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Was macht ein (akademisches) Studium aus? - Was unterscheidet "etwas studieren" von "etwas lernen"?


Markus Jung

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Hallo!

Ich finde die Frage sehr interessant :)

 

"Lernen" ist für mich der Überbegriff schlechthin und umfasst eigentlich alles. Ich kann etwas auswendig lernen, ich kann eine Fähigkeit (wie z.B. Handwerk, Musikinstrument, Sprache) erlernen, ich kann lernen, Zusammenhänge zu verstehen, ich kann lernen, Wissen auf andere Situationen anzuwenden, ich kann verschiedene Meinungen lernen und daraus auch erlernen, mir eine eigene zu bilden, lernen, wissenschaftlich zu arbeiten usw. Also zum Lernen gehört meiner Meinung nach alles dazu, auch wenn es sehr unterschiedliche Arten des Lernens sind.

 

"Studieren" hängt für mich in erster Linie mit dem akademischen Abschluss zusammen, den man von einer Hochschule verliehen bekommt. Aber ich sehe auch noch einen weiteren Unterschied. Privat kann ich mir aussuchen, was genau ich lernen will. Beispiel: Ich möchte Geige spielen und Noten lesen lernen. Musiktheorie und Musikgeschichte interessieren mich überhaupt nicht, daher verzichte ich auf das Lernen dieser Themenfelder. Oder vielleicht ein anschaulicheres Beispiel (für die, die sich mit Musik nicht auskennen): Ich möchte lernen, wie ich in meinem Garten erfolgreich Gemüse anpflanze. Dementsprechend lerne ich, dass ich nicht das Gleiche jedes Jahr am gleichen Ort anpflanzen darf, dass ich den Boden ordentlich mit Kompost und Pferdeäpfeln versetze, dass manche Pflanzen Kalk benötigen und andere Torf, wie ich die bösen Schnecken loskriege usw.
Auch wenn mich mein Studium grundsätzlich interessiert, muss ich auch Dinge lernen, die mich eigentlich gar nicht interessieren. Zu den Beispielen: Wenn ich Geige studieren will, dann muss ich eben auch Musiktheorie und Musikgeschichte lernen. Wenn ich "Pflanzen anbauen" studieren will, dann muss ich mich eben mit der Entstehung des Bodens auseinandersetzen, 40 Samen bestimmen können, diverse Schädlinge und ihre Mundwerkzeuge unterscheiden können, usw. usf. Mit dem Studium ist bei mir also untrennbar auch verbunden, dass ich auch Sachen lernen muss, auf die ich keine Lust habe.

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Für mich ist der Unterschied: Ich lese etwas und lerne dabei, wärend ich aus dem Studium mitnehme, nicht nur zu lernen, sondern auch belastbare Quelle zu identifizieren und zu hinterfragen. Ich mach da mal ein Beispiel: Corona posten viele Leute zeugs und viele lesen und lernen dabei "etwas". Studierte hinterfragen die Quellen und die Glaubwürdigkeit und verifizieren und falsifizieren die Quellen zudem und schmeissen alles raus, was keine Glaubwürdige Quelle ist ;-)

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Hallo,

 

interessante Frage, über die ich wirklich kurz nachdenken musste. 

"Lernen" ist für mich die Aneignung neuer Kenntnisse und alle damit verbundenen kognitiven Prozesse. Laufen lernen, sprechen lernen, kochen lernen, tanzen lernen, Gedicht auswendig lernen, Sprachen lernen.
Kurzum: Durch "lernen" kann ich am Ende etwas, was ich zuvor nicht konnte. 

"Studieren" ist für mich das, was man an der Hochschule/Universität tut. In erster Linie verbinde ich damit, etwas sehr aufmerksam/kritisch/prüfend zu lesen, z.B. die vielen, vielen unterschiedlichen Quellen im Studium. Studieren kann man aus meiner Sicht aber auch: Einkaufsprospekte, Zeitung, die Speisekarte, Vertrag, eben immer mit der Verbindung zum aktiven Lesen. 

Lernen kann mMn Teildisziplin beim Studieren sein, wenn ich über den Text Dinge lerne, die ich zuvor nicht wusste.

LG 

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Hallo in die Runde,

 

meiner Meinung nach (und das schwingt bei einigen Vorredner*innen schon mit) ist der wesentliche Unterschied zwischen "etwas gelernt zu haben" und "etwas studiert zu haben" darin, dass "studieren" die Fähigkeit zur kritischen Reflektion des vorliegenden Wissens beinhaltet. Ein Studium befähigt die absolvierende Person aber nicht nur dazu, bestehende Informationen kritisch zu hinterfragen, sondern dieses Wissen auch in einen übergreifenden Kontext zu setzen und - je nach Erfahrung und Qualifizierung - zu objektivieren.

Wenn man die Wissenstreppe von North gegenhält, so könnte aus dieser Perspektive heraus auch sagen: "Etwas gelernt zu haben" bedeutet (idealtypisch), im Nachhinein gesammeltes Wissen kompetent zu reproduzieren und danach zu handeln, ohne dass man dadurch gegenüber einer bestimmten Vergleichsgruppe (z.B. auf dem Arbeitsmarkt, in der Forschung etc.) aus der Masse signifikant heraussticht.

"Etwas zu studieren" würde demgegenüber (idealtypisch) heißen, dass die studierte Person darüber hinaus nicht nur etwas "gelernt hat", sondern durch das Erlernte so viel Handlungs- und Methodenexpertise erlangt, dass er oder sie dadurch in einer Vergleichsgruppe einen signifikanten Wissens- und Anwendungsvorsprung erlangen kann (bspw. in Form einer exklusiven Forschungsnische oder eines Wettbewerbsvorteils durch exklusives Fach- oder Anwenderwissen).

In diesem Verständnis würde ich den Begriff "studiert zu haben" nicht (nur)daran festmachen, institutionalisiert einen Hochschulabschluss erlangt zu haben - vielmehr kann auch der- bzw. diejenige ein eingehendes Studium zu einem Sachverhalt durchgeführt haben, wenn er oder sie bspw. signifikante Erfahrungen in ihrem bzw. seinem Handlungsumfeld gesammelt hat und diese Erfahrungswerte in neuen Handlungskontexten anzuwenden vermag. In der Industrie würde man das Berufserfahrung, in der Forschung Empirien und Heuristiken nennen 😉

 

Cheers,

Martin

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@Markus Jung

 

Als wenn Du es geahnt hättest mit dem Anbringen dieses Themas: Seit heute arbeite ich den Studienbrief zum Wahlpflichtmodul "Wissensmanagement" durch. Hier geht es zunächst um den Wissensbegriff und die Unterscheidung zwischen Wissen und Information. Später wird auf den sozialen Prozess der Wissensentwicklung eingegangen und schließlich verschiedene psychologische Theorien vorgestellt, wie mit einer hohen Informationsflut umgegangen wird, wenn ein umfassendes Beschäftigen mit einer Themtik gegeben ist inklusive Lern- und Lehransätze.

 

Sollte ich hieraus weitere Schlüsse oder Ideen zu Deiner Fragestellung finden, teile ich sie gerne 😊

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Am 13.6.2021 um 11:44 hat Herbstkind geschrieben:

Sollte ich hieraus weitere Schlüsse oder Ideen zu Deiner Fragestellung finden, teile ich sie gerne 😊

 

Grundsäzlich würde ich auch nach Bearbeitung des Studienbriefs und ein wenig Internetrecherche zu Lerntheorien und Lernpsychologie bei meiner Betrachtung der begrifflichen Unterscheidung bleiben.

 

Spannend für mich persönlich fand ich jedoch, mich bewusst damit zu beschäftigen, wie wir lernen und auch mitzunehmen worauf beispielsweise bei Wissensaneigung / Meinungsbildung zu achten ist (welche Informationen werden am ehesten wie abgespeichert beziehungsweise bleiben am ehesten im Gedächtnis und führen zu entsprechenden Schlussfolgerungen). Auch die Betrachtung individueller Erfahrung und darauf aufbauenden Lernens hat mein Interesse geweckt.

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Für mich gibt es zwei entscheidende Unterschiede:

 

1. Es gibt Prüfungen.

2. Man bekommt einen Abschluss, der zu verschiedenen Tätigkeiten ein Türchen öffnet.

 

Ansonsten sehe ich keine Unterschiede. Ich habe immer etwas gelernt in meiner Freizeit, egal ob eine Fremdsprache, etwas aus Fauna oder Flora, Politik… Auch beim privaten Lernen habe ich mir die Dinge angeeignet, die auch mal langweilig oder schwierig sind und bin systematisch und konsequent vorgegangen. Beim Arabisch Lernen und beim Pilze Lernen war zum Beispiel sehr viel dabei, durch das ich mich gekämpft habe. Auch dann habe ich mich an wissenschaftlichem Vorgehen orientiert. Ich lerne für mich, ob das nun als Hobby oder im Studium geschieht. Vielleicht schreibe ich deshalb nicht sehr gute Noten in den Klausuren- ich lerne für mich. Aber der entscheidende Unterschied ist, dass mein Lernresultat geprüft wird und nicht unbedingt nach meinen Maßstäben. Damit komme ich zugegebenermaßen nicht gut zurecht. Und ich mache das Studium nicht nur, um zu lernen, sondern weil ich auch den Abschluss brauche, um gewünschte Berufe ausüben zu können.

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vor 13 Stunden hat Nadja_studiert_Informatik geschrieben:

Für mich gibt es zwei entscheidende Unterschiede:

 

1. Es gibt Prüfungen.

2. Man bekommt einen Abschluss, der zu verschiedenen Tätigkeiten ein Türchen öffnet.

 

Ich sehe das genauso! Was das reine Lernen betrifft, kann ich das im privaten Kontext genauso wie im akademischen Sinn. Wichtig beim Lernen sind ja Verknüpfungen, die man zieht oder an bekanntes, das man bereits schon mal gelernt hat. 

Beispiel: Durch die Serie 4 Blocks habe ich mehr über Sozialrecht und Aufenthaltsstatus in Deutschland gelernt als im Modul Grundlagen des Sozialrechts (welches ich nach der Serie hatte).😉 Das liegt daran, dass mich die Serie emotional gefangen hat und ich dann viel dazu recherchiert habe. Hätte ich nur das Modul gehabt, hätte ich zwar die rechtlichen Grundlagen gelernt, aber ohne das mit einem speziellen Lebensweg verknüpfen zu können. Dann hätte ich es vermutlich auch gleich wieder vergessen.

Aber im akademischen Studium gibt es eben Prüfungen und Zertifikate.

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vor 14 Stunden hat Nadja_studiert_Informatik geschrieben:

1. Es gibt Prüfungen.

2. Man bekommt einen Abschluss, der zu verschiedenen Tätigkeiten ein Türchen öffnet.

 

Wenn du studierst, aber in einem Kurs die Prüfung nicht ablegst, hast du den Kurs dann nicht "studiert"?

Wenn du studierst aber deinen Abschluss nicht gemacht hast, war es dann kein Studium in deinem Sinne?

 

vor 15 Minuten hat Silberpfeil geschrieben:

Das liegt daran, dass mich die Serie emotional gefangen hat und ich dann viel dazu recherchiert habe

Emotionaler Bezug und Selbstreferenz helfen Wissen zu speichern. Bei Serien kommt hinzu, dass Geschichten einfacher zu merken sind, als Fakten. Daher bleiben anekdotische Erzählungen auch besser hängen als Studien.

Dein Beispiel ist finde ich sehr gut geeignet um zu zeigen, dass man sich tiefer in ein Thema "reinfuchst," wenn es einen wirklich interessiert. Man liest mehr dazu, besorgt sich weitere Quellen, versucht Zusammenhänge zu verstehen und ein eigenes mentales Modell der Sachverhalte aufzubauen. Auch hier können wieder Geschichten helfen ("ah, das ist so wie bei Bob, als er den Streit mit Jim hatte!").

Empathie und Perspektivübernahme, die in Serien sehr gut angewendet werden kann, gibt einem hier oft einen besseren Blickwinkel als ein reines Textbuch. Dies kann allerdings auch problematisch sein, wenn die in der Serien gezeigten Sachverhalte nicht den eigentlichen Tatsachen entsprechen. 

 

 

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Ist ja ein alter Hut. Emotionale oder komische Situationen helfen dabei trockenen Themen zu verinnerlichen. Ich bau mir immer chaotische seltsame Geschichten, wenn ich Fakten auswendig lerne. Funktioniert hervorragend. Wahlweise kann man sich auch mit dem Hammer auf einen Finger pro Fakt hauen, falls es gar nicht klappt. Erinnerung garantiert!

Bearbeitet von Muddlehead
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