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Bayern: Verordnung zur Erprobung elektronischer Fernprüfungen - Aktuelles Proctoring unzulässig


Markus Jung

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Bayern hat eine Rechtsverordnung zur Erprobung elektronischer Fernprüfungen an den Hochschulen in Bayern (Bayerische Fernprüfungserprobungsverordnung - BayFEV) in Kraft gesetzt. Die aktuellen Procotorin-Vorgehensweisen einiger Fernhochschulen wären damit unzulässig, wenn sie in Bayern ihren Sitz hätten (was nicht der Fall ist - mir ist keine Fernhochschule bekannt, die ihren Sitz in Bayern hätte).

 

Zunächst mal klingt es ja sehr fortschrittlich, einen rechtlichen Rahmen festzulegen, in dem Fernprüfungen durchgeführt werden können, bei denen man vermutlich höchstens am Rande Fernstudiengänge im Kopf hatte und primär an die Präsenzhochschulen denkt, die vor allem coronabedingt auf Fernprüfungen setzen.

 

Die Meldung des Bayerischen Staatsministeriums für Wissenschaft und Kunst ist hier zu finden. Die Pressekonferenz wurde aufgezeichnet und bei YouTube veröffentlicht.

 

Den Text der Verordnung findet ihr hier:

BayFEV-mit-Begründung-final_kurz.pdf

 

Spannend ist dabei besonders der § 6 Videoaufsicht bei Fernklausuren. Dort heißt es unter anderem:

 

Zitat

(2) 1Die Videoaufsicht erfolgt durch Aufsichtspersonal der Hochschulen. 2Eine
automatisierte Auswertung von Bild- oder Tondaten der Videoaufsicht ist unzulässig.
(3) 1Eine Aufzeichnung der Prüfung oder anderweitige Speicherung der Bild- oder Tondaten ist nicht zulässig. 2
§ 5 Abs. 2 Satz 2 gilt entsprechend.
(4) 1Abweichend von den Abs. 2 und 3 kann die Videoaufsicht auch automatisiert erfolgen, wenn die elektronische Fernprüfung als Alternative zu einer Präsenzprüfung nach § 1 Abs. 2 Satz 2 angeboten werden soll, kein ausreichendes Aufsichtspersonal für die Durchführung der Videoaufsicht nach Abs. 2 Satz 1 zur Verfügung
steht (Kapazitätsüberlastung) und die Studierenden ihre ausdrückliche Einwilligung erklärt haben.

 

Die Aufsicht muss also durch Personal der Hochschulen erfolgen und eine Aufzeichnung ist nicht zulässig. Bei den mir bisher bekannten Procotoring-Lösungen wird hingegen auf Personal von Dienstleistern im Ausland gesetzt und/oder es findet eine Aufzeichnung statt, die später geprüft wird.

 

Immerhin, eine automatisierte Überwachung, wie sie teilweise auch schon genutzt wird, ist nach (4) möglich, aber nur dann, wenn das Personal der Hochschule überlastet ist, was auch dokumentiert werden muss. Also nicht als Regellösung.

 

Wichtig: Das Ganze ist nur eine Bayerische Verordnung, in anderen Bundesländern gibt es nach meinem Kenntnisstand noch keine vergleichbaren Regelungen, so dass die Fernhochschulen, die ein Proctoring anbieten, erstmal auch so weiter machen können wie bisher, sofern sich nicht weitere Bundesländer den Regelungen in ähnlicher Form anschließen, in denen auch Fernhochschulen ihren Sitz haben.

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vor 18 Minuten, Markus Jung schrieb:

Die Aufsicht muss also durch Personal der Hochschulen erfolgen und eine Aufzeichnung ist nicht zulässig. Bei den mir bisher bekannten Procotoring-Lösungen wird hingegen auf Personal von Dienstleistern im Ausland gesetzt und/oder es findet eine Aufzeichnung statt, die später geprüft wird.

 

 

Also da würde mich ja mal die Begründung interessieren, wieso es unbedingt Personal der Hochschule sein muss. In dem Dokument wurde darauf nicht wirklich eingegangen (oder ich habe es übersehen?). Dort stand ja in diesem Zusammenhang nur, wieso die Überprüfung nicht automatisiert erfolgen darf.

Bearbeitet von Luna-Sophie
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An der Stelle ist es auch wichtig zu wissen, dass diese "Steinzeitverordnung" aus Bayern die schärfste Regulierung aller Bundesländer darstellt. Vorbildlich hat NRW bereits im April meiner Meinung nach agiert:

 

"Die Hochschulen sind befugt, Hochschulprüfungen in elektronischer Form oder in elektronischer Kommunikation (Online-Prüfungen) abzunehmen"

 

https://recht.nrw.de/lmi/owa/br_vbl_detail_text?anw_nr=6&vd_id=18405

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Das ist in der Tat eine weitreichende Regelung, insbesondere auch durch die Klarstellung, die externe Dienstleister explizit erlaubt (§ 6):

 

Zitat

(2) Die Hochschule kann Online-Prüfungen auch außerhalb ihres Sitzes oder ihres Standortes durchführen oder durchführen lassen und sich dabei der Hilfe Dritter, auch im Wege der Amtshilfe, bedienen.

 

Allerdings - diese Verordnung ist nur im Rahmen der Corona-Pandemie erlassen worden und zeitlich begrenzt (§ 17):

 

Zitat

(2) Die Verordnung tritt zum 1. April 2021 außer Kraft.

 

 

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Das ist die Bayerische-VO auch, Sie tritt am 30.09.2024 außer Kraft. Bis dahin können die Hochschulen dort keine fernmündlichen Prüfungen de facto durchführen oder ein echtes (Online) E-Assessment betreiben, wenn man sich das im Detail ansieht. Gut, dass dies in der Entscheidungshoheit der Länder liegt, welche Vorgaben kommen. NRW macht das zeitgemäß, Bayern unterbindet trotz der Covid-19 Krise jedweden Fortschritt, was schon bedenklich ist. Ob jemand dann Online-Prüfungen macht (zwecks Datenschutzbedenken) obliegt ja jedem selbst, die Angebote sind ja optional. Aber die Möglichkeit als Gesetzgeber zu verwehren, ist nicht angemessen. Ich bin gespannt, ob sich eine Bayerische HS mit einem Normenkontrollverfahren dagegen wehrt. Das hatte ja bei einigen Bayerischen VO's (z.B. globales Alkoholverbot in München) guten Erfolg.

Bearbeitet von Maik-1982
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Um es mal positiv zu sehen: Immerhin scheint jetzt angekommen zu sein, dass Online-Prüfungen ein Thema sind und Regelungen hierzu notwendig sind. Ich sehe das mal als erste Schritte und hoffe, dass sich daraus eine förderliche Diskussion ergibt und auch die Anbieter gezwungen sind, Verfahren zu entwickeln, die wirklich kundenorientiert und auch aus Datenschutz-Sicht unbedenklich sind. Englisch-sprechende Proctoren in Indien, denen ich dann meinen Personalausweis zur Aufzeichnung sende, können dabei meiner Meinung nach allenfalls ein Zwischenschritt sein. Ich kann mir gut vorstellen, dass es irgendwann auf automatisierte Lösungen hinauslaufen wird, bei denen nur dann manuelle Prüfung erfolgt, wenn Auffälligkeiten registriert worden sind. Ebenso, wie ja beispielsweise Plagiatprüfungen weitgehend automatisiert erfolgen.

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