Beratung? Therapie? 🤔
Über die PPT-Ausbildung gibt es momentan nicht viel Neues zu berichten. Ich war zwischenzeitlich einmal erkrankt, sodass ich ein Wochenende ausfallen lassen musste. Gestern gab es wieder eine zweistündige Online-Fortbildung, insgesamt passiert momentan wenig. Ab Februar geht es dann wieder richtig los.
Richtig los geht es aber gerade in dem Verbundsprojekt, in dem ich angestellt bin. Dort arbeite ich als nicht-wissenschaftlich tätige Psychologin neben zwei Sozialarbeiter.innen und einigen Genesungsbegleiter:innen. Wir arbeiten an einem Projekt aus der Versorgungsforschung und hier insbesondere mit Arbeitssuchenden. Mittlerweile kommt das Projekt in Fahrt. Anfangs haben wir vor allem Leute für die Vergleichsgruppe rekrutiert, die also keine besonderen Interventionnen erhalten.
Zwischenzeitlich sind wir in eine Art Probephase gewechselt und führen erste Interventionen durch. Diese Teilnehmer:innen werden später aber nicht in die Studie eingeschlossen. Hier geht es auch darum, die Interventionen so gut wie möglich auf die Bedürfnisse der Arbeitssuchenden einzustellen. Wie z. B. muss ich vorgehen, damit ich mit der maximalen Anzahl an 10 Sitzungen und bezogen auf die Arbeitssuche am besten vorgehe?
Zugegeben, aktuell sind die Menschen, die dann bei mir in der Sprechstunde landen, nicht ganz so repräsentativ für die Studienteilnehmer:innen, wie erhofft. Ich habe z. T. Menschen mit sehr schweren psychischen Störungen, die definitiv in eine Klinik oder psychiatrisch-therapeutische Behandlung gehören. Das Problem: Viele von ihnen wollen das gar nicht.
Ich habe in den letzten Wochen und Monaten an viele dieser Menschen Informationsbroschüren ausgegeben, in denen Hilfsleistungen wie Beratungsstellen, Institutsambulanzen, Selbsthilfegruppen und Telefonseelsorgen usw. aufgelistet sind, damit diese Menschen niedrigschwellige Angebote kennenlernen. Manchmal ist das der einzige Weg, damit sie überhaupt mit irgendjemandem über ihre Situation sprechen, sei es auch nur im Rahmen einer Schuldnerberatung oder weil sie ein behördliches Schreiben nicht verstehen.
Und ganz ehrlich: Ich bin sehr dankbar dafür, dass es diese Stellen gibt. Viele Menschen erleben harte Schicksale und finden Einrichtungen wie die Agentur für Arbeit oder das Jobcenter als schwer zu manövrierende Systeme. Da kommt dann schon mal das Geld nicht, die Not ist groß, der Kühlschrank leer, die Scham erdrückend. Am Ende hatte ein Nachweis gefehlt, ein Formular war nicht unterschrieben. Manchmal sind das Kleinigkeiten, die sich ganz schnell lösen lassen, die diese Menschen aber nicht gelöst bekommen. Stattdessen verfallen sie in Stockstarre und antworten weder auf Telefonanrufe, E-Mails oder Briefe.
Vor kurzem stand eine Kollegin vor der Wahl, ob sie nun doch die Approbationsausbildung beginnt oder doch lieber "nur" eine Beraterausbildung startet. Im Grunde gab sie freimütig zu, auf gar keinen Fall in einer Klinik arbeiten zu wollen. Ich sehe es mittlerweile so, dass man den Menschen, denen man in der Klinik begegnet, nicht ausweichen kann wenn man die Klinik meidet. Stattdessen trifft man sie in Beratungsstellen jeglicher Art, in Personalabteilungen, bei der Polizei, vor Gericht, in Schulen, Supermärkten, Bahnhöfen und auf der Straße.
Insofern kann ich nur all jenen, die keine Approbationsausbildung mehr starten können, aber gerne im therapeutischen Bereich tätig sein wollen, mit auf dem Weg geben: Psychisch belastete Menschen wird man gerade auch in Beratungsstellen jeder Art treffen. Meines Erachtens wird man dort mit der vollen Bandbreite an psychiatrischen Störungen konfrontiert. Es ist also gut, sich darauf einzustellen. Auch die Tätigkeit in einer Beratungsstelle kann daher bereichernd sein und erfordert genauso Wissen um psychische Störungen, Diagnostik und Behandlung wie in der Klinik. Klar, ihr dürft offiziell keine Psychotherapie machen und auch nicht mit Krankenkassen abrechnen. Aber das bedeutet nicht, dass ihr den Menschen dort nicht helfen könnt, wieder auf die Beine zu kommen. Ich denke sogar, dass der/die eine oder andere, dem/der eine Psychotherapie gut tun würde, zuerst bei euch auftaucht, eher er oder sie freiwillig in die Klinik geht.
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