Wieso Philosophie zum Fernstudenten passt und Eisenbahnwagons schlecht für Dicke sind
Das sind doch mal bewegende Fragen, oder? Leider ist die Kopfzeile nicht lang genug für die wirklich wirklich wichtigen Dinge des Lebens.
Nun ist es ja so, dass ich generell gerne über das ein oder andere nachdenke. Leider ist nachdenken irgendwie nicht geeignet um es als Hobby anzugeben, zudem war ja bis vor kurzem Nachts lange aufbleiben und Diplomarbeiten und Motzblogs schreiben mein Hobby.
Jetzt habe ich wahnsinnig viel Zeit und in meiner Freizeit wahnsinnig viel Bedarf daran, mein Hirn in Trab zu halten. Einerseits habe ich immerhin schon angefangen den Stapel an Büchern (in echt) und den Stau in meinem Kindle abzulesen, aber irgendwie hat mir die ganze fernstudiererei den reinen Konsum von etwas abgewöhnt.
Auch wenn ein Buch auch im Jahr 2012 immer noch geeignet ist a) intellektuell zu wirken und auch etwas dabei zu lernen ist es - vor allem wenn es nicht um Unterhaltung geht - eher Konsum.
Netterweise bietet das Internet genügend Möglichkeiten von der passiven Wissensaufnahme zum aktiven Lernprozess zu begeben und das auch noch ohne ein teueres Fernstudium aber auch ohne die Gefahren autodidaktisch zu lange im trüben zu fischen.
Also... mich interessiert denken, ich habe Zugang zu iTunesU und somit einer Vielzahl an Wissensvermittlung. Deswegen habe ich mich für zwei "Kurse" entschieden.
Einer davon ist der Open University Taster Introducing philosphy: thinking and ethics, der andere eine OpenYale Vorlesung (und somit ohne besonders aufbereitetes Material für "Fernlerner) nämlich Philosphy and Science of Human nature.
Bevor ich das, was ich bisher gelernt habe und die Inhalte näher vorstelle möchte ich aber zum einen natürlich die Ausgangsfrage klären und zum anderen einmal festhalten, warum ich mir das eigentlich antue.
Natürlich... genau DIESE Frage stellt sich jeder Fernstudent. Aber (!) als Fernstudent steht da ein Ziel, man bezahlt ggf. viel Geld ... warum aber zum Teufel setzt sich jemand nach 4,5 Jahren Fernstudium hin, zieht sich Kurse in Englisch (!) über Philosophie (!!) rein... bloggt auch noch drüber (!!!) und hat in seiner wieder gewonnenen Freizeit (!!!!) kein Problem damit sogar Platon in Englisch zu lesen (!!!!!) ???
Tja, wer die Antwort wissen möchte... der muss nachdenken, nämlich über meine Beweggründe und meinen inneren Antrieb. Und ... et voilà ... schon stecken wir mitten drin in der Philosophie! (ätsch... voll erwischt )
Beide Kurse sind ziemlich unterschiedlich. Die OU ist bekannt für erstklassig aufbereitetes Material. Dabei nutzt die OU die Möglichkeiten der iTunesU App (die ich sowohl am iPhone als auch am iPad rege nutze) voll aus. Es gibt strukturierte Notizen, Videos, Interviews, Podcasts, Lesestoff und kleine Fragen. Insgesamt ist der Taster nicht sehr umfangreich, bietet aber einen guten Querschnitt.
Bei dem OpenYale Kurs handelt es sich um 1A-Videoaufzeichnungen eines ganzen Semesters in dem o.g. Kurs. Dieser geht etwas weiter über Philosophie hinaus - er nutzt vielmehr Philosophie UND empirische Wissenschafften und verknüpft philosophische denk- und argumentationsweisen mit Hirn- und Verhaltensforschung sowie Psychologie.
Neben den ca. 45-50 minütigen Videoaufzeichnungen (die - wie ich schon erwähnte - wirklich erstklassig sind) gibt es für jede Vorlesung Literatur zu lesen und einen sehr hilfreichen Reading Guide. Da es eben kein Kurs für "Fernlerner" ist, muss man hier selbst ran. Ein Buch das zu lesen war habe ich auf Deutsch, also hab ich das gelesen, bei anderen habe ich bisher dank GoogleBooks und Amazon sowie kostenlosen eBooks einiges gefunden.
Aber wie schon gesagt, die Inhalte stelle ich jeweils in einem separaten Blog vor.
Also... warum Philosophie? Und... warum gerade als BWL-Futzi? Das liegt sicher auch daran, dass mich der Studiengang der Uni Bayreuth (seitdem ich von ihm gehört habe) so sehr fasziniert hat. Wie man sieht geht also die Wirtschafterei und die Denkerei doch irgendwie zusammen, sogar so erfolgreich, dass auch die OU so einen Studiengang im Programm hat.
Nun lernt man bei der Einführung in die Philosophie, dass es gar keinen richtig definierten Begriff gibt, sondern Philosophie eher das ist, was nicht empirische Wissenschaft ist. Sie beschäftigt sich mit Fragen, die man mit empirischer Forschung nie herausfinden kann... z.B. warum jemand wie ich, sich so etwas antut. Das wird man nie mit empirischer Forschung herausfinden können.
Damit man mit Philosophie überhaupt etwas herausfinden kann muss man aber nicht nur im Elfenbeinturm sitzen, sich einen langen Bart wachsen lassen und nachgrübeln... sondern man bedient sich verschiedener Techniken, Gedankengebäuden und Analogien.
Eine davon ist das berühmte Trolley-Problem, welches sicherlich sehr bekannt ist. Dabei geht es darum, dass Dinge die offensichtlich zum gleichen Ergebnis führen (1 Mensch stirbt, 5 überleben) durch die Ausgangshandlung anders interpretiert werden. Dazu gibt es noch andere Gedankenexperimente die ich auch sehr interessant fand (darum geht es um Organspende und um wilde Bären). Nun schubst man also, wenn man sich mit Philosophie beschäftigt, dicke Männer eine Brücke runter (oder eben nicht) und denkt so vor sich hin.
Und genau da liegt für mich die Faszination. Ich beschäftige mich gerne mit Hintergründen, mit Beweggründen und mit der Abstraktion von Dingen. Ich wäge auch des öfteren ab, weswegen ich auch hin und wieder mal als Spielverderber gelte, dabei hinterfrage ich eben auch - obwohl ich bereits für etwas bin - ob nicht doch etwas zu beachten ist. Glücklicherweise komme ich damit prima klar, denn kritisch zu sein und "Konsum" (egal von was) zu hinterfragen, ist für mich ein hohes gut.
Also komme ich ungebildeter Bengel also daher und beschäftige mich eben mal damit, was sonst eher dem Bildungsbürger vorenthalten ist (ok das war jetzt arg polemisch ) ... aber als "Arbeiterkind" und "Nicht-Abiturient" ist das nicht der typische Stoff mit dem man so im Leben in Kontakt gerät. Ich habe einige Bücher gelesen, aber aktive Beschäftigung mit dem Stoff ist etwas anderes.
Da ich das jetzt nicht aus langeweile mache, habe ich übrigens auch ein Ziel. Nur ist es natürlich ein anderes als beim Fernstudium. Das ist die pure Lust am Thema. Deswegen mixe ich auch beide Kurse, lese teilweise etwas mehr als vorgegeben oder weniger. Ich mache mir Notizen und ich blogge drüber.
Letztlich möchte ich einfach meine Denkwerkzeuge kritisch halten, Techniken kennenzulernen die mir helfen gedankliche Manipulation aufzuspüren und das ganze sauber und gut zu verargumentieren. Dazu gibt es kein Lernziel, keine Klausur und keine Hausarbeit, dazu gibt es aktive Prozess die im Hirn laufen und vor allem das Gefühl etwas getan zu haben (statt es nur gelesen zu haben) ... und ausserdem kann ich mal so tun, als hätte ich an einer Uni studiert, denn diese Erkenntnis bekommt man wenigstens Teilweise auch bei einer Yalevorlesung mit ... im Gedanken fragt sich mein Fernstudentenhirn doch öfters in wie wenigen didaktisch sauberen Seiten man so eine 45-min. Vorlesung hätte verpacken können
Ach ja, bevor ich den Blog noch überziehe... es ist ja noch ein Teil der Ausgangsfrage offen. Dabei geht es um das Konzept der positiven und der negativen Freiheit das auf Isaiah Berlin zurückgeht. Während die negative Freiheit diese darstellt eine Entscheidung zu treffen bzw. wenn diese eingeschränkt wird, nicht treffen zu können, beschäftigt sich die positive Freiheit mit den inneren Zielen des Menschen.
Ist diese positive Freiheit eingeschränkt, opfert bspw. ein Fernstudent sein höheres Ziel der Weiterentwicklung, des Lernens und damit z.B. des erhöhten Einkommens für ein niederes Ziel wie z.B. ... Eis essen gehen, aufräumen, staubsaugen oder... naja Olympia gucken.
In dem Moment ist der Mensch (und auch der Fernstudent) also nicht frei, obwohl er ja könnte. Denn niemand hält ihn davon ab sich auf seine Bücher zu stürzen... ausser er selbst. Wie frei kann er also in dem Moment sein?
Mit dieser kleinen Frage reicht es jetzt aber auch für den ersten Philosophie-Blog (wenn das ganze etwas zu lang war, bitte Feedback!)... fröhliches denken!
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