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Buchvorstellung: Handbuch Online-Beratung


Markus Jung

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Das Handbuch Online-Beratung - Psychosziale Beratung im Internet* wurde von Stefan Kühne und Gerhard Hinterberger herausgegeben und liegt mir in der 2. Auflage von 2009 vor. Es ist im Verlag Vandenhoeck und Ruprecht erschienen und umfasst 265 Seiten mit 2 Abbildungen und 9 Tabellen.

Es handelt sich um einen Sammelband mit Beiträgen von verschiedenen Autoren, die thematisch in sieben Kapitel einsortiert sind. Auch wenn das Buch sich auf "psychosoziale Beratung" konzentriert, sind viele Inhalte auch für die Online-Bildungsberatung passend. Ich bin bei der Lektüre allerdings selektiv vorgegangen und habe einige Beiträge nicht gelesen, die sich gezielt mit anderen Bereichen beschäftigen, zum Beispiel mit Paarberatung oder der Beratung von AIDS-Patienten. Daher ist mein nachfolgender Inhaltsüberblick auch nicht vollständig, sondern konzentriert sich auf die Inhalte, die ich für mich und für die Bildungsberatung zum Thema Fernstudium als nützlich empfinde. Teilweise habe ich daher auch einige meiner Überlegungen zu einzelnen Punkten ergänzt.

Anmerken möchte ich noch, dass die beiden Herausgeber beide auch Mitherausgeber des e-beratunsjournal.net sind, das ich an dieser Stelle schon mal empfehlen möchte und dem ich später sicherlich nochmal einen separaten Blog-Beitrag widmen werde.

Das erste Kapitel liefert eine Einführung in die Online-Beratung. Im zweiten Kapitel geht es um die Theorie der Online-Beratung. Intensiv habe ich mich hier mit dem Beitrag "Theoretische Grundlagen der Online-Beratung" von Alexander Brunner beschäftigt. Ausgehend von einem klassischen Verständnis des Beratungsbegriffs (vereinfacht: ein Kommunikationsprozess mit festgelegten Zielen bzw. Erwartungen) werden hier die Besonderheiten der Online-Beratung unter den Aspketen mündlich/schriftlich, sinnlich/textlich, real/imaginär sowie personal/depersonal betrachtet. Dadurch ergeben sich dann auch verschiedene Vorteile und Nachteile, die es zu Berücksichtigen gilt.

Im dritten Kapitel werden in vier Beiträgen verschiedener Autoren unterschiedliche Medien der Online-Beratung (Mail, Chat, Foren, Mobilmedien) betrachtet. Sehr spannend im Hinblick auf Fernstudium-Infos.de fand ich hier den Beitrag von Nicola Döring und Christiane Eichenberg zur Foren-Beratung. Nach einem kurzen Überblick über den Stand der Forschung wurde zunächst betrachtet, was Foren-Beratung eigentlich ist und dass Beratung in Foren auf verschiedenen Ebenen statt findet oder statt finden kann:

1. Formalisierte Beratung durch professionell ausgebildete Berater

2. Halbformalisierte Beratung durch "bevorzugte Nutzer"

3. Informelle Beratung durch andere Nutzer

4. Selbstberatung der Nutzer durch Lektüre

Eine wirklich formalisierte Beratung findet bei Fernstudium-Infos.de ja nicht statt, so dass es sich hier auf die Bereiche 2.-4. konzentriert. Insbesondere der vierte Punkt sollte meiner Meinung nach nicht unterschätzt werden, wenn ich mir anschaue wie viele der Benutzer nur lesend aktiv sind. Hier sehe ich ein wenig die Gefahr, dass mancher in dieser "Selbstberatung" eine Situation auf sich bezieht, die eigentlich gar nicht so ganz passt. Andererseits können natürlich durch die Beiträge viele Anregungen gegeben werden und es bleibt zu hoffen, dass bei Unklarheiten dann doch eine Nachfrage erfolgt. Interessant fand ich auch ein Studienergebnis, dass sich auch die nicht-schreibenden Forenteilnehmer der Community als zugehörig fühlen. Das kann man auch aus manchen Forenbeiträgen hier bei uns herauslesen, wenn Teilnehmer sich dann nach einer oft recht langen Zeit doch noch zu Wort melden und etwas dazu schreiben, dass sie die Diskussionen schon längere Zeit interessiert verfolgen.

Als nächste Besonderheit wird auf die Beratung in einem quasi "öffentlichen Raum" eingegangen. Dies ist bei Fernstudium-Infos.de ja ganz besonders deshalb der Fall, weil die Foren auch ohne Anmeldung gelesen werden können.

Weitere Abschnitte beschäftigen sich mit der Stellung der Nutzer, der Moderation, Zugang und Indikationen für Forenberatung (Selbsthilfecharakter, niederschwelliger Zugang), Zielgruppen, Grenzen (zum Beispiel Probleme durch störende oder spammende Benutzer) und technische Lösungen eingegangen.

Insgesamt ein Beitrag, mit dem ich mich sicher noch intensiver auseinander setzen werde.

Das vierte Kapitel besteht aus fünf Beiträgen zu verschiedenen methodischen Ansätzen in der Online-Beratung. Hier gefällt mir besonders der von Birgit Knatz vorgestellte Ansatz des Vier-Folien-Konzepts für die Mail-Beratung, der sehr praxis-orientiert und mit einem Beispiel beschrieben wird. Bevor das eigentliche Konzept vorgestellt wird, wird die Bedeutung der Lese-, Schreib- und Beratungskompetenz für die Online-Beratung dargestellt. Alle drei Bereiche müssen zusammen kommen. Es reicht nicht aus, wenn jemand zwar eine hohe Beratungskompetenz hat, diese aber nicht schriftlich ausdrücken kann oder aus den schriftlichen Anfragen (die ja wesentlich weniger Elemente enthalten als in einer direkten Gesprächssituation vorhanden sind) nicht entnehmen kann, was der Verfasser meint.

Nach Ansicht der Autorin sollen Online-Berater vertraut sein mit:

- Dem klientenzentrierten Konzept von Carl Rogers

- Dem ressourcen-orientierten Ansatz in der Beratung

- Den verschiedenen Grundsätzen der humanistischen Psychologie

- Den wichtigsten theoretischen Inhalten der Kommunikationspsychologie und deren Handhabung

Diese Auflistung hat mich in sofern gefreut, als dies Bereiche sind, in denen ich im Rahmen meines Weiterbildungskonzeptes eh schon aktiv bin. War für mich eine schöne Bestätigung :-)

Das 4-Folien-Konzept sieht dann vier Stufen (oder "Folien") bis zur Antwort vor. Zunächst geht es darum, welche Gefühle und Resonanzen beim Berater ausgelöst werden, dann um den Inhalt der Anfrage, im Dritten Schritt um die Diagnose und erst im vierten Schritt um die Intervention bzw. Antwort.

Das fünfte Kapitel geht auf die zielgruppenspezifische Online-Beratung ein. Die drei enthaltenen Beiträge zur frauenspezifischen Online-Beratung, zur Paarberatung online und zur Aidshilfe-Beratung habe ich mir nicht genauer angeschaut.

Die beiden Beiträge des sechsten Kapitels beschäftigen sich mit der Wahl der Technik und mit Standards in der Online-Beratung. Was die Technik (Beitrag von Petra Risau) angeht, habe ich mich bereits entschieden. Für die Forenberatung kommt hier ja seit vielen Jahren ein System eines großen Herstellers zum Einsatz, von dem ich aufgrund des Umfangs der Inhalte eh kaum weg kommen könnte, aber auch nicht von weg möchte, da es sich trotz einiger Defizite insgesamt als sehr zuverlässig und "passend" erwiesen hat - auch weil es möglich ist, es in eigenen Bereichen passend zu machen - und beständig weiter entwickelt werden. Sollte ich künftig auch eine individuelle (im Sinne von persönlich/nicht-öffentlich) Online-Beratung anbieten, steht dafür auch schon ein System mehr oder weniger fest, auf das ich dann sicherlich näher eingehen werde, wenn es konkreter wird. Die Standards in der Online-Beratung werden im Beitrag von Frenz Eidenbenz anhand von Überlegungen aus der Schweiz dargestellt. Einige Interessante Anregungen habe ich daraus mitgenommen, insbesondere zu Möglichkeiten, das Feedback der Beratenen einzuholen. Was konkret Qualifikationsstandards angeht, werde ich mich aber vor allem noch näher mit dem deutschen Projekt zur Beratungsqualität in Bildung, Beruf und Beschäftigung beschäftigen (http://www.beratungsqualitaet.net/).

Das siebte und letzte Kapitel mit der Überschrift Qualifizierung für Online-Beratung enthält den Beitrag "Aus- und Weiterbildung in der Online-Beratung" von Stefan Kühne. Hier werden einige Angebote aus dem deutschsprachigen Raum vorgestellt

* = Affiliate-Link

2 Kommentare


Empfohlene Kommentare

Hallo Markus, vielen Dank für diese ausführlichen Einblicke.

Mich hätte interessiert, worin sich „frauenspezifische Online-Beratung“ zur „herkömmlichen Online-Beratung“ unterscheidet bzw. warum dem ein Beitrag gewidmet wird. Na ja, Online-Beratung und (öffentliche) Foren sind ein weites Feld, ich könnte es mir mit den Inhalten erklären, die man evtl. sensibler angehen müsste, je nach dem worum es halt geht.

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Mich hätte interessiert, worin sich „frauenspezifische Online-Beratung“ zur „herkömmlichen Online-Beratung“ unterscheidet bzw. warum dem ein Beitrag gewidmet wird.

Der Beitrag beginnt so: "Unter frauenspezifischer Online-Beratung wird gesellschaftspolitisch engagierte, feministische Beratung von Frauen und Mädchen über das Internet verstanden".

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