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Drei Jahre Abschluss (M.Sc.)


Vica

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Jedes Jahr im November ist Jahrestag meines Masterabschlusses. Dieses Jahr sogar schon der dritte. An jenem Master-Kolloquiumsmorgen im November 2020 war es ein unglaubliches Gefühl, nach insgesamt 6 Jahren einen Haken hinter das Psychologiestudium setzen zu können 😁. Ein bisschen Gelingdruck gab es ja damals auch, schließlich hatte ich meine erste Stelle als Psychologin schon, ebenso wie den Vertrag mit dem Ausbildungsinstitut - und die standen natürlich unter der Prämisse, dass das mit Master auch klappt.  
Es klappte auch, und der Rest des Lebens konnte beginnen. Mit etwas Pathos gesagt. 

Tja, nun sind ein paar Jahre ins Land gezogen. Zwischenzeitlich habe ich die superschicke Bachelor- und nicht ganz so schmucke Masterurkunde längst wieder abgehängt und ihnen ein neues Zuhause zwischen den Ordnern für die Steuer beschert. Eine Weile, vor allem am Anfang des Weges, haben sie mich voller Stolz daran erinnert, was möglich ist. Heutzutage muss ich sagen, dass beruflich mittlerweile andere Zwischenziele erreicht habe, von denen ich nun etwas mehr zehre: Etwa meine beiden Klinikjahre. Spontan würde ich lieber zweimal hintereinander bei den Hunger Games mitmachen, als das zu wiederholen 😐. Aber bereuen tue ich es auch nicht, denn es geschafft zu haben, verleiht mir Rückendeckung und in gewissen Dingen auch Chuzpe, welchen ich vorher nicht hatte 😄. Außerdem schaden solche Erfahrungen ganz und gar nicht, unter schwierigen Bedingungen einen Weg für sich gefunden zu haben. Vor allem die diagnostischen und medizinischen Erfahrungen dort sind unendlich kostbar und ein großer Vorteil gegenüber anderen Kollegen, wie ich immer wieder merke. 

Aber kurzum, hat mir der Master gebracht, was ich wollte?

Das ist klar wie Kloßbrühe, zumal er der Türöffner für die Weiterbildung war. Bei Bewerbungen um Psychologenstellen (egal, in welchem Bereich) benötige ich den Master natürlich noch immer. Dass der Master eine klinische Ausrichtung hat, ist für die Stellen in Kliniken und Praxen natürlich ein Vorteil. Aber dort werden z.B. auch Psychologen mit Gesundheits- oder Pädagogik-Master eingestellt. Auch in Forschungsteams ins das so. Wer klinisch arbeiten möchte, kann das also durchaus auch mit seinem nicht-klinischen Master versuchen. Der Bachelor im Fach Psychologie ist bei diesen Bewerbungen übrigens nur noch Kosmetik, bei der Einstellung wird er nicht mehr verlangt (nur das beglaubigte Masterzeugnis). 
Der Bachelor wird allerdings von meinem Ausbildungsinstitut noch verlangt und auch das Landesprüfungsamt hat ihn einer Äquivalenzprüfung unterzogen, obwohl nur der klinische Master im Endeffekt ausschlaggebend ist (nicht jeder PPler hat einen Psychologie-Bachelor). 

Besonders überraschend finde ich auch heute noch die allgemeine Wertschätzung für diesen Abschluss, auch bei den Chef- und Oberärzt:innen bzw. generell den leistungsorientierten Kolleg:innen.

Das Ganze war so vorurteilsfrei und voller Anerkennung, dass ich es kaum glauben kann. Dabei interessiert man sich vor allem dafür, wie man das denn mit Kindern, über die Entfernung und mit Job so wuppen kann, ohne direkte Kollegen. Ganz besonders viel Interesse an der Stelle erzeugt da der Bachelor aus England. Ich selber hänge das übrigens gar nicht so gerne an die große Glocke. Zu groß nach wie vor die Sorge vor Vorurteilen 😶Aber wie eine Kollegin neulich meinte: Leider gaslighted man sich hier selbst ziemlich. 

Und die Zweifler? Die, die genau wissen, dass mit einem (Fern)Studium ja nichts erreicht werden kann? Geben sie Ruhe, wenn man mit einem Abschluss plötzlich doch einen Job mit viel Verantwortung in guter Position erhält?  Natürlich nicht. Die eine Hälfte tut so, als hätte sie nie was gesagt. Die andere Hälfte betreibt so eine Art "Abwertungs-Verlagerung": Es gibt seltsamerweise Mitleid für Dinge, die eigentlich toll oder völlig normal sind. "Och Gott, du leitest ein Team? Du Ärmste."; ,,Och, nur 10 Minuten von zu Hause weg der Arbeitsplatz? Du Ärmste.", etc. 
Das Medium ist hier egal: Die negative  Sicht ist die Problematik. 🙃 

Aber es gibt auch andere Veränderungen. In den 3 Jahren hat sich eine Menge verändert. Mittlerweile ist für viele dieser Art Weg zum PP verschlossen; die neuen Direktstudiengänge wurden eingeführt.  Viel hat sich getan. Die heutigen Direktstudenten, die ich kenne, können sie unseren Master gar nicht mehr gut vorstellen. 

Und ansonsten? In meinem Umfeld mache ich das Berufliche generell wenig zum Thema, über Abschlüsse wird hier natürlich nicht gesprochen. Dafür sind Arbeitskollegen und Weggefährten da. Die Freizeit gehört der Family und den Hobbies. Darum sind wir auch nicht für unsere Berufe bekannte, sondern für unsere spektakulären Kinder-Parties 😁. Die meisten Nicht-Arbeitskollegen in meinem Umfeld denken, dass ich entweder Künstlerin oder Kinderbuchautorin bin. Über den echten Job sind sie dann meistens erstaunt. Den Schluss finde ich interessant - aber für mich ist das okay so. Immerhin scheine ich weniger den üblichen Klischees zu entsprechen  😁

Bleibt gesund und haltet zusammen,

LG

Feature Foto: The Lazy Artist Gallery/pexel.com

Bearbeitet von Vica

1 Kommentar


Empfohlene Kommentare

Wie immer sehr spannend zu lesen und äußerst reflektiert. 

Finde es fast schade das "nur" hier in unserer Fernstudienblase zu lesen. Eine entsprechende Kolumne auf Spiegel Online fände ich mega spannend 😊

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