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Alma Mater - oder: die unerträgliche Zufriedenheit mit der Hochschule


Vica

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Würde ich nochmal Psychologie studieren? 
Das Psychologiestudium war für mich ein wenig wie eine Heldenreise - man geht als völlig unbeschriebenes Blatt hin und kommt zernarbt in Rüstung zurück und hat einen völlig anderen Blickwinkel auf das Leben. Es hat mir die Sicht auf vorher als selbstverständlich wahrgenommene Dinge geöffnet, die vielen Menschen in ihrem Leben so immer verborgen bleiben werden. Vor allem war es eine Ressource für Inspiration, Kreatives und Wachstum - alle Dinge entwickelten sich gleichzeitig und nebeneinander her, griffen aber auch ineinander. Es ist nicht, wie viele immer denken, dass etwas an der Empathie verändert wird - daran hakte es bei mir nicht. Aber die mit dem Studium verbundene Empirie war letztlich auch eine Möglichkeit, einen rationaleren Blick auf viele Sachverhalten zu haben und nicht zu urteilen. Das war mir auch in vielen anderen gesellschaftlichen Bereichern sehr hilfreich. Außerdem lernte man auch, Kompromisse zu machen und sich mal unterzuordnen, sich mit seinen ungefragten Ratschlägen zurückzahlten und nicht nur seine Sicht der Dinge durchzuklopfen. Psychologie wird NIE als Alleingang funktionieren, ohne mit anderen Menschen zu kommunizieren und auch deren Bedürfnisse zu sehen. 

Unsere Dozenten waren nicht einfach nur Tutoren, sondern richtige Mentoren, die Leidenschaft für ihr Fachgebiet hatten und uns damit ansteckten. Blind konnte man jede Buchempfehlung nachkaufen, und wenn die Dozenten selbst Bücher geschrieben hatten, hatte man es natürlich vor dem Ende des Semesters gelesen. Für mich sind die Dozenten noch heute Vorbilder; sowohl meine englischen von der OU, die man damals noch in Frankfurt zum Debatten-Austausch treffen konnte, obwohl dazu fast alle durch halb Deutschland reisen mussten, als auch die späteren Profs. Noch heute frage mich oft: "Was für Prof XY tun?". Das Zusammentreffen mit diesen Kommilitonen habe ich als besonders wertvollen Austausch in Erinnerung. Überhaupt waren Kommilitonen damals noch richtig enge Strukturen. So weit, wie man das zulassen wollte natürlich. 
Natürlich ist man nicht immer im Gleichklang mit Dozenten. Und die Enttäuschung, wenn es schlechte Noten gab und man das gar nicht glauben konnte, so dass man extra zur Klausureinsicht gefahren ist. Um dann festzustellen, dass man wirklich so schlecht war. Mitunter schmerzliche Erfahrungen waren das, aber sie waren hilfreich im Bezug darauf, dass man sich auch irren kann. Und muss. Die Einsicht in die eigene Fehlbarkeit ist eine der wichtigsten Dinge im Leben, die man lernen kann. Wer das aushält, der ist für vieles gewappnet. 

Das Psychologiestudium lehrte aber auch, dass alles zwei Seiten hat: Einerseits die Störungsbilder mit psychischen Erkrankungen, andererseits aber was Gesundheit bedeutet, und mit welcher Methodik man daran arbeitet, sie herzustellen. Auf diese Weise wird einem klar, was für ein fragiles, wertvolles Gut Gesundheit ist und wie wichtig im Leben Dinge wie Achtsamkeit, Dankbarkeit und ein Bewusstsein dafür ist, dass nichts wirklich selbstverständlich ist. Im psychologischen Alltag wird man dazu gezwungen, kreativ, innovativ und gleichzeitig auch logisch Probleme unter hohem Druck zu lösen. Die Verbindung dieser 3 Kernpunkte ist einer der Hauptpunkte, die diese Arbeit so spannend machen. Tagtäglich neue Herausforderungen - und manchmal erreicht man nicht den Weg, den man einschlagen will. Entweder weil das Team, der Chefarzt oder falsche Ansatz dir einen Strich durch die Rechnung machen. Hier hilft mir die Einsicht in die Fehlbarkeit, die ich im Studium gelernt habe. 

Damals war ich so stolz auf meine Uni + die Hochschule, dass ich Tassen und Sweater bestellt und sie im Alltag durch die Gegend trug. Lange Jahre hingen Bachelor und Master an meiner Wand. Von meinen Kommilitonen erhalte ich noch heute Weihnachtskarten. Die Studiengebühren waren immens. Aber die habe ich ,,gerne" gezahlt, finanziert durch Studijobs in denen man wiederum andere Studenten traf. Diese Jobs waren nicht die Welt - Regale in der Drogerie einräumen, kellnern, Kaffeekochen etc. Zu mehr reichte die Zeit ja nicht, aber sie reichten aus, um das Studium zu tragen. Auch hier lernte man unheimlich viel fürs Leben. Wer zum Beispiel einmal in der Nachtschicht von Samstag auf Sonntag die Toilette bei Mäckes reinigen darf, lernt das Putzen mal aus einer anderen Perspektive als bei Muttern zu Hause 😀  

War es deswegen eine Freude, sich jedes Mal an die Lernsachen zu setzen? Mit Sicherheit nicht. Klar lernt man was Neues und mit der Zeit hat man das Gefühl, einem wächst ein zweiter Kopf. Es war zum Teil auch ein Kampf gegen Selbstzweifel, Sorge und vor allem: Wenig Streit. Ein ständiger Struggle Privatzeit vs. Studienzeit. Oft habe ich gedacht: Hoffentlich ist es bald zu Ende. Und das war wichtig, denn davon zehrt ein Studium, dessen Inhalte man schnell ins Berufsleben umsetzen will. 

In einer Zeit, in der einige ihre Hochschule nun als Quelle für Beschwerden sehen, merke ich generell, wie mir das Verständnis abgeht. Man bucht, statt sich  rückzumelden. Man ist Kunde, statt Student. Zur Einschreibung gibt's: Tablets, Handys, Rabatte oder je nachdem auch mal ein Auto. Klar, es hat Vorteile: Im Prinzip könnte man sagen, bietet man seinen Studis tatsächlich etwas an. Dafür ist mein Eindruck aber auch, dass die Ansprüche grenzenlos gewachsen sind. Und leider so viel unfassbar Pessimistisches daraus erwächst: Ich sehe viele Themen, die sich nicht mit spannenden Inhalten auseinandersetzen, sondern nur noch den ewigen Kampf gegen Dozenten, Hochschule, Qualisicherung etc. Etwas, das sich immer und immer wieder wiederholt und offenbar kein Ende mehr nimmt.
Der Kreis wird dabei nicht durchbrochen, denn trotz Alternativen bleiben manche dort, wo man am Unglücklichsten ist. 
Das ist schade. 
Gerade diese ewige Wiederkehr der immer gleichen Querelen macht aber leider etwas mit mir als Leser und ich muss mich manchmal echt fragen, wie ich damit so umgehen will. Aber vielleicht müssen auch lediglich die Zufriedenen etwas lauter werden. Eigen kleinen Beitrag dazu wollte ich leisten. 🌈

 

Ich wünsche allen: Eine schöne Studienzeit, spannende Herausforderungen, interessante Aspekte und Mentoren :-)

LG

Feature Foto: Pixabay 

1 Kommentar


Empfohlene Kommentare

Zum letzten Abschnitt Deines Beitrags: Kann ich gut nachvollziehen und empfinde das teilweise ähnlich. Auch wenn ich es grundsätzlich wichtig finde, auch auf Dinge hinzuweisen, die bei einzelnen Anbietern eher schlecht laufen. Nur sollte es damit dann auch irgendwann mal gut sein.

 

Ansonsten sehe ich es wie Du: Fokus und eigenes Einbringen bei den Inhalten, die konstruktiv sind und hilfreichen oder interessanten Input für andere bringen. So wie mit Deinen Blogbeiträgen. 🙂 

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