkten gelobt. Aber auch dieses GesprĂ€ch war sehr seltsam: Der Empfang wusste nichts von VorstellungsgesprĂ€chen. Ich wurde zunĂ€chst ins Wartezimmer (!) mit Ambulanzpatienten (ĂŒberfĂŒllt btw!) gesetzt, bis die Sache geklĂ€rt war. Erst 20 Minuten spĂ€ter holte mich eine Mitarbeiterin ab. Die leitende Psychologin war ziemlich jung, der Oberarzt dagegen sehr alt. Die beiden fĂŒhrten das GesprĂ€ch. Der OA war deutlich angepisst, was ich schon beim Betreten des Raumes merkte. Anders als bei Stelle 2 gab es kein GetrĂ€nk zur Stimmungsauflockerung. Der OA guckte aus dem Fenster, mied Blickkontakt und beantwortete Fragen meinerseits sehr zynisch (wobei er allerdings sehr wertschĂ€tzend auf den Lebenslauf einging). Die leitende Psychologin gab sich MĂŒhe, dies auszugleichen, was zu einer seltsamen AtmosphĂ€re beitrug. Ich hatte dezent das GefĂŒhl, einen Streit unterbrochen zu haben. Irgendwie ergab sich auch kein sinniges GesprĂ€ch. Ich schlug eine Hospitation vor, die aber sofort abgelehnt wurde. Die angepriesene Promotion klang ein wenig zu gut, um wahr zu sein - so habe ich das noch nie gehört. Nach 40 Minuten wurde ich vor die TĂŒr gesetzt, ohne alle meine Fragen gestellt zu haben, weil der nĂ€chste Bewerber warte. Ich solle per Mail schreiben, wann ich anfangen kann und auf welche Station ich will. Das fand ich sehr seltsam, denn dazu ist ein GesprĂ€ch doch da, um das u.a. zu klĂ€ren. Ich schrieb sie, der Empfang wurde mir aber nie bestĂ€tigt, wie gebeten. 
Ich wusste hier schon wĂ€hrend des GesprĂ€chs, dass das nichts wird, denn hier störte ich eindeutig. Wie gedacht kam die Absage recht zeitnah, immerhin zum verabredeten Zeitpunkt.  Witzigerweise war es derselbe Standard-Satz wie bei Stelle Nr.2 und ich wurde mit "Herr" angesprochenÂ đŸ€­

 

Nach 2 Absagen und 1 Ghosting kam ich schon ein wenig ins GrĂŒbeln. GrundsĂ€tzlich hatte ich es ĂŒberall in die nĂ€here Auswahl geschafft, aber offenbar versprach meine Bewerbung mehr. War das wirklich so? Bisher war ich - IMMER - ein Typ gewesen, bei dem es umgekehrt war, der persönlich punkten konnte. War ich nach 2 Klinikjahren einfach zu verbraucht um gut rĂŒberzukommen? Laber ich ggf. Mist? 
Das mit der Außenwirkung ist ja manchmal so ein Ding. Und so entschloss ich mich fĂŒr ein Coaching 😁


Das war nur der erste Streich, wie es weiterging - und letztlich ausging - kommt demnĂ€chst 😉

Bleibt gesund & bewerbt euch trotzdem,
LG

Feature Foto: Rima_Miroschnichenko/pexel.com 

Bearbeitet von Vica

7 Kommentare


Empfohlene Kommentare

Eine spannende Geschichte, bin gespannt wie es ausgeht. Ich bin in einem UniversitÀtsklinikum tÀtig, es gibt dort nichts, was es nicht gibt. Wenn ich bei meiner Stelle nicht mehrfach nachgehakt hÀtte, wie es weitergeht, wÀre vermutlich nie etwas passiert. Es gibt so viele Verstrickungen zwischen Forschung, Lehre, Patientenversorgung, Klinikdirektoren, HR und Betriebsrat, dass da so manches auf der Strecke bleibt, manchmal monatelang. Extrem nervig das Ganze.

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Das hört sich ja sehr ernĂŒchternd an. 😳 Bin dann gespannt, was dein Coaching gebracht hat. 

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Die MĂŒhlen des öD laufen wirklich oft so langsam, selbst wenn Mann/Frau schon drin ist. Eine Kollegin von mir konnte erst sechs Monate nach der Zusage auf eine höhere Stelle dorthin umgesetzt werden und dort anfangen zu arbeiten!

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Vielen Dank fĂŒr den, wie immer sehr plastisch beschriebenen, Erfahrungsbericht. 

Finde ich ja schon sehr erschreckend, dass hier so stark ausgesiebt wird, nachdem an Psychologen doch ein, gefĂŒhlter, Mangel besteht. 

Bin auf die nĂ€chsten Teile gespannt 😊

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