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Kostenfreies Studium = Motivationsbremse oder Freibrief zum Abbruch?


polli_on_the_go

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Ich habe mir gedacht, dass ich einen kurzen Zwischenbericht mache. Bis gestern Abend 23:00 Uhr, habe ich gedacht, dass das, was in meiner Gruppe passiert ein schlechter Scherz ist, es waren ja noch 59 Minuten, bis zur Deadline. Und einmal ehrlich im Zweifel drei Artikel lesen und zu jedem eine Frage zu diskutieren, ohne auf das, was vorher von der Gruppe diskutiert wurde, eingehen zu müssen scheint mir jetzt nicht so eine hohe Hürde. Auch ist eine viertel Seite (= insgesamt 1.5 Seiten) auf eine Woche ist jetzt auch kein Kunststück. Was ist passiert? Aus meiner Gruppe sind 6/8 Personen durch die Prüfung gefallen. Das aber nicht, weil sie am Thema vorbei geschrieben haben, sondern, weil sie einfach gar nichts geschrieben haben, nicht einmal die kleinste Frage. 

Im Umkehrschluss heißt das auch, dass nur die andere Kommilitonin und ich tatsächlich diese Prüfung abgelegt haben. Aber ich muss dafür sagen, während in der letzten Diskussionsprüfung der Austausch mit ihr noch wenig erfrischend war, haben wir beide wirklich Spaß gehabt und tief diskutiert. Ich kann zumindest sagen, ich habe auch einen schönen Einblick in das schwedische Gesundheitssystem erhalten. Zugleich hat mich das Verhalten beim letzten Mal schon etwas verwundert und wenn jetzt quasi 75 Prozent der Gruppe einfach abtauchen, wirft das auch Fragen auf.

 

Wesentlicher Unterschied zwischen dem deutschen und schwedischen Bildungssystem ist wohl, dass auch akademische Bildung vollkommen kostenfrei ist (also kein Semesterbeitrag). So fallen auch keine Gebühren für das Fernstudium an. Durchfallen, keine Lust haben usw. haben also keine unmittelbaren monetären Konsequenzen. Ich haben jetzt keinen Vergleich zur traditionellen Hochschule (z.B. Einschreiben fürs Studententicket ;) ) oder die FU (preisgünstigstes Fernstudium auf universitärem Niveau). Dennoch stelle ich mir die Frage, ab Bildung kostenfrei für alle (Schweden und EU Bürger), nicht zugleich solche Phänomene verursacht. Motivationsbremse ist möglicherweise das falsche Wort, aber es braucht doch eine ganz andere Motivation, dabei zu bleiben, wenn auch das Nicht-Bestehen oder aufhören keine wirklichen Konsequenzen hat und man, wenn man will sein ganzes Leben einfach irgendwas akademisch im Fernstudium studieren kann, weil das System es hergibt. Zunächst finde ich grundsätzlich den schwedischen Ansatz gut. Ich kann bisher nicht sagen, dass ich im Vergleich zur APOLLON weniger lerne oder mir auch nur ein Hauch geschenkt wird. 7.5 Credits waren vorher auf jeden Fall etwas weniger Aufwendig mit maximal 2 Prüfungen. Jetzt sind es insgesamt 4 Prüfungen, die vom Schreibvolumen in etwas gleich sind, aber vom Umfang der Kursliteratur (auch wenn man für die Diskussionen noch extern recherchiert) etwas höher. Doch ist es ja auch ein Master Studium, nicht wahr?

 

Es haben ja nach den ersten 3 Wochen schon die Hälfte der Studierenden aufgehört und ich stelle jetzt einmal die Vermutung auf, dass nach den letzten drei Prüfungen noch einmal mindestens zwei Hände voll Studierende Weg sind bzw. nicht mehr aktiv im Kurs. Es zeigt aber, wie ich finde auch sehr schön, welche Bedeutung extrinsische und intrinsische Motivation im Fernstudium haben. Oder anders ausgedrückt, wenn die extrinsische Motivation wegfällt bzw. eine zusätzliche Verpflichtung oder Konsequenz (Geld in den Sand setzen tut meist weh), dass eine fehlende bzw. wenig ausgeprägte intrinsische Motivation das Durchhalten in einem (Fern-)Studium möglicherweise erschwert (Oder macht es das Aufgeben einfach einfacher).  In einem der Threads hier auf FI[*] ging es ja darum, warum Studierende ihr Studium abbrechen, ich würde neben den dort genannten Argumenten gerne noch was reinwerfen und zwar, dass zu oft all die externen Faktoren im Vordergrund stehen, weniger aber, das was einen wirklich motiviert. Ich stelle die Behauptung auf, dass viele Studierende nicht einfach aus purem Interesse und Spaß am Lernen oder Fach studieren, sondern aus ganz pragmatischen Gründen. Die Frage ist aber, ob das ausreicht. Auch bleibt die Frage, ob es Systeme, wie das in Schweden, Studierenden nicht einfach zu leicht macht, alles und nichts zu studieren, sich immer wieder neu zu erfinden und aufzugeben, ohne es einmal durchzuziehen.

 

Was gibt es sonst noch erfreuliches? Ich habe meine Note für das erste Individual Paper on Theories and Concepts in Integrative Health Science erhalten. Wie bereits im Vorblog erklärt im 3-Stufen Schema. Das Feedback war umfassend und interessant, aber auch hilfreich. Zum Schmunzeln gebracht hat mich dann die Aussage "I am a bit uncertain at times of how you interpret Foucault. […] Foucault's way of writing can be confusing. This comment does not affect your grade" - Um ehrlich zu sein, ich weiß manchmal auch nicht, wie ich Foucault interpretiere, das liegt an meiner Tagesform und wie sehr ich ihn gerade leiden kann :lol:. Am Ende habe ich dann aber mit VG (väl godkänd/ pass with distinction) bestanden. Wenn ich nun die letzte Hausarbeit auch mit VG bestehe, habe ich den Gesamtkurs so bestanden. 

 

Die letzte Prüfung umfasst auch wieder ein Individual take at home exam (man nennt es auch paper) von 3-4 Seiten, dass ein wenig alles gelernte Verknüpft und wo ein Thema anhand der Kursliteratur diskutiert werden soll. Eigentlich hatte ich auf das Phänomen "Präsentismus" eingehen wollen, aber zwischen Aufstehen und Schreibtisch kam mir eine Inklusionsthematik in den Sinn mit Bezug zur Gesundheitswissenschaft und die wird es sein. Zeit dieses Mal 14 Tage, also angemessen und da ich ja jetzt eine Struktur fürs paper habe auch gut machbar. 

 

 

[*] bewusst nicht verlinkt und soll auch so bleiben ;) 

Bearbeitet von polli_on_the_go

5 Kommentare


Empfohlene Kommentare

Ach ja, der gute Foucault, mein persönlicher Lieblingsfreund 😜 Ich versuche bis heute die Diskursanalyse komplett zu begreifen 😂 aber irgendwie scheine ich zu blöd zu sein xD. Macht nichts - zum Bestehen der Prüfung hat es gereicht. (Möglicherweise, weil ich dort Foucault kennen und zuordnen musste, aber die Hauptarbeit zu Derrida gemacht habe? 🤔) 😂😂😂😂😂😂😂

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So schlimm ist er ja vielleicht nicht, wenn man Französisch kann oder eben Soziologie mag, Germanistik oder Kulturwissenschaften studiert. Aber wenn er einem dann im Einstiegsmodul der Gesundheitswissenschaften als Basis zur geschichtlichen Entwicklung integrativer Ansätze begegnet, dann ist er schon mal etwas wiederspenstig. Man muss sich daran gewöhnen, dass er zwar in der Ich Form schreibt es aber wie das königliche wir gar nicht seine Meinung ist sondern eben eine Analyse der Begebenheiten, die einen Sachverhalt herleiten, begründen und unterstützen sowie in "diskurs" miteinander bringen. Aber wo einem sonst das vielleicht ein Studienheft sagen würde mit perfekt aufbereiteten Kursmaterialien, ist das in einem Heftlosen Masterstudium mit einer kurzen Präsentation nicht der Fall. Ist das schlimm? Am Anfang frustrierend, jetzt ist es die Freiheit, die mir bei all der sonstigen Struktur gefehlt hat.

vor 33 Minuten, HappyMogry schrieb:

Möglicherweise, weil ich dort Foucault kennen und zuordnen musste, aber die Hauptarbeit zu Derrida gemacht habe

Oder vielleicht darfst du dir einfach mehr zutrauen :).

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vor einer Stunde, HappyMogry schrieb:

Ich studiere Kulturwissenschaften ... und er ist schlimm 😜

Sei nicht so hart zu ihm. Zwar wären ein paar mehr Punkte und weniger Schachtelsätze und Klammern schön, aber zuminest in Englisch geht es. Ich denke in Originalsprache wäre er noch greifbarer.

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Ich denke schon, dass die Abbrecherquote höher ist, wenn es ohne finanzielles Risiko möglich ist, einen Studiengang auszuprobieren und damit vielleicht sogar noch Vorteile wie ein Studentenausweis verbunden sind.

 

Auch hier in Deutschland halte ich das mit für einen Grund, warum die Abbrecherquote an der FernUni Hagen deutlich höher ist, als bei den privaten Fernhochschulen. Selbst wenn man da nach dem ersten Semester kündigt, sind halt dennoch bereits Kosten im vier-stelligen Bereich entstanden, so dass sich das vorher wohl doch viele gründlich überlegen oder die unverbindliche Probezeit intensiver nutzen.

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