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Buchvorstellung: Geschichte des Fernunterrichts


Markus Jung

Empfohlene Beiträge

Nach umfangreicher Recherche haben Heinrich Dieckmann und Holger Zinn 2017 die Geschichte des Fernunterrichts veröffentlicht.

 

Das 288 Seiten umfassende Buch beginnt zeitlich bei den ersten Wurzeln in der Antike und geht über die briefliche Unterrichtung und die Entstehung erster Fernschulen, die Entwicklungen im 20. Jahrhundert bis hin zum aktuellen Stand als Angebot mit einem modernen Medienmix.

 

Die beiden Autoren Heinrich Dieckmann (aktuell: APOLLON Hochschule) und Prof. Dr. Holger Zinn (aktuell DIPLOMA Hochschule) sind seit vielen Jahren in der Fernunterrichts-Branche aktiv, Heinrich Dieckmann bereits seit Ende der 1980er Jahre.

 

Die schriftliche Darstellung wird aufgelockert und ergänzt durch 63 Abbildungen in schwarz/weiß, acht Diagramme und drei Tabellen. Beispiele sind in meiner Video-Vorstellung zu sehen.

 

 

Das Buch lässt sich durch seinen aufgelockerten und doch sachlichen Schreibstil gut lesen. Die fast 1.000 Fußnoten weisen immer wieder auf die gesichteten Quellen hin. Das Literaturverzeichnis am Ende des Buches bildet einen Fundus an Quellen zum Thema Fernunterricht für alle, die sich mit einzelnen Aspekten dieses Gebiets noch intensiver befassen möchten.

 

Einleitung

 

Die Einleitung ist zugleich auch eine Einführung in das Thema und macht deutlich, wie gründlich die Autoren bei ihrer Recherche und Quellen-Arbeit vorgegangen sind, und wie herausfordernd diese auch war.

 

Die Geschichte des Fernunterrichts wurde aus verschiedenen Perspektiven untersucht, die sich gegenseitig beeinflusst haben:

  • Geschichte der Unternehmer und Unternehmen
  • Politische Geschichte (Wirtschaftspolitik, Bildungspolitik)
  • Geschichte der technischen Entwicklungen (Medien)
  • Sozialgeschichte (Bildungschancen gesellschaftlicher Gruppen)
  • Geschichte der Bildung (Bildungslandschaft, Bildungsbedürfnisse)

Es wird von den Autoren herausgestellt, dass es zum Thema Fernunterricht nur wenig Literatur und Quellen gibt. Die Autoren haben daher die vorhandenen schriftlichen Quellen um Interviews mit Experten der Fernunterrichtsbranche ergänzt. Außerdem konnten die Autoren aufgrund ihrer guten Vernetzung innerhalb der Branche auf viele nicht-öffentliche Dokumente zugreifen.

 

Von den Begrifflichkeiten her wird zwischen (akademischem) Fernstudium und (weiterbildendem) Fernunterricht unterschieden und in diesem Buch geht es primär um den Fernunterricht, wobei auch die Entwicklungen immer akademischen Fernstudium immer wieder betrachtet werden. Es wird auch darauf hingewiesen, dass allgemein zwischen den Begriffen Fernunterricht und Fernstudium kaum noch unterschieden wird und international von Distance Learning oder Distance Education für beide Bereiche gesprochen wird.

 

Das Buch ist chronologisch gegliedert. Ohne die Einleitung sind zehn Kapitel entstanden:

  • Briefliche Unterrichtung und Fernunterricht bis zum 20. Jahrhundert
  • Die Jahre der Weimarer Republik
  • Fernunterricht unter den Bedingungen der NS-Diktatur
  • Die Neuanfänge des Fernunterrichts nach 1945
  • Neuaufbau in den 1950er-Jahren
  • Die "wilden" 1960er-Jahre
  • Marktregulierung und Marktbereinigung in den 1970er-Jahren
  • Konsolidierung und Neuausrichtung des Marktes in den 1980er-Jahren
  • Die 1990er-Jahre: "Aufschwung Ost"
  • Die Jahre nach 2000: auf dem Weg zu neuen Ufern

Aus dieser Gliederung wird denke ich auch schon deutlich, wo die Autoren die inhaltlichen Schwerpunkte in den einzelnen Zeitabschnitten gelegt haben.

 

Nachfolgend möchte ich einen groben Überblick geben, welche Themen im Buch behandelt werden und wie die Kapitel aufgebaut sind.

 

Anfänge in der Antike

 

Los geht es tatsächlich in der Antike, denn bereits dort wurde mit Lerntexten Wissen vermittelt und über Briefwechsel fand ein Dialog zu den Inhalten statt. Als Beispiele werden Platon und Epikur genannt. Auch in späteren Zeiten spielten Briefe eine große Rolle - kein Wunder also, dass die Studienhefte auch heute teilweise noch als Fernlehrbriefe bezeichnet werden.

 

Pioniere

 

Als Pioniere des Fernunterrichts werden Sir Isaac Pitman sowie Gustav Langenscheidt und Charles Toussaint vorgestellt. Vo diesen wurden zunächst vor allem Sprachkurse angeboten, später kamen weitere Themen hinzu. Als Medien wurden in den Sprachkursen dann als Ergänzung der Lehrbriefe auch Schallplatten eingesetzt.

 

Danach wird auf die Entstehung erster Fernschulen eingegangen, und welche Methoden und Überlegungen diesen zu Grunde lagen und welche Themen angeboten wurden. 

 

Ähnlich sind dann auch die folgenden Kapitel zu verschiedenen Zeitabschnitten aufgebaut.

 

Neue Medien und Anbieter

 

So wurden etwa im Laufe der Zeit weitere Medien wie Rundfunk und später Fernsehen genutzt. 

 

Neben privatwirtschaftlichen Anbietern gab es auch Versuche, gewerkschaftlichen Fernunterricht anzubieten und auch Berufsverbände haben eigene Fernkurse angeboten.

 

Die erste Fernhochschule wurde bereits 1921 gegründet. Es handelte sich um die Athenäum-Fernhochschule, über die allerdings nur wenige Informationen überliefert sind.

 

Nationalsozialismus

 

Auch auf die Zeit des Nationalsozialismus wird eingegangen und wie sich die Institute in dieser Zeit verhalten haben. Insgesamt kam der Fernunterricht in dieser Zeit, insbesondere in den späteren Kriegsjahren, fast vollständig zum Erliegen.

 

Unterschiedliche Entwicklungen in Ostdeutschland und Westdeutschland

 

Nach Kriegsende gab es verschieden verlaufende Entwicklungen im Westen und Osten Deutschlands.

 

Im Osten war das Fernstudium besonders auf die akademische und vor-akademische Ausbildung fokussiert und unter starker staatlicher Kontrolle.

 

In Westdeutschland blieb der nicht-akademische Fernunterricht weitgehend in den Händen privatwirtschaftlicher Unternehmen. Der Werdegang einiger Anbieter wird dabei vorgestellt, unter anderem des Lehrinstituts Christiani, der Studiengemeinschaft Darmstadt SGD (besonders ausführlich, da hierzu relativ viele Quellen verfügbar waren), der Hotel-Fernschule Poppe und Neumann sowie Zickerts Akademie für Sprach-Fernkurse.

 

1950er Jahre

 

In den 1950er Jahren gab es einige Neugründungen, auf die im Text eingegangen wird, so zum Beispiel das Hamburger Fern-Lehrinstitut (HFL), welches heute in der Form nicht mehr existiert, sondern als ILS Institut für Lernsysteme einen Neustart hatte, die Akademiker-Gemeinschaft (AKAD) sowie die Fernschule Weber.

 

Parallel wird auch weiter auf die Entwicklung in der ehemaligen DDR eingegangen. Hier wurde das akademische Fernstudium zu einer tragenden Säule des zweiten Bildungswegs. Angeblich erwarb zeitweise jeder vierte Absolvent sein Diplom als Fernstudierender. Ein nicht-akademischer Fernunterricht außerhalb der Hochschulen fand hingegen so gut wie nicht statt.

 

Die "wilden" 1960er Jahre

 

Weiter geht es mit einem umfangreichen Kapitel (50 Seiten) über die "wilden" 1960er Jahre. "Wild" waren diese in verschiedener Hinsicht - mit sowohl positiven wie auch negativen Effekten. Das ist einer der spannendsten Abschnitte im Buch, da sich enorm viel getan hat.

 

Einerseits kamen einige neue Anbieter auf den Markt, andererseits kam der Fernunterricht aber auch sehr in die Kritik, vor allem aufgrund von aggressiven Werbemaßnahmen wie dem Einsatz von Vertretern, verbraucherunfreundlichen Verträgen, die kaum kündbar waren und teilweise schlechter Qualität der Materialien. Hinzu kam, dass sich die Anbieter teilweise untereinander regelrechte Schlammschlachten geliefert haben.

 

In dieser Zeit wurden auch erste Qualitätskriterien entwickelt und es bildeten sich Organisationen wie die "Aktion Bildungsinformation (ABI)", der "Arbeitskreis korrektes Fernlehrwesen" oder der "Deutsche Fernschulrat", oft mit offener oder verdeckter Einflussnahme der Anbieter.

 

Aufräumen in den 1970er Jahren

 

In den 1970er Jahren wurde dann richtig aufgeräumt, auch von staatlicher Seite.

 

Die Staatliche Zentralstelle für Fernunterricht (ZFU) wurde gegründet und das Gesetz zum Schutz der Teilnehmer am Fernunterricht (Fernunterrichtsschutzgesetz - FernUSG) trat in Kraft.

 

Und auch das Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) wurde in dieser Zeit gegründet, zunächst als Bundesinstitut für Berufsbildungsforschung (BBF).

 

Außerdem war diese Zeit auch von einer großen Dynamik am Markt geprägt und einige Anbieter sind unter anderem durch die Anforderungen des FernUSG in finanzielle Probleme bis hin zur Insolvenz geraten, die Teilnehmerzahlen insgesamt waren zwischenzeitlich weit zurückgegangen.

 

Im Buch wird außerdem auf die Entstehung des Funkkollegs und des Telekollegs als Sonderformen des Fernunterrichts eingegangen und die weitere Entwicklung des Fernstudiums in der ehemaligen DDR betrachtet.

 

Gründung der FernUni Hagen

 

Ein wichtiger Meilenstein für das akademische Fernstudium in Westdeutschland war die Gründung der FernUniversität in Hagen 1974 als Gesamthochschule. Gründungsrektor war Otto Peters. In den Jahren 1975 und 1976 wurden außerdem 29 Studienzentren eröffnet. 1979 gab es bereits 17.000 Studierende an der FernUni.

 

1980er Jahre

 

Das Kapitel zu den 1980er-Jahren steht unter der Überschrift "Konsolidierung und Neuausrichtung des Marktes". Insgesamt wurde es etwas ruhiger, es gab aber wichtige Entwicklungen. Unter anderem wird die Bedeutung des Deutschen Fernschulverbands, dem Vorgänger des heutigen Forum DistancE-Learning, herausgestellt, der eng mit der ZFU zusammenarbeitete und unter anderem im Arbeitskreis Pädagogik viel bewirken konnte.

 

Auch die Fernunterrichts-Statistik wurde erstmalig für das Jahr 1983 erstellt.

 

Außerdem wurde 1985 erstmals eine Auszeichnung für den Fernschüler des Jahres vergeben.

 

Im akademischen Bereich hat der erste private Anbieter damit begonnen, Fernstudiengänge anzubieten. Die AKAD hat dazu 1980 die AKAD-FH Rendsburg, später in Pinneberg gegründet, an der 1988 bereits über 2.000 Studierende immatrikuliert waren.

 

1990er Jahre

 

Die 1990er Jahre waren durch die Veränderungen nach dem Mauerfall und den "Aufschwung Ost" geprägt. Das Kapitel darüber ist deutlich knapper als die vorausgegangenen gehalten.

 

Angela Merkel als Fernkurs-Tutorin

 

In einem Abschnitt geht es um den Deutschen Fernschulverband (DFV), dem heutigen Forum DistancE-Learning. Zu seinem 25-jährigen Jubiläum hat dieser 1994 den kostenlosen Probe-Lehrgang "Demokratie für alle" heraus gegeben und für die Korrektur insgesamt 60 Persönlichkeiten aus Politik und Gesellschaft gewonnen, die ehrenamtlich Einsendeaufgaben korrigiert haben - unter ihnen auch der damalige Ministerpräsident Gerhard Schröder und die damalige Umweltbundesministerin und heutige Kanzlerin Dr. Angela Merkel. 

 

Verbünde, Fernstudienzentren und Fernhochschulen

 

Besonders viel hat sich in diesem Jahrzehnt im Bereich des akademischen Fernstudiums getan.

 

Verbünde staatlicher Hochschulen wie die Zentralstelle für Fernstudien an Fachhochschulen ZFH und das Verbundstudium sind entstanden, es wurden Fernstudienzentren zum Beispiel an der Uni Koblenz-Landau, der TU Kaiserslautern oder auch der Hochschule Wismar eingerichtet und die AG-Fernstudium als Sektion der Deutschen Gesellschaft für Wissenschaftliche Weiterbildung und Fernstudium (DGWF) ist entstanden.

 

Außerdem wurde der größte Teil der heute noch bestehenden privaten Fern-Fachhochschulen in dieser Zeit gegründet wie die Wilhelm Büchner Hochschule, die SRH Fernhochschule, die HFH Hamburger Fern-Hochschule sowie die DIPLOMA Hochschule.

 

Auf zu neuen Ufern

 

Das letzte Kapitel behandelt die Jahre nach 2000 und bietet damit den Anschluss an die Gegenwart unter der Überschrift "Auf dem Weg zu neuen Ufern".

 

Anfang des neuen Jahrtausends ging es für viele Anbieter weiter aufwärts und die Teilnehmerzahlen sind in die Höhe gegangen. Viel getan hat sich außerdem bei den (digitalen) Medien und im Bereich des akademischen Fernstudiums mit der Gründung weitere Fern-Hochschulen wie der Euro-FH und der APOLLON Hochschule sowie privaten Präsenz-Anbietern wie der IUBH und der Hochschule Fresenius, die in den Fernstudienmarkt als Dual-Mode-Anbieter mit eingestiegen sind.

 

Insgesamt wird ein positiver Ausblick gegeben - der letzte Abschnitt ist mit den Worten "Gut gerüstet für die Zukunft" überschrieben.

 

Mein Fazit: 

 

Das Buch liefert einen guten Überblick über das, was die letzten Jahrzehnte in der Fernlehre in Deutschland passiert ist und ist in dieser Form bisher einmalig und dem Werk ist anzumerken, wie viel Arbeit in die Recherche gesteckt wurde. 

 

Viele Strukturen und Institutionen wie die die Verbünde von Hochschulen oder auch die Staatliche Zentralstelle für Fernunterricht (ZFU) lassen sich mit dem geschichtlichen Hintergrund besser erklären und verstehen - gerade auch was den ausgeprägten Verbraucherschutz im Bereich des Fernunterrichts mit dem Fernunterrichtsschutz-Gesetz (FernUSG) angeht.

 

Es ist dem Buch schon immer wieder anzumerken, aus welcher Ecke des Fernunterrichts Heinrich Dieckmann als einer der Autoren kommt, was wohl auch damit zusammenhängt, dass er auf die Quellen der Anbieter, für die er tätig war oder ist (besonders die SGD und die Deutsche Weiterbildungs-Gesellschaft DWG als Dachgesellschaft, aber auch der Verband Forum DistancE-Learning), den umfangreichsten Zugriff hatte, so dass diese besonders viel Raum einnehmen. Auch deren Leistungen werden besonders herausgestellt. Es wird aber auch hier auf problematische Vorgehensweisen eingegangen.

 

Das Buch ist bei Amazon erhältlich, dort gibt es auch eine weitere Rezension. 
 

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Ankündigung: Am Donnerstag, den 3. Mai 2018 wird Heinrich Dieckmann, einer der  Autoren der "Geschichte des Fernunterrichts" ab 18 Uhr im Live-Interview meine Fragen rund um das Buch und die geschichtliche Entwicklung beantworten und dabei insbesondere auf die Auswirkungen der Geschichte des Fernunterrichts auf die Gegenwart eingehen.

 

Das Interview wird live auf der Startseite von Fernstudium-Infos.de übertragen und steht anschließend auch als Aufzeichnung zur Verfügung.

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