Sorry, ich hatte das aus den Augen verloren. Ich halte das aber immer noch für relevant und möchte das daher richtigstellen.
Zur Rolle der Statistik: Statistik ist mehr als ein Teilgebiet der Stochastik. Forschende der mathematischen Statistik sind gleichermaßen Mathematiker und Statistiker, aber davon abgesehen ist Statistik vor allem eine angewandte Disziplin. Schau dir mal an, wie das Institut für Statistik an der LMU oder die Fakultät für Statistik an der TU Dortmund aufgebaut sind oder wie die Statistik-Studiengänge konzipiert sind (oder auch z.B. in Berlin oder in Belgien in Hasselt und Leuven). Ja, natürlich baut schließende Statistik auf der Wahrscheinlichkeitstheorie auf. Aber Statistik ist so ein umfangreiches Gebiet (und ich empfehle auch mal einen Blick in das Buch Computer Age Statistical Inference von Hastie und Efron, https://hastie.su.domains/CASI_files/PDF/casi.pdf, Seite 448: Die Grafik zeigt, wie sich Statistik seit Mitte des 20. Jahrhunderts von der Mathematik entfernt hat). Zwischen den „Grundlagen der mathematischen Statistik“, die ein Professor, der sich mit stochastischer Analysis beschäftigt (also nicht mal mit mathematischer Statistik), mal eben als Teil einer 10 Credit-Vorlesung mit abdecken kann (vielleicht ein bisschen asymptotische Verteilung des ML-Schätzers, Cramer-Rao-Schranke, Suffizienz, lineare Regression, ARMA-Prozesse…) und angewandten Themen wie diagnostische Tests für GLMs, verschiedene Spline-Basen, Overdispersion, bayesianische Statistik (konjugierter Priori-Verteilungen, Variational Inference, MCMC), Survival Analysis, graphische Modelle etc. liegen einfach Welten.
Die meisten Forschenden, die sich mit solchen Dingen beschäftigen, haben nicht den Anspruch an mathematische Strenge, die ein Mathematiker hat, und sind keine Mathematiker. Und die meisten Mathematiker, die sich mit Wahrscheinlichkeitstheorie befassen, beschäftigen sich nicht mit Methoden statistischer Inferenz und führen schon gar keine Datenanalysen durch.
So auch hier: Ich konnte in den Veröffentlichungen von Prof. Riedel nichts Entsprechendes finden und darauf bezog sich meine Kritik an der Besetzung. Das heißt nicht, dass er „sein Fachgebiet“ nicht beherrschen würde, sondern dass sein Fachgebiet nicht das ist, was benötigt wird, um in einem universitären Data Science-Studiengang den Bereich Statistik angemessen abzudecken. Dafür bräuchte es jemanden, dessen Bücherregal orange und nicht gelb ist. ;)
Data Science ist ein weites Feld und ich denke, dass der Studiengang an der FernUni den Bereich NLP mit dem Seminar und dem Projektpraktikum sehr gut abdeckt. Aber ansonsten… Eine einzige 10 Credit-Vorlesung über maschinelles Lernen, die bereits unsupervised Learning, SVMs, Deep Learning inklusive Transformern und Reinforcement Learning abdeckt, kann das unmöglich alleine leisten, wobei auch hier unangenehm auffällt, dass der Prof für dieses Modul extrem anwendungsfern forscht (Professoren, die an Präsenzunis Vorlesungen über Machine Learning halten, setzen in der Regel auch in ihrer Forschung Deep Learning ein, z.B. für Computer Vision oder NLP, und das wäre auch meine Erwartungshaltung bei der FernUni gewesen… die Einheit von Forschung und Lehre ist ja gerade das, was eine Universität ausmacht).
Es ist überhaupt nicht zu erwarten, dass die FernUni ein Modulangebot aufbauen kann, dass mit denen der großen Präsenzunis mithalten kann. Umso wichtiger wäre gewesen, dass die wenigen Professuren strategisch sinnvoll neubesetzt werden, wenn sich schon mal die Gelegenheit ergibt.
Aber so, wie ich das sehe, war meine Skepsis vor einem Jahr berechtigt, denn an dem Modulangebot hat sich seitdem nichts Wesentliches geändert. Gut, die Berufung Learning Analytics steht noch aus, aber die wird es wohl auch nicht mehr reißen.
Zur Erinnerung: Der Stellenmarkt für Data Scientists ist extrem kompetitiv, es gibt wesentlich mehr interessierte Bewerber als Junior-Stellen.