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Vica

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  1. Als ich in einer komplett klofreien Zone dringend auf Klo musste, obwohl es noch gut 1 km bis zu meinem Gebäudekomplex der Klinik war, beschloss ich, die Toilette des hübschen Klinikteils zu nutzen, an dem ich jeden Morgen auf dem Weg zur Arbeit nur vorbeispazierte. Ein, wie ich finde, besonders ansehnlicher Teil in den Räumlichkeiten eines alten Klosters. Ich hatte keine Ahnung, welcher Psychiatrieteil das war und es stand auch nirgends dran. Ich wunderte mich allerdings, dass mein Generalschlüssel, den ich vom Chefarzt hatte, nicht funktionierte. Auch der Türcode verweigerte mir den Eintritt. Zum Glück war da aber ein Pförtner, der das Ganze beobachtet hatte und so kam ich doch noch dazu, die Mitarbeitertoilette nutzen zu dürfen 😁 Die Kollegen auf meiner Station schauten mich später an, als hätte ich einen Reisebericht in ein Paralleluniversum geliefert. Ich erfuhr, dass ich angeblich in der Forensik gewesen war 😁 Der Teil der Psychiatrie, der sich um psychisch kranke Straftäter kümmert. Ich wurde sofort gelöchert: Wie sieht's da aus? Hast du Patienten gesehen? Sind die Fenster vergittert? Nichts konnte ich beantworten, ich hatte ja auf nichts geachtet. Hintergrund: Die Forensik war tatsächlich ein sehr isolierter Bereich bei uns. Kein Austausch mit anderen Stationen. Als Pfleger, Psychologe oder Arzt konnte man bei Personalmangel in wirklich jeden Klinikbereich eingesetzt werden - außer in der Forensik. Auch nicht umgekehrt. Klinikinterne Schulungen und Kongresse fanden natürlich mit dem Gesamt-Klinikpersonal statt. Außer mit einer Station...nun ja, ihr könnt euch vermutlich denken, welche nicht dabei war. Darum funktionierte dort auch nicht unser Generalschlüssel. Warum das so war? Erfuhr man nicht. Ober- und Chefarzt beschwichtigten nur mit "Haben wir rechtlich nichts mit zu tun." Obwohl durchaus großes Interesse besteht, ist es für Psychologen und vor allem PiAs gar nicht immer so einfach, in der Forensik angenommen zu werden. Zeitgleich herrschte aber genau da - zumindest in unserer Region - große Personalmangel. Erschwerend kam damals noch dazu, dass im gesamten Sektor massive Sparmaßnahmen eingeleitet worden waren und die psychologischen Therapien oft wegfielen, da auch die Psychologen wegrationalisiert wurden. Die Forensik hatte damals einen Psychologen, den ich noch kennengelernt habe. Es war ein harter Hund, der in Anzug und Krawatte erschien - aber ich dachte damals auch, dass seine robuste Art wohl genau das Richtige für die Station war. Er verschwand aber recht schnell im Rahmen der extrem gruseligen Kündigungswelle. Seitdem gab es in der Forensik wohl 1x die Woche Gruppengespräche, die von Pflege oder Sozialarbeiter angeleitet wurden. Das ging gerade noch so durch als Therapiemaßnahme. Aber wie es manchmal so ist, kommt der Berg ja auch mal zum Propheten 😁 Zu uns kam kein Berg, aber die Forensik. Während der Pandemie hatte es dort einen so katastrophalen Corona - Ausbruch gegeben, dass daraus das reinste Krankenlager wurde. Die gesunden restlichen 10 mussten umstationiert werden, und so landeten sie: Natürlich bei uns. Denn wir waren eine der wenigen geschlossenen Stationen und konnten ähnliche Bedingungen bieten. Jeder von uns war verpflichtet, ein Alarm-Telefon am Körper zu tragen. Ich fand das nicht weiter schlimm, da wir ja auch als Akutstation fungierten und manche Patienten erstmal stabilisieren mussten für die Forensik oder auch für den Haftantritt. Vor allem das weibliche Personal hatte aber schreckliche Angst vor der Bestimmung und probte den Aufstand. Natürlich umsonst. Und so hatten wir eines Tages plötzlich 10 Forensiker bei uns herumlaufen. Ich gebe zu, ich hatte auch so meine Bias, was das wohl für Typen sind. 😅 Und ob das nicht eine explosive Mischung für unsere entzügigen und wahnhaften Patienten ist. Aber ich wurde eines Besseren belehrt. Tatsächlich waren diese Patienten sehr auffällig - groß, muskulös, tätowiert; ein bisschen klischeehaft fast. Sie liefen in Grüppchen über die Station oder standen mit verschränkten Armen herum. Interessanterweise schlugen diese ganz andere Töne gegenüber unserem manchmal schwierigen Patientenklientel an und sorgten für Ordnung. Plötzlich hörten wir Dinge wie: - ,,Alter, du bist einfach nur asi! Räum deinen scheiß Teller ab!" - ,,Heute Abend steigt das Ding - so wie besprochen! Du, du und du: Spannbettlaken, Decke, Kopfkissen. Ich räum den Kram dafür in die Schmutzwäsche." - ,,Guten Morgen!" (<- sagte nicht mal mehr das Personal) - ,,Wann müssen wir ins Bett?" Forensische Psychologie gab's nicht im Studium. Auch die PP-Ausbildung hat kein einziges Seminar dazu angeboten. PiAs auf der Forensik hatten wir bis auf wenige Ausnahmen keine am Institut. Ich musste mich also auf eigene Kosten ein wenig weiterbilden, und da gab's einige spannende Dinge: Förderung der Opferempathie, Strategien zur Senkung der Wiederholungsrisiken, Stressintoleranz-Bearbeitung, Rückfallprophylaxe generell, Emotionsregulation, Bewältigung von Opfererfahrungen...) Doch ich stellte fest, dass die 10 Jungs, die im Gegensatz zu unseren Patienten jeden Behandlungstermin wahrnahmen, gar nicht über sowas reden wollten. Stattdessen ging es um: Probleme auf Station wie Langeweile, Probleme mit Behörden, Angst, Briefe zu öffnen von Verwandten, Sehnsucht nach dem Leben draußen, Perspektivlosigkeit, Schuldgefühle (aber meistens ggü den Eltern, weniger den Opfern). Als ungerecht empfundene Maßnahmen. Oder: höchst menschliche Probleme wie Angst vor der Dunkelheit, Schlafprobleme, sich schämen, dass jemand einen auf Toilette hören könnte. Mir fiel bei allen eine außergewöhnliche gute Strukturierung auf, was sicher das Werk des Forensikpersonals war. Jedoch bemerkte ich auch häufig eine sehr kurze Lunte und bei einigen auch die Vorstellung, dass man Ärger an jedem auslassen darf, der mich ärgert, und man sich manchmal Dinge nehmen darf, weil man selbst ja auch gefühlt irgendwo übergangen wurde. Das waren Aspekte, die in der forensisch-psychologischen Arbeit sicher interessant waren. Die Jungs kamen jeden Tag zum Gespräch. Manche Gespräche hatten auch etwas Komisches: Einer erschien z.B. mit einem Schwall ungeöffneter Briefe von Behörden, die er sich nicht zu öffnen traute und die ihm Panik bereiteten. Das ist schon interessant: Sie haben zum Teil krasseste Straftaten begangen, aber furchtbare Angst vor Mahnbescheiden. Oder was die Mutter dazu sagen würde. Darüber sprachen wir. Auch versuchten wir mal andere Bezeichnungen als Schweine für die Strafbehörden zu finden, die ja nur auf Dinge reagierten, die man selbst verzapft hatte. ,,Die hätten aber ein Auge zu drücken können!", ,,Die verdienen doch selbst genug!", ,,Ich soll immer geben, geben, geben, aber nie was bekommen. Da muss ich mir doch selbst was nehmen!" waren dann so Widerstände, die kamen. Aber man muss auch realistisch bei den Ansprüchen bleiben: Die Straftaten wurden im Rahmen der psychischen Erkrankung begangen, beispielsweise bei Schizophrenie. Viele konnten sich gar nicht mehr wirklich daran erinnern, was sie getan hatten und ich nehme an, vieles wurde auch verdrängt. Denn manche der Taten waren so schlimm, dass sie selbst den Täter traumatisierten - paradoxerweise. Wir hatten immer mal wieder Patienten von der Forensik; und ja, manchmal eckten sie auch an. Dass der Bereich damals so wenig gefördert wurde, fand ich sehr schade. Aber es ist auch, wie es ist: Viele haben Angst, dort zu arbeiten. Und natürlich darf man auch nicht unterschätzen, dass man mit potenziell gefährlichen Straftätern zu tun hat. Auch in unserer Forensik war es zu einem Messerangriff auf einen Pfleger gekommen, den dieser knapp überlebt hat. Das sind Dinge, die passieren können. Den Gefährlichkeitsaspekt muss man schon im Hinterkopf haben. Insofern verständlich, dass es kein Bereich für jedermann ist. Bleibt gesund & haltet zusammen, LG Feature Foto: Rajul_Sharma/pexel.com
  2. Unser liebes, tolles, unkonventionelles und manchmal etwas schräg-schrulliges (aber dadurch liebenswürdiges) Ausbildungsinstitut wird schließen. Das wurde schon länger gemunkelt, nun ist es offiziell. Der Mitarbeiterstab wird bereits reduziert. Ebenfalls aussortiert wurden Karteileichen. Ja! Es gibt tatsächlich Ausbildungsteilnehmer/innen, die einen begehrten Ausbildungsplatz bekommen, und niemals, zu !keinem einzigen! Kurs jemals antanzen - und das von Anfang an nicht. Sogar zahlenderweise. Aussortiert wurden ebenfalls einige Leute, die etwas zu lange den Vertrag pausiert haben - z.B. durch Elternzeit, die immer weiter verlängert wurden oder wegen sonstiger Pausen. Eigentlich ist die Ausbildung ja so auf 3 bis 5 Jahre ausgelegt. Andererseits sagt auch keiner was, wenn's länger dauert. Früher konnte man jahrelang problemlos pausieren, theoretisch zwischendrin was anderes studieren oder mal ein paar Jahre arbeiten. Viele sind auch finanziell in die Bredouille gekommen oder haben einfach ewig keinen Klinikplatz für PT1 und 2 gefunden. Das sind Gründe, warum lange Ausbildungspausen oder -verzögerungen geduldet werden und das finde ich auch gut so. Ich habe neulich mit zwei Kursteilnehmern einen Plausch gehabt, die 2012 gestartet sind und noch nicht fertig sind. Aber wie auch immer: Theoretisch hätte man nach der Reform der Ausbildung ja noch bis 2032, längstens (Härtefallregelung!) aber bis 2035, Zeit, in Ruhe auf dem alten Weg zu approbieren. Die Realität ist leider anders: Vielen PiAs ist es zu unsicher, ob sie die Ausbildung auf dem alten Weg noch abschließen werden können. Und so tun sie, was ihnen sinniger erscheint: Sie machen gleich den neuen Psychotherapie-Direktstudiengang. Und nicht mehr die Ausbildung an den Instituten. Genau das wird finanziell nun zu einem Fallstrick für viele. Die Institute werden natürlich auch nach den neuen Regeln noch gebraucht. Aber sie werden nur noch Fortbildungen für die Absolventen der Direktstudiengänge anbieten. Wie genau das aussieht, ist noch nicht so ganz klar...zumindest hat es niemand kommuniziert. Vermutlich schließt der Laden in der alten Form und wird in neuer Form - mit neuer Leitung, Stab, Konzept etc. - zurückkehren. Statt 2035 ist nun also wohl schon um 2028 Ende Gelände. Mich persönlich betrifft das nicht, da ich kurz vor Ende stehe. Allerdings befinden sich alleine in meinem Ausbildungsjahrgang gerade 5 Leute in Elternzeit. Diese bekommen demnächst Post vom Institut, die lange Auszeit nochmal zu überdenken - es könnte am Ende nicht passen. Immerhin ist unser Institut ausgesprochen kinderlieb. Sogar neugeborenenlieb. Übrigens ist das kein Einzelfall: Auch von anderen Instituten deutschlandweit habe ich davon gehört. Wer also die Ausbildung noch auf dem alten Weg anstreben kann, sollte unbedingt mit einbeziehen, dass die Institute sich vor der Deadline umstellen KÖNNEN, oder eben schließen. Gute wäre dann, das ganz genau durchzusprechen mit dem Wunsch-Institut. Bleibt gesund und haltet zusammen, LG Feature Foto: Jan van der Wolf/pexel.com
  3. Ich mag Gruppenarbeiten und Teams eigentlich sehr gerne 😄 Ich hatte allerdings auch eine sehr merkwürdige Projektgruppe während der Bachelor-Zeit. Die Gruppe war random zusammengewürfelt aus 5 Leuten, aber die Dynamik war sehr unterschiedlich. Zwei waren absolut verbissene Oberstreber, die einen unglaublichen Druck machten. Das war für's Tempo erstmal okay, aber die zwei wurden bald zu einer Art Allein-Bestimmer. Unser Thema war jetzt nicht uninteressant: Es ging um die Tottenham Riots. Die anderen 4 waren Briten und hatten daher enormes Detailwissen zu der Sache, außerdem waren sie emotional sehr eingebunden. Ich konnte das nicht so empfinden, musste ständig Sachen darüber nachlesen und generell fühlte ich mich eher wie ein Zaungast. Leider war die (zu 90% von den beiden Chefinnen) entwickelte Forschungsfrage dann eher sehr stumpfsinnig. Etwa so, ob es erfrischender ist, Erdbeereis in der Badewanne oder beim Fahrradfahren zu essen. Am besten war die Relevanz des Themas, in die die beiden Chefinnen sich reingesteigerten: Noch nie habe jemand sowas untersucht. Mhh, ja. Die Damen hatten schließlich gegen alle Stücke etwas, die ich schrieb, ständig wurde herumgemeckert. Ich habe alles abgenickt aber trotzdem nichts verändert, und das Glück war, dass wir individuell benotet wurden. Hinterher hatte ich die beste Note im Team (Pass 2) und der Rest einen Pass 3 🤪. Ich weiß zwar bis heute nicht, wie das passieren konnte, aber ich finde es immer noch zu köstlich. 😁 Ein gutes Lehrstück auch darin, dass nicht alles Gold ist, was glänzt. LG
  4. Der hat mir auch nicht wirklich zugesagt. Hatte ihn damals noch zum Vollpreis gekauft, da von den Kritikern gelobt. Fand ihn auch zu überladen, unentschieden und im Endeffekt wurde das Durchhalten beim Zuschauen nicht belohnt. Ansonsten bin ich auch auf 3 Body Problem gespannt. Gibt ja viele gute Kritiken und die Serie hält sich ja gut in den Netflix Tagescharts. Allerdings wurden Cixin Liu - Werke bisher immer eher gurkig verfilmt, daher war ich bisher etwas vorsichtig in der Euphorie. :-) Schlussendlich, da schonmal auf Disney + verfügbar, habe ich mir noch Poor Things reingezogen. Danach hab' ich mir dieses Blitzdings aus MIB gewünscht. LG
  5. Hervorragender Tipp! Ich habe gleich mal die ganze Reihe bestellt. Für meine vielen Schulverweigerer ist das sicher etwas - sie haben gefühlt wenig, was sich mit ihrer Thematik beschäftigt. Und auch etwas für meine Erwachsenen, die das Thema aus ihrer Schulzeit kennen und noch immer darunter leiden. LG
  6. Als Patient denkt man sicher, dass man im falschen Film ist, wenn sich die Therapeutin wie die Unschuld vom Lande aufführt. 😅 Aber trotzdem musste ich mich gerade beömmeln. Erinnert mich sehr an meine Oma, hehe 🙃
  7. Neulich gab es hier ja die spannende Frage, was eigentlich ein Sexualtherapeut so tut, und was sich dahinter überhaupt verbirgt. Vorweg weiß ich natürlich nicht, wie das vereinzelt bei Fernschulen mit ein paar Schwerpunktmodulen so aussieht 🙃 Aber: An unserem Institut ist Sexualität aber ein fester Bestandteil der Ausbildung; es gibt mehrere Seminare dazu. Genaugenommen heißt die Seminarreihe bei uns Sexuelle Funktionsstörungen, weiterhin taucht Sexualität aber auch bei Seminaren wie systemischer Paartherapie auf. Zusätzlich hatte ich noch interessante Veranstaltungen dazu an der MHH. Nicht nur Psychologen oder Psychotherapeuten können sich darauf spezialisieren. In meiner Lehrpraxis arbeitet z.B. auch eine Ärztin, die sich den Schwerpunkt auf Sexualtherapie gelegt hat. Das erste Seminar, das wir dazu hatten, hatte eine recht lustige Atmosphäre 😄 Ich hatte erwartet, dass wir trotz gestandenem Alter rumkichern wie vorpubertierende Achtjährige. Nun, gelacht wurde in der Tat viel, aber nicht über sexuelle Themen, sondern weil wir wirklich eine gute Dozentin hatten. Solche Seminare stehen und fallen überhaupt mit dem Dozent, und so sicher auch die Sexualtherapie an sich. Zu den Seminaren gehört auch eine Selbsterfahrung in der Gruppe. Hier wurde überwiegend diskutiert und geschaut, wie verkrampft wir selbst so sind. Können wir die Dinge beim Namen nennen? Es wurde auch viel über eigene Sexualität diskutiert. Und man musste Patientenperspektive einnehmen, um nachzuvollziehen, wie schwierig es natürlich ist, darüber zu reden. Aber wir sprachen auch viel über uns, unsere Stärken und Schwächen (denn wir wollen auch Patient/innen stärken + Akzeptanz für Schwächen fördern). Naja: Natürlich nicht so Bilderbuch-Stärken wie Zuverlässigkeit, Pflichtbewusstsein und was man sonst noch so von der Softskills-Liste runterleiern kann. Schon etwas spezifischer. Was gehört spezifisch zu mir? Etc. Nun, was sind denn eigentlich Themen in dieser Art Therapie? Z.B. Enttabuisierung ist das A und O. Manche Patienten können nicht mal Geschlechtsteile benennen, ohne sich in Grund und Boden zu schämen. Vielen ist auch nicht bewusst, was alles unter Sexualität fällt. Körperschema ist auch ein großes Thema. Die meisten schämen sich ebenfalls sehr für ihre als nicht perfekt empfundenen Körper. Selbstakzeptanz ist dann ein großes Ding (konkret: zu dick, zu dünn, zu männlich/weiblich, zu untrainiert, unzufrieden mit Gesicht), aber auch: Probleme mit Geschlechtsteilen, bezogen auf Größe, Optik und Funktion. Viele wissen auch nichts über die Anatomie und die Funktion an sich. Gestörte Sexualentwicklung nach Trauma, Missbrauch usw. (Manche Therapeuten arbeiten auch präventiv im Rahmen von "Kein Täter werden"). Alle LQTBQ+-relevanten Themen Unterdrücktes Unerfüllter Kinderwunsch und damit verbundene sehr schwierige Sexualität Postnatale sexuelle Störungen Biographisches zum Thema Sexualerziehung, Tabus usw. Sexualität im Alter, in Langzeitbeziehungen usw. (nachlassender Spaß an der Sache, Verpflichtung usw.) Funktionsstörungen jeglicher Art, z.B. angeboren oder erworben oder durch Stress Bei Frauen ist Vaginismus ein sehr großes Thema, bei Männern Erektionsstörungen Orgasmusprobleme Ausbleibendes Lustempfinden usw. und so fort... Die Patienten selbst kommen meistens zum Erstgespräch mit der vagen Vorstellungen, dass mit ihnen was nicht stimmt - und es darum auch nicht klappt. Und sie daran Schuld tragen würden. Oft wollen sie dann schnell wieder hergestellt werden, um wieder "Erfolge" zu präsentieren und damit z.B. die Beziehung zu retten. Da ist aber oft ein Anknüpfpunkt, dass es darum gar nicht geht und man im Leben nicht nur Leistung erbringen muss und soll. An Methoden vermischen sich hier kognitive, tiefenpsychologische und systemische Therapie. Ich habe aktuell zwei Sexualtherapien und muss sagen, dass das Thema großen Spaß macht. Man merkt hier häufig sehr schnell die Veränderung in der Person, wenn sie solche tief verankerten, aber weggesperrten Dinge ansprechen kann. Natürlich fällt dies dem Patienten sehr schwer, vor allem Männern. Deswegen finde ich wichtig, dass sie nicht gleich alles erzählen müssen. Manche können nicht mit Partner/in über Sorgen, Ängste, Vorlieben und Wünsche reden. Als Therapeut muss man absolut unverkrampft über solche Themen reden können und auch so viel Vertrauen ausstrahlen, dass Patienten bereit sind, zu reden. Es darf weder einen Pfui-Anstrich haben, noch in eine Richtung gehen, dass es auf sexuellen Erfolg ankommt. Und auch darf niemanden genötigt oder gelöchert werden. Ich denke mir, dass schon jeder selbst am besten weiß, wann er was preisgibt. Und dann gestalte ich die Atmosphäre so, als würden wir über das Wetter reden. Generell sollte man als Therapeut ein gutes Gespür für den Umgang mit Schuld und Scham haben. Ich persönlich glaube auch, dass ein höheres Alter hier von Vorteil ist. Während der Seminare hatte ich noch Bedenken, ob ich das wohl wirklich schaffen könnte, mit Patienten darüber zu reden. Aber das ging erstaunlich gut. Darum: Keine Sorge vor Sexualtherapie. Bleibt gesund und haltet zusammen, LG Titelbild: DS_stories/pexels.com
  8. Ja, fühle ich.. Ich bin auch nicht ich, wenn der Kaffee alle ist. So, wie es gestern der Fall war.
  9. Ja, so ist es, tatsächlich kannst du eine Phobie vor deiner Tastatur haben und diese dann nach Belieben Kleidiaphobie o.ä. nennen, wenn du magst 😁 Es fällt immer unter F40.2. In der Fachwelt gibt's diese Umschreibungen tatsächlich nicht. Aber: So unterschiedlich die Menschen, so unterschiedlich die Phobie. Es gibt aber welche, die besonders häufig vorkommen - andere wiederum sind ziemlich ungewöhnlich und wiederum andere werden erst jetzt in gehäufter Form so richtig entdeckt, da sie vorher eher tabuisiert wurden (wie die Emetophobie) :-) Phobien sind meistens etwas eher auf bestimmte Objekte bezogen, der Zahnarzt, die Spinne, das Meer, die Zahl. All diese Dinge kann ich meiden. Katze fällt auch darunter. Aberglaube an sich passt nicht so ganz in den phobischen Bereich. Die Sorge, dass einem am Freitag, den 13. etwas passieren wird, könnte man auch als generalisierte Angststörung betrachten. Symbolik, von der man sich angesprochen fühlt, kann auch ein Hinweis auf Psychosen u. Verfolgungswahn sein. Oder: Trigger für Flashbacks bei PTBS. Aber wie so häufig ist es dann eher eine Mischung aus vielem. Hätte einer Angst vor ausgehendem Lesestoff, würde ich ihn erstmal fragen: Wer sind Sie, wenn Sie nicht lesen? 😉 Ich denke, das hat aber eher eine Zwangskomponente als wirklich Phobie. 😄
  10. Man würde das (bei Krankheitswert) tatsächlich unter "F40.2 - Spezifische Phobien" codieren 😄 Beschreibung laut ICD-10: Phobien, die auf eng umschriebene Situationen wie Nähe von bestimmten Tieren, Höhen, Donner, Dunkelheit, Fliegen, geschlossene Räume, Urinieren oder Defäkieren auf öffentlichen Toiletten, Genuss bestimmter Speisen, Zahnarztbesuch oder auf den Anblick von Blut oder Verletzungen beschränkt sind. Obwohl die auslösende Situation streng begrenzt ist, kann sie Panikzustände wie bei Agoraphobie oder sozialer Phobie hervorrufen. Hier finden sich sehr interessante Störungsbilder wie Spinnenangst, Höhenangst oder auch die aktuell mehr Aufmerksamkeit kriegende Emetophobie (Angst vor jeglicher Art des Erbrechens). All die genannten hatte ich schon häufiger. Eine Angst vor ausgehendem Lesestoff noch nicht 😄 Aaaaber: Der Spezifikation sind hier keine Grenzen gesetzt. So gibt's hier auch solche panischen Störungen: Hippopotomonstrosesquippedaliophobie – Angst vor langen Wörtern Hexakosioihexekontahexaphobie – Angst vor der Zahl 666 Arachibutyrophobie – Angst vor Erdnussbutter, die am Gaumen festklebt (es loht sich, seltene Phobien zu googlen). 😅 Aber im Ernst: Zusammen mit der Emetophobie kriegen im Moment auch die Trypophobie (Abscheu vor kleinen Löchern, Punkten, Rissen etc.) oder die Thalassophobie (Panik vor tiefen Gewässern) mehr Aufmerksamkeit. LG
  11. Ich habe im ersten Moment bei der Headline Angemeldet: IST-Weiterbildung „KI in der Praxis“ gedacht, dass es sich um KI-Lösungen für Praxen handelt, also eine KI, die ein paar Verwaltungsaufgaben bei Terminvergabe, Telefonterminen etc. übernehmen kann und dachte mir "Das könnte doch die Lösung sein" 🫡 ... Naja, ich glaube, ich habe meinen Urlaub jetzt SEHR gebraucht 🤓😅 Bisher läuft aber alles in der Lohnmühle, trotz sogar noch vermehrt abwanderndem Personal. Scheu gemachte Pferde. 🤔
  12. Nur für den Sommer, den ich an diesem Wochenende gebucht habe 😁 Auch wenn wir da in D bleiben, freuen wir uns massiv! Ist der erste Urlaub seit langem und ich bin doch erstaunt, was für positive Energie so eine Buchung in Gang setzt, bei der man zunächst sogar gezögert hat. An Ostern werden wir wohl mal wieder die Umgebung unsicher machen, wir möchten gerne ein Schloss besichtigen, in den Zoo + ins Naturkundemuseum. Eventuell fahren wir noch nach Düsseldorf und die Zechen im Ruhrgebiet wollten wir uns auch mal anschauen. Für ausgiebige Familienbesuche ist dann auch mal wieder Zeit. Den Rest werden wir zum Gemeinschafts-Rumgammeln nutzen. Alle brauchen Kraft + Frühling😄
  13. Im Prinzip nochmal Kraft sammeln für diese Woche und dann mit Lichtgeschwindigkeit Richtung Freitag. Danach locken 2 Wochen Urlaub. Bin echt urlaubsreif! 🫡
  14. Wie schön zu sehen, dass es auch Angehörige gibt, die das ganze so begeistert unterstützen 😍
  15. Der Warntag hat mich kalt erwischt 😅. Ich war bei Karstadt und alle Smartphones gingen gleichzeitig los. Wow.
  16. Den Frust kann ich gut nachvollziehen. Wünsche dir, dass es schnell klappt! Wird aber bestimmt laufen. Ich hatte den Mist auch mal, Vertragsregelung per Zoom-Gespräch, Vertrag wurde vor laufender Kamera in Umschlag gepackt und sollte "bald bei mir sein". Kam aber nie an...nachgehakt, schicken wir nochmal. Kam nicht... Nachgehakt: Ja, Stelle hatten wir dann doch anders besetzt. Man kann ja eigentlich froh sein, dass man im Endeffekt keinen Fuß in so einen Laden setzen wird, wäre da nicht das ungute Gefühl, veräppelt worden zu sein. LG
  17. Ich bin auch ein Typ für sehr individuelle Bewerbungen und habe Spaß daran, sie zu verfassen und gestalten. Bei meinen 10 Bewerbungen, zu denen ich jeweils auch eingeladen wurde, kann ich allerdings auch sagen, dass keiner von den verantwortlichen Menschen sie vorher wirklich gelesen, sondern erst im Vorstellungsgespräch damit angefangen hatte. Teilweise wurde dies sogar so kommuniziert. Es verdichteten sich auch die Hinweise, dass ohnehin nur geschaut wurde: Liegt ein Master vor mit passender Fachrichtung. Ja? Super, dann man einladen... Keine Ahnung, wie das in anderen Branchen ist, aber irgendwie habe ich mir schon gedacht: Die Mühe kann man sich dann eigentlich auch sparen. 🤐 Ich weiß aber nicht, ob durch KI grundsätzlich Authentizität verloren geht: Bewerbungsschreiben sind ja auch schon oft optimiert, z.B. durch Vorlagentexte, die man sich aus dem Internet runterladen kann und dann nur an ein paar Stellen verändert werden. Bewerbungsfotos werden auch mit Filtern bearbeitet. Vor den Filtern durch besonders vorteilhafte Posen beim Fotographen. Also geschönt wird ja eh immer. LG
  18. Anatomie eines Falls - Ich war auf den Hype reingefallen und habe tatsächlich 5€ Leihgebühr geblecht.-Die Story schnell erzählt: Vater fällt aus dem Fenster und stirbt, wer war es? Die exzentrische Mutter? Vielleicht der blinde Sohn? Suizid? Unfall? Dem Thema wird sich dann im Film auf mehreren Ebenen angenähert, obwohl die Auflösung eigentlich nicht im Vordergrund steht, sondern was Stück für Stück über alle Beteiligten bekannt wird. Tja, und...,manchmal neigen wir zu Vorverurteilungen, wenn wir noch gar nicht alle Beweise haben. Neu? Ich fand den Film und seine Thematik leider ziemlich belanglos, zumal es im Genre solche Streifen bereits wie Sand am Meer gibt. Ist auch nicht schlecht gespielt. Am besten fand ich den Familienhund (kein Witz). Das Signal (Netflix) - Mama ist Astronautin und stößt im All im Funkschatten der Erde auf eine Stimme aus den Tiefen des Alls. Papa und Tochter sind auf der Erde. Bevor Mama alles erklären kann, stirbt sie offenbar bei einem seltsamen Flugzeugabsturz. Ja, das hat meine Aufmerksamkeit erregt, weil bei den Vorschau-Kacheln zunächst dachte, das sei Interstellar. Das offizielle Filmplakat geht irgendwie auch so in diese Richtung. Mit dem hat es aber nicht so viel gemein. Eine - finde ich - mittlerweile typische Netflix-Produktion, oft Mittelmaß und darunter. Dennoch fand ich den Plot bzw. die Auflösung spannend. Mit nur 4 Folgen auch in Ordnung :-).
  19. Glücklicherweise ja, es hat sich alles noch am selben Tag aufgeklärt 😁 Und nachgeholt haben wir das Treffen auch schon. Besorgt ist sie trotzdem, weil sie am selben Tag komatös eingeschlafen und erst am Nachmittag wieder aufgewacht ist UND dabei auch noch den Tag verwechselt hat (obwohl sie morgens bereits wach war und man über das Treffen gesprochen hatte). Aber die Reißleine hat sie schon gezogen (kündigt einen stressigen Zweitjob, seit welchem ihr solche Sachen offenbar öfter passieren).
  20. Ich kenne ihren Partner nur vom kurzen Vorbeigehen, ansonsten sind mir der Nachname der Mutter und weiterer Verwandten nicht bekannt. Das ist echt blöd gerade. Ich habe allerdings die Praxisbetreiber informiert. Die werden sich kümmern. Jetzt heißt es mal abwarten. Hoffentlich klärt sich alles.
  21. Ich hätte heute morgen eigentlich ein Café-Treff mit einer lieben (+extrem zuverlässigen und pflichtbewussten) Kollegin aus der Erwachsenen-Praxis gehabt, mit der ich schon viele Kaffeetreffen hatte. Leider ist sie nicht erschienen. Ans Telefon ging keiner und die WA-Nachrichten wurden ab einer gewissen Uhrzeit auch nicht mehr gelesen. In der Frühe hatten wir uns heute noch ausgetauscht über das Treffen. Zunächst war ich alleine im Café, aber auch da hat sich niemand gemeldet. Wie merkwürdig! 😶 Ich hoffe natürlich nicht, dass da was passiert ist. Mit dem frei gewordenen Zeit-Slot lerne ich ein bisschen für die Staatsprüfung, aber nun schielt man eben doch die ganze Zeit aufs Handy, ob's was Neues gibt.
  22. Meine ersten Erfahrungen auf der Station für Ess- und Körperschemastörungen hatte ich bereits im Master-Praktikum. Eigentlich ist das eine eigenständige Praktikantenstelle. Doch die Kollegin wurde krank, und so kam es, dass ich für sie einsprang. Als mir das mitgeteilt wurde, merkte ich, dass mich diese Aufgabe ganz schön nervös machte. Ja, Essstörungen waren ein recht großes Thema im klinischen Studium und generell im Fernstudium. Ja, es gab eine Klausur und eine Fall-Facharbeit dazu (d.h. mit echter Patientenakte). Die theoretischen Grundlagen dazu saßen. Trotzdem bestellte ich mir am Vorabend ad hoc nochmal ein recht teures e-Book. Aber doch bekam ich kaum etwas in den Kopf davon. Ich hatte eher andere Sorgen. Ich z.B. bin ein absoluter Genussesser. Ich esse gerne und durchaus auch mal viel. Dadurch fiel es mir schon im Studium etwas schwerer als bei anderen Störungen, diese nachzuvollziehen. Würde ich dadurch überhaupt authentisch rüberkommen? Oder lag es daran, dass dies die tödlichste aller psychischen Erkrankungen ist? Und man damit eine recht hohe Verantwortung und sicherlich viele Verluste hat? Die erste große Veränderung war, dass ich meinen Dienst schon um 7:00 Uhr antreten musste statt wie üblich um 8:00. Mein Tag startete nämlich in der Küche, wo es darum ging, zusammen mit der Ernährungsberaterin und der Köchin das Frühstück zuzubereiten. Meine etwas undankbaren Aufgaben waren das Abwiegen der Mahlzeiten und das Eintragen in eine Tabelle. Außerdem: Mengen + Kalorienbedarf auf jede einzelne Patientin anpassen und ebenfalls eintragen. Die Patientinnen lernte ich beim Essen kennen. Mir sitzen alle Krankheitsbilder gegenüber, die man auf solchen Stationen üblicherweise hat: Anorexie (Magersucht), Bulimie (Ess-Brech-Sucht) und Binge-Eater (haben regelmäßige, unkontrollierte Essanfälle). Es sind die dünnsten Menschen, die ich je gesehen habe (abgesehen von den Binge Eatern, die deutlich in der Unterzahl sind). Der ausgeprägteste Fall wiegt nur 28 Kilo und sitzt mit Beatmung im Rollstuhl: Jegliche Art Bewegung soll hier vermieden werden, damit keine Kalorien verbrannt werden. Ein einziger Mann ist dabei. Die Damen und der Herr sind ausgesprochen freundlich und interessiert an mir. Die Gespräche am Tisch sind sehr intellektuell und zugewandt. Viele Patientinnen sind „Töchter aus gutem Hause“. Meine Aufgabe ist, mit ihnen zu essen, dabei aber auch zu überwachen, dass der Teller leer gegessen wird. Hier bekomme ich später von der Ernährungsberaterin eins aufs Dach: Teller leer essen bedeutet offenbar nicht das, was ich darunter verstehe. Also muss ich hier tun, was ich überhaupt nicht gerne tue: Nämlich anderen Vorschriften zu machen. „Das müssen Sie mir aber bitte noch gründlicher essen!“ soll ich die nächste Zeit sagen. Außerdem muss ich lernen, die Tricks zu durchschauen, mit denen sie sich ums Essen bringen: Viel reden, Streit anfangen, sehr lange Klogänge oder Trick 17, viel aufstehen und herumlaufen um Dinge zu holen – in Wahrheit aber Kalorien zu verbrennen. Und auch das zählt nicht: „Mein Essen ist versalzen/zu heiß/schmeckt nicht/kalkig/angebrannt.“ Etc. Das Essen, egal welches, ist stets ein schwieriger Moment. Manche sitzen heulend davor, weil sie es nicht schaffen. Andere haben regelrecht Angst. Manchmal geht es auch hässlich zu: Es wird übereinander hergezogen, wer mehr gegessen hat. Getoppt wird die Dramatik nur vom täglichen Wiegen. Das mache zum Glück nicht ich, sondern die behandelnde Therapeutin der Station (auch eine PiA). Sie ist auch für den Notfall dabei. Das Heulen und Weinen ist noch auf der Station gegenüber, bei den Borderlinern, hörbar. Ich bin auch schon wieder am Abwiegen: Wer hat wie viel gegessen? Wie viel Kalorien sind das in etwa? Ich muss alles notieren. Beim Mittagessen genau dasselbe: Begleiten, mitessen. Am Nachmittag haben die Damen Gruppentherapie und auch Spiegeltherapie mit ihren Therapeuten. Im Anschluss der Spaziergang mit der Station, der dann alleine von mir begleitet wird. An Anfang falle ich auf die vielen kleinen Tricks zur Steigerung des Kalorienumsatzes herein: Strecken wählen, die minimal länger sind. Strecken, die bergauf gehen. Strecken, die ins Leere laufen, damit man umkehren muss und dadurch mehr Weg zurücklegt. Zu schnelles Gehen. Das Treppenhaus nutzen, statt den Fahrstuhl. Die Rollstuhlfahrerin schiebe ich natürlich. Einmal verhakt sich der Rollstuhl auf den Bürgersteig. „Sehen Sie?“ meint sie. „Ich bin eben doch zu schwer.“ Urgs! Überhaupt: Wie man genau über das Thema Essen redet, weiß ich an der Stelle nicht. Konfrontiert man sie damit, dass sie lebensgefährlich dünn sind? Führt das nicht zu Trotz und Abwehr? Immerhin kriegen sie das aus jeder Ecke schon zu hören, teilweise auch als Vorwurf. Die Gespräche mit den Damen und dem Herrn sind, wenn es vom Thema Essstörung weggeht, äußerst angenehm. Am nächsten Morgen aber gleich der Schock: Eine Patientin hat sich mit der Ärztin überworfen und Glasscherben gegessen, um nicht weiter essen zu müssen. Die ist in der Notaufnahme. Wie durch ein Wunder gibt es aber keine ernsten Verletzungen. Die Therapeutin betrachtet das unaufgeregt: Das kommt häufig vor, versichert sie mir. Mich schockt es trotzdem nachhaltig. Die Patientinnen und der Patient haben auch Koch- und Backkurs. Danach der nächste Fauxpas meinerseits: Ich lasse mich beschenken. Die Damen haben Pralinen und Plätzchen gebacken und verschenken sie an das Personal. „Das sind Feeder!“ ermahnt mich die Therapeutin. „Es macht sie glücklich, wenn andere essen. Du musst sie auffordern, das selbst aufzuessen.“ „Wie lehne ich denn ab, ohne sie direkt zurückzuweisen? Denn Zurückweisung war ja häufig in ihrem Leben ein Problem, oder?“ will ich wissen. So richtig eine Antwort bekomme ich darauf nicht. Darum mache ich es die nächsten Tage so: „Ich freue mich mega! Wollen wir sie zusammen essen? :-)“ Im Verhältnis: Ich: 1 Praline, sie: 5. Und das klappt. Ich bin mega stolz, als ich in den Kalorien-Listen notieren kann, dass „meine Patienten“ dadurch sogar auf mehr Kalorien als vorgegeben landen. Auch wenn es unfassbare Arbeit war, Phi mal Daumen die Kalorien der Selbstmach-Pralinen rauszufinden. Bei den interessantesten Dingen, den Einzeltherapie-Sitzungen oder der Gruppentherapie, darf ich nur selten teilnehmen, was ich schade finde. Aber man macht dort recht interessante Dinge: Spiegeltherapie ist für die Patientinnen sehr schwer auszuhalten, denn hier muss man sich selbst betrachten und beschreiben. Es gibt auch viele andere interessante Methoden: Etwa wenn der gefühlte Körperumfang kreisförmig von der Patientin aufgemalt wird. Und dann ein Seil den tatsächlichen Umfang misst und danebengelegt wird. Allein kommt es mir aber so vor, dass zumindest bei diesen Patienten nicht allein das Unwissen eine Rolle spielt, wie ein normalgewichtiger Körper so aussieht, sondern das Ganze eine Reaktion auf etwas ist. Und tatsächlich hört man in den Einzeltherapien häufiger so etwas: „Mein Körper ist das einzige, was ich beherrschen kann“; „Hier ist meine Welt!“, „Mein Körper hat völlig versagt, in allem. Ich wurde nur gemobbt.“; Und noch viele andere Dinge, die therapeutisch aufgearbeitet werden. Als meine Vertretungs-Arbeit dort getan ist und ich wieder zu meinem allgemeinpsychiatrischen Bereich zurückkehre fällt mir dagegen auf, wie unstrukturiert hier alles läuft. Keine Kalorien zählen? DAS soll ein leerer Teller sein? Etc. pp. Mir kommt alles vor wie ein heilloses Durcheinander.😅 Die Arbeit dort war einerseits faszinierend, weil ich glaube, nie so interessante Gespräche mit Patientinnen geführt zu haben. Zudem habe ich dort auf Patientenebene sehr begabte und einfach tolle Personen kennengelernt, deren Geschichten und Einstellungen mich berührt haben. Ein Gespür dafür, dass etwas, was man für sich für selbstverständlich kann, anderen Leuten etwas so viel Leid bescheren kann, war ebenfalls eine wichtige Erfahrung. Und auch die Mühen und der Kampf, den die Betroffenen auf sich nehmen, war hier sehr sichtbar, etwa in den Essenssituatinen. Darüber hinaus habe ich generell viel über die Wertigkeit von Essen gelernt. Andererseits habe ich die Methodik mit lachendem und weinendem Auge gesehen. Ich kann verstehen, dass es zunächst mal im Fokus steht, die Patienten irgendwie auf eine gute Kalorienzufuhr zu bringen. Dazu gehört eine sehr hohe Struktur, wie eben Listen abhaken und viel Kontrolle. Andererseits erleben sie so wieder, dass über sie fremdbestimmt wird. Ich habe dauernd Sorge, dass ich jemanden verletzen könnte mit den permanenten Grenzen, Aufforderungen zum Tellerleeressen und Begrenzen der Bewegungsfreiheit. Mein Fazit ist, dass man als Praktikant auf so einer Station in viele Fettnäpfchen treten kann und hier drauf bestehen sollte, gut angelernt zu werden. Als PiA ist das etwas anderes. In der Ausbildung hatten wir ein intensives Essstörungs-Seminarwochenende. Ich hatte innerlich schon einige Blockaden, weil ich die Befürchtung hatte, das Thema liegt mir nicht. Aber es wurde einfach das beste Seminar und danach habe ich mich extrem gut aufgestellt gefühlt und sogar Bock auf eine entsprechende Station bekommen. Das zeigt: Man brauch hier nur gute Anleitung und Tipps vom Profi. Bei diesem Störungsbild brauch man meiner Meinung nach mehr Hinweise von erfahrenen Therapeuten als bei anderen, weil das Vermeidungsverhalten so enorm ist. Auch Trigger spielen hier eine große Rolle. Meine anfänglichen Sorgen hätte ich aber nicht haben müssen. Ich denke, das Wichtigste ist immer Authentizität, und gerade als Genießer kann man hier ein interessantes Modell sein. Eine potenziell tödliche Erkrankung bleiben die Essstörungen natürlich schon. Aber auf Stationen mit so viel Struktur und Beobachtung ist es aber unwahrscheinlich, dass jemandem da etwas durch die Lappen geht: Im Extremfall kann es zur Zwangsernährung kommen. Das ist mit den Patienten auch abgesprochen. Spannend fand ich, dass durch die Station in mir ein paar generelle Fragen zum Thema Essen aufkamen und ich viel damit konfrontiert wurde, wie das mit dem Essen damals bei uns zu Hause gehandhabt wurde. Dass Essen z.B. auch ein Machtmittel sein kann, war ebenfalls so eine Erkenntnis. In der Ambulanz habe ich heute einige Menschen mit Essstörungen, vor allem in der KJP :-). Ich habe immer noch Respekt vor der Störung, weil so viele Faktoren dahinter sind, aber insgesamt haben wir sehr gut Verläufe. Aber auch wenn ihr als PiAs auf solchen Stationen eingeteilt werdet: Habt ein Auge darauf, die Praktikanten gut anzulernen :-). Bleit gesund & haltet zusammen, LG
  23. Da kann man ja wieder was von der Liste abhaken und in's verdiente Wochenende gehen 😄 Und wie mein OU-Tutor immer zu Klausuren meinte: Turn in the sheet and then forget about it! 😁
  24. Ja, leider 🤪 Ansonsten habe ich beschlossen, dass Frühling ist 😁 Beweis: Viele Vögel am Musizieren. Sogar hier in der Großstadt. Ich hoffe, die haben sich nicht vertan und frieren sich morgens nicht den gefiederten Hintern weg bei -1 Grad. Immerhin ist es ja schonmal insgesamt heller. Gefühlt heben sich die Lebensgeister gerade mit jedem Sonnenstrahl.
  25. Audits waren bei uns eine sehr lustige Zeit 😁 Erst wurde sich im Pflegezimmer verschworen, dass man gar nix macht, um "den Laden jetzt mal richtig hochgehen zu lassen". Und dann wurde am Tag davor doch gemeinschaftlich geputzt und poliert, sogar der Kurvenwagen wurde von innen mit Glasreiniger hübsch gemacht. Chefarzt und Oberarzt ploppten auch plötzlich aus dem Äther auf und schrubbten mit. Und vermutlich hat keiner auf Station geschlafen, weil alle durchgelernt haben, um den Auditoren mögliche Fangfragen beantworten zu können. Am tollsten war dann, wie harmonisch und zugewandt es zugehen kann, wenn Auditoren am Start sind, und was für ein schauspielerisches Talent in so manchem steckt. Hach ja 😁 Aber ich nehme mal an, es hat geklappt bei euch mit der Rezertifizierung. 😊
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