Zum Inhalt springen

Vica

Communitymitglied
  • Gesamte Inhalte

    1.763
  • Benutzer seit

  • Letzter Besuch

Alle Inhalte von Vica

  1. Als Patient denkt man sicher, dass man im falschen Film ist, wenn sich die Therapeutin wie die Unschuld vom Lande aufführt. 😅 Aber trotzdem musste ich mich gerade beömmeln. Erinnert mich sehr an meine Oma, hehe 🙃
  2. Neulich gab es hier ja die spannende Frage, was eigentlich ein Sexualtherapeut so tut, und was sich dahinter überhaupt verbirgt. Vorweg weiß ich natürlich nicht, wie das vereinzelt bei Fernschulen mit ein paar Schwerpunktmodulen so aussieht 🙃 Aber: An unserem Institut ist Sexualität aber ein fester Bestandteil der Ausbildung; es gibt mehrere Seminare dazu. Genaugenommen heißt die Seminarreihe bei uns Sexuelle Funktionsstörungen, weiterhin taucht Sexualität aber auch bei Seminaren wie systemischer Paartherapie auf. Zusätzlich hatte ich noch interessante Veranstaltungen dazu an der MHH. Nicht nur Psychologen oder Psychotherapeuten können sich darauf spezialisieren. In meiner Lehrpraxis arbeitet z.B. auch eine Ärztin, die sich den Schwerpunkt auf Sexualtherapie gelegt hat. Das erste Seminar, das wir dazu hatten, hatte eine recht lustige Atmosphäre 😄 Ich hatte erwartet, dass wir trotz gestandenem Alter rumkichern wie vorpubertierende Achtjährige. Nun, gelacht wurde in der Tat viel, aber nicht über sexuelle Themen, sondern weil wir wirklich eine gute Dozentin hatten. Solche Seminare stehen und fallen überhaupt mit dem Dozent, und so sicher auch die Sexualtherapie an sich. Zu den Seminaren gehört auch eine Selbsterfahrung in der Gruppe. Hier wurde überwiegend diskutiert und geschaut, wie verkrampft wir selbst so sind. Können wir die Dinge beim Namen nennen? Es wurde auch viel über eigene Sexualität diskutiert. Und man musste Patientenperspektive einnehmen, um nachzuvollziehen, wie schwierig es natürlich ist, darüber zu reden. Aber wir sprachen auch viel über uns, unsere Stärken und Schwächen (denn wir wollen auch Patient/innen stärken + Akzeptanz für Schwächen fördern). Naja: Natürlich nicht so Bilderbuch-Stärken wie Zuverlässigkeit, Pflichtbewusstsein und was man sonst noch so von der Softskills-Liste runterleiern kann. Schon etwas spezifischer. Was gehört spezifisch zu mir? Etc. Nun, was sind denn eigentlich Themen in dieser Art Therapie? Z.B. Enttabuisierung ist das A und O. Manche Patienten können nicht mal Geschlechtsteile benennen, ohne sich in Grund und Boden zu schämen. Vielen ist auch nicht bewusst, was alles unter Sexualität fällt. Körperschema ist auch ein großes Thema. Die meisten schämen sich ebenfalls sehr für ihre als nicht perfekt empfundenen Körper. Selbstakzeptanz ist dann ein großes Ding (konkret: zu dick, zu dünn, zu männlich/weiblich, zu untrainiert, unzufrieden mit Gesicht), aber auch: Probleme mit Geschlechtsteilen, bezogen auf Größe, Optik und Funktion. Viele wissen auch nichts über die Anatomie und die Funktion an sich. Gestörte Sexualentwicklung nach Trauma, Missbrauch usw. (Manche Therapeuten arbeiten auch präventiv im Rahmen von "Kein Täter werden"). Alle LQTBQ+-relevanten Themen Unterdrücktes Unerfüllter Kinderwunsch und damit verbundene sehr schwierige Sexualität Postnatale sexuelle Störungen Biographisches zum Thema Sexualerziehung, Tabus usw. Sexualität im Alter, in Langzeitbeziehungen usw. (nachlassender Spaß an der Sache, Verpflichtung usw.) Funktionsstörungen jeglicher Art, z.B. angeboren oder erworben oder durch Stress Bei Frauen ist Vaginismus ein sehr großes Thema, bei Männern Erektionsstörungen Orgasmusprobleme Ausbleibendes Lustempfinden usw. und so fort... Die Patienten selbst kommen meistens zum Erstgespräch mit der vagen Vorstellungen, dass mit ihnen was nicht stimmt - und es darum auch nicht klappt. Und sie daran Schuld tragen würden. Oft wollen sie dann schnell wieder hergestellt werden, um wieder "Erfolge" zu präsentieren und damit z.B. die Beziehung zu retten. Da ist aber oft ein Anknüpfpunkt, dass es darum gar nicht geht und man im Leben nicht nur Leistung erbringen muss und soll. An Methoden vermischen sich hier kognitive, tiefenpsychologische und systemische Therapie. Ich habe aktuell zwei Sexualtherapien und muss sagen, dass das Thema großen Spaß macht. Man merkt hier häufig sehr schnell die Veränderung in der Person, wenn sie solche tief verankerten, aber weggesperrten Dinge ansprechen kann. Natürlich fällt dies dem Patienten sehr schwer, vor allem Männern. Deswegen finde ich wichtig, dass sie nicht gleich alles erzählen müssen. Manche können nicht mit Partner/in über Sorgen, Ängste, Vorlieben und Wünsche reden. Als Therapeut muss man absolut unverkrampft über solche Themen reden können und auch so viel Vertrauen ausstrahlen, dass Patienten bereit sind, zu reden. Es darf weder einen Pfui-Anstrich haben, noch in eine Richtung gehen, dass es auf sexuellen Erfolg ankommt. Und auch darf niemanden genötigt oder gelöchert werden. Ich denke mir, dass schon jeder selbst am besten weiß, wann er was preisgibt. Und dann gestalte ich die Atmosphäre so, als würden wir über das Wetter reden. Generell sollte man als Therapeut ein gutes Gespür für den Umgang mit Schuld und Scham haben. Ich persönlich glaube auch, dass ein höheres Alter hier von Vorteil ist. Während der Seminare hatte ich noch Bedenken, ob ich das wohl wirklich schaffen könnte, mit Patienten darüber zu reden. Aber das ging erstaunlich gut. Darum: Keine Sorge vor Sexualtherapie. Bleibt gesund und haltet zusammen, LG Titelbild: DS_stories/pexels.com
  3. Ja, fühle ich.. Ich bin auch nicht ich, wenn der Kaffee alle ist. So, wie es gestern der Fall war.
  4. Ja, so ist es, tatsächlich kannst du eine Phobie vor deiner Tastatur haben und diese dann nach Belieben Kleidiaphobie o.ä. nennen, wenn du magst 😁 Es fällt immer unter F40.2. In der Fachwelt gibt's diese Umschreibungen tatsächlich nicht. Aber: So unterschiedlich die Menschen, so unterschiedlich die Phobie. Es gibt aber welche, die besonders häufig vorkommen - andere wiederum sind ziemlich ungewöhnlich und wiederum andere werden erst jetzt in gehäufter Form so richtig entdeckt, da sie vorher eher tabuisiert wurden (wie die Emetophobie) :-) Phobien sind meistens etwas eher auf bestimmte Objekte bezogen, der Zahnarzt, die Spinne, das Meer, die Zahl. All diese Dinge kann ich meiden. Katze fällt auch darunter. Aberglaube an sich passt nicht so ganz in den phobischen Bereich. Die Sorge, dass einem am Freitag, den 13. etwas passieren wird, könnte man auch als generalisierte Angststörung betrachten. Symbolik, von der man sich angesprochen fühlt, kann auch ein Hinweis auf Psychosen u. Verfolgungswahn sein. Oder: Trigger für Flashbacks bei PTBS. Aber wie so häufig ist es dann eher eine Mischung aus vielem. Hätte einer Angst vor ausgehendem Lesestoff, würde ich ihn erstmal fragen: Wer sind Sie, wenn Sie nicht lesen? 😉 Ich denke, das hat aber eher eine Zwangskomponente als wirklich Phobie. 😄
  5. Man würde das (bei Krankheitswert) tatsächlich unter "F40.2 - Spezifische Phobien" codieren 😄 Beschreibung laut ICD-10: Phobien, die auf eng umschriebene Situationen wie Nähe von bestimmten Tieren, Höhen, Donner, Dunkelheit, Fliegen, geschlossene Räume, Urinieren oder Defäkieren auf öffentlichen Toiletten, Genuss bestimmter Speisen, Zahnarztbesuch oder auf den Anblick von Blut oder Verletzungen beschränkt sind. Obwohl die auslösende Situation streng begrenzt ist, kann sie Panikzustände wie bei Agoraphobie oder sozialer Phobie hervorrufen. Hier finden sich sehr interessante Störungsbilder wie Spinnenangst, Höhenangst oder auch die aktuell mehr Aufmerksamkeit kriegende Emetophobie (Angst vor jeglicher Art des Erbrechens). All die genannten hatte ich schon häufiger. Eine Angst vor ausgehendem Lesestoff noch nicht 😄 Aaaaber: Der Spezifikation sind hier keine Grenzen gesetzt. So gibt's hier auch solche panischen Störungen: Hippopotomonstrosesquippedaliophobie – Angst vor langen Wörtern Hexakosioihexekontahexaphobie – Angst vor der Zahl 666 Arachibutyrophobie – Angst vor Erdnussbutter, die am Gaumen festklebt (es loht sich, seltene Phobien zu googlen). 😅 Aber im Ernst: Zusammen mit der Emetophobie kriegen im Moment auch die Trypophobie (Abscheu vor kleinen Löchern, Punkten, Rissen etc.) oder die Thalassophobie (Panik vor tiefen Gewässern) mehr Aufmerksamkeit. LG
  6. Ich habe im ersten Moment bei der Headline Angemeldet: IST-Weiterbildung „KI in der Praxis“ gedacht, dass es sich um KI-Lösungen für Praxen handelt, also eine KI, die ein paar Verwaltungsaufgaben bei Terminvergabe, Telefonterminen etc. übernehmen kann und dachte mir "Das könnte doch die Lösung sein" 🫡 ... Naja, ich glaube, ich habe meinen Urlaub jetzt SEHR gebraucht 🤓😅 Bisher läuft aber alles in der Lohnmühle, trotz sogar noch vermehrt abwanderndem Personal. Scheu gemachte Pferde. 🤔
  7. Nur für den Sommer, den ich an diesem Wochenende gebucht habe 😁 Auch wenn wir da in D bleiben, freuen wir uns massiv! Ist der erste Urlaub seit langem und ich bin doch erstaunt, was für positive Energie so eine Buchung in Gang setzt, bei der man zunächst sogar gezögert hat. An Ostern werden wir wohl mal wieder die Umgebung unsicher machen, wir möchten gerne ein Schloss besichtigen, in den Zoo + ins Naturkundemuseum. Eventuell fahren wir noch nach Düsseldorf und die Zechen im Ruhrgebiet wollten wir uns auch mal anschauen. Für ausgiebige Familienbesuche ist dann auch mal wieder Zeit. Den Rest werden wir zum Gemeinschafts-Rumgammeln nutzen. Alle brauchen Kraft + Frühling😄
  8. Im Prinzip nochmal Kraft sammeln für diese Woche und dann mit Lichtgeschwindigkeit Richtung Freitag. Danach locken 2 Wochen Urlaub. Bin echt urlaubsreif! 🫡
  9. Wie schön zu sehen, dass es auch Angehörige gibt, die das ganze so begeistert unterstützen 😍
  10. Der Warntag hat mich kalt erwischt 😅. Ich war bei Karstadt und alle Smartphones gingen gleichzeitig los. Wow.
  11. Den Frust kann ich gut nachvollziehen. Wünsche dir, dass es schnell klappt! Wird aber bestimmt laufen. Ich hatte den Mist auch mal, Vertragsregelung per Zoom-Gespräch, Vertrag wurde vor laufender Kamera in Umschlag gepackt und sollte "bald bei mir sein". Kam aber nie an...nachgehakt, schicken wir nochmal. Kam nicht... Nachgehakt: Ja, Stelle hatten wir dann doch anders besetzt. Man kann ja eigentlich froh sein, dass man im Endeffekt keinen Fuß in so einen Laden setzen wird, wäre da nicht das ungute Gefühl, veräppelt worden zu sein. LG
  12. Ich bin auch ein Typ für sehr individuelle Bewerbungen und habe Spaß daran, sie zu verfassen und gestalten. Bei meinen 10 Bewerbungen, zu denen ich jeweils auch eingeladen wurde, kann ich allerdings auch sagen, dass keiner von den verantwortlichen Menschen sie vorher wirklich gelesen, sondern erst im Vorstellungsgespräch damit angefangen hatte. Teilweise wurde dies sogar so kommuniziert. Es verdichteten sich auch die Hinweise, dass ohnehin nur geschaut wurde: Liegt ein Master vor mit passender Fachrichtung. Ja? Super, dann man einladen... Keine Ahnung, wie das in anderen Branchen ist, aber irgendwie habe ich mir schon gedacht: Die Mühe kann man sich dann eigentlich auch sparen. 🤐 Ich weiß aber nicht, ob durch KI grundsätzlich Authentizität verloren geht: Bewerbungsschreiben sind ja auch schon oft optimiert, z.B. durch Vorlagentexte, die man sich aus dem Internet runterladen kann und dann nur an ein paar Stellen verändert werden. Bewerbungsfotos werden auch mit Filtern bearbeitet. Vor den Filtern durch besonders vorteilhafte Posen beim Fotographen. Also geschönt wird ja eh immer. LG
  13. Anatomie eines Falls - Ich war auf den Hype reingefallen und habe tatsächlich 5€ Leihgebühr geblecht.-Die Story schnell erzählt: Vater fällt aus dem Fenster und stirbt, wer war es? Die exzentrische Mutter? Vielleicht der blinde Sohn? Suizid? Unfall? Dem Thema wird sich dann im Film auf mehreren Ebenen angenähert, obwohl die Auflösung eigentlich nicht im Vordergrund steht, sondern was Stück für Stück über alle Beteiligten bekannt wird. Tja, und...,manchmal neigen wir zu Vorverurteilungen, wenn wir noch gar nicht alle Beweise haben. Neu? Ich fand den Film und seine Thematik leider ziemlich belanglos, zumal es im Genre solche Streifen bereits wie Sand am Meer gibt. Ist auch nicht schlecht gespielt. Am besten fand ich den Familienhund (kein Witz). Das Signal (Netflix) - Mama ist Astronautin und stößt im All im Funkschatten der Erde auf eine Stimme aus den Tiefen des Alls. Papa und Tochter sind auf der Erde. Bevor Mama alles erklären kann, stirbt sie offenbar bei einem seltsamen Flugzeugabsturz. Ja, das hat meine Aufmerksamkeit erregt, weil bei den Vorschau-Kacheln zunächst dachte, das sei Interstellar. Das offizielle Filmplakat geht irgendwie auch so in diese Richtung. Mit dem hat es aber nicht so viel gemein. Eine - finde ich - mittlerweile typische Netflix-Produktion, oft Mittelmaß und darunter. Dennoch fand ich den Plot bzw. die Auflösung spannend. Mit nur 4 Folgen auch in Ordnung :-).
  14. Glücklicherweise ja, es hat sich alles noch am selben Tag aufgeklärt 😁 Und nachgeholt haben wir das Treffen auch schon. Besorgt ist sie trotzdem, weil sie am selben Tag komatös eingeschlafen und erst am Nachmittag wieder aufgewacht ist UND dabei auch noch den Tag verwechselt hat (obwohl sie morgens bereits wach war und man über das Treffen gesprochen hatte). Aber die Reißleine hat sie schon gezogen (kündigt einen stressigen Zweitjob, seit welchem ihr solche Sachen offenbar öfter passieren).
  15. Ich kenne ihren Partner nur vom kurzen Vorbeigehen, ansonsten sind mir der Nachname der Mutter und weiterer Verwandten nicht bekannt. Das ist echt blöd gerade. Ich habe allerdings die Praxisbetreiber informiert. Die werden sich kümmern. Jetzt heißt es mal abwarten. Hoffentlich klärt sich alles.
  16. Ich hätte heute morgen eigentlich ein Café-Treff mit einer lieben (+extrem zuverlässigen und pflichtbewussten) Kollegin aus der Erwachsenen-Praxis gehabt, mit der ich schon viele Kaffeetreffen hatte. Leider ist sie nicht erschienen. Ans Telefon ging keiner und die WA-Nachrichten wurden ab einer gewissen Uhrzeit auch nicht mehr gelesen. In der Frühe hatten wir uns heute noch ausgetauscht über das Treffen. Zunächst war ich alleine im Café, aber auch da hat sich niemand gemeldet. Wie merkwürdig! 😶 Ich hoffe natürlich nicht, dass da was passiert ist. Mit dem frei gewordenen Zeit-Slot lerne ich ein bisschen für die Staatsprüfung, aber nun schielt man eben doch die ganze Zeit aufs Handy, ob's was Neues gibt.
  17. Meine ersten Erfahrungen auf der Station für Ess- und Körperschemastörungen hatte ich bereits im Master-Praktikum. Eigentlich ist das eine eigenständige Praktikantenstelle. Doch die Kollegin wurde krank, und so kam es, dass ich für sie einsprang. Als mir das mitgeteilt wurde, merkte ich, dass mich diese Aufgabe ganz schön nervös machte. Ja, Essstörungen waren ein recht großes Thema im klinischen Studium und generell im Fernstudium. Ja, es gab eine Klausur und eine Fall-Facharbeit dazu (d.h. mit echter Patientenakte). Die theoretischen Grundlagen dazu saßen. Trotzdem bestellte ich mir am Vorabend ad hoc nochmal ein recht teures e-Book. Aber doch bekam ich kaum etwas in den Kopf davon. Ich hatte eher andere Sorgen. Ich z.B. bin ein absoluter Genussesser. Ich esse gerne und durchaus auch mal viel. Dadurch fiel es mir schon im Studium etwas schwerer als bei anderen Störungen, diese nachzuvollziehen. Würde ich dadurch überhaupt authentisch rüberkommen? Oder lag es daran, dass dies die tödlichste aller psychischen Erkrankungen ist? Und man damit eine recht hohe Verantwortung und sicherlich viele Verluste hat? Die erste große Veränderung war, dass ich meinen Dienst schon um 7:00 Uhr antreten musste statt wie üblich um 8:00. Mein Tag startete nämlich in der Küche, wo es darum ging, zusammen mit der Ernährungsberaterin und der Köchin das Frühstück zuzubereiten. Meine etwas undankbaren Aufgaben waren das Abwiegen der Mahlzeiten und das Eintragen in eine Tabelle. Außerdem: Mengen + Kalorienbedarf auf jede einzelne Patientin anpassen und ebenfalls eintragen. Die Patientinnen lernte ich beim Essen kennen. Mir sitzen alle Krankheitsbilder gegenüber, die man auf solchen Stationen üblicherweise hat: Anorexie (Magersucht), Bulimie (Ess-Brech-Sucht) und Binge-Eater (haben regelmäßige, unkontrollierte Essanfälle). Es sind die dünnsten Menschen, die ich je gesehen habe (abgesehen von den Binge Eatern, die deutlich in der Unterzahl sind). Der ausgeprägteste Fall wiegt nur 28 Kilo und sitzt mit Beatmung im Rollstuhl: Jegliche Art Bewegung soll hier vermieden werden, damit keine Kalorien verbrannt werden. Ein einziger Mann ist dabei. Die Damen und der Herr sind ausgesprochen freundlich und interessiert an mir. Die Gespräche am Tisch sind sehr intellektuell und zugewandt. Viele Patientinnen sind „Töchter aus gutem Hause“. Meine Aufgabe ist, mit ihnen zu essen, dabei aber auch zu überwachen, dass der Teller leer gegessen wird. Hier bekomme ich später von der Ernährungsberaterin eins aufs Dach: Teller leer essen bedeutet offenbar nicht das, was ich darunter verstehe. Also muss ich hier tun, was ich überhaupt nicht gerne tue: Nämlich anderen Vorschriften zu machen. „Das müssen Sie mir aber bitte noch gründlicher essen!“ soll ich die nächste Zeit sagen. Außerdem muss ich lernen, die Tricks zu durchschauen, mit denen sie sich ums Essen bringen: Viel reden, Streit anfangen, sehr lange Klogänge oder Trick 17, viel aufstehen und herumlaufen um Dinge zu holen – in Wahrheit aber Kalorien zu verbrennen. Und auch das zählt nicht: „Mein Essen ist versalzen/zu heiß/schmeckt nicht/kalkig/angebrannt.“ Etc. Das Essen, egal welches, ist stets ein schwieriger Moment. Manche sitzen heulend davor, weil sie es nicht schaffen. Andere haben regelrecht Angst. Manchmal geht es auch hässlich zu: Es wird übereinander hergezogen, wer mehr gegessen hat. Getoppt wird die Dramatik nur vom täglichen Wiegen. Das mache zum Glück nicht ich, sondern die behandelnde Therapeutin der Station (auch eine PiA). Sie ist auch für den Notfall dabei. Das Heulen und Weinen ist noch auf der Station gegenüber, bei den Borderlinern, hörbar. Ich bin auch schon wieder am Abwiegen: Wer hat wie viel gegessen? Wie viel Kalorien sind das in etwa? Ich muss alles notieren. Beim Mittagessen genau dasselbe: Begleiten, mitessen. Am Nachmittag haben die Damen Gruppentherapie und auch Spiegeltherapie mit ihren Therapeuten. Im Anschluss der Spaziergang mit der Station, der dann alleine von mir begleitet wird. An Anfang falle ich auf die vielen kleinen Tricks zur Steigerung des Kalorienumsatzes herein: Strecken wählen, die minimal länger sind. Strecken, die bergauf gehen. Strecken, die ins Leere laufen, damit man umkehren muss und dadurch mehr Weg zurücklegt. Zu schnelles Gehen. Das Treppenhaus nutzen, statt den Fahrstuhl. Die Rollstuhlfahrerin schiebe ich natürlich. Einmal verhakt sich der Rollstuhl auf den Bürgersteig. „Sehen Sie?“ meint sie. „Ich bin eben doch zu schwer.“ Urgs! Überhaupt: Wie man genau über das Thema Essen redet, weiß ich an der Stelle nicht. Konfrontiert man sie damit, dass sie lebensgefährlich dünn sind? Führt das nicht zu Trotz und Abwehr? Immerhin kriegen sie das aus jeder Ecke schon zu hören, teilweise auch als Vorwurf. Die Gespräche mit den Damen und dem Herrn sind, wenn es vom Thema Essstörung weggeht, äußerst angenehm. Am nächsten Morgen aber gleich der Schock: Eine Patientin hat sich mit der Ärztin überworfen und Glasscherben gegessen, um nicht weiter essen zu müssen. Die ist in der Notaufnahme. Wie durch ein Wunder gibt es aber keine ernsten Verletzungen. Die Therapeutin betrachtet das unaufgeregt: Das kommt häufig vor, versichert sie mir. Mich schockt es trotzdem nachhaltig. Die Patientinnen und der Patient haben auch Koch- und Backkurs. Danach der nächste Fauxpas meinerseits: Ich lasse mich beschenken. Die Damen haben Pralinen und Plätzchen gebacken und verschenken sie an das Personal. „Das sind Feeder!“ ermahnt mich die Therapeutin. „Es macht sie glücklich, wenn andere essen. Du musst sie auffordern, das selbst aufzuessen.“ „Wie lehne ich denn ab, ohne sie direkt zurückzuweisen? Denn Zurückweisung war ja häufig in ihrem Leben ein Problem, oder?“ will ich wissen. So richtig eine Antwort bekomme ich darauf nicht. Darum mache ich es die nächsten Tage so: „Ich freue mich mega! Wollen wir sie zusammen essen? :-)“ Im Verhältnis: Ich: 1 Praline, sie: 5. Und das klappt. Ich bin mega stolz, als ich in den Kalorien-Listen notieren kann, dass „meine Patienten“ dadurch sogar auf mehr Kalorien als vorgegeben landen. Auch wenn es unfassbare Arbeit war, Phi mal Daumen die Kalorien der Selbstmach-Pralinen rauszufinden. Bei den interessantesten Dingen, den Einzeltherapie-Sitzungen oder der Gruppentherapie, darf ich nur selten teilnehmen, was ich schade finde. Aber man macht dort recht interessante Dinge: Spiegeltherapie ist für die Patientinnen sehr schwer auszuhalten, denn hier muss man sich selbst betrachten und beschreiben. Es gibt auch viele andere interessante Methoden: Etwa wenn der gefühlte Körperumfang kreisförmig von der Patientin aufgemalt wird. Und dann ein Seil den tatsächlichen Umfang misst und danebengelegt wird. Allein kommt es mir aber so vor, dass zumindest bei diesen Patienten nicht allein das Unwissen eine Rolle spielt, wie ein normalgewichtiger Körper so aussieht, sondern das Ganze eine Reaktion auf etwas ist. Und tatsächlich hört man in den Einzeltherapien häufiger so etwas: „Mein Körper ist das einzige, was ich beherrschen kann“; „Hier ist meine Welt!“, „Mein Körper hat völlig versagt, in allem. Ich wurde nur gemobbt.“; Und noch viele andere Dinge, die therapeutisch aufgearbeitet werden. Als meine Vertretungs-Arbeit dort getan ist und ich wieder zu meinem allgemeinpsychiatrischen Bereich zurückkehre fällt mir dagegen auf, wie unstrukturiert hier alles läuft. Keine Kalorien zählen? DAS soll ein leerer Teller sein? Etc. pp. Mir kommt alles vor wie ein heilloses Durcheinander.😅 Die Arbeit dort war einerseits faszinierend, weil ich glaube, nie so interessante Gespräche mit Patientinnen geführt zu haben. Zudem habe ich dort auf Patientenebene sehr begabte und einfach tolle Personen kennengelernt, deren Geschichten und Einstellungen mich berührt haben. Ein Gespür dafür, dass etwas, was man für sich für selbstverständlich kann, anderen Leuten etwas so viel Leid bescheren kann, war ebenfalls eine wichtige Erfahrung. Und auch die Mühen und der Kampf, den die Betroffenen auf sich nehmen, war hier sehr sichtbar, etwa in den Essenssituatinen. Darüber hinaus habe ich generell viel über die Wertigkeit von Essen gelernt. Andererseits habe ich die Methodik mit lachendem und weinendem Auge gesehen. Ich kann verstehen, dass es zunächst mal im Fokus steht, die Patienten irgendwie auf eine gute Kalorienzufuhr zu bringen. Dazu gehört eine sehr hohe Struktur, wie eben Listen abhaken und viel Kontrolle. Andererseits erleben sie so wieder, dass über sie fremdbestimmt wird. Ich habe dauernd Sorge, dass ich jemanden verletzen könnte mit den permanenten Grenzen, Aufforderungen zum Tellerleeressen und Begrenzen der Bewegungsfreiheit. Mein Fazit ist, dass man als Praktikant auf so einer Station in viele Fettnäpfchen treten kann und hier drauf bestehen sollte, gut angelernt zu werden. Als PiA ist das etwas anderes. In der Ausbildung hatten wir ein intensives Essstörungs-Seminarwochenende. Ich hatte innerlich schon einige Blockaden, weil ich die Befürchtung hatte, das Thema liegt mir nicht. Aber es wurde einfach das beste Seminar und danach habe ich mich extrem gut aufgestellt gefühlt und sogar Bock auf eine entsprechende Station bekommen. Das zeigt: Man brauch hier nur gute Anleitung und Tipps vom Profi. Bei diesem Störungsbild brauch man meiner Meinung nach mehr Hinweise von erfahrenen Therapeuten als bei anderen, weil das Vermeidungsverhalten so enorm ist. Auch Trigger spielen hier eine große Rolle. Meine anfänglichen Sorgen hätte ich aber nicht haben müssen. Ich denke, das Wichtigste ist immer Authentizität, und gerade als Genießer kann man hier ein interessantes Modell sein. Eine potenziell tödliche Erkrankung bleiben die Essstörungen natürlich schon. Aber auf Stationen mit so viel Struktur und Beobachtung ist es aber unwahrscheinlich, dass jemandem da etwas durch die Lappen geht: Im Extremfall kann es zur Zwangsernährung kommen. Das ist mit den Patienten auch abgesprochen. Spannend fand ich, dass durch die Station in mir ein paar generelle Fragen zum Thema Essen aufkamen und ich viel damit konfrontiert wurde, wie das mit dem Essen damals bei uns zu Hause gehandhabt wurde. Dass Essen z.B. auch ein Machtmittel sein kann, war ebenfalls so eine Erkenntnis. In der Ambulanz habe ich heute einige Menschen mit Essstörungen, vor allem in der KJP :-). Ich habe immer noch Respekt vor der Störung, weil so viele Faktoren dahinter sind, aber insgesamt haben wir sehr gut Verläufe. Aber auch wenn ihr als PiAs auf solchen Stationen eingeteilt werdet: Habt ein Auge darauf, die Praktikanten gut anzulernen :-). Bleit gesund & haltet zusammen, LG
  18. Da kann man ja wieder was von der Liste abhaken und in's verdiente Wochenende gehen 😄 Und wie mein OU-Tutor immer zu Klausuren meinte: Turn in the sheet and then forget about it! 😁
  19. Ja, leider 🤪 Ansonsten habe ich beschlossen, dass Frühling ist 😁 Beweis: Viele Vögel am Musizieren. Sogar hier in der Großstadt. Ich hoffe, die haben sich nicht vertan und frieren sich morgens nicht den gefiederten Hintern weg bei -1 Grad. Immerhin ist es ja schonmal insgesamt heller. Gefühlt heben sich die Lebensgeister gerade mit jedem Sonnenstrahl.
  20. Audits waren bei uns eine sehr lustige Zeit 😁 Erst wurde sich im Pflegezimmer verschworen, dass man gar nix macht, um "den Laden jetzt mal richtig hochgehen zu lassen". Und dann wurde am Tag davor doch gemeinschaftlich geputzt und poliert, sogar der Kurvenwagen wurde von innen mit Glasreiniger hübsch gemacht. Chefarzt und Oberarzt ploppten auch plötzlich aus dem Äther auf und schrubbten mit. Und vermutlich hat keiner auf Station geschlafen, weil alle durchgelernt haben, um den Auditoren mögliche Fangfragen beantworten zu können. Am tollsten war dann, wie harmonisch und zugewandt es zugehen kann, wenn Auditoren am Start sind, und was für ein schauspielerisches Talent in so manchem steckt. Hach ja 😁 Aber ich nehme mal an, es hat geklappt bei euch mit der Rezertifizierung. 😊
  21. Ui, wie hübsch. Vielleicht noch was für mich übrig?! Hier waren es heute morgen -1 Grad und Nebel wie im schottischen Hochmoor. Frühling geht anders :-(
  22. Diese Art befristeter Stellen gibt's für Psychologen auch - interessant, dass das auch in anderen Branchen so ist. Wünsche dir viel Spaß mit den neuen Erfahrungen :-).
  23. Ich glaube nicht, dass die Hochschulen per se Zeugnisse zurückhalten, bis die Finanzierung durch ist; sowas müsste vertraglich geregelt sein, alles andere erscheint mir fast wie Erpressung - jedenfalls aber nicht seriös. Die Studienleistungen wurden trotzdem abgeleistet, insofern müsste man auch das Recht haben, sich irgendwann einen Leistungsstand einzufordern. Das dürfte auch in irgendeiner Weise an das Hochschulrecht geknüpft sein. Das Rechnungswesen ist in der Regel auch autark vom Rest. Die offene Forderung an den Vertragspartner bleibt ja weiterhin bestehen und kann auch rechtlich natürlich durchgesetzt werden, und die Hochschule ist ja dann nach Zeugnisübergabe nicht machtlos. Vermutlich wird dann mit Inkasso etc. gedroht. Hochschulen werden übrigens mit einem Syndikus zusammenarbeiten oder aber entsprechende Partner-Kanzleien haben, wie viele Unternehmen. Rechtsstreits werden durchaus geführt, mir ist jedenfalls einer bekannt, den die Hochschule geführt hat, da ging's aber um Betrug. Die Hochschule geht auch nicht pleite, wenn sie klagt ;-) Im Zivilprozess zahlt die unterlegene Partei die Verfahrenskosten. LG
  24. Interessant, dass das auch mal jemandem so geht 😁Mein gesamtes Umfeld schwört auf Fotografen, aber ich bevorzuge den Automaten. Da seh ich zwar auch aus wie ein Verbrecher auf der Flucht, aber die Fotografen erwischen irgendwie immer Perspektiven bei mir, die ich irgendwie zwischen Wassermelone und Mondgesicht einordnen. Naja, trotzdem, so oder so: Ich mag gar keine Passbilder. Mich würgt's schon wieder bei der Vorstellung. 😅
  25. Also ich finde den Vorstoß richtig gut 💪 Kann es nachvollziehen, hatte mich während der Klinikzeit im zweiten Jahr auch auf eine Leitungsstelle innerhalb des ärztliches-psychologischen Dienstes beworben und war dann tatsächlich genommen worden. Ich habe auch gehadert, weil ja noch die PP-Ausbildung + viel generelle Belastung auf der Arbeit war. Hätte ja auch zu viel geben können. Dachte aber: Einen Versuch ist es wert und da mir die Situation auf meiner Station ja nicht so gut gefällt, war die Idee: Ich schaffe mir hier einen Ort, an dem ich mehr bewegen kann. Es war wirklich die beste Entscheidung! Darauf blicke ich gerne zurück. Vielleicht wird's bei dir ja genauso. Also ich drücke dir die Daumen! 😄
×
  • Neu erstellen...