Die Entscheidung
Für mich ist der Begriff Coaching eigentlich komplett verbrannt - und das, obwohl ich eigentlich im Hauptberuf (zumindest teilweise) selbst "coache". Warum verbrannt? Meine Facebook Timeline präsentiert mir einen selbsternannten Coach nach dem anderen - meist sind es doch nur Verkäufer oder Esoterik-Jünger*innen. Und mit jeder Werbeanzeige steigt mein Puls...
Warum eigentlich?
Der Bundesverband Coaching sagt "Coaching ist die professionelle Beratung, Begleitung und Unterstützung von Personen mit Führungs- / Steuerungsfunktionen und von Experten in Unternehmen / Organisationen. Zielsetzung von Coaching ist die Weiterentwicklung von individuellen oder kollektiven Lern- und Leistungsprozessen bzgl. primär beruflicher Anliegen" (https://www.dbvc.de/der-verband/ueber-uns/definition-coaching)
Mein Job: Ich arbeite bei einer großen Kommunalbehörde im Bereich des außerschulischen Ganztags (für die Nicht-Fachleute unter uns: Horte) als Fachdienst/Fachberatung. Zu meinen Aufgaben gehört es, Führungs- und Fachkräfte in Bezug auf die Weiterentwicklung von Struurkten, Einführung von Methoden und fachlich sinnvolle Schritte zu beraten und sie bei der Implementierung zu unterstützen. Trotzdem käme ich nie auf den Gedanken, mich einen "Coach" zu nennen.
Je mehr ich drüber nachdenke - und wahrscheinlich wird der Blog teilweise auch genau das sein, in Teilen eigene Reflexionsfläche - glaube ich, was mich am meisten stört, ist die Unprofessionalität, der Machbarkeitswahn und das Verkaufs- und Sendungsbewusstsein das mir in meiner Facebook-Timeline über den Weg läuft. Früher hieß es: Wer nix wird wird Wirt (Sorry an alle Wirte da draußen, ich habe größte Hochachtung vor Euch und Eurer Arbeit). Heute wird man halt irgendwie "Coach" (auch wenn man nur ein Schneeballsystem oder eine nicht evaluierte Methode verkaufen will).
"Ja und? Ist doch legitim, so lange niemand Schaden nimmt!".
Das ist hier die Frage. Vor vielen Jahren, als Mensch auf dem Weg zum Erwachsen werden, absolvierte ich die Ausbildung zum staatlich anerkannten Erzieher. Nach einigen Ausflügen in andere Bereiche (damals musste man noch zur Bundeswehr) drückte ich nochmal die Schulbank und absolvierte eine Weiterbildung in Heilpädagogik (nein, nicht zum Heilpraktiker - mein Abschluss ist ein echter). Anschließend ging es für mich in die stationäre Jugendhilfe, die integrative Arbeit im Hort und über die Leitungsebene schließlich in meinen jetzigen Job. Vor kurzem habe ich auch noch den BA in Sozialer Arbeit an der IUBH abgeschlossen (auch hier schlagen zwei Herzen, aber dazu vielleicht an anderer Stelle mehr). Von Fort- und Weiterbildung gar nicht zu reden. Und jetzt machen sich Coaches, Speaker und was weiss ich noch alles breit und bringen teils diletantische "Lösungsvorschläge", teils ohne angemessene fachliche Qualifikation, verkaufen sich als Anti-Mobbing-Gurus oder spiritueller Lernberater? Hallo? Seltsame Methoden wie NLP oder Kinesiologie machen sich breit? Na herzlichen Glückwunsch... Ich hatte in meiner beruflichen Praxis nicht nur einmal mit Menschen zu tun, die glaubten sich mit solcher Unterstützung gut voran zu hangeln. Oft entstanden Abhängigkeiten aber Problemlösungen? Nada.
Dabei glaube ich, das Coaching und Supervision notwendig ist. Dringend. Der geschulte Blick von außen ist eine absolut wichtige Ressource für viele Prozesse. Und genau während ich in diesem inneren Dilemma steckte, entschied sich die IUBH, einen Master in Coaching und Supervision anzubieten. Eigentlich wäre das jetzt eine gute Gelegenheit, sich auf wissenschaftlicher Basis mit Coaching zu beschäftigen. Einen Blick auf "seltsame" Methoden und Praktiken zu werden. NLP und Co. zu hinterfragen und die eigenen Kompetenzen im Bereich "Coaching" mit evalierten Methoden zu ergänzen und auszubauen. Nach einiger Diskussion im Bekannten- und Familienkreis, inneren Selbstgesprächen (aka "drüber nachdenken") und mit etwas Bauchschmerzen habe ich beschlossen: Einschreiben. Das Ding startet erst im Mai, es ist noch genügend Zeit zu recherchieren. Aber die Einschreibung als Signal war für mich wichtig...
So - Da stehen wir jetzt. Stand heute: Meine Unterlagen sind bei der IUBH eingegangen. Der EASC (ein Verband der mir bis jetzt gänzlich unbekannt war) sagt: Mit dem Master kann ich die Ausbildung zum zertifizierten Coach erlangen und darauf den Supervisor aufbauen. Jetzt läuft noch die Anfrage an die DGSv (Deutsche Gesellschaft für Supervision und quasi DER Berufsverband für Supervision in der Sozialen Arbeit) ob und in wie weit dort Ausbildungen über die EASC anerkannt werden. Mal gucken was die sagen. Die Widerrufsfrist beginnt ja erst mit dem Studienbeginn ;-)
Wir werden sehen...
Bearbeitet von AlJöSchlei
11 Kommentare
Empfohlene Kommentare
Erstelle ein Benutzerkonto oder melde Dich an, um zu kommentieren
Du musst ein Benutzerkonto haben, um einen Kommentar verfassen zu können
Benutzerkonto erstellen
Neues Benutzerkonto für unsere Community erstellen. Es ist einfach!
Neues Benutzerkonto erstellenAnmelden
Du hast bereits ein Benutzerkonto? Melde Dich hier an.
Jetzt anmelden