Nachrichten aus der Stille
Es ist nun einige Wochen her, dass ich mich aus einem zutiefst toxischen Arbeitsumfeld befreit habe. Diese Loslösung war so erfüllend, dass ich sie am liebsten nochmal machen würde. Und so stellt sich die Frage, was denn eigentlich von dieser Zeit geblieben ist. Außer unterschriebenen Bescheinigungen und dass es einen ausbildungstechnisch natürlich sehr weit gebracht hat. Natürlich ist der Erfahrungsschatz auch nicht zu verachten und - wie es meine Supervisorin sage würde - man kann die Erkenntnis mitnehmen: Ich habe sowas mal durchgehalten, kann also mit Krisen umgehen und weiß, was ich DEFITNITIV NICHT NOCHMAL machen würde.
Kann man so sehen.
Dennoch hat mich die Zeit ganz schön vernarbt. Seelisch und gesundheitlich. Das ist nämlich einiges auf der Strecke geblieben und der Glaube, die Stimmung dort (Wettbewerb, Unruhe, Negativität, hohe Fluktuation, nicht zuhören, passiv-aggressive Kommunikation etc. pp. -> da nicht vorhandene Führung) irgendwie auffangen zu können/müssen, indem ich gute Arbeit leiste und mich überdimensional anstrenge, war natürlich...naja, Stuhlgang. 😏
Ich bin darum froh, dass wir Psychologen mit psychotherapeutischer Weiterbildung Selbsterfahrung machen müssen, die uns dabei hilft, zu erkennen, woher solche falschen Allmachtsfantasien kommen. Das ist der Grund, warum wir 3 Tage lang in Dörfer fahren, wo es weder Bäcker noch Handyempfang gibt. Anstrengend, aber unbezahlbar. Merkt man oft erst im Nachhinein, also Wochen danach, nicht mal an den Seminaren selbst, denn die sind sehr zehrend. So hat man die Zeit, sich Schritt für Schritt solchen seltsamen Leistungsmotiven anzunähern. War man in früheren Lebensabschnitten wie der Kindheit oder dem Jugendalter z.B. ein Typ, der für gute Stimmung zu Hause verantwortlich war oder konnte man Aufmerksamkeit/Bindungsangebote/whatever nur durch gute Schulnoten erzielen, können sich solche Zielüberzeugungen wie "Ich muss hier viel mehr leisten und ertragen, als ich eigentlich kann" bis ins Erwachsenenalter mitschleppen 🙃. (Es gibt dafür auch 1001 andere Gründe, das nur am Rande)
Allein sind solche Ziele aber nicht erreichbar und auch nicht angebracht. Eigentlich logisch, aber durch die Hektik der Arbeit ist leider oft das Bauchgefühl betäubt, auf das man hören sollte. Ich glaube auch, dass manche Arbeitsgeber sehr wohl genau auf dieses Pferd setzen (aber das ist zu hypothetisch und führt zu nichts).
Nach dem nun geschafften Absprung war ich die ersten Tage so platt, dass ich in eine Art Murmeltierschlaf verfallen bin. Damit kam neue Energie, aber ich merkte, dass die alten Mühlen noch am Laufen war: Permanent suchte ich mir irgendwelche Arbeiten und Projekte. Auch nicht Sinn der Sache. Also musste ich irgendwie runter von der Rastlosigkeit und den Fuß am besten auf der Bremse festbinden. Ruhe und Stillstand auszuhalten, war gar nicht so leicht wie gedacht. Die letzten Jahre, eigentlich seit dem Fernstudium, war das ein Leben in der Dauerrotation. Der Drehimpuls war nicht immer richtig, die Geschwindigkeit zu schnell.
Blöd nur, dass man das auf der Arbeit oft selbst nicht merkt, weil Erschöpfung und Akzeptanz (dass manches nicht änderbar ist) außerhalb des beobachtbaren Universums liegen. Gesteht man sich ja nicht zu.
Hat man es aber gemanged, alle Gefühle auszuhalten, die mit Langweile und Nicht-Produktivität aufkommen, ist das ein sehr lohnenswerter Prozess. Man kann nur stauen, wer dann da so zum Vorschein kommt 😉
Ich bin kein Fan von Jahresrückblicken, aber insgesamt kann ich denke ich sehr zufrieden sein mit dem, was sich ansonsten so Weiterbildungsmäßiges ergeben hat:
- Zwischenprüfung geschafft
- PT1 + 2 (Klinikjahre) abgeschlossen
- Eigenes Team geleitet
- Psychotherapeutische Praxis gesucht + gefunden, Start der Ambulanz
- KJP-Seminare abgeschlossen
- Neue Lerngruppe gefunden
- Buntes Potpourrie an Seminaren: Manche hilfreich, manche seltsam, manche so schlecht, dass sie immer für ein Anekdötchen gut sind
- Reinigendes Gewitter in unserem Ausbildungskurs
- Dem Ende näher gekommen
Und wie geht es nun weiter?
Ist noch nicht spruchreif 😀. Aber für mich ist eigentlich klar, dass der Fokus auf der Patientengruppe Kinder- & Jugendliche liegen soll und wird.
Wer mich sucht...ich bin im Wandel!
Achtet auf euch und lasst euch nicht ausbeuten. Man ist schnell drin in diesem Mühlen. What for?
LG
Feature Foto: Jeremy Bishop/Pexels
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