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Brauchen wir heute noch Wissen - oder haben wir dafür Google?


Markus Jung

Empfohlene Beiträge

Die Blogbeiträge von Christian Spannagel lese ich immer mit großem Interesse, da er sich unter anderem dem Thema Bildung und Pädagogik oft aus neuen Perspektiven widmet - einerseits fachlich anspruchsvoll, aber andererseits so verständlich, dass ich auch ohne ein Studium der Pädagogik etwas damit anfangen kann.

Im Moment beschäftigt mich sein aktueller Artikel Muss man eigentlich nix mehr wissen?. Es geht darin um Überlegungen dazu, ob Wissen in der Allgegenwärtigkeit des Internets überholt ist, während früher wandelnde Lexika oft sehr angesehen und gefragt sind.

Ich selbst gehöre auch zu den Menschen, die der Meinung sind, das reines Faktenwissen (also zum Beispiel auswendig gelernte Zahlen oder Begriffe) heute weniger wichtig sind, weil ich sie bei Bedarf nachschlagen kann. Für wichtiger halte ich das Wissen über Zusammenhänge bzw. Kompetenzen.

Der Artikel erläutert sehr schön auch anhand der Funktionsweise des Gehirns, dass es uns nur dann möglich ist, tiefer in eine Materie einzusteigen, wenn wir bereits Grundlagen dazu gelernt haben, weil das Gehirn überfordert ist, wenn es ausschließlich neue Informationen aufnehmen und verarbeiten soll. Es ist dann schwierig bis unmöglich, tiefer in die Materie einzudringen.

Wie seht ihr das und in dem Zusammenhang: Was erwartet ihr von einem Fernstudium inhaltlich, also was soll euch vermittelt werden? Und wie sehen in dem Zusammenhang auch gute Prüfungen/Klausuren aus?

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Hallo

Spannender Beitrag!

Wir haben die Erfahrung gemacht, dass es in einem Fernlehrgang (zum eigentlichen Fernstudium kann ich nicht so viel sagen) schon nötig ist, dass man die grundlegenden Fakten erst einmal möglichst anschaulich vermittelt bekommt. In unseren Lehrbriefen gehen wir dabei meist von Leuten aus, die eher wenig Vorwissen (bis gar kein Vorwissen) vom Thema haben, und entwickeln dann Schritt für Schritt ein "Grundmodell" des Themas. Auch die erfahreneren TN können aber durchaus von ener solchen Wiederholung der Basics profitieren. ;)

Diese Herangehensweise kommt bei den meisten unserer TN auch ganz gut an - obwohl einige auch kritisieren, dass die Inhalte dieser Grundlagenkapitel "zu leicht" seien. Damit können wir aber leben, denn die TN, die schon ein besseres Vorwissen mitbringen, können diese Kapitel ja einfach flotter lesen.

Wenn man festlegt, wie man mit solchen Basics umgeht, grenzt man fast automatisch manche Teilnehmergruppen aus: Die einen finden den Kurs zu leicht (und canceln ihn vielleicht sogar), während er für andere immer noch zu schwierig sein kann (die ihn dann u.U. auch canceln). Wir versuchen immer, einen Mittelweg zu finden, und ermutigen unsere Teilnehmer, selbstbestimmt zu entscheiden, ob sie zusätzlich zu den Lehrbriefen von uns noch weitere Unterstützung gebrauchen können oder nicht. Wir bemühen uns halt, da auf die Lernerbedürfnisse möglichst individuell einzugehen.

Der wirklich Lerneffekt kommt jedenfalls bei diesen Grundlagenkapiteln kaum dabei heraus. So richtig zur Sache (und zum Lernerfolg) kommt erst dann, wenn die TN eigene Projekte im Rahmen ihres Fernlehrgangs angehen und diese gemeinsam mit dem Tutor besprechen. Darum gibt es in unseren Einsendeaufgaben/Abschlussprüfungen keine Aufgaben à la: "Definieren Sie den Begriff XY!" - und dann muss man nur auf S. 53 des Lehrbriefes die entsprechende Definition abschreiben. Das bringt ja nix!

Stattdessen entwickeln die TN eigene Projekte; in diesen echten Projekten der TN verlangen wir auch "Nebenkompetenzen", die wir im Laufe der Lehrbriefe natürlich auch geschult haben, so z.B. eigenständiges Recherchieren, das Bewerten und Analysieren der gefundenen Informationen und dann die Einbeziehung dieser Infos in das jeweilige Projekt des Teilnehmers. Googeln können muss man aber schon... ;)

Viele Grüße

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Ich als Informatiker komme bspw. mit BWL-Klausuren und BWL-Stoff überhaupt nicht zurecht. Man muss ja alles auswendig lernen. Entsprechend gravierend fällt bei mir auch die Differenz der Noten aus, wenn man BWL- und Informatikfächer vergleicht. Diese Meinung vertreten auch ausnahmslos alle Informatik-Kommilitonen, mit denen ich über das Thema geredet habe.

Demletzt hatte ich aber ein Gespräch mit einer befreundeten BWL-Studentin. Die konnte meine Aussage "bei BWL muss man alles auswendig lernen, mag ich nicht" gar nicht nachvollziehen. Sie vertritt die Meinung, dass man sich bei BWL doch irgendwie alles logisch herleiten kann. Und so kam ich ins Grübeln: Eigentlich lernt man doch immer irgendetwas auswendig. Es macht streng genommen nur wenig Unterschied, ob ich mir merke wie ein bestimmter Sortieralgorithmus funktioniert, wie die Cantorsche Tupelfunktion aufgebaut ist, für was eine DMZ gut ist, ... oder ob ich die Produktionsfaktoren nach Guttenberg beschreibe, Kosten- und Nutzenrechnungen durchführe, den Aufbau einer Wertekette darstelle, ....

Aber woran liegt das, dass ich es eigentlich nicht als auswendig lernen sehe, wenn ich ein Verschlüsselungsverfahren beschreibe, aber gleichzeitig die Krise bekomme, wenn ich die Zusammensetzung des BIP erklären muss? Ich habe für mich zwei Erklärungen gefunden:

1.) Ich finde die Fragestellungen und Aufgaben der Informatik deutlich spannender als die der BWL. Ich denke Dinge, die einen auch wirklich interessieren, lernt man einfacher (auswendig) als Dinge, die einen nicht interessieren.

2.) Der typische Aufbau von Klausuren (zumindest bei den Klausuren, die ich mitschreiben "durfte") legt bei BWL einfach den Fokus eher auf runterbeten auswendig gelernter Inhalte (Was steht im Stabilitätsgesetz von 1967? Nennen Sie die Produktionsfaktoren nach Guttenberg. Nennen Sie 5 Kostenarten.), während der Fokus bei Informatikklausuren eher auf Anwenden und Verstehen liegt (Angenommen bei folgendem Kerberos-System [bildchen] wurde der Authentication-Server gehackt, welche Auswirkungen hat das auf die Sicherheit des Systems? Kann man eine monoalphabetische Verschlüsselung sinnvoll mit einer polyalphabetischen Verschlüsselung kombinieren? Geben Sie ein Beispiel!). Bestätigt hat sich diese Meinung dadurch, dass ich mir auch bei Informatikfächern schwer tue, wenn bspw. der Prof in einer mündlichen Prüfung verlangt, dass man eine bestimmte Definition runterbetet (kommt zum Glück nicht so oft vor) und ich mir bei BWL-Aufgaben entsprechend leicht tue, die einen "Sachtextcharakter" haben (Gegeben ist xyz, berücksichtigen Sie abc, berechnen Sie mno!), bei der man sich die Formel auch logisch herleiten kann (kommt leider auch nicht so oft vor). Zudem konnte ich vor einer Klausur ein Gespräch zwischen einem Wirtschaftsinformatiker und einem Informatik-Prof "belauschen". Der Wirtschaftsinformatiker hat dem Prof gesagt, dass ein bestimmtes BWL Fach deutlich einfacher zu bestehen wäre, weil man einfach nur alles auswendig lernen und hinschreiben müsse. Die Informatik-Klausur vom Prof wäre aber ein anderes Kaliber, da man verstehen müsse und mit auswendig lernen nicht weit kommen würde.

Letztendlich muss man einfach bestimmte Grundlagen (auswendig) lernen, um tiefer in die Materie einsteigen zu können. Je nach Tiefe der Materie muss natürlich auch mehr (auswendig) gelernt werden. Bei einer bestimmten Tiefe erscheinen oder sind die Grundlagen dann doch "ganz klar und logisch begründbar". Kratzt man nur an der Oberfläche, fällt wohl viel unter "och nö, nicht schon wieder auswendig lernen. Das hat doch alles eigentlich gar keinen Sinn und kann ich sowieso nachschlagen wenn ich es brauche ...". Wenn man für eine Klausur lernt, sollte die Klausur (damit ich sie gut bestehen kann ;-)) so aufgebaut sein, dass man gezwungen ist die Dinge zu verstehen und anwenden zu können sowie Transferleistungen zu erbringen.

Mich würde interessieren, wie andere Studenten darüber denken :-) .

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Einer meiner "Standardthesen" zu meinen Aufgaben als Lehrerin ist:

Ich muss dir nicht die Sache beibringen, sondern ich muss dir beibringen, wie du selber draufkommen kannst.

Meiner Meinung nach galt das schon vor google (und meinem Pädagogikstudium)! Und zwar egal, ob es um Wissensbeschaffung, Verstehen oder Ausführen handelt. Und völlig unabhängig vom Fachgebiet.

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Um etwas beurteilen zu können, brauche ich erst mal Wissen. Da es in der Regel nicht nur EINE richtige Richtung von Wissen gibt, brauche ich auch Faktenwissen, das sich gegebenenfalls widerspricht.

Ferner brauche ich Kompetenz, dieses Wissen miteinander zu verknüpfen. Und bestenfalls kommt hinterher so etwas wie eine Kompetenz zur Beurteilung von Fakten heraus und damti eine differenzierte Sichtweise.

Auf manches kann man nicht "draufkommen", manches muss man erst mal erfahren und im Hirn abspeichern. Also geht es nicht ohne Lernen.

Bestes Beispiel dafür (hat nun nix mit Informatik oder BWL zu tun, sondern mit Geschichte!) ist der Nahostkonflikt um Israel und Palästina und die ganze Region und die Verstrickung von Kolonialmächten in der jüngeren Geschichte. Oder auch die Balkankriege.

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Ich muss dir nicht die Sache beibringen, sondern ich muss dir beibringen, wie du selber draufkommen kannst.

Aber um selbst auf Sachen kommen zu können, muss mir doch erstmal ein gewisses Wissen als Basis vermittelt werden, oder? Und diese Vermittlung sollten doch auch LehrerInnen leisten?

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In der ZEIT stand vor kurzem ein interessanter Artikel darüber, wie gute Schüler "hervorgebracht" werden. Da wurde der Mythos z.B. von kleinen Klassen entzaubert. Gute Schüler - also Schüler, die wirklich etwas lernen - bringt ein System dann hervor, wenn die zuständigen Lehrer ihr Fach verstehen und auch vermitteln.

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Aber um selbst auf Sachen kommen zu können, muss mir doch erstmal ein gewisses Wissen als Basis vermittelt werden, oder? Und diese Vermittlung sollten doch auch LehrerInnen leisten?

Natürlich. Die "These" ist natürlich nur eine sehr grobe Grundlage. Eine Art, um "drauf zu kommen" ist, jemanden zu fragen, der es weiss. Oder dem Unterricht zu folgen - weil man da, ausser den Inhalten, "Werkzeug" kennenlernt, um zu verstehen (z.B. Mathe). Und weil da jemand sitzt, der aus dem Fachgebiet einiges weiss. Ich kann als Lehrerin 'da vorne' lange reden - wenn der Schüler es nicht in seinen Kopf bringt, hilft es nichts. Ein grosser Teil meiner Arbeit ist deshalb, zu vermitteln wie das was erfasst werden kann.

Meiner Meinung nach ging es in der Schule schon immer nicht nur um das Wissen an sich. Sondern darum, sich das Wissen anzueignen, zu verknüpfen, anzuwenden. Heute hat man einfach ein sehr viel breiteres Wissen 'auf Knopfdruck' an der Hand. Deswegen sind Fertigkeiten wie herausfinden, was relevant ist, überfliegendes Lesen etc. heute wichtiger als sie mal waren.

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Hallo

Ich bin ja nun keine (Grund-) Schullehrerin... ;) Aber selbst bei einem Montessori-Ansatz, bei dem die Schüler ja sehr selbstbestimmt lernen können (und sollen), bereitet der Lehrer/die Lehrerin den Lernprozess ja (z.B. durch die Gestellung bestimmter Materialien) vor. Durch die Auswahl solcher Materialien wird ja schon in gewisser Weise festgelegt, was die Basics sind.

Viele Grüße

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