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Interview mit "paarberatung online": Trotz Fernstudium eine gute Beziehung führen


Markus Jung

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Ein Fernstudium kann schnell zu einer Belastung für die Beziehung werden, wie auch die vielen Erfahrungsberichte in diesem Thema zeigen. Auf der anderen Seite liegen aber auch Chancen für die Partnerschaft in der Weiterbildung und das Verhältnis kann sich intensivieren.

Da mir das Thema sehr wichtig erscheint, habe ich mich um professionelle Tipps bemüht und konnte Klaus Fieseler und Karin Hentschel von "paarberatung online" für ein Interview zum Thema "Fernstudium und Beziehung" gewinnen.

Warum könnte ein Fernstudium eine „Beziehungsprobe“ sein?

Für ein Fernstudium wendet man Zeit, Energie und Aufmerksamkeit auf, die man dann in anderen Lebensbereichen nicht hat. Es verändert einiges im Alltag und das geht nicht spurlos an einer Beziehung vorbei. Es ist also auch eine Probe für die Beziehung, in die während der Zeit des Fernstudiums möglicherweise weniger Zeit, Energie und Aufmerksamkeit fließt. Beide Partner müssen die Beziehung dann unter veränderten Bedingungen pflegen und die Beziehung weiter entwickeln mit den neuen Rahmenbedingungen. Das gilt genau so für andere größere Projekte wie Hausbau, Karriere oder Familiengründung – auch da muss sich die Beziehung mit entwickeln. Gemeinsame Aufgabenbereiche wie Hausarbeit oder Kindererziehung müssen neu geregelt werden, Rückzugsmöglichkeiten und gemeinsame Zeit müssen neu ausgehandelt werden.

Ein Fernstudium nimmt viel Zeit in Anspruch. Wie schafft man dafür Verständnis beim Partner?

Es ist wie bei allen wichtigen Entscheidungen in einer modernen Partnerschaft: sie sollten offen mitgeteilt und wenn möglich einvernehmlich getroffen werden. Heutzutage gibt es ja kaum noch Partnerschaften, in denen der Mann über die Dinge allein entscheidet. Verständnis beim Partner schafft man, indem man sich mitteilt und Bedenken des Partners ernst nimmt. Dazu ist es gut, wenn man weiß, auf was man sich zeitlich und finanziell einlässt, wenn man weiß, auf was man dafür verzichten wird und wenn man das auch mitteilt. Bedenken des Partners – auch wenn man sie für unbegründet hält – sind dennoch ernst. Man kann sie auch nicht einfach vom Tisch wischen indem man sagt: „Alles wird gut, lass mich mal machen.“ Ebenso wird man auch nicht wegen der Bedenken des Partners verzichten. Hilfreicher ist da eher die Frage an beide: „Wie kann es gelingen, Fernstudium und Beziehung unter einen Hut zu bringen?“ Dann geht es auch nicht so sehr um Verzicht für einen oder beide Partner, sondern die Chancen des Fernstudiums für beide können gewürdigt werden.

Wie viel Zeit sollte man für den Partner am Tag oder in der Woche trotzdem aufbringen können – gibt es dafür eine Faustregel?

Das muss jedes Paar selbst aushandeln und ausprobieren. Aber eine halbe Stunde täglich für den Austausch oder die „Dienstübergabe“ in den gemeinsamen Bereichen wie Haushalt und Kinder sollte mindestens eingeplant werden. Außerdem sollte immer Zeit für längere gemeinsame Aktivitäten sein wie Spaziergänge, Sport, Kino, Kochen oder andere Hobbys.

Kann es auch zu Neidgefühlen kommen, wenn sich der andere weiterentwickelt? Und wie kann man diesen begegnen?

Neidgefühle können aufkommen, wenn man selbst das Gefühl hat, sich nicht weiter zu entwickeln. Deshalb ist es für den Partner wichtig, für sich selbst und die eigene Entwicklung auch etwas zu tun. Neidgefühle können auch aufkommen, wenn man die Entwicklung des anderen nicht mehr nachvollziehen kann und sich Gedanken darüber macht. Deshalb ist der Austausch über die Entwicklungen wichtig. Wenn das ausbleibt, lebt man sich auseinander und beide fühlen sich immer weniger vom Partner verstanden.

Welche Möglichkeiten gibt es, den Partner in das Fernstudium einzubeziehen?

Man muss den Partner nicht einbeziehen – es sei denn beide absolvieren gleichzeitig denselben Studiengang oder haben einen ähnlichen beruflichen Hintergrund. Dann bietet sich natürlich auch ein fachlicher Austausch an und man bleibt allein darüber im Gespräch. Wenn aber die Interessen und Wissensgebiete weit auseinanderliegen, wird es schwieriger. Eine BWL-Studentin wird einen Partner, der im medizinischen oder im künstlerischen Bereich arbeitet, weniger einbeziehen können als einen Partner, der Banker oder Kaufmann ist.

Dennoch sollte man den Partner auf dem Laufenden halten über die aktuellen Belastungen, die Abläufe und die geplanten Schritte. Aber auch über Leistungsphasen oder Motivationstiefs sollte man sprechen, damit der Partner weiß wie der aktuelle Stand ist.

Wie ist es, wenn beide Partner parallel ein Fernstudium anfangen?

Optimal ist es, wenn sich beide dabei gegenseitig beflügeln und ermutigen können, wenn eine positive Konkurrenz entsteht. Das geht gut, wenn beide die Sache ähnlich angehen und ähnliche Arbeitsstile haben. Problematisch wird es bei unterschiedlichen Arbeitsstilen: ein kontinuierlich diszipliniert arbeitender Fernstudent und eine eher in kürzeren und intensiveren Phasen lernende Studentin brauchen Geduld und Toleranz füreinander.

Wenn man noch schwankt, ob sich die Beziehung mit dem Fernstudium vertragen wird: Welche Eigenschaften oder Beziehungsmerkmale sind wichtig? In welchem Fall sollte man es lieber lassen?

Es ist immer gut, ein starkes Team zu sein und auch schwierige Lebensphasen zusammen bewältigt zu haben. Paare, die auch durch Krisen und Herausforderungen nicht so schnell in ihrer Beziehung verunsichert werden, haben hier gute Voraussetzungen.

Man sollte zudem vorher genau prüfen, ob man den „Preis“ für ein Fernstudium wirklich zahlen möchte, wie viel Energie man braucht und wie viel man realistischerweise auch hat. Ex-Minister Guttenberg führte zur Verteidigung seiner Vorgehensweise bei der Doktorarbeit seine Belastungen durch die Berufstätigkeit, die Abgeordnetentätigkeit und seine Verantwortung als junger Familienvater an. Deshalb habe er nachts in mühevoller Kleinarbeit seine Dissertation erstellt. Es ist kaum möglich in Beruf, Bundestagsmandat, Dissertation und Familie über einen längeren Zeitraum den Anforderungen gerecht zu werden. Einer der Bereiche wird zwangsläufig leiden – bei Herrn zu Guttenberg war dies mindestens die Qualität der Dissertation.

Wie kann ich meinem Partner erklären, warum ich ein Fernstudium beginnen möchte?

Möglichst frühzeitig, offen und ehrlich. Die Entscheidung fällt ja nicht vom Himmel. Wer sich für ein Fernstudium entscheidet, macht das nicht aus einer Laune heraus, sondern weiß ganz gut, um was es geht und hat sich vorher damit beschäftigt. In einer Partnerschaft tauscht man sich ohnehin über berufliche Perspektiven und Pläne aus. Dazu gehören auch Überlegungen zum weiteren beruflichen Werdegang.

Kann ein Fernstudium auch positive Effekte auf die Beziehung haben?

Wir gehen davon aus, dass ein Fernstudium viele positive Effekte auf eine Beziehung hat. Es ist doch nur von Vorteil, wenn der Partner lernfähig und lernbereit ist, wenn er sich beruflich weiter entwickeln will, wenn er mit Zuversicht an die Zukunftsplanung geht und sich einiges zutraut.

Etwas anderes wäre es, wenn man das Fernstudium zum Rückzug aus der Partnerschaft nutzt. Aber das ist keine tragfähige Grundlage für ein Studium, und die Partnerschaft wäre in dem Falle auch ohne Fernstudium sehr belastet. Eine gute Beziehung hält ein Fernstudium aus und bietet eben auch gute Entwicklungsmöglichkeiten für beide Partner.

Vielen Dank für dieses interessante Interview.

Klaus Fieseler und Karin Hentschel bieten unter der Adresse www.paarberatung-online.de Beziehungsberatungen per Internet an. Beide haben unter anderem Psychologie und Pädagogik studiert. Anfragen werden in der Regel werktags innerhalb von 48 Stunden beantwortet und die Antwort kostet pauschal 90 Euro für meist 1,5-2 Seiten Text.

Das Interview hat im März 2011 per E-Mail stattgefunden.

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Ich glaube, das es vor allem wichtig ist, mit dem Partner über das Fernstudium zu sprechen, um überhaupt erstmal Verständnis für die neue Situation zu schaffen. Denn gerade wenn man nebenbei noch berufstätig ist, bleibt neben dem Fernstudium deutlich weniger Zeit für Freizeit und Partnerschaft, als zuvor. Wichtig ist, dass der Partner die Gründe für die Weiterbildung versteht und das Fernstudium akzeptiert.

Was man auf jeden Fall vermeiden sollte ist es, den Partner zu stark zu involvieren oder ihn gar dafür verantwortlich zu machen, wenn man gestresst ist und wenig Zeit zum Lernen hatte. Das Fernstudium bleibt eine persönliche Angelegenheit und man selbst ist für den Erfolg oder Misserfolg verantwortlich. Zeitpunkt, Ort und Dauer zum Lernen bestimmt man selbst und sollte es nicht vom Partner abhängig machen oder z.B. fragen, wann man lernen sollte. Man selbst setzt die Segel, nur so kann es funktionieren.

Das Fernstudium braucht Priorität und manchmal ist es schwierig, Lernzeiten durchzusetzen oder auch mal "Nein" zu irgendwelchen anderen Aufgaben zu sagen. Hier kann es zu Konflikten kommen. Aber wenn der Partner merkt, dass die Weiterbildung einen hohen Stellenwert hat und seine Unterstützung (z.B. bei der Hausarbeit) anbietet, wird es deutlich leichter. Er wird sich daran gewöhnen ;) und man selbst ist deutlich entspannter.

Ebenso, wie man Zeiten zum Lernen einplant, sollte man auch bewusst Zeiten für den Partner, bzw. zur Erholung einplanen, um sich selbst zu entspannen und dem Partner das Gefühl zu geben, dass er wichtig ist.

Wenn man sich für ein Fernstudium entscheidet, ändert sich einiges. Der Tag muss struktuierter geplant und organisiert werden, um alles unter einen Hut zu bekommen. Man kann eben man nicht einfach so weitermachen, wie zuvor.

Mit Gesprächen und Verständnis von beiden Seiten klappt es i.d.R. aber ziemlich gut ;)!

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