Challenge Berufung
Was bisher geschah:
Die letzten knapp zwei Wochen waren wirklich heftig. Eine Nachtschicht nach der anderen. Wie auch in den Kommentaren kurz erwähnt, kam es vor, dass ich um 18:00 Uhr einfach ins Bett gefallen bin, weil es nicht mehr ging. An den Abenden habe ich entweder an meiner Dissertation gearbeitet oder, seit letzter Woche Freitag, nur noch an meiner Probevorlesung. Diese fand dementsprechend gestern statt. Doch zunächst zum Prozess und Einblick: Man bewirbt sich auf eine Professur und wird (hoffentlich) irgendwann zu einer Probevorlesung eingeladen. Dazu gibt es in der Regel Kontext in Form eines Titels, eines Rahmens (z.B. 45 Minuten in Englisch) sowie organisatorische Informationen (Ort, Zeitpunkt etc.).
Ich hatte bereits erwähnt, dass ich mir dieses Mal einen Coach geleistet habe, der mich unterstützte. Sein Resümee war, dass ich viel zu viel mache und er erstaunt war, wie ich das überhaupt hinbekommen habe, und das auch noch so schnell. Letzten Freitag begann ich mit der Präsentation, aber ich konnte sie nicht richtig strukturieren und hatte große Probleme, mich zwischen einem breiten oder tiefen Wissen zu entscheiden. Breites Wissen ist einfacher, klang für mich jedoch zu banal, und für eine tiefgehende Analyse reicht die Zeit nicht. Ich kam also nicht wirklich weiter und habe dann mit ChatGPT versucht, ein paar “Buzzwords” und eine Struktur zu erarbeiten. Mehr habe ich an diesem Tag nicht geschafft.
Am Samstag war ich den ganzen Tag in Frankfurt, um mit dem neu gefundenen Co-Founder meines Startups einen Workshop zu halten – es ging darum, wie wir weiter vorgehen und unsere Strategie angleichen. Den Sonntag habe ich dann damit verbracht, die Folien für meine Probevorlesung zu erstellen. Es sind 91 Folien geworden. Beim ersten Durchlauf kam ich auf 40 Minuten, was nicht ideal war, da ich nur die Fragen an die Studierenden formuliert und nach etwa fünf Sekunden ohne deren Antwort weitergemacht hatte. Unter normalen Bedingungen wäre ich nie bei 40 Minuten rausgekommen. Ich habe diesen Durchlauf genutzt, um meinem Coach die Unterlagen zu schicken und zu sagen: “Erster Entwurf, muss noch massiv gekürzt werden. Ideen?” Ich habe die Präsentation auch einem befreundeten Professor geschickt, mit dem ich am Montag vor meinem Coach einen Termin hatte.
Während dieses Treffens sagte er, ich solle nicht vier Themen behandeln, sondern deutlich weniger und dafür praxisorientierter werden, da der Titel dies voraussetzte. Mit diesen Notizen ging ich um 19:00 Uhr in das Meeting mit meinem Coach. Zuvor war ich am Montagmorgen um 5 Uhr aufgestanden, um nach Hannover zu fahren, Gespräche zu führen und abends im Hotel mit dem Coach zu reden. Er fand die Anmerkungen meines Freundes inhaltlich richtig, gab mir jedoch noch mehr Aufgaben – deutlich mehr. Sein kurzes Feedback war: Inhaltlich top, ABER ich solle mehr Studenten einbinden, mehr Praxisbeispiele einbauen und natürlich den Inhalt kürzen.
Nachdem ich mir etwas zu essen organisiert und mit meiner Frau telefoniert hatte, startete ich die Nachtschicht, um das Feedback einzuarbeiten. Die Präsentation habe ich dann auf 40 Folien gekürzt. Mitten in der Nacht habe ich bei meiner bekannten Druckerei (ca. 225€, sedruck-darmstadt.de, hatte alle Thesen von mir und meiner Frau dort drucken lassen) die Handouts bestellt. Zwischendurch habe ich alles mit meinem Trauzeugen besprochen, damit er die Handouts abholt und ich sie am Mittwochmorgen bei ihm abholen kann. Dann bin ich erschöpft ins Bett gefallen.
Am nächsten Tag rief mein Coach an und sagte, ich müsse dringend noch Änderungen vornehmen, die ich dann am Frühstückstisch machte. Ein Update an die Druckerei habe ich ebenfalls geschickt. Apropos Coach, der hat mich jetzt brutto ca. 1.250€ gekostet und war jeden cent wert! Kann ich nur empfehlen (berufungstraining.de, Prof. Dr. Möbus). Danach ging es ins Büro, wo ich einige Bewerbungsgespräche führte (diesmal stellte ich zur Abwechslung ein) und, bevor das letzte Kundengespräch begann, zur Bahn aufbrach. Auf dem Weg zur Bahn führte ich das Kundengespräch und bereitete in der Bahn den neu hinzugekommenen praktischen Teil der Vorlesung vor. Zwischendurch telefonierte ich noch mit der Druckerei, um sicherzustellen, dass alles klappt und die neue Version gedruckt wird. Mein Trauzeuge holte die Handouts ab, sobald der Auftrag fertig war. An dieser Stelle nochmal ein großes Dankeschön an die Druckerei, die den Auftrag normalerweise in zwei Tagen bearbeitet, aber es dieses Mal in einem geschafft hat!
Im Zug war ich so in Gedanken versunken, dass ich fast den Ausstieg in Frankfurt verpasst hätte. Da ich 39 Minuten Umsteigezeit hatte, setzte ich mich noch einmal auf den Bahnsteig, um den praktischen Teil vorzubereiten. Ich war so vertieft, dass ich bei der Durchsage “… letzter Einstieg auf Gleis 11” in Panik geriet und in den Zug einstieg – leider in den falschen, der in eine andere Richtung fuhr. So viel zum Thema Müdigkeit und abgelenkt sein. Das kostete mich eine ganze Stunde zusätzlich, sodass ich erst um 22:15 Uhr statt um 21:15 Uhr zu Hause war. Der Busfahrer war jedoch so nett, mich an einer nicht vorgesehenen Haltestelle rauszulassen. Top!
Zuhause angekommen, habe ich den Rest fertiggestellt und bin gegen Mitternacht ins Bett gefallen.
Die Probevorlesung gestern:
Morgens um 5:30 Uhr klingelte der Wecker. Nach Kaffee, Duschen und dem üblichen morgendlichen Ritual machte ich mich um 6:30 Uhr auf den Weg zu meinem Trauzeugen, um die Handouts abzuholen. Ich hatte 20 Exemplare drucken lassen und sie um 7:00 Uhr, nach einem schnellen Frühstück bei der Bäckerei für meinen Trauzeugen und mich, abgeholt. Nach einem kurzen Austausch ging es weiter zur Hochschule Darmstadt. Ich war viel zu früh dort – die Vorlesung sollte um 8:30 Uhr beginnen, und ich war schon um 7:45 Uhr da.
Um 8:00 Uhr öffnete mir jemand den Raum, und kurz darauf kam der Vorsitzende der Berufungskommission. Mit ihm richtete ich alles ein und stellte sicher, dass alles funktionierte. Solche Vorlesungen werden intern ins Internet gestreamt.
Nach und nach kamen die anderen Mitglieder der Berufungskommission, Professoren und Studierende. Insgesamt waren es 15 Personen, was ich weiß, weil ich 20 Exemplare Handouts gedruckt hatte und am Ende 5 übrig waren. Zunächst waren es also nur 14, aber dazu später mehr. Jeder, der ankam, bekam einen Handschlag, ein „Guten Morgen“ und ein Exemplar meines Handouts – fast jeder bedankte sich dafür mit einem positiven Kommentar wie „schick“.
Um 8:30 Uhr warteten wir noch auf eine Studentin oder einen Studenten, die oder der kurz darauf kam, und dann ging es los. Der Vorsitzende hielt eine kurze Einleitung, und ich begann den ersten Teil auf Deutsch, bedankte mich bei allen und wechselte dann ins Englische. Soweit lief alles gut. Ich hatte mir allerdings nicht gemerkt, wann ich angefangen hatte, und auch nicht, wann die 45 Minuten vorbei waren. Glücklicherweise fragte ich fünf Minuten vor Ende, wann wir begonnen hatten, da ich nicht auf die Uhr geschaut hatte. Zu dem Zeitpunkt war ich bereits in der Fragerunde.
Die Vorlesung lief gut, und ich führte anregende Diskussionen mit den Studierenden. Eine Person fiel mir durch ständige, ablehnende Gestik auf, aber ich dachte mir nur: „Okay, die mag mich wohl nicht.“ Egal, man kann nicht allen gefallen, und ich ließ mich davon nicht irritieren. Erst zu Hause kam mir der Gedanke, dass dies vermutlich absichtlich inszeniert war. Auch die Studierenden reagierten anfangs nicht auf meine Fragen, bis ich sagte: „Diskutieren Sie das bitte mit Ihrem Banknachbarn.“ Dann meldete sich prompt ein Student. Das schien mir im Nachhinein ebenfalls Teil des „Spiels“ zu sein. Nachdem ich die Themen durchgearbeitet und einen praktischen Fall vorgestellt hatte, der nicht funktionierte, stellte ich stattdessen einen negativen Fall vor. Das irritierte mich wenig.
Am Ende, während der Fragerunde, betrat plötzlich noch eine Person den Raum. Das irritierte mich total, da ich dachte, alle seien bereits da. Ich begrüßte sie freundlich und gab ihr ebenfalls ein Handout. Es tat mir leid, dass sie alles verpasst hatte, also sagte ich nur: „Sehen Sie sich das Handout in Ruhe an.“ Sie entschuldigte sich, und ich meinte: „Das passiert, machen Sie sich keinen Kopf.“ Im Nachhinein vermute ich, dass dies ebenfalls gestellt war, um zu sehen, wie ich reagiere. Ich bin kein „Rollenspiel-Typ“ und hatte einfach Mitgefühl für die Person. Umso überraschter war ich, als ich am Ende feststellte, dass sie Teil der Berufungskommission war. In dem Moment dachte ich wirklich: „Scheiße! Das wird nichts.“
Das anschließende Gespräch mit der Kommission, das bis 11:09 Uhr dauerte, verlief weitgehend erwartungsgemäß. Es gab einige fachliche Diskussionen, auch mit dem Dekan, der ebenfalls Teil der Kommission war. Wir waren uns in den meisten Punkten einig, aber ich betonte, dass Theorie und Praxis oft auseinandergehen. Zudem unterstrich ich mehrfach, wie wichtig mir die Interaktion mit den Studierenden ist, und dass ich „one size fits all“-Ansätze nicht mag.
Eine Sache, die mir während der Vorlesung auffiel, war die ständige negative Gestik einer Person, aber ich entschied mich, sie nicht darauf anzusprechen, um sie nicht bloßzustellen. Während der Diskussion warf ich schließlich eine rhetorische Frage in den Raum: „Ihnen hat mein Vortrag anscheinend nicht gefallen, oder? Oh, darf ich diese Frage überhaupt stellen?“ Der Vorsitzende antwortete: „Nein.“ Das war ein bewusstes Spielchen, um zu zeigen, dass ich es bemerkt hatte, mich aber entschieden habe, nicht darauf einzugehen.
Im Nachhinein hätte ich vielleicht auch etwas zu den Studierenden sagen sollen, die gleich zu Beginn ihre Laptops aufklappten. Ich kenne das jedoch aus meiner Arbeit und hatte kein Problem damit, da sie ja Notizen hätten machen können. Dennoch vermute ich, dass dies ebenfalls eine Falle war. Ich hoffe, dass meine Aufforderung „Reden Sie mit Ihrem Nachbarn“ ihnen den Eindruck vermittelt hat, dass ich sie wieder ins Geschehen eingebunden habe. Ich hielt den Großteil des Vortrags über Augenkontakt zu den Studierenden – sie konnten also gar nichts anderes tun.
Insgesamt hatte ich ein merkwürdiges Gefühl und bin danach direkt nach Hause ins Bett gefallen. Zwei Stunden Schlaf waren drin, bevor es Zeit war, bei den Vorbereitungen für die Geburtstagsfeier meiner Tochter zu helfen. Meine Frau hatte bereits alles organisiert, sodass ich nicht mehr viel tun musste. Ich holte meine Tochter ab, und dann kamen die 14 Gäste. Das Ganze ging bis kurz nach 19:00 Uhr, und danach waren meine Frau und ich komplett erledigt. Wir räumten alles auf und setzten uns um 19:44 Uhr auf die Couch, in der festen Überzeugung, bald ins Bett zu gehen. Um 19:45 fiel uns jedoch ein, dass wir noch einen gemeinsamen Studenten betreuen sollten, und der Termin war um 20:00 Uhr. Den haben wir dann auch noch wahrgenommen.
Meine Frau musste danach noch etwas für ihre Konferenz klären, während ich die Bilder und Videos von der Feier bearbeitete. Gegen 22:00 Uhr fielen wir schließlich ins Bett. Heute Abend geht es weiter mit der Nachtschicht für meine Dissertation, denn morgen steht der Review-Termin mit meinem Doktorvater an.
Es war etwas länger, aber ich bin sicher, dass einige die Detailtiefe interessant finden.
Wünsch euch was und drückt mir die Daumen!
SebastianL
Bearbeitet von SebastianL
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