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Erste Tage als Stationspsychologin - so war es


Vica

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Wie einige schon wissen, habe ich relativ zügig eine Stelle für das Klinikjahr  (bzw. zum Glück direkt für beide davon) gefunden und war damit ja wirklich over the moon vor Erleichterung 😁 Ich bin nun in einer riesigen Klinik angestellt und dort genau wo ich hinwollte, nämlich in einem "geschützten Bereich", sprich einer Geschlossenen. Meine Praktikumsklinik war eine Privatklinik und hatte keinen geschützten Bereich. Da dort nur Selbstzahler waren, war der Patientenkreis natürlich sehr eingeschränkt. 

 

 Dass das nun so geklappt hat, ist mega! War aber natürlich auch Zufall und damit ein Volltreffer. Hierher kommt alles: Selbsteinweisung, Zwangseinweisung, die Polizei, die jemanden von der Strafe aufgelesen hat, Leute mit richterlichem Beschluss, besorgte Betreuer, die keinen anderen Weg für ihre Klienten finden - jedes Alter oberhalb der 18 ist vertreten, mit so ziemlich jeder Lebensgeschichte. 

So gemischt wie die Patienten, so gemischt auch das Team: Chefarzt, Oberarzt, Stationsärzte noch mehr Pfleger, Sozialassistenten, Physios und ich bin nun die Stationspsychologin dort. Mit eigenem Büro, welches gleichzeitig für die psychotherapeutischen Sitzungen gedacht ist. Das hatte ich nicht erwartet. Natürlich kann man da aber nicht gleich von Null auf Hundert starten, darum werde ich gerade von der alten Stationspsychologin angelernt, die bald in eine andere Abteilung wechselt (eine ganz engagierte, tolle!). 

 

Ich habe in den ersten Tagen bereits alles gesehen: Verschiedene Patienten, Fixierungen, Sedierungen, Notfall-Knöpfe, Alarm-Knöpfe, die Pfleger gedrückt haben (da kommt ein ganzes Sondereinsatzkommando an Sicherheitskräften angerückt, die einfach aus dem Nichts erschienen!). Aber natürlich auch viele angenehme Situationen. 

Die ersten Tage dienten dazu, die Teams und Patienten besser kennenzulernen. 26 Neuaufnahmen führten aber dazu, dass man eigentlich kaum Zeit hat, auch nur eine Tasse Kaffee zu füllen. Ich finde es sehr schön, wie sehr hier alles auf Augenhöhe läuft und Pfleger, Ärzte, Sozialdienst und Psychologen alle auf Augenhöhe sind (das war in der Privatklinik sehr anders, wobei es da nur 2 Ärzte + Rest Therapeuten gab).  Auch muss ich mich in neue Programme einlernen. Dazu gehört, Protokolle zu führen und Entlassungsberichte zu schreiben. Das fällt mir noch schwer; hatten wir zwar an der PFH im Rahmen von Hausarbeiten. Aber wofür man früher einen Monat Zeit hatte, habe ich jetzt 20 Minuten Zeit. 

Zu meinen Aufgaben gehört natürlich auch das Explorieren der Patienten, also gezieltes Befragen; Wahn und besonders Suizidalität müssen erörtert werden.  
Die Ausdrucksweise ist sehr psychiatrisch und dadurch eher medizinisch. Hier hab ich ganz schönen Aufholbedarf. 

 

Es gefällt mir wahnsinnig gut, doch hat der Tag zu wenig Stunden. Man fängt um 8 an, macht einige Dinge und prompt ist es 16 Uhr. 

 

Anekdötchen:

  • Am zweiten Tag kam ich aus der Mittagspause auf Station zurück. Zunächst wunderte ich mich, warum das Personal so anders aussieht. Offenbar haben die zur Mittagspause gewechselt, das kann ja mal sein. Erst, als in meinem Büro ein anderer saß, fiel mir auf, dass ich mich in der Station geirrt habe und meine eigentlich ein Stockwerk drüber ist :D
     
  • Das ist ein dezenter Nachteil: Alles, wirklich alles in diesem Krankenhaus sieht zu 100% gleich aus. Jeder Flur, jede Stationstür etc. 
     
  • Klar, dass ich mich in den ersten zwei Tagen auch nur verlaufen habe und den Ausgang nicht mehr fand :rolleyes:...alleine über diese Story könnte man einen Film drehen (alias Maze Runner Teil 4). 
     
  • Ich brauche mein Fittnesstudio nicht zu vermissen. Ich bin mir sicher, in den ersten 2 Wochen mindestens 20 kg zu verlieren 😁 Und das liegt nicht daran, dass man im Grunde wenig Zeit hat,  zu essen - sondern an dem unglaublichen Gerenne. 5 Stockwerke hoch, 5 runter. Oh nein, Geldbeutel vergessen, wieder 5 hoch, erneut 5 runter. Nach der Pause: 5 hoch. Sitzfleisch hat man auch so nicht. Schnell noch dies in der Abteilung holen, schnell noch zum Pförtner, zum Schlüsseldienst, zum Schreibdienst...wo sind die? Am komplett anderen Ende. Das ganze Gelände hat übrigens 3 Bushaltestellen.
     
  • Das Pendeln kann einen arm machen. Ich bin zwar nur 20 Minuten unterwegs, doch leider ist das echt teuer. Auch geht es zu den Bahnhöfen nur mit dem Bus, wenn man nicht 35 Minuten laufen will, was man auch mal machen kann. Darum will ich bald auf Fahrrad umschwenken, sowohl hier wie da, wo ich mir eins von Swapfiets ausleihen werde für 16€ im Monat (besser als 5€ Bus pro Tag!). Vermutlich kann ich dann im Jogging-Anzug anreisen und mich dort erstmal umziehen, denn die Klinik steht auf einem Berg :58_disappointed_relieved:. Ich schätze, ich sehe am Ende der 2 Klinikjahre eher wie ein Sportstudent aus. Aber nebenher fit werden ist natürlich nicht im Geringsten ein Nachteil :7_sweat_smile:

 


Bleibt gesund & haltet zusammen,

LG

Feature Foto: Cedring_Fauntleroy/pexels.com

 

 

Bearbeitet von Vica

12 Kommentare


Empfohlene Kommentare

Klingt echt spannend und nach einem Glückstreffer. Man könnte meinen, Du hattest vielleicht sogar ein bisschen Glück, dass Du wechseln musstest. 😉
Das Gerenne täte mir derzeit auch mal ganz gut, vielleicht sollte ich "Weitläufigkeit" als Kriterium bei der Suche nach einem Praktikumsplatz mit aufnehmen? :laugh:

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Klingt super spannend! Da ich ja Deine Blogs schon sehr lange verfolge, ist das sogar für mich als Leser ein Highlight, wenn ich bedenke, was Du im Studium alles für Unsicherheiten auf Dich genommen hast. 🙂

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vor 2 Stunden hat Anyanka geschrieben:


Das Gerenne täte mir derzeit auch mal ganz gut, vielleicht sollte ich "Weitläufigkeit" als Kriterium bei der Suche nach einem Praktikumsplatz mit aufnehmen? :laugh:


Natürlich!! Alles unterhalb Stockwerk 4 auf gar keinen Fall annehmen 😁

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vor 2 Stunden hat Silberpfeil geschrieben:

Klingt super spannend! Da ich ja Deine Blogs schon sehr lange verfolge, ist das sogar für mich als Leser ein Highlight, wenn ich bedenke, was Du im Studium alles für Unsicherheiten auf Dich genommen hast. 🙂


Ich überlege in diesen Tagen auch immer wieder: Krass, wie sich das alles gefügt hat! 
Ich hab echt wenig Zeit drüber nachzudenken, weil nach dem Studium alles so schnell ging, ich kam so vom Regen in die Traufe hinein. 

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Es freut mich sehr für dich, dass es dir so gut gefällt! :smile:

Dein Werdegang ist so ein bisschen ein Vorbild für mich. Ich könnte mir zwar niemals vorstellen, als Psychotherapeutin zu arbeiten, aber dass du es jetzt schon so weit geschafft hast, finde ich toll. Ich hoffe, ich komme auch irgendwann mal so weit, sprich: Studium erfolgreich meistern und dann eine schöne Stelle, das wäre schon was! :blushing:

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Ich wünsche dir alles alles Gute und dass du nicht allzu viel mit von der Arbeit nach Hause nimmst.

Ich hab mein Pflegepraktikum auf einer Geschlossenen (bei uns heißt das "Beschützten") Station nach 3 Wochen abgebrochen.

Soviel unnötige Gewalt von beiden Seiten, Fixierungen als Strafe, kaum Gespräche, weil es nicht mal eine Stationspsychologin gab, völlig lustloses, demotiviertes, genervtes Personal. Ich wurd schon schräg angeguckt, wenn ich mich mal länger als 30 Sekunden mit einer Patientin oder einem Patienten unterhalten habe. Unter Neuroleptika checken die ja schließlich eh nichts, da kann man das ja auch gleich sein lassen.

Für mich der absolute Horror, nach 3 Wochen konnte ich nicht mehr und bin sang- und klanglos da weg.

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vor 20 Stunden hat Moondance geschrieben:

Es freut mich sehr für dich, dass es dir so gut gefällt! :smile:

Dein Werdegang ist so ein bisschen ein Vorbild für mich. Ich könnte mir zwar niemals vorstellen, als Psychotherapeutin zu arbeiten, aber dass du es jetzt schon so weit geschafft hast, finde ich toll. Ich hoffe, ich komme auch irgendwann mal so weit, sprich: Studium erfolgreich meistern und dann eine schöne Stelle, das wäre schon was! :blushing:


Danke dir :) Tatsächlich war das noch vor zwei Jahren alles sehr ungewiss. 
Ich bin mir aber absolut sicher, dass dir das genau so gelingen wird. 
:)  

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vor 17 Stunden hat LaVie geschrieben:

Ich wünsche dir alles alles Gute und dass du nicht allzu viel mit von der Arbeit nach Hause nimmst.

Ich hab mein Pflegepraktikum auf einer Geschlossenen (bei uns heißt das "Beschützten") Station nach 3 Wochen abgebrochen.

Soviel unnötige Gewalt von beiden Seiten, Fixierungen als Strafe, kaum Gespräche, weil es nicht mal eine Stationspsychologin gab, völlig lustloses, demotiviertes, genervtes Personal. Ich wurd schon schräg angeguckt, wenn ich mich mal länger als 30 Sekunden mit einer Patientin oder einem Patienten unterhalten habe. Unter Neuroleptika checken die ja schließlich eh nichts, da kann man das ja auch gleich sein lassen.

Für mich der absolute Horror, nach 3 Wochen konnte ich nicht mehr und bin sang- und klanglos da weg.


Oh je, das klingt fürchterlich und da würde ich spontan sagen: Alles richtig gemacht. In einem toxischen Arbeitsumfeld ist keinem geholfen und es ist gut, dass du dann ganz selbstfürsorglich schon früh die Schlusslinie ziehen konntest. Ich hoffe, du hast was Schönes anderes gefunden?

PS: Die Fixierung als Strafe haben die Kollegen aus der Pflege in ihrer Ausbildungszeit auch in (anderen) Krankenhäusern erlebt und empfanden diese Vorgänge als hoch traumatisierend. In sofern finde ich das gut, dass es jetzt nur noch mit richterlicher Anordnung geht. Das dauert zwar länger, ist dann aber wenigstens gut abgeklärt (in unserem Fall: Patient, der auf weibliches Personal losgegangen ist, um diesem Schaden zuzufügen). 

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vor 2 Stunden hat Vica geschrieben:

Ich hoffe, du hast was Schönes anderes gefunden?

 

Ja, BWL mit Nebenfach Jura anstatt Medizinstudium. Und ich bereu es bis heute...

 

vor 3 Stunden hat Vica geschrieben:

Die Fixierung als Strafe haben die Kollegen aus der Pflege in ihrer Ausbildungszeit auch in (anderen) Krankenhäusern erlebt und empfanden diese Vorgänge als hoch traumatisierend.

 

Das ging mir genauso. Zusätzlich hatte ich ein wahnsinnig schlechtes Gewissen. Ich hatte das Gefühl das unbedingt melden zu müssen, aber ich wusste nicht wo und war auch davon überzeugt, dass eh jeder weiß, was da abgeht. Schäm mich bis heute (>15 Jahre später) noch son bisschen, wenn ich daran denke, dass ich nichts unternommen habe.

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Gast

Geschrieben (bearbeitet)

Ich war lange nicht mehr hier, erinnere mich aber sehr gut an den Vorgänger-Blog, den ich immer sehr gern gelesen habe. Und kaum schaue ich nach Monaten mal wieder vorbei, kommt ein neuer Blog von dir. Ich bin sehr gespannt und freue mich für dich, dass dieser neue Abschnitt so gut startet!

Bearbeitet von Gast
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Klingt sehr aufregend und ich bin beeindruckt, wie anscheinend locker Du das alles nimmst, was da so auf Dich einströmt und teilweise ja durchaus auch als belastend empfunden werden könnte.

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