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Bundesverfassungsgericht: Regelungen zur Akkreditierung mit dem Grundgesetz unvereinbar


Markus Jung

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Mit einer Pressemitteilung vom 18. März 2016 informiert das Bundesverfassungsgericht über einen Beschluss vom 17. Februar, nachdem der Gesetzgeber wesentliche Entscheidungen zur Akkreditierung von Studiengängen selbst treffen muss - was im gegenwärtigen Akkreditierungssystem durch privatrechtlich organisierte Akkreditierungsagenturen nicht der Fall ist (konkret geht es hier um die Akkreditierungen in NRW und eine private Hochschule).

 

Der Beschluss ist hier zu finden:

http://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2016/02/ls20160217_1bvl000810.html

 

Und die vollständige Pressemitteilung hier:

http://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2016/bvg16-015.html

 

Darin heißt es unter anderem:

 

Zitat

Die Regelungen über die Akkreditierung von Studiengängen des Landes Nordrhein-Westfalen, wonach Studiengänge durch Agenturen „nach den geltenden Regelungen“ akkreditiert werden müssen, sind mit dem Grundgesetz (Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG) unvereinbar.

 

Zitat

Das Grundrecht der Wissenschaftsfreiheit steht zwar Vorgaben zur Qualitätssicherung von Studienangeboten grundsätzlich nicht entgegen. Wesentliche Entscheidungen zur Akkreditierung von Studiengängen darf der Gesetzgeber jedoch nicht anderen Akteuren überlassen. Der Landesgesetzgeber hat verfassungskonforme Regelungen mit Wirkung spätestens vom 1. Januar 2018 an zu treffen.

 

Zitat

Daher ist die Fortgeltung der mit dem Grundgesetz unvereinbaren Normen bis zu einer Neuregelung und längstens bis zum 31. Dezember 2017 anzuordnen.

 

Erstmal kann also alles beim Alten bleiben, auch wenn Veränderungen herbeigeführt werden müssen. Möglich wäre zum Beispiel, dass die Hochschulen mehr Autonomie erhalten und/oder der Staat selbst intensiver prüft.

 

Dieser Beschluss hat umfangreiche Reaktionen hervorgerufen. Einige Beiträge möchte ich hier für alle diejenigen verlinken, die weiter in das Thema einsteigen möchten.

 

Stellungnahme des Verbands der privaten Hochschulen (VPH)

http://www.presseportal.de/pm/78075/3283872

 

Zitat

Verband der privaten Hochschulen (VPH) sieht sich durch Beschluss des BVerfG zur Verfassungswidrigkeit der Programmakkreditierung voll bestätigt.

 

Zitat

Erforderlich ist nicht nur eine gesetzliche Regelung, sondern eine grundlegende Reform der Qualitätssicherung, die auch die sog. Institutionelle Akkreditierung durch den Wissenschaftsrat erfassen muss. Der VPH hofft, dass die Länder die Vorgaben des BVerfG als eine Chance zur Belebung der Wissenschaftsfreiheit und zum Abbau der in den letzten Jahren stark ausgeuferten und kostenintensiven Akkreditierungsbürokratie sehen und nutzen.

 

Hintergrundartikel von Wolfgang Lieb bei Studis Online

http://www.studis-online.de/HoPo/urteil_bvg_akkreditierung.php

 

Zitat

 Das Bundesverfassungsgericht nennt in seinem Beschluss regelmäßige Kosten für die Agenturen in Höhe von 10.000 bis 15.000 Euro pro Studiengang, zu denen noch zusätzliche interne Belastungen der Hochschulen zwischen 30.000 und 38.000 Euro hinzu gerechnet werden müssen.

 

Zitat

Ein klareres Plädoyer für den subjektiven Grundrechtsschutz durch die grundgesetzlich garantierte Wissenschaftsfreiheit kann man sich kaum vorstellen. Dieses Diktum sollte sowohl allen Verfechtern einer von Wissenschaftsmanagern top-down gesteuerten „unternehmerischen“ Hochschule als auch den Befürwortern von Hochschulräten als „Dritte“ mit Entscheidungsbefugnissen für die Hochschulen ausgestattete Akteure zu denken geben.

 

Gastartikel von Peter Wex im Tagesspiegel

http://www.tagesspiegel.de/wissen/gastbeitrag-zur-akkreditierung-der-bologna-prozess-geraet-ins-wanken/13379764.html

 

Zitat

Derzeit existieren in Deutschland rund 18000 Studiengänge, davon sind etwa 5200 als Bachelorstudiengänge akkreditiert und 4700 als Masterstudiengänge. 

 

Zitat

 Mit dieser Entscheidung des BVerfG dürfte jedoch Ungemach in größerem Umfang zu befürchten sein. Das gesamte Qualitätssicherungssystem im Rahmen des Bologna-Prozesses steht auf dem Prüfstand.

 

Zitat

 Es möge der Hoffnung Ausdruck gegeben werden, dass für die ausstehenden Neuregelungen grundrechts – oder noch einfacher universitätsfreundliches Verhalten praktiziert werde.

 

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Ja, da gehe ich auch von aus. Ich fand auch viele Hintergründe der Berichterstattung interessant, zum Beispiel was so ein Akkreditierungsverfahren kostet oder wie sehr die Hochschulen als Unternehmen geführt werden sollen - diese Entwicklung bekomme ich auch immer mehr mit und sehe sie durchaus kritisch. 

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Ich frage mich sowieso, wo dieser ganze Privatisierungwahn noch hinführen soll. Private Unternehmen haben im Bereich der Akkreditierung eigentlich gar nichts zu suchen. Wenn der Staat schon seine Anerkennung erteilen muss, damit eine Bildungseinrichtung als Hochschule, Fachhochschule oder Universität firmieren und Hochschulgrade vergeben darf, dann soll er sich auch gefälligst um die Akkreditierung, zumindest um die Akkreditierungsrichtlinien, kümmern.

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Ungefähr das hat das Gericht ja jetzt auch festgestellt.

 

Wobei eine Akkreditierung nicht notwendig ist, um eine Bildungseinrichtung als Hochschule zu führen (dazu muss diese staatlich genehmigt und anerkannt sein), sondern die einzelnen Studiengängen müssen akkreditiert sein oder werden, damit diese angeboten werden dürfen (Programm-Akkreditierung), wobei es einen Trend hin zur institutionellen Akkreditierung gibt, bei dem dann die Prozesse des Anbieters bei der Erstellung und Durchführung von Studiengängen akkreditiert werden, statt der einzelnen Studiengänge.

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