Zum Inhalt springen

Gedanken zum Nutzen eines Studiums


tassilop

Empfohlene Beiträge

Hallo zusammen,

ich habe im Jahr 2005 an der pffh Darmstadt das Diplom in Informatik (Informationsmanagement) mit 1,7 abgeschlossen. Leider konnte ich das Studium beruflich bisher nicht fruchtbar nutzen. Ich erinnere mich an Aussagen meiner Arbeitgeber, wie "Du muss wissen, auf welcher Hochzeit du tanzen willst!" Oder "Bei uns wird nicht nach Abschluss bezahlt, sondern nach Leistung!" Oder Versprechungen wurden nicht eingehalten und sind im Sande verlaufen. Letztendlich arbeite ich in der gleichen Stellung, wie vor meinem Studium und verdiene mittlerweile weniger als vor dem Studium. Bewerbungen um eine Fachlich niveauvollere Stellung als im Support, z.B. Programmierer oder Datenbankadministrator werden mit Absagen oder keinen Antworten "belohnt".

Nun kann es ja unterschiedlichste Gründe für solche beruflichen "misserfolge" geben, die auch völlig unabhängig von der Beruflichen Bildung sind, wie auch bei mir z.B. persönliche Probleme hinzukamen, doch möchte ich folgende Behauptungen in den Raum stellen und bin auf eure Meinungen gespannt:

  1. Nach dem Studium sollte keine Zeit verloren werden, um dieses beruflich zu nutzen, sonst kann es sich sogar nachteilig auf den Lebenslauf auswirken, z.B. dargestellt durch die Frage: "Sie haben studiert, arbeiten aber seit fünf Jahren fachlich unverändert weiter. Da kann es mit Ihrem Studium ja nicht so weit hergeholt sein!"
  2. Ein Studium sollte mit bedacht und zielführend gewählt werden, d.h. es sollte feststehen, was man mit dem Studium konkret anfangen will, und wie man das anfangen will. (Nicht: z.B. Ich arbeite als Call-Center-Agent und studiere dann und hoffe, dass mein Arbeitgeber das dann honoriert)
  3. Durch Studium bedingt lernbare Fähigkeiten, wie Verhandlungsgeschick, Zielorientierung, Selbstbewusstsein... sind genauso wichtig, wie Studienabschlüsse und stellen in bestimmten Kombinationen Schlüsselqualifikationen für Führungstätigkeiten dar.
  4. Bei technisch/fachlich orientierten Tätigkeiten (z.B. Techniker) ist ein Studium, in dem hauptsächlich Führungstechniken vermittelt werden, nicht zielführend, bzw. sogar hinderlich, wenn keine Führungstätigkeit angestrebt wird.
  5. Es gibt Tätigkeitsbereiche, in denen ist systematisches, „denkendes“ und wissenschaftliches Vorgehen, wie es in Studien vermittelt wird, nicht nur nicht erwünscht, sondern geradezu sehr störend. Solche Bereiche sollten mit Studienabschluss verlassen oder das Wissen aus dem Studium vollständig an den Nagel gehängt werden.

Danke.

Tschüss.

Tassilo.

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Anzeige: (wird für registrierte Benutzer ausgeblendet)

Ich stimme Dir nahezu uneingeschränkt in allen Thesen zu. Insbesondere These 1 beschäftigt mich persönlich auch gerade sehr. Hinzu kommt, dass ich leider von dem gelernten Stoff sehr viel vergesse, wenn ich ihn nicht anwende. Nach mehreren Jahren der Nicht-Anwendung wird man das Studium kaum noch gewinnbringend verkaufen können bzw. ernsthaft behaupten können, dass man den Stoff noch draufhat. Das hängt allerdings auch stark damit zusammen, wie praxisrelevant ein Studium ist.

Einzig These 5 kann ich aus meiner Erfahrung so nicht bestätigen (aber auch nicht kritisieren). Meinst Du mit "störend" so was wie "der ist zu intelligent für unsere Tätigkeiten"?

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Hallo,

was Du schreibst kenne ich irgendwoher. Ich habe vor zwei Jahren nebenberuflich in vier Jahren meinen Techniker gemacht , habe den Abschluss (im Verkehrswesen) bis heute auch nicht beruflich verwerten können. Wobei ich vorher schon einen recht guten Job hatte und diesen auch noch habe. Weiterführende Stellen scheitern entweder am zu niedrigen Abschluss oder an fehlenden Skills . Mittlerweile bin ich soweit, das ich ab Oktober , spätestens November wieder studiere. Von meiner busherigen Laufbahn hätte der Wirtschaftsingenieur gepasst, ich studiere aber Mechatronik weil, was in den Schaltungen passiert und warum was so ist wie es ist hat mich schon immer interessiert. Das soll heißen ich studiere in erster Linie für mich , in zweiter Linie kann ich mit dem Abschluss meiner Tochter irgendwann in Mathe und Physik helfen (sogesehen spare ich natürlich da ich mir den Nachhilfelehrer spare) am Schluss ist natürlich ein berufliches Interesse und die Hoffnung auf ein Weiterkommen in unserem Unternehemn auch noch vorhanden. Aber wer weis das schon, vielleicht ergibt sich eine nebenberufliche Tätigkeit.......

Ich denke oftmals müsste man die Firma wechseln und örtlich sehr mobil sein um aus einem Studium oder höherwertigen Abschluss etwas zu machen . (ist einem weitläufigen Bekannten so geglückt) Ob man so etwas will,muss jeder für sich selbst wissen. Aber wenn man heutzutage seit 15 oder mehr Jahren in einer Firma ist und vielleicht die 30 schon den einen oder anderen Tag überschritten hat, geht man diesen Schritt nicht so einfach zumal soziale Netze nicht wegen ein paar Tausend Euro Jahresbrutto zerschnitten werden sollten.

Alles in allem ein spannendes Thema.

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Einzig These 5 kann ich aus meiner Erfahrung so nicht bestätigen (aber auch nicht kritisieren). Meinst Du mit "störend" so was wie "der ist zu intelligent für unsere Tätigkeiten"?

Es gibt z.B. Bereiche, in denen besteht breites Misstrauen gegenüber Akademikern, weil sie als „Theoretiker“ gelten und „keine praktische Erfahrung haben“. Ich persönlich habe dies im IT Support-Bereich am eigenen Leib schon des Öfteren erfahren müssen. Da wird dann plötzlich Erfahrung entwertet, weil sie theoretisch angereichert ist.

Weiterhin geht es um die Gefahr der Konzentration von Know-How auf einzelne Personen. Studium erhöht zum Einen direkt Know-How, zum Anderen verbessert es aber auch die Fähigkeit, Know-How selbständig zu erarbeiten. In Bereichen, in denen Lösungen erarbeitet, nicht nur benutzt werden sollen, entsteht so eine hohe Gefahr, dass Problem-Lösungs-Strategien durch einzelne eingeführt werden, bei denen die Kollegen nicht mehr ohne weiteres (Kosten f. Weiterbildung oder Neueinstellung) mithalten können. Ändern sich in einer Abteilung Prioritäten, z.B. von „Problemlösung“ – in Guten Zeiten, zu „Kostenreduktion“ – in Schlechten Zeiten, kann ein solcher Kollege leicht zu einem sichtbaren Problem für Entscheider werden. Dann steht ihm sein Wissen, dass er sich durch Studium erarbeitet hat und die Fähigkeit, selbständig Wissen schneller anzureichern, evtl. im Weg.

Wird beides kombiniert, kann plötzlich ein Kollege sowohl vor den anderen Kollegen, als auch vor den Entscheidern schlecht da stehen.

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Hallo,

zu Deiner zweiten These:

Ein Studium sollte mit bedacht und zielführend gewählt werden, d.h. es sollte feststehen, was man mit dem Studium konkret anfangen will, und wie man das anfangen will.

Ich glaube nicht, dass dieses ergebnisorientierte Studieren so eine gute Idee ist. Selbst wenn bei der Wahl des Studiengangs alles Mögliche bedacht wurde und dann das passende Studium gewählt wurde, bleibt das Leben doch von Zufälligkeiten abhängig. Durch Glück erfährt man von einer geeigneten Stelle, die man über die klassischen Suchmöglichkeiten nicht gefunden hätte.

Immer wieder hört man von den "Schweinezyklen", bei denen Massen von Studenten sich auf Studiengänge stürzen, die Berufe bedienen, wo gerade große Nachfrage herrscht. Ein paar Jahre später gibt es dann zu viele Absolventen im dem Bereich.

Nun ist es sicher richtig, dass ein Studium, das einen ausschließlich auf -- sagen wir mal -- die Leitung einer theologischen Bibliothek vorbereitet, nicht optimal im Sinne der künftigen beruflichen Einsatzmöglichkeiten ist. Aber es könnte trotzdem das Richtige sein, wenn es das ist, wofür man sich interessiert. Das Studium dient ja nicht nur als Eintrittskarte in den Beruf, sondern ist auch eine wichtige Phase, in der man neugierig ist und Neues lernt, und das sollte auch Freude bereiten. Ich habe z.B. in meinem Studium nicht einen Hauch von BWL gelernt, obwohl man das als Nebenfach hätte wählen können und sich BWL-Kenntnisse sicher in jeder Bewerbung gut machen; aber es hat mich halt nicht interessiert und hätte den Spaß am Studium sicher verringert.

Wer das studiert, was ihn wirklich interessiert, wird vermutlich auch erfolgreicher durchs Studium kommen. Für die spätere Arbeit ist nicht wirklich relevant, in welchem Fach man seinen Abschluss gemacht hat. In etlichen Unternehmen arbeiten zu einem großen Teil Leute, die dort "fachfremd" sind, wenn man nur auf den akad. Grad guckt. Ich glaube darum nicht, dass man sich mit der Fachwahl in seinen zukünftigen Möglichkeiten allzu sehr beschränkt. Das im Studium vermittelte Wissen ist (auch wenn es exakt das "richtige" Fach ist) doch nur teilweise in der Praxis anwendbar, man wird also so oder so im Job dazulernen müssen.

Schöne Grüße

Hans-Georg

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

ich denke, ob man sein Studium tatsächlich nutzen kann, hängt auch immer von dem Unternehmen ab, in dem man arbeitet und den Personen, die dort arbeiten

wenn man jemanden vor der Nase hat, dem man im Laufe des Studiums von der Qualifikation her überholt und der dann Angst um seinen eigenen Job hat, ist das ein Problem

wenn der eigene Vorgesetze das Studium aber gut findet und die Weiterentwicklung seiner Mitarbeiter unterstützt, kann man sich umgekehrt glücklich schätzen.

Natürlich ist auch immer die Frage erlaubt, was man aus der eigenen Situation mach - frei nach dem Motto: jeder ist seines Glückes Schmied. Die andere Frage ist natürlich immer, welche Möglichkeiten es gibt - mit einer Familie im Anhang ist man nicht mehr so flexibel (nicht nur räumlich) wie als Single.

Aber auch ich bin der Meinung dass man den Job schnell nach Ende des Studiums wechseln sollte, wenn man das vorhat. Das erlernte Wissen veraltet und man vergisst auch manches wieder, wenn man es nicht anwenden kann. Außerdem ist ein abgeschlossenes Studium sicher immer vorzeigbarer Grund für einen Jobwechsel.

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Hallo,

These 1 würde ich auch unterschreiben. Wenn man mit dem Abschluß total überqualifiziert jahrelang auf der alten Stelle sitzen bleibt, dann sieht das im Lebenslauf nicht unbedingt gut aus. Vielleicht kann man aber erklären, daß diese Stelle durchaus ausbaufähiges Potenzial hatte, obwohl das nicht finanziell honoriert wurde.

Ansonsten halte ich es ähnlich wie Eisenbahner. Ich lerne in erster Linie für mich, weil es mich interessiert. Mal sehen, wie es sich später vermarkten läßt. Höhere Stelle, Nebenjob, (ggf. nebenberufliche) Selbständigkeit, Horizonterweiterung... - ich bin für alles offen.

Jemand, der mit dem Fernstudium unbedingt einen adäquaten Job anstrebt (z.B. wegen Arbeitslosigkeit, Geldbedarf, Prestige...), muß sich sicher mehr Gedanken machen, was er studieren will und ob er sein Ziel damit erreichen kann. Optimal ist natürlich, wenn der Arbeitgeber ein Studium vorschlägt, (mit-)finanziert und einen Aufstieg zusichert.

more

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

  • 1 Monat später...

Ja, das ist eine der Alternativen, die wohl in meinem Fall gangbar sind, um etwas an meiner Situation zu ändern. Eine andere, die ich gerade versuche, ist die Entwicklung eines semantischen Datenbank-/Anwendungssystems und die Präsentation in einer Entwicklerzeitschrift. Die Entwicklung und die Präsentation eines solchen Systems ist mir nur möglich mit dem Fernstudium als Hintergrund, doch zeigt sich schön die Problematik. Durch ein solches Studium eröffnen sich neue Chancen und Möglichkeiten, doch die Nutzung dieser Möglichkeiten liegt außerhalb des Studiums. Leistung in Form eines erarbeiteten Studiums ist ein Faktor, andere sind z.B. der Grad der Chancengleichheit oder Durchsetzungsvermögen. Wenn Faktoren wie der Grad der Chancengleichheit immer entscheidender werden beim Erfolg, dann werden die Möglichkeiten der Beeinflussung von Erfolg und Misserfolg durch den Einzelnen immer kleiner. Ich persönlich habe das Gefühl, dass der Grad der Chancengleichheit in Deutschland die letzten Jahre rapide gesunken ist, und Faktoren über Erfolg und Misserfolg in beruflichen Laufbahnen entscheiden, die vom Einzelnen immer weniger beeinflusst werden können.

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Archiviert

Dieses Thema ist jetzt archiviert und für weitere Antworten gesperrt.




×
  • Neu erstellen...