Wie entsteht eigentlich Unterricht?
Heute möchte ich einen kleinen Einblick geben, wie ich Unterricht plane. Als Beispiel habe ich das Thema Arzneimittellehre genommen, da ich das gerade mit zwei verschiedenen Berufsgruppen (Altenpfleger:innen und Heilerziehungspfleger:innen) bearbeite. Spoiler: Es ist eins meiner absoluten Lieblingsthemen.😎 Was vermutlich jedem so geht nach Jahren auf Intensivstation in Zusammenarbeit mit Anästhesist:innen.😈
An Berufsbildenden Schulen in Niedersachsen hat man als Lehrkraft pro Woche 24,5 Unterrichtsstunden abzuleisten, abzüglich der Praxisbesuche bei den Auszubildenden. Ich muss zugeben, dass mir früher nicht klar war, wie viel Arbeit eigentlich in Unterricht steckt und was Lehrkräfte da an Zeit investieren. Immer gesetzt den Fall, dass sie nicht nur ihr Schema F abspulen, dassie einmal geplant haben und immer wieder genauso durchziehen, egal welche Zielgruppe vor ihnen sitzt.
1. Der Inhalt: Sichten und recherchieren
Zu Beginn sichte ich in verschiedenen Fachbüchern und Fachartikeln die Inhalte. Wenn man keine Vorkenntnisse im Thema hat, ist dieser Teil sehr aufwändig. Man muss zwar nicht alle Details eines Themas kennen, aber in der Breite sollte man sich schon auskennen. Beispiel Arzneimittellehre: zum Glück war das ein sehr großer Bestandteil meiner Berufstätigkeit auf Intensivstation: Wie verteilt sich dieses Arzneimittel im Körper und was macht es dort? Wie ist der gewünschte Effekt? Die Krankenbeobachtung gehörte dann zu meinen Hauptaufgaben. Trotzdem war das viel spezielles Fachwissen, welches Auszubildende erst mal nicht brauchen.
2. Ziele für den Unterricht: was müssen die Schüler wirklich wissen? = didaktische Reduktion
Außerdem setze ich Ziele, was ich mit dem Unterricht erreichen möchte und was Auszubildende lernen müssen, um beruflich handlungskompetent zu sein. Denn: reines Wissen ist kein Lernziel. Auszubildende müssen in der Praxis umsetzen können, was sie lernen, oder Probleme aus der Praxis im Unterricht wiederfinden. Es nutzt den Auszubildenden nichts, wenn sie nur Begriffe auswendig lernen wie Pharmakokinetik, aber dann das gelernte nicht in der Praxis umsetzen können. Am Beispiel Arzneimittellehre kann ich sagen, dass ich mit den Auszubildenden genau recherchiert habe, wie eine Tablette, ein Zäpfchen, eine Inhalation vom Körper aufgenommen wird, wie das Medikament zum Zielort gelangt und was es dort verändert. So konnten sie selbst ableiten, wie wichtig die korrekte Verabreichung ist. Dafür ist es für mich nicht relevant, ob sie Fremdwörter auswendig gelernt haben.
Dies ist ein sehr kreativer Teil mit viel Eigenverantwortung, da man entscheidet, was man für wichtig hält und was man weg lässt. An manchen Schulen wird leider alles bis aufs Stöckchen und Steinchen vorgegeben. Das wichtigste ist meiner Meinung nach der Praxisbezug. Ich habe mich schon gefragt, wie machen das Kollegen, die keinen Praxisbezug mehr haben? Oder fachfremde Dozenten, die oft Inhalte bringen, die nicht relevant oder viel zu umfangreich sind.
3. Verteilen der Inhalte auf die vorgesehenen Stunden = Vorplanung
Dafür muss man einschätzen, wie viel Zeit man in etwa braucht für Unterthemen (Bestellung, Lagerung, Richten). Dies ist sehr abhängig von der Gruppe und Faktoren wie Größe, Leistungsfähigkeit, Konzentration, Motivation. Es ist sehr schwer bei Gruppen, die man nicht kennt. Außerdem schwankt ja bei allen Gruppen die Tagesform, und man muss seinen Plan immer wieder flexibel anpassen.
4. Planung der einzelnen Unterrichtseinheiten = Detailplanung
Dafür muss man sich wieder überlegen: Was ist das Ziel der Stunde? Wie ist der Ablauf und welche Methoden sind geeignet. Man muss benötigte Unterrichtsmaterialien herstellen wie Präsentationen, Arbeitsblätter, Metaplankarten, etc. Und man muss wissen, wie die Räume ausgestattet sind, sofern man diese noch nicht kennt.
5. Wünsche und Interessen der SuS berücksichtigen
Für mich kam neu die Zielgruppe der Heilerziehungspfleger:innen dazu. In der ersten Stunde habe wir erst mal erarbeitet, was die Aufgaben in Bezug auf Arzneimittel sind - und überrascht festgestellt, dass das ganz schön viel ist. Also habe ich natürlich eine neue Planung für die Gruppe erstellt, da sie andere Ziele haben. Beispielsweise verabreichen sie keine Injektionen, arbeiten aber viel mit Psychopharmaka.
Bei Kollegen mit wenig Berufserfahrung in der Pflege sehe ich die Probleme, dass nicht nur das Unterrichten selbst, also die Methoden erlernt werden müssen, sondern auch das viel inhaltliches fehlt. Man muss zum Beispiel auf spontane Fragen der Auszubildenden reagieren.
Es gibt an vielen Stellen Beschwerden, dass die Pflegeausbildung nicht praxisorientiert ist. Meiner Meinung nach ist an der Stelle der Grund zu suchen, dass viele Leute Lehrende werden, um nicht mehr am Patienten arbeiten zu müssen. Oder weil viele Lehrkräfte schon teilweise Jahrzehnte nicht in der Praxis gearbeitet haben.
Mir macht es wirklich Spaß, meine praktischen Erlebnisse in den Unterricht einfließen zu lassen. Das gibt auch immer was zu lachen, weil Patienten auf die verrücktesten Ideen kommen. Zum Beispiel Tabletten kleinzubröseln und durch die Nase zu ziehen. 🙄 Brausetabletten zu lutschen oder oder oder...
Bei Gelegenheit werde ich einen Einblick geben in die Praxisbesuche.
Euch ein schönes Pfingstwochenende!
Viele Grüße
Silberpfeil
Bearbeitet von Silberpfeil
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