Lernen optimieren
Den Social Media Algorithem sei Dank bekomme ich eine sehr große Anzahl an "Lerntipps" in meinen Feeds. Und ein großer Teil von ihnen verspricht "die eine wirklich gut funktionierende Methode um alles zu lernen"
Und das ist natürlich Blödsinn und Click-Bait. Lernen ist ein komplexer Vorgang. Verschiedene Inhalte und Ziele erfordern teilweise unterschiedliche Herangehensweisen. Und: je nachdem, wo das Problem beim Lernen liegt, muss man es unterschiedlich angehen.
Beispiel Pomodoro Technik
Nehmen wir mal etwas, bei dem der allgemeine Zensus wirklich positiv ist: die Pomodoro-Technik. Hier lernt man 20-30 Minuten, macht eine 5-10 minütige Pause, und wiederholt das. Einige schlagen nach 4-6 Zyklen oder einer festen Zeitspanne eine längere Pause vor.
Wie / Warum es hilft
Die Pomodoro Technik hilft zum einen als Zeitmanagement und Motivationstechnik. Se gibt einen festen Plan vor und spezifische Verhaltensregeln. Die Zeitspannen des Lernens können so gewählt werden, dass sie machbar erscheinen, wodurch die Einstiegshürde sinkt. Zum anderen hilft sie dabei, den Fokus zu behalten. Nach 20-30 Minuten fangen die Gedanken an abzuschweifen. Daher sollte die Zeit so gewählt sein, dass man sie wirklich komplett konzentriert durcharbeiten kann.
Wann es nicht hilft
Das sind wirklich gute Punkte. Wenn man allerdings kein Problem mit dem Zeitmanagement oder der Konzentration hat (zum Beispiel, weil man hier bereits eigene Methoden entwickelt hat), dann wird ein Wechsel zur Pomodoro Technik wenig bringen.
Und wenn man in der Lernzeit entweder für das Ziel oder generell unpassende Lernmethoden nutzt, dann bringt es auch wenig, wenn man diese unpassenden Techniken konzentrierter nutzt.
Dennoch taucht die Pomodoro Technik in diversen Varianten und eine sehr simple Variante des Free Recall ("Blurting") gerade extrem häufig in meinen Feeds auf. Meist mit Superlativen ohne Ende geschmückt.
Lernen ist komplex
Wenn es nur so einfach wäre. Aber Lernen ist eine komplexe Angelegenheit. Wenn es wirklich so einfach wäre, wie Instagram und TikTok suggerieren, dann hätte kaum jemand Probleme. Und so zu tun, also gäbe es ein Wundermittel, ist schädlich. Denn wenn eine Person diese super-duper-immer-funktionierenden-Methoden anwendet und trotzdem scheitert, dann wird das Problem internalisiert. Was kontraproduktiv ist.
Man muss sich bei der Verbesserung des Lernprozesses im Einzelfall ansehen, wo das Problem liegt. Wird mit Methoden unterer Ordnung gelernt, obwohl das Material oder die Prüfungsfragen eher Methoden höherer Ordnung nötig machen? Dann sollte man hier einhaken. Fehlt die Grundlage für die Informationen, die vermittelt werden sollen? So muss erst die Basis geschaffen werden. Ist die Lernumgebung nicht geeignet? In diesem Fall ist evtl. einfach "an einem anderen Ort lernen" schon ausreichend.
Lernen ist ein Prozess, in den viel hineinspielt. Und wie in jedem komplexen System gibt es wechselseitige Abhängigkeiten, Feedback-Schleifen und Kipppunkte.
Will man das Lernen optimieren, muss man also erst mal einen Blick auf den aktuellen Stand werfen, und herausfinden, was eigentlich das Problem ist. Und dann priorisieren, was man in welcher Reihenfolge angehen will.
Es gibt kein Wundermittel.
15 Kommentare
Empfohlene Kommentare
Erstelle ein Benutzerkonto oder melde Dich an, um zu kommentieren
Du musst ein Benutzerkonto haben, um einen Kommentar verfassen zu können
Benutzerkonto erstellen
Neues Benutzerkonto für unsere Community erstellen. Es ist einfach!
Neues Benutzerkonto erstellenAnmelden
Du hast bereits ein Benutzerkonto? Melde Dich hier an.
Jetzt anmelden