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Ist Fernstudium Bulimielernen ohne Kompetenzentwicklung?


Markus Jung

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Letzte Woche fand in Hamburg die Frühjahrstagung der AG-Fernstudium zum Thema "Kompetenzorientierung im Fernstudium" statt, an der ich eigentlich teilnehmen wollte, dies dann aber doch ganz kurzfristig nicht konnte.

 

Ich bin an einem Blogbeitrag zur Eröffnungsrede von Prof. Dr. Werner Sauter (Blended Solutions GmbH) hängen geblieben.

 

Prof. Sauter ist der Meinung, dass aktuelle Fernstudienangebote noch auf einer Didaktik und Methodik beruhen würden, die sich in den letzten 50 Jahren wenn überhaupt dann nur marginal entwickelt habe und immer noch primär auf Papierstudienbriefen beruhen würde, während digitale Angebote wie ein Online-Campus, Foren oder Chats allenfalls schmückendes Beiwerk für Marketingzwecke wären. Die ZFU sieht Prof. Sauter eher als Verhinderer von Innovation denn als Garant für Qualität.

 

Kritisiert wird vor allem, dass es keinen systematischen Austausch der Studierenden untereinander und mit den Betreuern gibt, sondern lediglich Einsendeaufgaben, zu denen es meist nur oberflächliches Feedback geben würde.

 

Sein Fazit:

 

Zitat
Auch in Fernkursen dominiert also das Bulimielernen. [...] Mit Kompetenzentwicklung hat derartiges Pauklernen nichts zu tun.

 

Es gibt auch ein paar Empfehlungen, wie sich das Fernstudium revolutionär verändern müsste. Auf die gehe ich hier gerne später auch noch ein.

 

Vorab würde mich aber interessieren, ob ihr die vorgebrachte Kritik sowohl als Teilnehmer als auch als Anbieter von Fernlehrgängen und Fernstudiengängen als berechtigt empfindet?

 

Update 20.03.2019: Leider ist das Dokument online unter der damaligen Adresse nicht mehr verfügbar, so dass ich den Link entfernt habe.

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Also reines Bulimielernen würde ja bedeuten: heute gelernt, morgen Klausur geschrieben, übermorgen komplett vergessen.

Das sehe ich definitiv nicht so. Grade jetzt im Master geht es mir schon so, dass ich sehr oft denke: "Ah, die Grundlagen dazu hast du schon mal gelernt. Wie war das noch genau? Ok, und jetzt baut man also folgendermaßen darauf auf...".

Das ist schon ein schönes Gefühlt, sich an vieles noch zu erinnnern und es dann auszubauen.

Klar, für die praktische Anwendung fehlt oft die Zeit und der Raum im Fernstudium. Da dürfte gerne in Zukunft noch etwas mehr von den Anbietern kommen, um so dem Gelernten eine Möglichkeit zu geben, ganz aktiv ins Langzeitgedächtnis zu wandern.

Aber andererseit behaupte ich, hat mir alleine die Tatsache, dass ich ein Fernstudium neben einem Vollzeitjob absolviere, schon viel Kompetenzentwicklung für mich persönlich gebracht. Ich bin alsolut organisiert, zielstrebig, kann Prioritäten setzen, usw usw.

Dazu braucht es kein spezielles Modul, sondern "Learning by doing".

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Ich kann jetzt nur von der IUBH sprechen.

Dort ist ein Austausch mit den Tutoren sehr gut möglich. Es gibt wöchentliche live Tutorien in denen (von Tutor zu Tutor unterschiedlich) relativ anschaulich der Stoff erklärt wird und auch Fragen beantwortet werden. Diese werden auch aufgezeichnet.

Des Weiteren kann man jederzeit per e-Mail Kontakt zum Tutor aufnehmen.

Es gibt in jedem Modul ein Forum, wie intensiv dieses genutzt wird ist natürlich die Sache der Studenten.

Es werden auch genügend unterschiedliche Materialien bereitgestellt und Literaturempfehlungen gegeben.

Außerdem kann ja jeder Student so lernen wie er meint, ich kann mir den Stoff doch so aufbereiten wie ich mag, kann auch selbst anwendungsbeispiele finden und diese mit dem Tutor oder den Kommilitonen besprechen. Ich kann Zusatzliteratur lesen.

Das ist aber jedem selbst überlassen, man soll in einem Studium ja selbstständig sein. Wer meint er braucht nur Auswendiglernen der soll das doch tun, ist ja seine Sache. Aber die Möglichkeit es anders zu machen sehe ich als gegeben.

Auch in einem Fernstudium kann man erwarten, dass die Studenten selbstständig lernen und Arbeiten und sich nicht davon abhängig machen lassen, dass ja nur das Skript klausurrelevant ist.

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Das ist schon eine provokante These... ;)

Es stimmt vielleicht, dass es das Bulimie-Lernen im Fernstudium gibt - aber das ist nicht auf die Lernform Fernunterricht beschränkt. In meinem Präsenzstudium (okeee, vor vielen Jahren!;)) war das auch an der Tagesordnung. Und genau wie im Präsenzlernen bringt das Bulimie-Lernen auch im Fernstudium nicht allzu viel, wenn es um die Weiterentwicklung der Kompetenzen der Lerner geht.

Im Bereich der Fernlehre habe ich aber das Gefühl, dass sich da vieles getan hat. Neben den sicherlich noch existierenden Angeboten, die auf reiner Wissensabfrage beruhen (bei denen das Gelernte schnell ausgek*** und danach vergessen wird) gibt es auch immer mehr Angebote, bei denen der Transfer des Gelernten in den Arbeitsalltag etwa durch die besondere Ausprägung der Einsendeaufgaben gefördert und gefordert wird.

Ich sehe das z.B. bei unserem Dozentenkurs: Da gibt es überhaupt keine Fragen, in denen stur Wissen abgefragt wird. Da geht es immer um die Entwicklung eigener Projekte, Stundenentwürfe oder Unterrichtsreihen. Mit auswendig gelernten Wissensbrocken kommt man da nicht weit.

An einem Punkt habe ich aber das Gefühl, dass man bei Prüfungen, die vor externen Institutionen (etwa IHK) abgelegt werden, nicht so wirklich um das Bulimie-Lernen herumkommt. Da müsste man halt auch mal überlegen, wie man solche Prüfungen anders organisiert. Bei den Fachwirtprüfungen gibt es durchaus ja schon Prüfungsteile, in denen man Projektarbeiten durchführen und präsentieren muss. Solche Prüfungsteile sollten vielleicht noch wichtiger werden und die reinen Wissensabfragen nach und nach ersetzen.

Viele Grüße

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Bullimielernen trifft sicherlich wesentlich besser auf das deutsche Schulsystem zu, als auf Fernstudiengänge.

Fernstudiengänge, insbesondere die nicht akademischen, werden häufig aus Interesse belegt. Das bedeutet, dass die Motivation eine ganz andere ist. Man macht etwas für sich, ganz ohne Druck, und lernt gerne und freiwillig. Bullimielernen passt hier mal überhaupt nicht!

Was die ZFU betrifft maße ich mir kein Urteil ein, dafür habe ich zu wenig Einblick in den Umfang der gesamten Tätigkeit.

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An einem Punkt habe ich aber das Gefühl, dass man bei Prüfungen, die vor externen Institutionen (etwa IHK) abgelegt werden, nicht so wirklich um das Bulimie-Lernen herumkommt.

Aber die Anzahl und Art der Prüfungen die sonst gemacht werden ist ja ellenlang. Die IHK hat auch Berufszugangs und "Aussiebeprüfungen" die über MC gemacht werden wo es oft darum geht ob die Leute überhaupt geistig in der Lage sind die Fragestellungen zu lesen und zu verstehen, und es gibt noch sonstige Unterweisungen derart bei div. Behören wo du irgendwo nachweisen sollst das nicht völlig unterbelichtet bist und keine Gefahr für die Allgemeinheit darstellst wenn versuchst zu arbeiten.

Ansonsten.

Teils Teils, die IHk Fortbildungen haben ihre Rahmenpläne und den "Grundstoff" mit den Dingen die du halt wissen sollst, aber die berüchtigten "Prüfungslyriker" bauen die Klausuren in der Regel extra so auf das du mit reinem Auswendig lernen nicht weit kommst, wenn man Glück hat reicht es um mit 50% grad so zu bestehen, aber die anderen Fragen sind meist "transferorientiert" gestellt und du sollst aus der Fragestellung möglichst "praxisorientierte" Lösungsvorschläge machen.

Prof. Sauter ist der Meinung, dass aktuelle Fernstudienangebote noch auf einer Didaktik und Methodik beruhen würden, die sich in den letzten 50 Jahren wenn überhaupt dann nur marginal entwickelt habe und immer noch primär auf Papierstudienbriefen beruhen würde,

Dann haben diese Fernstudienangebote ja viel mit Präsenzstudium und Hoch und Tief-Beschulung gemeinsam. :lol:

Man steht hier aber vor nem grundsätzlichen Dilemma das man es auch gar nicht anders vermitteln könnte, jemand der grad 1-2 Jahre aus dem Gymnasium draußen ist und keinerlei großartige Berufspraxis und Lebenserfahrung hat dem braucht man mit "transferorientiertem" Abprüfen von Themen die er nur aus Büchern und Skripten kennt nicht kommen.

Das kann man mit Onlineangeboten, Chats etc. auch nicht wirklich beheben. Statt div. Fallstudien oder Übungsaufgaben wäre es zwar technisch möglich viele Dinge zu "simulieren", aber man müsste hier näher ans Video(plan)spiel heran und weg von dem E-Learning der vorgelesenen Powerpointpräsentation. - Und da brauchbare Lösungen herzustellen wäre vor allem eines, aufwendig und teuer...

Im Fernstudium hat man eigentlich größere Freiheiten wie man seine Lernziele nun erreicht wenn man Zugriff auf entsprechendes Material hat, da hat sich ja viel verbessert die letzten 20 jahre. Vor allem muss man da mehr als Eigeninitative gefordert ist und die Anstrengungen meist höher sind sich meist ohnehin anders mit dem Stoff auseinandersetzen als wenn man ihn einfach nur so präsentiert bekommt. Im Fernstudium ist beinahe sichergestellt das du auch dabei ein "Selbststudium" machst.

"Präsenzstudenten" trauen sich ja sogar offen zu schreiben das sie dazu keine Veranlassung sehen. Der Prof schreibt einem ja die Liste mit den 3-4 Büchern die man evtl noch zusätzlich braucht, und der Rest steht im Skript oder gar bei der "Abschrift der Vorlesung."

Und wenn die Lernpraxis und die Klausurvorbereitung aber halt immernoch darin besteht sich ein 100 Seiten Skript (oder 500 Powerpointfolien) vom Dozenten auswendig ins Hirn zu ballern und das in der Klausur - vielleicht noch per Multiple Choice "auszukotzen" dann ist das "bulimielearning".

Wenn das so gewünscht bzw. gefordert ist, dann wird es auch gemacht.

Und wenn das die einzige Art zu lernen ist die "belohnt" wird braucht man sich nicht wundern wenn am Ende "Papageien" und "Fachidioten" rauskommen die gar nicht verstehen was sie da nun eigentlich wofür und wie gelernt haben, und ich bin mir ziemlich sicher das es genug Leute gibt die das auch nicht anders haben wollen.

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Kritisiert wird vor allem, dass es keinen systematischen Austausch der Studierenden untereinander und mit den Betreuern gibt, sondern lediglich Einsendeaufgaben, zu denen es meist nur oberflächliches Feedback geben würde.

Ich würde unterscheiden zwischen Fernlehrgängen und Fernstudium.

Bei Fernlehrgängen kann ich dem zustimmen - der Austausch unterienander und mit dem Dozenten bleibt auf der Strecke.

Fernstudium fange ich erst im Oktober an - aber was ich bisher über die FU Hagen gelesen habe, ist dort der Austausch eher gegeben.

Und auch in meinem Präsenzstudium berufsbegleitend ist es eher ein Bulimielernen auf die Prüfunegn am Ende des Semesters hin. Das laste ich aber den Modulen an, die jeweils mit einer Prüfung abgeschlossen werden und danach wird der Stoff nie wieder abgefragt.

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Ich habe mal ein paar Semester an einer Präsenzuni studiert. Ich persönlich hatte da nicht so viel Austausch mir Lehrenden, weil die Seminare total überfüllt waren. Ehrlich gesagt, bekam ich im Fernstudium mehr und besseres Feedback.

Rückblickend fand ich das Fernstudium sehr kompetenzorientiert, aber das lag nicht am Studium an sich sondern an der damit verbundenen Lebenssituation. Das lief ja nebenbei zur Arbeit und es war deswegen kompetenzorientiert, weil ich die Inhalte des Studiums immer wieder in Bezug zu meiner Arbeitssituation gesetzt habe. Nicht weil das von der Uni so verlangt wurde oder für das Bestehen von Klausuren nötig gewesen wäre, sondern weil das ein wesentlicher Grund war, überhaupt zu studieren: Etwas darüber lernen, was ich Tag für Tag tue, um es besser zu verstehen und es nach und nach besser machen zu können. Für mich ist das vollkommen aufgegangen.

Ich muss auch mit einigen Jahren Abstand sagen, dass ich die meisten Inhalte, die ich im Studium gelernt habe, in gewisser Weise vergessen habe. Ich weiß gar nicht mehr genau, was für Theorien ich da im einzelnen gelernt habe. Was mir geblieben ist, das ist ein gewisser Blick für Situationen, die mit meiner Arbeit zu tun haben. Das ich bestimmte Probleme sehr schnell von verschiedenen Seiten betrachten kann und Lösungen finde, die von meinen Kollegen und Vorgesetzten als kompetent empfunden werden, auch wenn ich selbst meistens unzufrieden damit bin. Das ich einschlägige Fachliteratur oder Zeitschriftenartikel schnell einordnen kann, dass ich mit Fachleuten in meinem Bereich ein Gespräch führen kann, bei dem ich einen guten Eindruck hinterlasse, dass ich mich bei einem Arbeitsplatzwechsel schnell in einer neuen Situation zurechtfinde, weil schnell erfasse, worauf es in diese speziellen Umgebung ankommt.

Mein Fernstudium begann als paper and pencil Studium, dann kamen im Laufe der Jahre langsam die elektronischen Medien hinzu. Ich muss sagen, dass ich die verschieden Foren und Chats und dergleichen wenig genutzt habe, weil ich das Gefühl hatte, dass mir das Zeit wegnimmt. In den ersten Semestern war es für mich wichtig und nützlich, gelegentlich telefonischen Kontakt zu einem Betreuer aufnehmen zu können. Den regelmäßigen fachlichen Austausch hatte ich am Arbeitsplatz mit Kollegen. Die waren für mich interessanter als andere Fernstudierende. Ich nehme an, dass sehr viele Fernstudenten zu so einem Austausch am Arbeitsplatz Gelegenheit haben.

Im übrigen ist es ja kein Wunder, wenn Herr Sauter der Meinung ist, dass das Fernstudium von dem ganzen online Schnick-Schnack profitiert. Er kann ja schlecht sagen, unsere Leistungen von "Blended solutions" sind "nice to have" aber es geht genauso gut auch ohne.

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Ich habe ja an der Open University studiert. Das Lernen dort war alles andere als Bulimielernen. Ich habe es schon während des Studiums immer wieder angemerkt, in Forenbeiträgen und in meinem Blog: Für mich war es sehr beeindruckend, wie viel ich gelernt habe, obwohl ich nichts auswendig lernen musste. Also: gar nichts. Ich habe noch nie so tief und nachhaltig bei einer Ausbildung gelernt wie im OU Studium.

In meinem Präsenzstudium in der Schweiz gab es beides, "Bulimielernen" und anderes. Auch dort musste ich nicht viel auswendig lernen, allerdings blieb dort vieles an der Oberfläche. Ich hatte nicht das Gefühl, mich sehr vertieft mit dem Stoff auseinandergesetzt zu haben (dafür waren die praktischen Anteile sehr gut und intensiv - dort hat man die Kompetenzen erworben).

Ich habe zur Zeit mit einigen Präsenzstudierenden hier in D zu tun. Die meisten müssen für ich erschreckend viel "Bulimielernen".

Vor dem Studium habe ich die Cambridge-Englischprüfungen gemacht. Schon da ist mir aufgefallen, wie "gut" geprüft wird. Ich denke, in Sachen "Prüfkultur" und der daraus folgenden Lern- und Studierweise könnten wir etwas von GB lernen.

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Ich glaube nicht, dass man ein Fernstudium pauschal mit Bulimie-Lernen gleichsetzen kann. Genau wie bei Präsenzstudiengängen gibt es sicherlich Studiengänge oder einzelne Module, die reines Bulimie-Lernen erfordern, andere nicht.

Ich muss sagen, wenn ich mir beispielsweise die Blogs von Apollon-Studierenden ansehen, habe ich den Eindruck gewonnen, dass es dort sehr viele Arbeiten (Fallaufgaben, Hausarbeiten) zu verfassen sind, in denen man gelerntes Wissen anwenden können muss. Das hat für mich mit Bulimie-Lernen nichts zu tun.

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