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Eure Einordnung und Bewertung dieser Story


Davy42

Empfohlene Beiträge

Greetings mitnand,

 

vor einigen Wochen hatte ich eine Unterhaltung mit meinem Nachbarn, bei der ich ihn fragte, ob er schon weiß, wer der neue Eigentümer des Hauses wird, in dem er und seine Familie zur Miete wohnt.

Seine Antwort: Ich! Ich kaufe das Haus. Aber nur zu einem bestimmten Preis.

Diesen hat er der Verkäuferin/Vermieterin genannt. Offenbar liegt dieser jedoch weit entfernt von dem aktuell ausgerufenen Preis.

Als ich die "gute Lage" als maßgebliche Preisgrundlage erwähnte, meinte er Folgendes:


Zwei hässliche, hohe Gebäude mit vielen Mietwohnungen als "Ausblick" sieht er nicht als gute Lage an und er sei "in einer leitenden Funktion" und wisse daher, was Häuser wert sind.

 

Da war ich erst mal kurz gelähmt, da sich mein Hirn wirklich Mühe gab, die Motivation hinter dieser Aussage zu verstehen. Das gelang mir jedoch erst später im Nachgang, denn um das Gespräch nicht abzuwürgen, sagte ich ihm mit besten fachlichem Wissen und Gewissen, das die Lage (unsere Lage der Häuser) durch Folgendes definiert wird:

  • Nähe zu mehreren Spielplätzen, 4 KiTa´s, 2 Supermärkte, 2 Apotheken, 3 Frisöre, 2 Zahnärzte, 1 Hausarzt, 2 Kinderärzte, 1 Tankstelle usw.

          1-5 Minuten zu Fuß

  • Nähe zu verschiedenstens Sportmöglichkeiten und mindestens drei Reithöfe mit Reitunterricht und Möglichkeiten eigene Pferde unterzustellen und zu versorgen

          10-15 Minuten zu Fuß

  • Nähe zu einem großen Wald

          15 Minuten zu Fuß

  • Nähe zur U-Bahn

          60 Sekunden zu Fuß

  • Nähe zum Hauptbahnhof + Innenstadt (Altstadt)

         11 Minuten mit der U-Bahn

         10-15 Minuten mit dem Auto

 

usw...

 

Daraufhin war seine letzte Antwort zu dem Thema:
All das brauche er nicht und es hat für ihn keinen Wert.

 

Alles fein soweit, allerdings hat mich diese Aussage, das er den Wert des Hauses bewerten könne, weil er in leitender Position tätig sei, noch beschäftigt.

Es dauerte gar nicht lange und ich bin darauf gekommen, warum mein Hirn während des Gesprächs so gerattert hat.
Als Kind und früher Jugendlicher hatte ich tatsächlich genau dieses Bild von der Welt:
Besser situierte Menschen in verantwortungsvollen Positionen "müssen" Zugang zu mehr Wissen haben, das es ihnen ermöglicht, Dinge anders einzuschätzen bzw. überhaupt erst richtig einschätzen zu können.

Ich war noch nicht mal im zweiten Lehrjahr angekommen, als ich diese Ansicht neben so einigen anderen Vorurteilen bezüglich der Mächtigkeit und Weisheit von bessergestellten Menschen begraben habe. Ein positives Vorurteil, das ich über Bord warf:
Ist ein Mensch erfolgreich und einflussreich, so besitzt er reichlich Wissen, hat ein Exzellentes Gespür um Situationen richtig einzuschätzen, besitzt einen guten Charakter, setzte seine Kräfte verantwortungsvoll und für das Gute ein.

Und mit der Verbannung dieser Ansicht hatte ich damals auch ein Gefühl in mir ausgelöscht. Es war ein gemischtes Gefühl aus Zuversicht, Hoffnung, aber auch Resignation, diese Reife nie zu erreichen, weil ich aus armen Verhältnissen stamme. Es war eine extrem positive Veränderung dieses Gefühl nicht mehr zu kennen. Die daraus gefühlte Befreiung aus der "Ohnmacht" ist in einer Lebensphase (ich nenne diesen Abschnitt "Phase" ein ehemaliger Arbeitskollege beschrieb sie als "Zustand") aber auch gekippt und ich hatte gar keinen Respekt mehr vor unserer gesellschaftlichen Ordnung.

Damals war ich zwar weit entfernt, davon "Links" zu sein oder autonomen Bewegungen Zuspruch zu geben, aber ich kann bei manchen nun zumindest "eine" emotionale Begründung nachvollziehen.

 

Tja, was will ich mit dem Beitrag eigentlich?
Da sich hier doch einige der Psychologie zugewandt fühlen, freut es mich eure Meinung dazu zu lesen. Ein, zwei konkrete Fragen zu dieser Geschichte:

- Wie identifiziert und entlarft man solche "Weltbilder / Gesellschaftsbilder" bei sich selbst?

- Wie ist es aus Sicht der mentalen Gesundheit zu betrachten diese zu haben, damit zu leben oder damit zu brechen?

 

Danke,
Davy
 

Bearbeitet von Davy42
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vor 11 Minuten schrieb TheHumanHunter:

Weißt du, ob er im Immobiliengeschäft selbst tätig ist?

 

nein, er arbeitet im Bereich Warenhandel (Import und Retail-Verkauf) aber hat immerhin ein eigenes Haus. Jedoch nicht in Deutschland soweit ich das verstanden habe. Wahrscheinlich in seiner Heimat Iran.

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Kann man denke ich kurz fassen: Nonsens. 

Der Wert einer Immobilie bemisst sich nicht nach persönlichen Kriterien einzelner, sondern anhand objektiver Gesichtspunkte, wie schon von dir genannt (Lage. Lage, Lage).

Wenn der Mann nicht gerade Lead im Immobiliensektor ist - woher sollte dann seine zusätzliche Expertise im Vergleich zu Jedermann kommen? 

Eine Führungsposition bedeutet gar nichts, das sind ganz normale Menschen (so sehe ich mich zumindest 🤣). 

Ich bin Informatiker und kein Psychologe, würde aber mit mehr Lebenserfahrung sagen, dass es solche Leute immer wieder und überall gibt. Sich selbst vor solchen Bias schützen kann man m. E. durch Interaktion mit anderen und seinen eigenen Standpunkt regelmäßig kritisch zu hinterfragen. 

Bearbeitet von Steffen85
Typo
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Hm, also ich finde, man muss nicht mehr draus machen, als da ist:
Jemand hat sich verkalkuliert, tut sich wichtig oder überschätzt seine Fähigkeiten (Immobilienbewertung) maßlos. 
Das Korrektiv wird irgendwann kommen: Er bekommt das Haus nicht, sondern jemand anders, der den entsprechenden Preis zahlt.

Ich finde nicht, dass man aus so einer Situationen allgemeine Aussagen über Eliten, Reiche, Besserverdiener etc. ableiten sollte und auch nicht befürchten muss, selbst irgendwann so zu werden. 

Viel mehr ist es so:
- Der Nachbar darf das Haus hässlich finden
- Seine Bewertung von dem, was zentral ist oder nicht, darf ebenfalls von der Realität abweichen, bzw. kann er unter zentral was anderes verstehen.
- Wer sich so aufführt, hat meistens was zu überblenden, z.B. Komplexe. Es würde mich nicht wundern, wenn er das Geld gar nicht hat, oder auch keine ernste Kaufabsicht. 

 

Zitat

 

- Wie identifiziert und entlarft man solche "Weltbilder / Gesellschaftsbilder" bei sich selbst?

- Wie ist es aus Sicht der mentalen Gesundheit zu betrachten diese zu haben, damit zu leben oder damit zu brechen?

 


Ich denke, man tut sich den größten Gefallen, wenn man dem mit Akzeptanz begegnet 🙂 Es gibt halt Leute, die sind so.  Das ist so, war schon immer so.
Die Frage ist dann eher, warum einen das so stört und sich ändern soll. Die Welt wird nicht sicherer, wenn es anders ist. 

Wie man bei sich Bias entlarvt? 
Nun ja, ich würde sagen: Man weiß doch, wes' Geistes Kind man ist, das reicht. Man muss auch nicht perfekt sein. Liebenswürdig ist man trotzdem - auch der Nachbar wird Leute haben, die das über ihn bestätigen. 😉

Demnach: Locker bleiben 😊

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