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Hoffentlich gibt's Lohn


Vica

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Was gehört zu den größten Herausforderungen beim Arbeiten im ambulanten Bereich, wie bei mir der KJP?
Schwieriges Patientenklientel wie fordernde Eltern, die die Heilung innerhalb von 50 Minuten erwarten?
Schwer zugängliche Kinder?
Eltern- und Kinderwünsche an die Therapie, die unterschiedlicher nicht sein könnten?
All das mag unangenehm erscheinen, gehört aber im Grunde dazu wie die Mehrwertsteuer; es gibt aber therapeutischerseits genug Möglichkeiten, sich darauf vorzubereiten. 🧐

Weniger am langen Hebel sitzt man als angestellter Therapeut, wenn der Bereich wegen davongelaufenen Personal ernsthafte strukturelle Probleme bekommt. Nicht nur die Therapeuten wandern ab (ich schätze mal in die Kliniken, wo mehr gezahlt wird), auch das Sekretariat. Nun sind wir eine Arztpraxis ohne eine einzigeN einziGen med. Fachangestellten oder ArzthelferIn. Es ist niemand mehr da, der Patienten begrüßt, Karten einliest, Anträge stellt, (Privat)Abrechnungen erstellt, Arztbriefe schreibt, Rezepte ausstellt etc. Zwar gab es Gespräche mit Bewerbern, aber nichts bleibt länger als 2 Wochen gefühlt. Kein Wunder: Wenn 40-Stunden-Stellen länger unbesetzt sind, summiert sich ganz schön was auf. Wer will in den Job starten, um nur Altlasten abzuarbeiten? Ohne Anlernen btw. 
Der Chef findet: Dann müssen wir das halt eben selbst hinkriegen. 

Ich dachte so die erste Zeit: Höhöhö, hold my beer. Denn: Ich arbeite ja noch in einer ambulanten Erwachsenenpraxis (für die Ausbildung) und bin dort ein 1-Mann-Betrieb. Die oben erwähnten Tätigkeiten gehören hier ganz normal dazu. Vielleicht könnte man dazu etwas in die KJP-Praxis einfließen lassen?

Tja, also das Thema Termine machen ist nicht so schwer, auch meine Arztbriefe lesen sich gut. Doch es krankt an anderen Stellen. Uns erreichen keine Absagen, keine Terminanfragen, nicht mal die Türklingel hören wir, weil diese nicht an unsere Räume weitergeleitet wird, sondern ins Sekretariat, Lichtjahre von unseren Räumen entfernt. Steht ein Patient vor der Tür, kriegen wir das gar nicht mit. Oft sind wir auch mitten im Gespräch. 
 

MedizinischeR FachangestellteR ist nicht umsonst ein Ausbildungsberuf. Von 90% von deren Abläufen haben wir beim besten Willen keinen blassen Schimmer (die anderen 10% machen wir zudem sicher ziemlich holprig) und mal ebenso nebenbei noch Praxisführung, während wir Patienten behandeln klappt einfach nicht. 
Die Arbeit in so einem Betrieb muss man sich einfach aufteilen. 
Wem nützt denn ein Klavier ohne Tasten?:rolleyes:

 

Dadurch, dass man Patienten vom getürmten Kollegen übernimmt, übernimmt man auch: Den Ärger und Druck der Eltern, dass sich seit Monaten nichts tut, dass es keine Klinikeinweisung gibt, keine Medikation etc. Man hat den Patienten noch nie nie gesehen und steht da, wie der Ochs vorm Berg. Soll aber für alles verantwortlich sein. 

Gefällt mir nücht. 👎

Für die ambulante Versorgung bzw. die Patienten ist das sicher schon ein Albtraum. Uns droht als Angestellten nun aber auch ein Desaster: Niemand kann die Löhne machen. Man überlegt schon, ob man alte Angestellte mal anklingelt, ob die für ein paar Tage vorbeikommen. Bislang ohne Erfolg.
Die Stimmung bei PatientInnen und Angestellten könnt ihr euch vorstellen. 

Na, hoffentlich steht man Ende des Monats schwarze Zahlen auf meinem Konto. Ich bin in der komfortablen Situation, zwei Jobs zu haben. Nun stellt euch aber die blanke Mehrheit vor, die davon Miete, Strom und Brötchen bezahlt. Aber exakt das droht nun. 

Die Situation des Personalmangels und der zusammenstürzenden Infrastruktur in Arztpraxen gibt es aktuell fast überall. Wen es interessant, kann hier mal reinschauen: https://www.ndr.de/nachrichten/schleswig-holstein/Aerzte-in-SH-schlagen-Alarm-Ambulante-Versorgung-in-Gefahr,praxen100.html 

Tja, mal sehen, wie es so weitergeht. Eine Weile schaue ich mir das schon noch an. Vorab: Der Job ist zum Glück nicht schlecht. Schade um die Rahmenbedingungen.
Ich fürchte, darauf kann man eigentlich nur mit reduzierten Arbeitszeiten und Teilschließungen reagieren. Das ist wohl bisher keine Option. 
 

Im nächsten Jobleben werde ich Papierkram. Der bleibt wenigstens liegen. 😶

Bleibt gesund & haltet zusammen,
LG
 

Bearbeitet von Vica

6 Kommentare


Empfohlene Kommentare

Leider ist die Personaldecke überall im Gesundheitswesen extrem löchrig mittlerweile. 

 

Zum Thema Gehalt. Da unsere Personalabteilung sehr eigensinnig arbeitet, bin ich jeden Monat erneut überrascht, dass zumindest die Gehaltszahlungen problemlos laufen 😅

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das sind ja Zustände... In unserem Ärztezentrum haben sie auch eine Weile lang gesucht, aber die Alten bleiben so lang da bis neue da waren, Aber einfach war das nicht.

Und wenn ihr anstatt einer Arzthelferin nach Kaufmännischen Angestellten Allgemein sucht? Nicht optimal aber die sollten dass eigentlich auch hinbekommen.

 

Rein theoretisch dürfte das mit der Gehaltszahlung nicht so das Problem sein, ihr habt doch bestimmt ein Grundgehalt. Zumindest dass sollte ohne Probleme überwiesen werden können.

 

Ansonsten bei einem meiner Personal Assistant Jobs hat das Thema Lohnabrechnung der Steuerberater erledigt, weil der auch die entsprechende Datev Anbindung hat. Kostet den AG halt Extra der Service.

Aber es gibt auch diverse Software die dabei behilflich ist von Lexware oder Wiso oder.... da gibt man nach der voreinstellung des Stundenlohns nur noch die Stunden ein und den Rest berechnet das Ding selbständig und der AG muss nur noch das Geld anweisen...

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Ich habe mich auch gefragt, wieviel genuin "medizinische" Tätigkeiten in so einer Praxis anfallen und ob da nicht vielleicht eine kaufmännische Ausbildung sogar ganz gut passen würde.

 

Nachtrag: Ich denke gerade, das hört sich ein bisschen so an, als ob ihr jemanden bräuchtet, der organisatorisch und logistisch "den Laden schmeißt", damit die Ärzte/Therapeuten sich auf ihre fachliche Arbeit konzentrieren können. Wird das gehaltsmäßig auch entsprechend abgebildet? Als jemand, der "den Papierkram" liebt, sind meine eigenen Erfahrungen da eher durchwachsen (und sehr von der Branche abhängig).

 

Bearbeitet von Alanna
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Vielleicht kommt der eine oder andere doch wieder zurück, nachdem an der Klinik vielleicht besser bezahlt wird, aber die Zustände dort teils unfassbar sind, wenn ich mich an Deine Blog-Einträge zu Deiner Klinik-Praxis erinnere und Deine Erfahrung mit den Bewerbungen dort.

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Vica

Geschrieben (bearbeitet)

Ich habe im ersten Moment bei der Headline Angemeldet: IST-Weiterbildung „KI in der Praxis“ gedacht, dass es sich um KI-Lösungen für Praxen handelt, also eine KI, die ein paar Verwaltungsaufgaben bei Terminvergabe, Telefonterminen etc. übernehmen kann und dachte mir "Das könnte doch die Lösung sein" 🫡
...
Naja, ich glaube, ich habe meinen Urlaub jetzt SEHR gebraucht 🤓😅

Bisher läuft aber alles in der Lohnmühle, trotz sogar noch vermehrt abwanderndem Personal. Scheu gemachte Pferde. 🤔

Bearbeitet von Vica
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vor 15 Stunden schrieb Vica:

KI-Lösungen für Praxen handelt, also eine KI, die ein paar Verwaltungsaufgaben bei Terminvergabe, Telefonterminen etc. übernehmen kann und dachte mir "Das könnte doch die Lösung sein" 🫡

 

Auch das wird sicherlich noch kommen, bzw. Einige Lösungen gibt es bereits. Das hier habe ich zum Beispiel auf die Schnelle gefunden: https://mediform.io/medivoice/

 

Wobei es mir ja so geht, dass ich dann lieber online buche, wenn es eh automatisiert abläuft. Und wenn ich anrufe, habe ich meist auch ergänzende Fragen, zum Beispiel zu Untersuchungen beim Arzt. Und da möchte ich dann auch mit einem Menschen sprechen. Aber für die reine Terminverwaltung kann das vermutlich nützlich sein und ja eine Option auf Weiterleitung an die Mitarbeitenden enthalten. 

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