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Statt Geschenken - Insider


Vica

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Ich würde der Community ja gerne Präsente machen, aber es krankt an der Umsetzung. Plätzchenbacken ist zum Beispiel nicht meins - es sei denn, ihr braucht noch gute Türstopper. Statt Geschenke ein paar Tipps aus dem an alle, die demnächst die Psychotherapieausbildung noch anfangen von jemandem, der aus dem Gröbsten raus ist. Ein paar Leeren aus den letzten zwei Jahren. 

 

  • Wurde in allen Vorstellungsgesprächen positiv zur Sprache gebracht: Mein Ehrenamt für Kindergarten + Grundschule, welches ich im Lebenslauf aufgeführt habe. "Kinder haben" wurde als weitere Expertise im Umgang mit Menschen angesehen.
     
  • Wurde in KEINEM Vorstellungsgespräch thematisiert: Dass das Studium zT ein Fernstudium war, Noten, was ich vor dem Psychologiestudium gemacht habe. 
     
  • Aufgabenbereiche nicht-klinischer Psychologen bei uns ohne Therapeutenausbildung: Diagnostik (Bachelor), Terminvergabe bei Ambulanz (Bachelor), Kunsttherapie (nicht-klinischer Master), Entlassbriefe schreiben, Aufnahmen, psychoedukative Gruppen, Achtsamkeitsgruppen/Entspannungsgruppen (nicht-klinischer Master). 
     
  • Alle Aussagen bzgl. PT1 ("Da kriegt man nie etwas", "Das hat lange Wartezeiten etc.") komplett ignorieren. Gerne auch initiativ bewerben und nicht nur generell an die Klinik, sondern auch stationsweise. Genau so nach dem Stand der Bewerbung nachhaken, wie man das bei ausgeschriebenen Jobs tut. Oft ist es nicht so, dass ihr geghostet werdet, es hat nur keiner Zeit (bzw. nimmt sich keiner), zu reagieren.
     
  • Der Kostendruck der Klinik führte dazu, dass lieber Psychologen nach E13 als Approbierte nach E14 eingestellt wurden. So lange approbierte Supervisoren da waren, unterschieden sich die Aufgabenbereiche teils gar nicht. Also sind eure Chancen nicht so schlecht, wie ihr denkt. 
     
  • Beißt euch nicht fest an einer Station, auf der ihr nicht zurechtkommt. In Kliniken ist multiprofessionelle Arbeit gefragt. Das nützt nichts, wenn das Team komplett demotiviert und ausgelaugt ist und weder in die Station, noch in die Patienten glauben kann. Der verlorene Glaube daran, mit der eigenen Arbeit irgendwas Positives bewirken zu können, ist der größte Killer schlechthin. Nehmt das nicht hin, egal, was ihr über PT1-Stellen gehört habt. Bewerbt euch rechtzeitig weg, entweder beantragt die Versetzung auf ein andere Station (brauch oft ca 3 Monate Vorlaufzeit) oder versucht es woanders. Ihr seid da, um zu lernen, nicht um einen Laden aufrecht zu erhalten, den andere gegen die Wand gefahren haben. (Aber auch Festangestellten würde ich nie raten, in so einem toxischen Umfeld zu bleiben). 
     
  • Wenn es doch nicht klappt und man bis zum Schluss aushalten muss: Sucht euch spannende Aufgaben außerhalb eurer Station, beteiligt euch an übergreifenden Arbeitsgruppen, Forschungsgruppen, übernehmt Vortrags- oder Intervisionsposten. 
     
  • Vernetzung ist alles. Nicht nur mit Psychologen anderer Stationen; bedenkt das ganze Team. Sozialarbeiter haben meistens einen sehr guten Überblick über das Umfeld des Patienten, was hilft, wenn ihr z.B. systemisches unterwegs seid. Stellt euch auch gute mit den Küchen und Reinigungskräfte. Vor allem letztere werden oft nicht mal gegrüßt, dabei sind sie sowas wie gute Feen. Sie gießen die Pflanzen in euren Büros und wischen euren Schreibtisch. Täglich grüßen und einen freundlichen Plausch sollte das Mindeste sein. Wenn ihr Geschenke verteilt zu Weihnachten + Geburtstag (Kuchen oder Plätzchen fürs Team), berücksichtigt sie ebenso! 
     
  • Bezüglich Patienten: ,,Türöffner" zu so ziemlich allem waren nicht irgendwelche Modelle oder Theorien, die man auf Patienten anwendet, sondern das Validieren von Gefühlen und dass sie diesen mal wieder Raum geben dürfen, ohne, dass einer gleich tolle Ratschläge am Start hat und verteilt. Gerade bei sehr schweren Störungsbildern, die eher medizinisch behandelt werden müssen (gewisse Persönlichkeitsstörungen oder Sucht) ist das Umfeld seit vielen Jahren leer und keiner hört mehr zu. 
     
  • Wir rackern uns ab, für einen Job indem wir innerhalb von 1 Woche ersetzt werden, wenn man morgen tot umfällt. Darum: Achtet auf eure Selbstfürsorge. Durchschlafprobleme, Grübelschleifen, keine Zeit mehr für Sport, Gewichtsabfall oder -zunahme,  Infektanfälligkeit, Briefe vorformulieren für den nächsten Tag, verändertes Essverhalten usw. sind NICHT okay und "ganz normaler Stress" oder haben irgendwas mit Leistung zu tun, sondern sind Anzeichen von Überforderung. Daraus werden schnell auch mal: RDS, Prädiabetes, Herzinfarkt, Burnout, Depressionen etc. Aufwand und Nutzen bedenken! Einen Legendenstatus erreicht man nicht, auch wann man sich total unter die Räder wirft. Der Laden läuft auch ohne einen, und es findet sich sofort jemand, der ihn ebenfalls macht, selbst wenn nur halb so gut (das stört keinen). Denkt daher auch an eure Gesundheit!! 
    Aber auch, warum einen das Thema Leistung so anfixt. Das hat ja Gründe. Meines Erachtens spielen manche AGs genau mit diesem Punkt...
     
  • Immer drei Fragen stellen: WILL ich das? Will ICH das? Will ich DAS?


Bleibt gesund und haltet zusammen :-) 

Bearbeitet von Vica

5 Kommentare


Empfohlene Kommentare

Liebe Vica

Vielen lieben Dank für dieses tolle Geschenk in der vorweihnachtlichen Zeit . Kann zwar jetzt gerade nur von mir reden, aber ich muss sagen das ist für mich persönlich sinnvoller als selbst gebackene Türstopper 😉

Wünsche dir frohe Feiertage und einen guten Rutsch

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Vielen lieben Dank für deine Worte. Steckt viel Wahrheit drin. Ich wünsche dir und deiner Familie auf jeden Fall ein paar erholsame Tage und einen guten Rutsch... 🎄🎅❄️

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Danke euch - wünsche euch ebenfalls eine schöne, festliche Zeit 😄

Am 21.12.2022 um 07:53 schrieb TomSon:

paar erholsame Tage


Ja, es ist irgendwie verrückt - aber ich muss lernen, mit den frei gewordenen Zeit-Slots umzugehen...😅
Während ich dann auf der Arbeit immer nach frei werdender Zeit gelechzt habe. 

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Danke für die Einblicke und Empfehlungen – ist manches dabei, was auch für Menschen relevant und hilfreich ist und sich übertragen lässt, die nicht Psycholog:in oder Psychotherapeut:in werden möchten.

 

 

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