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Wenn früh am Morgen die Werksirene dröhnt...


Vica

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Aber es gibt halt eben auch noch ihn: Den Klinikjob. Leider ist die Stimmung auf unserer Station in der Pflege  nicht zum Aushalten. Das schwappte sogar auf andere Stationen über. Niemand möchte dort auch nur für zwei Minuten hinkommen, weil die dicke Luft dort reicht, um einen die Laune für einen ganzen Monat zu verderben. Selbst im Notfall kommt keiner auf unsere Station.

Ich bin zwar von den Streits nicht betroffen und sitze zwischen den Stühlen, aber so kann man auch mit keinem mehr zusammenarbeiten. Wichtige Prozesse werden zudem gestört. Anfangs dachte ich noch: Hakuna Matata, es ist ja nicht dein Problem - Hauptsache positiv bleiben. Die Rechnung kam aber bald gesundheitlich: Ich bekam Albträume, Herzrasen und Beklemmungsprobleme beim Betreten der Station. Als sich einmal sogar Atemprobleme einstellten, die ich erst draußen wieder in den Griff bekam, war es aber Zeit, die Reißleine zu ziehen. Ich habe dann wirklich an Kündigung gedacht. :64_zipper_mouth:

Eine Kündigung im Klinikjahr ist ein Sakrileg, wegen der Anerkennung der Stunden. Das ist komplizierter Verwaltungsaufwand, und woanders eine Anschlussstelle zu kriegen, die da anknüpft, ist brutal schwer. Vermutlich gibt es mehr Menschen, die auf dem Mond waren, als solche, die an dieser Stelle kündigen.

Trotzdem musste sich was tun. So kann man nicht arbeiten. Und nein: Teamrunden, Mediationen, Wünsche an den kommissarischen Chefarzt, Klinikleiterin etc. haben zu nichts geführt, haben es eher verschlechtert.
Seit Wochen bzw. Monaten bekommen die Verantwortlichen die Kuh nicht vom Eis. 

Was man in der Regel nur ändern kann, ist der eigene Umgang mit so einer Situation. 
Mit Hilfe meiner Supervisorin habe ich dann Möglichkeiten erarbeitet, wie ich in diesem Klima besser zurecht komme (immer mit der Option, bei Gesundheitsschäden natürlich doch zu kündigen). Der größte Schritt aber war die Akzeptanz der Situation. Das ist hier so, das ändert sich nicht, das kann und muss ich nicht beeinflussen. Es gibt auch keinen Anspruch darauf.

Der letzte Punkt war am schwierigsten. Aber irgendwann habe ich dann wirklich geschnallt, dass ich das nicht lösen muss und auch nicht kann. Und dass das wiederum nicht heißt, dass man den versagt hat. 
Dieses Konstrukt saß tief und wollte kaum gehen. Irgendwann platzte der Knoten aber. 

Damit kam viel ins Rollen: Kontakt zu Menschen auf der Arbeit, die man wirklich mag und ein Meiden des Rests. Wenn es unaushaltbar wird: Einfach mal weg von Station. Urlaubsvertretung auf anderen Stationen machen, um mit anderen Teams und Aufgaben in Kontakt zu kommen. Sich auf die Dinge konzentrieren, die wirklich spaßig sind - der kleine Führungsjob und alles, was mit dran hängt. Kein falsch verstandener Anspruch, sich wie Herr Oberjesus aufzuführen und für jeden Mist Verständnis zu haben. Stattdessen lasse ich lieber auch mal mein inneres Monster frei, wenn einer der Streithähne einem blöd kommt. 🦖 Eine Prise mehr LMAA darf sein. 
Das Hauptproblem ist wohl auch, dass mein zu hoher Perfektionsanspruch an Harmonie mit der Realität kollidiert. Muss man sich erstmal wirklich auf der Zunge zergehen lassen...

Seitdem läuft es so gut wie nie. Ich trete komplett anders auf als vorher. Tatsächlich macht die Klinikarbeit wieder Spaß :thumbup: Bis Ende Herbst kann ich damit sehr gut umgehen, denke ich. Ich freue mich aber unendlich auf den Tag des Austritts. Und dennoch werde ich ein bisschen wehmütig, je näher die Zeit kommt. Ja, das ist ambivalent. Leider geil. 

Bleibt gesund und haltet zusammen,

LG 

Feature Foto: Pixabay/pexels.com 

Bearbeitet von Vica

5 Kommentare


Empfohlene Kommentare

Überrascht mich immer wieder, dass du auch mit solchen wirklich schwierigen Situationen irgendwie zurecht kommst. 👍 Und wenn es dir schon gesundheitlich schlecht geht, kann es keine Lappalie mehr sein.

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vor 20 Stunden schrieb TomSon:

Überrascht mich immer wieder, dass du auch mit solchen wirklich schwierigen Situationen irgendwie zurecht kommst. 👍 Und wenn es dir schon gesundheitlich schlecht geht, kann es keine Lappalie mehr sein.


Ich bin echt froh, dass ich meine Supervisorin habe. Ihre Arbeit geht weit über das hinaus, was man in solchen Kliniken eigentlich erwarten kann. Wenn sie nicht wäre, wäre ich bestimmt schon gleich am Anfang unter die Räder gekommen!

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Zitat

Der größte Schritt aber war die Akzeptanz der Situation.

 

Das finde ich gerade bei Perfektions- und Weltrettungs-Ambitionen einen der wichtigsten, aber auch herausforderndsten Schritte überhaupt. Und ich finde es beeindruckend, wie Du das hier umgesetzt hast. 

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Merkwürdig, dass sich Leute im Gesundheitswesen so zerfleischen, auch die, die es besser wissen müssten, was Mobbing etc. angeht.

Ich habe mal ein Praktikum in einer Beratungsstelle für alles mögliche von Lebenshilfe, Paarprobleme, Erziehungsprobleme, Seelsorge usw. absolviert. Und die Beraterinnen (Psychologinnen und Pädagoginnen) hatten anscheinend Spaß am schikanieren ihrer Praktikanten. Auf Fragen wird geantwortet mit "bist du doof?". In der Zwischenbilanz wurde gefragt, was ich gerne oder nicht gerne mache, um dann noch mehr vom ungeliebten machen zu dürfen. Mir wurde unterstellt, ich würde deren Männer anbaggern (ü40 als 20 Jährige, konnte mir nix besseres vorstellen als Glatzköpfe ausspannen zu wollen) und vieles mehr. Es war unerträglich, da am nächsten Tag wieder hinzugehen, habe es aber die 2 Monate fürs Praktikum doch durchgezogen. Im Nachhinein wünschte ich mir, ich hätte alle angebrüllt für ihre Widerlichkeiten und krachend die Kündigung auf den Tisch gehauen. Ich merks mir für das nächste Mal.

Bearbeitet von unrockbar
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Zitat

Wenn früh am Morgen die Werksirene dröhnt...

 

Hatte ich schon erwähnt, dass ich jedes, aber auch wirklich jedes Mal, wenn ich über diesen Blogbeitrag stolpere, nun einen Ohrwurm im Kopf habe? 😉

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