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Vica

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  1. Dienstags, 9:52 in einer psychotherapeutischen Lehrpraxis irgendwo in Deutschland. Um 10:00 kommt der nächste Patient, ich muss mich ziemlich beeilen mit der Doku der Patientin davor, die vor 1 Minute erst gegangen ist. Gab's noch was Neues bei ihr? Dann muss das auch in den Text, genauso wie die Länge der Stunde, alles vermerkt in unserer Praxissoftware. Ja, es bleiben normalerweise keine 10 Minuten zur Doku. Gut, dass wir Dokumentieren in den klinischen Modulen im (Fern)Studium schon eingeübt haben 😁 Im klinischen Alltag lernt man dann zusätzlich, mit Lichtgeschwindigkeit zu formulieren und zu tippen. Zwei Dinge, die hier sehr hilfreich sind. Um 9:54 bin ich schon fertig, wische das White Board und lege die Stifte bereit. Immer noch Zeit, kurz durchzulüften und WhatsApp-Nachrichten zu beantworten. Tatsächlich ist das der Zeitpunkt, an dem die meisten Patienten auftauchen - gute 6-7 Minuten vorher, denn viele brauchen so im Schnitt 5 Minuten, um sich aus Jacken und Schals zu schälen, die Toilette zu nutzen oder sich nochmal kurz zu sammeln (gerade die Neuen sind aufgeregt). Als nächstes kommt ein Herr, sehr zuverlässig, der 4x da war. Die Tests sind ausgewertet, die vorläufigen Diagnosen (Anpassungsstörung, mittelgradige Depression) würde ich ihm heute mitteilen. Realistisch ist aber, dass ich vieles auch erst so in der 19. bis 21. Sitzung zeigt. Die weitere Planung liegt wie versprochen bereit. 9:57: Noch keiner da, also noch etwas Verschnaufpause für mich. Nicht verkehrt, so kann ich nochmal Kaffee nachfüllen. Um Punkt 10:00 Uhr ist noch niemand da, was eher ungewöhnlich ist. Denn ab jetzt läuft die Zeit. 9:58: Es klingelt! Aber es ist der DHL, der mal wieder in den PiA-Räumen geklingelt hat, statt bei der Chefin. 10:05 - Ich werfe nochmal einen Blick aufs Patienten-Handy und in die Mails, ob der Patient doch abgesagt hat. Oder ob es eine Nachricht à la "Stecke im Stau" gab. Beides schweigt allerdings. 10:10 - Hier ist so der Wendepunkt erreicht, wenn man weiß, irgendwas läuft nicht richtig. Entweder Termin vergessen oder (das verdrängt man zunächst) der Patient kommt ganz bewusst nicht. Beides ist übel, da PP-Termine wie Facharzttermine gehandhabt werden: Es wird dann ein Ausfallhonorar fällig, so schreibt es das Institut vor (da das Institut auch die Raummiete für mich zahlt und dann ein Verlust entsteht). Das wird in der ersten Stunde auch mit dem Patienten verabredet und er unterschreibt, dass er das verstanden hat. 10:17 - Ich höre mich nochmal in meiner Ambulanz-Lerngruppe per WA um, ab wann ein Termin als abgesagt gilt. Niemand ist sich genau sicher, aber ab 20 Minuten gilt der Drops wohl definitiv als gelutscht. Meine Kollegen schlagen vor, nochmal anzurufen. Kann ja theoretisch unterwegs was passiert sein, meint eine, und berichtet Horrorgeschichten von verunglückten Patienten. 10:18 - Ich wähle die Nummer des Patienten (warum bin ich eigentlich immer noch nervös, wenn es darum geht, anzurufen??) und erhalte ein Freizeichen. Ich mache mich drauf gefasst, eine Nachricht auf der Mailbox zu hinterlassen, doch oho: Was ist das? Weggedrückt. 10: 19 - Nun bin ich irgendwie gekränkt. Dann geht der typische Psychologen-Narzissmus los, wenn ein Patient nicht auftaucht: Er kommt nicht und sagt nicht ab, werde ich jetzt geghosted? Heißt das etwa, ich bin ein schlechter Therapeut?! Ein Freudenfest für den Imposter 😁 Es klingt albern, war aber riesiges Thema in den Selbsterfahrungen für uns alle. Gottseidank! So kommt man schnell wieder auf die Erde. 10:25 - Ich habe jetzt dokumentiert, dass die Stunde abgesagt ist. Ich könnte nun zur Bäckerei nach drüben gehen und mir Cappu + Zimtschnecke gönnen, da ich bis 11 nichts zu tun habe. Habe aber trotzdem irgendwie das Gefühl, da bleiben zu müssen, falls doch noch jemand auftaucht. Aber kann man das erwarten? Ich nehme mein Handy mit und gönne mir doch was. Da dies mein erster Patient ist, der nicht kommt, bin ich bei den anderen Terminen nicht ganz bei der Sache. Zum Glück verlaufen sie trotzdem gut, aber ich merke, wie das Grübelkarussel angestellt wurde. Zudem ärgert es mich, dass es mich ärgert, ich bemühe mich um Distanzgewinn. Auch nach Feierabend ist es noch nicht weg. Habe ich am Ende doch was falsch gemacht? War irgendwie unsympathisch, nicht vertrauenserweckend genug? 3 Tage später aber immer noch keine Reaktion, auch 3 Wochen später nicht. Einmal versuche ich noch, anzurufen - es klingelt nur durch. Keine Mailbox. Bringt ohnehin wohl nichts. Der weiß, wo ich bin. 4 Wochen später, Gruppensupervision um 18:30 via Zoom - Zum Glück gibt es Supervisoren. Ich spreche den Fall an und auch, dass ich Bammel habe, dass es an mir liegen könnte. Der Supervisor fragt, ob ich schonmal selbst Termine beim Arzt, Frisör etc. abgesagt habe, weil ich keine Lust bzw. Energie dafür hatte. Ja, das kam durchaus schon vor. Wie oft habe ich aber nicht abgesagt, sondern es einfach schleifen lassen und damit ein Ausfallhonorar riskiert? Nun ja, 0x. Wir vereinbaren noch eine Deadline. Wenn ich bis dahin nichts gehört habe, muss ich den Platz neu vergeben. Plätze sind zu rar und ich habe zu wenige zu vergeben (15), um sie zu lange warm zu halten. 6 Wochen später: Mittlerweile habe ich einen Abschlussbericht geschrieben und die Akte schon eingepackt, um sie ins Archiv zu schicken. Da geht eine Nachricht via SMS mit langem Text bei mir ein. Und da ist er wieder, der Geister-Patient. Ich bin verblüfft, aber auch skeptisch. Es gibt viele Gründe dafür, warum Patienten so handeln: Manche sind durch depressive Schübe so gelähmt, dass nix geht. Einige können mit ihrer Sozialphobie niemanden kontaktieren. Bei manchen Persönlichkeitsstörungen kann es ein Test sein, wie sehr ich mich um die Person bemühe. "Finde mich!" soll das dann heißen. Bei narzisstischen Patienten kommt das bspw. vor. In seinem Fall versucht er es zunächst mit Rumgedruckse, aber später erfahre ich, dass es etwas mit Suchtmittelkonsum zu tun hat, den er sich lange selbst nicht eingestehen will. Vertrauen habe ich jedenfalls zunächst nicht in das Gelingen der Therapie. Ich beschließe nach Rücksprache mit dem Supervisor, den Patienten wieder aufzunehmen, aber mit Auflagen: Termine muss er mir in der nächsten Zeit einen Abend zuvor bestätigen, außerdem soll er persönlich vorbeikommen, um sie aufzunehmen. Außerdem besprechen wir mehrmals das Thema Offenheit und dass wir es uns die irgendwie gegenseitig zugestehen müssen. Nicht einfach, sagt der Patient, der sein Leben lang immer für Offenheit bestraft wurde. Ghosting ist aber keine Methode, Struktur und Bindung herzustellen und für manche Unannehmlichkeiten muss ich Verantwortung übernehmen. Ich kann ja schließlich auch einfach nicht kommen, wenn ich krank bin, und ihm nicht Bescheid sagen. Wie schön, dass daraus nun schon eine mehr als einjährige Therapie geworden ist 😁 Wobei es so dann nicht immer läuft. Tatsächlich hatte ich bis auf einen Fall keine weiteren Ghosting-Patienten mehr, und auch dieser hat sich wieder gemeldet - jedoch deutlich zu spät (3 Monate +). In dem Fall ist die Tür dann zu. Eine weitere habe ich selbst beendet, da zwar immer abgesagt wurde, aber zu wenig Termine zustande kamen. Was wir aber manchmal vergessen, ist dass Patienten gerade zu Beginn noch nicht gut Struktur aufweisen können und dies erst lernen müssen. Man ist da schnell bei sich. Leider sind solche Herausforderungen aber auch kein Thema im (Fern)Studium und auch nicht im theoretischen Teil der Ausbildung. Bleibt gesund und haltet zusammen, LG Feautre Foto: Ron Lach/pexels.com
  2. Vica

    Haustiere

    Oh, was für schöne Tiere hier im Thread 😍 Wir haben das Glück, in einer Neubau-Wohnung zu leben, in der die Wohngesellschaft jede Art Getier akzeptiert. Das ist alles andere als selbstverständlich in einer Stadtwohnung. Leider haben wir (noch) keins. Wir reden aber immer wieder darüber - die eine Hälfte hätte lieber eine Katze, die andere einen Hund. Ich sitze irgendwo zwischen den Stühlen und denke mir: Warum muss man sich denn da eigentlich entscheiden? Sobald meine Arbeitszeiten etwas entspannter sind, ist das auch wieder ein Thema. Aber gerade am Anfang würde ich schon sehr viel Zeit mit neuen Tieren verbringen wollen. Riesenspaß habe ich derweil mit unserem Therapiehund einer Therapeutin der KJP (obwohl es mich auch erstaunt, wie viele Patient:innen ein Problem mit einem Hund haben!). Außerdem steht nächste Woche ein freiwilliges Seminar zum Thema Hundetherapie an, auf das ich mich freue. LG
  3. Ich hatte viel Freude mit der 5.Staffel von Handmaid's Tale (obwohl die ganz schön schlecht war, uiuiui!) und der ersten Hälfte von Crown Staffel 6 - leider fühl ich mich da wieder erzogen, weil der zweite Schwung Folgen erst im Dezember rauskommt. ☹️ Gleichzeitig bin ich wehmütig, dass ich sowas immer zu schnell durchbinge 😅 Hat mal jemand Deutsches Haus auf Disney+ ausprobiert und kann das empfehlen?
  4. Vica

    Noch 2 Tage...

    Schönen URlaub! 🌠
  5. @TomSon: Der Beitrag von mir ist durchaus ein bisschen frotzelig gemeint, bzw. mit Augenzwinkern versehen 😁 Natürlich sind wir hier nicht offenkundig um Sorge um jemanden (außer beim ein oder anderen um sich selbst, ggf. mal übervorteilt zu werden von Leuten, die sich hinterhergeschmissene Titel leisten - das halte ich aber für sehr unwahrscheinlich, dass man damit weit käme, man würde auch auffliegen.). Im Grunde zielt es ja fast genau darauf ab: Aber tatsächlich gehört da schon ganz schön Mut dazu, gegen die kognitiven Verzerrungen des Herrn Dr. Müllers in spe (putativus) vorzugehen mit "Ich halte nichts von solchen Institutionen, niemand findet die gut und nach Aufwertung im Pass zu lechzen ist mir unsympathisch." Ehrlich gesagt, müsste ich auch überlegen, wie man das angehen soll. Es wäre natürlich tatsächlich ehrlicher und weniger passiv-aggressiv, als den Kern des eigentlichen Anliegens zu umschiffen mit Anak..., äh, Anabin, der Tier-List der Hochschullandschaft, Hochschulrechtsparagraphen usw. Das produziert dann die von dir schon angesprochenen zähnen Diskussionsverläufe. Könnte man sich auch sparen, schon. Aber man möchte ja auch keinem was unterstellen. Es ginge vermutlich explosiv zu 🙃 Insofern: Verständlich, dass man es dann halt von der empirischen Seite aus versucht. Ich glaube tatsächlich auch, dass es eher eine Grundsatzdiskussion (versuchte Übervorteilung und wie unsympathisch das andere zurecht finden, Selbstwert etc.), anstatt ein akademisches Problem ist, das da gewälzt wird. Mehr Diskussion über: "Warum muss ein Doktor schnell und möglichst ohne Anstrengung gehen? Warum ist die ,,Anstrengung" per se so unangenehm, wenn doch in Wahrheit eine Errungenschaft, wohingegen schnell = Qualitätsverlust?" wäre vielleicht ein Punkt, der einige interessiert. Dazu würde ich gerne Dr.Müller hören 😁 LG
  6. Nach erfolgreicher Approbationsprüfung allerdings. Also die staatliche Prüfung ist da auch noch ein Kriterium bzw. eine Hürde. :-). LG
  7. Vorab: Ich stimme da zu mit den Rankings und allem, was sie aussagen. Es gibt (für mich) bei Wissenschaft, Forschung und Lehre eine klare Linie und ein Dahinter und ein Davor. Hat einer ein Promotionsangebot vom Trinity College und eins von der World-Peace-Equilibrium University of Applied Sciences aus Lampukistan (willkürliches Beispiel 😃) ist vermutlich auch klar, wofür man sich entscheidet, ganz ohne vorher im Ranking nachgesehen zu haben 😁. Ich verwette da meinen "Oxford University"-Sweater (ist leider von H&M) drauf! Ich gehe davon aus, dass viele sich nicht aus akademischen Gründen oder gar aufgrund interessanter Forschungsfelder für Institutionen am Rande der Nostrifikation und Legalität entscheiden. Dass solche Institutionen behaupten, besonders toll zu sein, ist erstmal auch kein Wunder. Behauptet mein Deo auch - ich soll es ja kaufen. Dass ich danach "besonders dynamisch" wirke und es "96 Stunden hält", kann ich mir auch nicht vorstellen. Das ist ein Werbeversprechen, ähnlich wie "schreibe dich noch heute ein - und sichere dir JETZT dein exklusives Gratis-iPad, einen smart for two und eine Ernennung zum Bundeskanzler". Wenn man das mit dem Lehranspruch der Top-Ranking-Universitäten vergleicht und man bedenkt, dass manche das wohl für gleichwertig halten, fällt mir am High Table in Cambridge doch das heulende Portrait von Heinrich VIII. auf den Kopf, während ich gerade nichtsahnend meine Toad in the Hole vor der Part III-Tripos-Kursstunde futtere. Während wir bei Werbeversprechen von Deos übrigens u.a. den Verbraucherschutz haben, haben wir das in der akademischen Welt nicht, soweit ich das sehe. In der Tat bräuchte es vielleicht tatsächlich eine Art Schutz, die Studenten...ja, was eigentlich? Vor sich selbst rettet, weil sich nicht wissen, dass man 30.000€ für eine Promotion aus vermeintlichen Titelschmieden nicht mit einer aus Oxford oder Yale vergleichen kann? Oder - meinetwegen von der Ludwig Maximilian, der TU oder Charité? Darauf könnte man vermutlich kommen. Sie müssten eigentlich nur in die Rankings gucken. Aber - vermaledeit! - die machen das einfach nicht. Die Sehnsucht, schon bald mit "Dr.Müller" angesprochen zu werden (auch ohne Überflieger-Abitur oder in meiner 55-Stunden Arbeitswoche, neben der ich promovieren will), genau wie einst Dr.Hawking, Dr. Hubble, Dr.Oppenheimer, ist eine damn hard nut to crack. Oder eine Goldgrube, je nach Perspektive. Gut, aber wem oder was gilt nun die Sorge? Machen wir uns Sorgen um die Reputation uns unbekannter Doktoranden von der Weltfrieden-University of Applied Siences, Senses, Scen..., ach verdammt!!, Sciences vom Jupiter? Bringt uns der Gedanke, dass die sich finanziell ruinieren und am Ende einen Titel tragen, mit dem die Fachwelt sie auslacht, um den Schlaf? Ich glaube, da würden wir uns nämlich wohl ein paar Sorgen zu viel machen, bei aller Menschenliebe. Alle schützen kann man einfach nicht. Denn eigentlich kann ja auch jeder machen, was er will - mit seinem Geld, seiner Zeit, seinem Selbstwert und überhaupt allem, so lange es keinem schadet. Dr.Müller wird nicht mehr Liebe bekommen als Herr Müller zuvor. Bis er das erkennt, ist das Auto längst verkauft, na gut. Es schadet ja aber keinem. Dir auch nicht! Denn ich versichere dir, dass die Stellung deiner Promotion auf dem Arbeitsmarkt nicht gefährdet ist gegen inflationäre Titelkäufe. An Titel kann man vielleicht leichter herankommen heutzutage, aber echte Qualität kann man nicht kaufen 😊 Weiß auch der AG. So blöd ist der gar nicht. Fröhliche Woche, LG
  8. Vica

    Kommuni... was?

    Ich frage mich beim Lesen aber: Wärt ihr - also die Jugend von heute und du - dann tatsächlich so auf einer Wellenlänge? Das klingt schon so, als würdest du eine Gruppe beschreiben, zu der du dich gar nicht so zugehörig erlebst. Könnten daraus denn überhaupt fruchtbare Kontakte werden, wenn ihr euch schon so stark unterscheidet? PS: Bitte nicht vergessen, dass wir alle auch mal die "Jugend von heute" waren.
  9. Jedes Jahr im November ist Jahrestag meines Masterabschlusses. Dieses Jahr sogar schon der dritte. An jenem Master-Kolloquiumsmorgen im November 2020 war es ein unglaubliches Gefühl, nach insgesamt 6 Jahren einen Haken hinter das Psychologiestudium setzen zu können 😁. Ein bisschen Gelingdruck gab es ja damals auch, schließlich hatte ich meine erste Stelle als Psychologin schon, ebenso wie den Vertrag mit dem Ausbildungsinstitut - und die standen natürlich unter der Prämisse, dass das mit Master auch klappt. Es klappte auch, und der Rest des Lebens konnte beginnen. Mit etwas Pathos gesagt. Tja, nun sind ein paar Jahre ins Land gezogen. Zwischenzeitlich habe ich die superschicke Bachelor- und nicht ganz so schmucke Masterurkunde längst wieder abgehängt und ihnen ein neues Zuhause zwischen den Ordnern für die Steuer beschert. Eine Weile, vor allem am Anfang des Weges, haben sie mich voller Stolz daran erinnert, was möglich ist. Heutzutage muss ich sagen, dass beruflich mittlerweile andere Zwischenziele erreicht habe, von denen ich nun etwas mehr zehre: Etwa meine beiden Klinikjahre. Spontan würde ich lieber zweimal hintereinander bei den Hunger Games mitmachen, als das zu wiederholen 😐. Aber bereuen tue ich es auch nicht, denn es geschafft zu haben, verleiht mir Rückendeckung und in gewissen Dingen auch Chuzpe, welchen ich vorher nicht hatte 😄. Außerdem schaden solche Erfahrungen ganz und gar nicht, unter schwierigen Bedingungen einen Weg für sich gefunden zu haben. Vor allem die diagnostischen und medizinischen Erfahrungen dort sind unendlich kostbar und ein großer Vorteil gegenüber anderen Kollegen, wie ich immer wieder merke. Aber kurzum, hat mir der Master gebracht, was ich wollte? Das ist klar wie Kloßbrühe, zumal er der Türöffner für die Weiterbildung war. Bei Bewerbungen um Psychologenstellen (egal, in welchem Bereich) benötige ich den Master natürlich noch immer. Dass der Master eine klinische Ausrichtung hat, ist für die Stellen in Kliniken und Praxen natürlich ein Vorteil. Aber dort werden z.B. auch Psychologen mit Gesundheits- oder Pädagogik-Master eingestellt. Auch in Forschungsteams ins das so. Wer klinisch arbeiten möchte, kann das also durchaus auch mit seinem nicht-klinischen Master versuchen. Der Bachelor im Fach Psychologie ist bei diesen Bewerbungen übrigens nur noch Kosmetik, bei der Einstellung wird er nicht mehr verlangt (nur das beglaubigte Masterzeugnis). Der Bachelor wird allerdings von meinem Ausbildungsinstitut noch verlangt und auch das Landesprüfungsamt hat ihn einer Äquivalenzprüfung unterzogen, obwohl nur der klinische Master im Endeffekt ausschlaggebend ist (nicht jeder PPler hat einen Psychologie-Bachelor). Besonders überraschend finde ich auch heute noch die allgemeine Wertschätzung für diesen Abschluss, auch bei den Chef- und Oberärzt:innen bzw. generell den leistungsorientierten Kolleg:innen. Das Ganze war so vorurteilsfrei und voller Anerkennung, dass ich es kaum glauben kann. Dabei interessiert man sich vor allem dafür, wie man das denn mit Kindern, über die Entfernung und mit Job so wuppen kann, ohne direkte Kollegen. Ganz besonders viel Interesse an der Stelle erzeugt da der Bachelor aus England. Ich selber hänge das übrigens gar nicht so gerne an die große Glocke. Zu groß nach wie vor die Sorge vor Vorurteilen 😶Aber wie eine Kollegin neulich meinte: Leider gaslighted man sich hier selbst ziemlich. Und die Zweifler? Die, die genau wissen, dass mit einem (Fern)Studium ja nichts erreicht werden kann? Geben sie Ruhe, wenn man mit einem Abschluss plötzlich doch einen Job mit viel Verantwortung in guter Position erhält? Natürlich nicht. Die eine Hälfte tut so, als hätte sie nie was gesagt. Die andere Hälfte betreibt so eine Art "Abwertungs-Verlagerung": Es gibt seltsamerweise Mitleid für Dinge, die eigentlich toll oder völlig normal sind. "Och Gott, du leitest ein Team? Du Ärmste."; ,,Och, nur 10 Minuten von zu Hause weg der Arbeitsplatz? Du Ärmste.", etc. Das Medium ist hier egal: Die negative Sicht ist die Problematik. 🙃 Aber es gibt auch andere Veränderungen. In den 3 Jahren hat sich eine Menge verändert. Mittlerweile ist für viele dieser Art Weg zum PP verschlossen; die neuen Direktstudiengänge wurden eingeführt. Viel hat sich getan. Die heutigen Direktstudenten, die ich kenne, können sie unseren Master gar nicht mehr gut vorstellen. Und ansonsten? In meinem Umfeld mache ich das Berufliche generell wenig zum Thema, über Abschlüsse wird hier natürlich nicht gesprochen. Dafür sind Arbeitskollegen und Weggefährten da. Die Freizeit gehört der Family und den Hobbies. Darum sind wir auch nicht für unsere Berufe bekannte, sondern für unsere spektakulären Kinder-Parties 😁. Die meisten Nicht-Arbeitskollegen in meinem Umfeld denken, dass ich entweder Künstlerin oder Kinderbuchautorin bin. Über den echten Job sind sie dann meistens erstaunt. Den Schluss finde ich interessant - aber für mich ist das okay so. Immerhin scheine ich weniger den üblichen Klischees zu entsprechen 😁 Bleibt gesund und haltet zusammen, LG Feature Foto: The Lazy Artist Gallery/pexel.com
  10. Ach schön, dass du eine PT-Stelle hast! :) Ich glaube auch: Diagnostik ist einfach underrated. Ich überlege derzeit auch, mich in der KJP komplett in den Diagnostik-Bereich statt auf die Gespräche zu fokussieren.
  11. "Sehr geehrter Herr/sehr geehrte Dame, mit diesem Schreiben erhalten Sie ihre Steueridentifikationsnummer!" 😁
  12. Uuh, spannend. Bisher war die FernUni da ja kategorisch 😁 Aber selbst wenn ein Schwerpunkt käme, gehe ich erstmal eher von etwas Nicht-Approbationsfähigem aus.
  13. Guten Morgen, ich habe diesen Bug auch. Allerdings besteht der Blog auch länger als die Kategorien, denke ich 🙂
  14. Ich kenne das auch sehr gut, nicht nur vom Fernstudium, auch in der Weiterbildung. Vor allem das letzte Stückchen des Weges kann schnell eine ziemliche Qual werden. So richtig Motivation zu erwecken ist schwierig, wenn man auf dem Höhepunkt der Erschöpfung angekommen ist. Wichtig finde ich für mich selber immer, mir auch einzugestehen: Ich hab keinen Bock mehr auf das alles, und dass das so ist, hat ja auch Gründe. Ein Motivationskick ist bei mir höchstens der Wille, das alles jetzt abzuschließen und damit hinter mir zu lassen. Insofern hätte ich eher einen Notfallplan: Ich sehe immer sehr gerne das Licht am Ende des Tunnels, heißt, ich male mir täglich vor Augen: Zu Datum XY wird das Modul abgeschlossen sein. Yay! Das ist toll, so viel Freizeit, die kommt. Ich mache dann schon Pläne für die freiwerdende Zeit. Im nächsten Schritt freue ich mich, dass das Modul schon angefangen ist, weil das bedeutet, dass es auch bald abgeschlossen sein wird (Äquivalent zum Arbeiten gehen, obwohl keine Lust: Man freut sich, den Arbeitstag zu starten, weil man damit angefangen hat, auf den Feierabend hinzuarbeiten.) Ich belohne mich gerne (bei den Seminaren haben wir versucht, die Tage mit schönen Ereignissen vollzulegen: Essen gehen, Frühstücken gehen, gemütlich ins Café setzen, schöne Stadtbummel etc. oder alles zusammen. Je anstrengender was ist, desto krasser die Belohnung. Der Tag soll dann insgesamt mehr schönere Ereignisse haben, als das eine lästige. Ich bin übrigens auch ein großer Fan von: Druck rausnehmen und zur Not mit Minimum arbeiten. Vier gewinnt etc. The End is Nigh! 😃
  15. Dieses 15 Jahre alte Thema (das Ausgangsposting) ist wirklich ein kleines Juwel, danke für's Hervorholen 🙂 @Markus Jung. Ich hatte ihn zu meiner Anfangszeit im Bachelor schonmal gelesen und habe mich im Endeffekt sehr motiviert und verstanden gefühlt. Ein insgesamt schönes Beispiel für einen achtsamen und wohlwollenden Umgang mit sich selbst und den schwierigen Wettlauf mit der Zeit. Und wie schön auch, dass es bei @chillie ja auch im Endeffekt erfolgreich geklappt hat. Die Ausführungen kann ich lediglich durch persönliche Erfahrungen ergänzen: Besonders hilfreich fand ich die Akzeptanz, dass ich kein Student wie jeder 18/19jährige nach dem Abi bin, sondern anders an die Sache herangehen muss und habe meinen eh schon pathologischen Leistungsdruck Stück für Stück abgebaut. Zeitpläne brauchte ich nicht so sehr, generell eine eher niedrige Struktur. Hat man kleine Kinder, ist das Planen ohnehin schwierig - man weiß ja nicht mal, ob man gut durch die Nacht kommt. 😄 Threads wie diesen häufiger fände ich sehr schön, vor allem die selbstfürsorglichen Grundannahmen darin, fernab von Druck und großspuriger Selbstoptimierung. LG
  16. Passend zu Halloween heute eine interessante Beobachtung aus der KiJu-Psychiatrie über ein Störungsbild, das jüngere Kinder extrem stark belastet und von den Eltern häufig bagatellisiert wird. Ich hatte das große Glück, dass im Fernstudium darauf eingegangen wurde. Ich glaube aber nicht, dass das die Norm ist. Gibt es denn eine Störung, bei der Kinder im Vor- und Grundschulalter am liebsten selbst einen Termin in unserer Kinderpsychiatrie ausmachen würden, wenn sie könnten (statt, wie sonst, von den Eltern eher gegen ihren Willen gebracht zu werden)? Eindeutig ja, denn viele haben eine extreme Angst vor Monstern, Geistern und Gespenstern in der Nacht, die sie kaum schlafen lässt und manchmal zu echten Schlafdefiziten führen kann. Die wiederum führen dazu, dass sie in der Kita oder in der Schule und im sozialen Miteinander in Probleme kommen, da sie oft erschöpft und überreizt sind, womit viele Untersucher beim Verdacht auf ADHS sind. Die Problemlösekompetenzen sind mit Müdigkeit auch nicht mehr die besten, darum kann ein Kind schneller zuschlagen oder sich umgekehrt schneller vermöbeln lassen. Auch kann es zu Einnässen kommen. Man kann sie sogar als eigene Erkrankung codieren, wenn sie sehr ausgeprägt ist: F93.1 Phobische Störung des Kindesalters Wer kommt denn zum ungebetenen Besuch? Ungeheuer sämtlicher Varianten sind ganz schön gewitzt. Sie warten natürlich immer, bis die Erwachsenen weg sind und kommt dann heraus: Aus dem Schrank, vom Dachboden, Keller, dem Erdboden, manche gehen durch Wände, manche kommen aus anderen Dimensionen. Wiederum andere Spukgestalten kommen von außen ins Haus, wenn die Erwachsenen schlafen. Die Kinder sind dann überzeugt, dass sie den Geist die Treppe hochkommen hören. Stufe für Stufe. Manche wohnen auch in Häusern, die solche Überzeugungen stärken, in dem sie recht geräuschevoll sind: Die Fensterläden ächzen, der Wind heult, das Holz knarzt, die Mäuse tippeln auf dem Dachboden. Das Monster verwischt alle Spuren. Es gibt das aber auch in anderer Ausführung: Einige Monster sind in der Toilette versteckt und warten darauf, zuzubeißen, sobald ein Kind draufsitzt. Folglich wird die Toilette gemieden. Es wird lieber nochmal nach einer Windel gefragt. Den Grund möchte das Kind nicht sagen. Viele Monster verbieten dem Kind ja auch, darüber zu reden. Eltern denken dann oft unnötigerweise in die Richtung, dass das Kind Entwicklungsschritte rückwärts macht. Auch Außerirdische, die versuchen, das Kind nachts zu entführen, sind weit verbreitet. Bei religiösen Kindern ist es mehr Furcht vor dem Teufel, der sich nachts meldet, aber auch Angst vor Engelserscheinungen oder Angst vor dem Erscheinen verstorbener Verwandte gehören dazu. Verständnis gibt's nicht immer. Manche Kinder flüchten nachts ins Elternbett. Dennoch werden die Ängste oft abgetan mit "Monster gibt's doch gar nicht!", was nur dazu führt, dass die Kids sich unverstanden fühlen, denn die Angst bleibt. Einige werden nachts auch wieder zurückgeschickt. Am nächsten Tag bekommt man dann auch ein Fernseh- oder Medienverbot reingedrückt, daran muss es nach Auffassung mancher Eltern liegen (ist aber Quatsch mit Soße und führt wohl kaum dazu, dass ein Kind sich öffnen kann). Interessanterweise nehmen einige erwachsenen Kinder die verweigerte Hilfe damals ihren Eltern heute noch krumm. Fast alle meine (erwachsenen) Ambulanz-Patienten berichten dies. Ich kann mich daran erinnern, dass ich diese Spukängste in der Nacht als Kind auch hatte. Ein uraltes Haus aus dem 18.Jahrhundert kann sich nachts auf dem Dorf in ein Spukschloss verwandeln. Gleichzeitig war da eine gewisse Scham vor dem Problem. Was mache ich mit den Kids? Validieren: Ich versetze mich in seine Lage. Es muss fürchterlich anstrengend sein, die Nacht so zu bewältigen, statt in Ruhe zu schlafen. Und dass mir das sehr leid tut. Oft tritt an dieser Stelle schon die erste Besserung ein: Das Thema wird endtabuisiert. Im Narrativ bleiben: Ich möchte wissen, wie das Kind sich das Monster vorstellt. Ist es männlich oder weiblich? Welche Farbe hat es, was macht es so bei Tageslicht? Wo schläft es, wo wohnt es, wie kam es in diese Welt, wann hat es angefangen? Welche Geräusche usw. nutzt es, um das Kind zu erschrecken? Das Monster bekommt einen Charakter: Wir malen das Monster zusammen und es bekommt einen Namen manche Monster haben bereits Namen). Sokratischer Dialog: Ich möchte dann gerne (interessiert!) wissen, warum das Monster bei dem Kind eingezogen ist. Ich frage das Kind auch, warum es denkt, dass das Monster nur zu diesem Kind kommt - aber nicht z.B. zu den Geschwistern, Eltern, Freunden. Kann es sein, dass das Monster irgendwie einsam ist? Denn es könnte ja nachts schlafen. Das muss doch furchtbar anstrengend sein, jede Nacht diese Spukshow zu machen? Hat das Monster vielleicht Probleme in der Schule, wird es von anderen nicht so anerkannt? Könnte das Monster vielleicht versuchen, auf diese (blöde) Weise, Kontakt aufzunehmen? Das Monster flößt ja nur Angst ein, aber es schadet dem Kind nie - kann das bedeuten, dass es vielleicht gar nicht schaden will? Welche guten Seiten hat das Monster im Alltag? Was müsste es tun, damit man es mag? Helferfigur: Falls das Monster aber bitterböse ist, implementieren wir eine Helferfigur, vor der das Monster selbst Angst hat. Z.B. ein Spiderman-Poster aufhängen, den mag es nämlich gar nicht. Oder aber sich das Monster z.B. in Herzchen-Unterhosen vorzustellen. Schmusetiere wie Teddys können auch als Wache vor der Tür oder in den Schrank oder ans Fenster gesetzt werden etc. Akzeptanz: Wir sprechen auch ein wenig über das Gefühl Angst und dass Angst eine normale Empfindung ist, die den Menschen auch hilft. Denn die Nacht, die ist ja wirklich ein bisschen gefährlicher als der Tag. Ich will auch wissen, ob sie sich auch schonmal geirrt haben, z.B. bei Schatten, die ja oft total ähnlich aussehen können. Rollenspiel: Ich spiele (verkleidet) das Monster, das Kind kann mich alles fragen, oder auch verbannen, bestrafen, therapieren...whatever. Viele Kinder wollen selbst in die Rolle des Monsters schlüpfen :D. Für Zuhause empfehle ich oft die Monster AG oder Monster Uni von Disney (nicht selten ein ziemlicher Game Changer) oder Lektüre wie "Das kleine Gespenst", "Die kleine HExe" etc. Aber auch explizit Geschichten mit Gruselgestalten und mutigen Kindern, die sich selbst zu helfen wissen, z.B. Ronja Räubertochter, Harry Potter, Merida usw. Es gibt auch schöne Brettspiele mit eher positiv besetzen Gruselgestalten (Das verrückte Labyrinth, Schnappt Hubi, Geistes Blitz, Hubi). Kindgerechte Halloweenpartys sind ebenfalls eine tolle Gelegenheit, Dämonen, Geistern und Hexen eher positiv zu begegnen und mal in deren Rollen zu schlüpfen. Elternschule: Ich mache auch separate Elterntermine, um zu erklären, dass vor allem kleinere Kinder nicht zwischen Realität und Wirklichkeit unterscheiden können und ihre Angst kein Versagen ist, weder beim Kind noch bei ihnen wegen schlechter Medienkontrolle usw. Ich erkläre auch die Ursachen von Angst, dass das eine normale Emotion ist und wie sie die obigen Schritte ganz leicht selbst durchführen können (insgesamt ist das leider der schwierigste Part und auch, der am wenigsten umgesetzt wird). Schlussendlich: Zeit und Geduld! Nicht immer, aber manchmal treten diese Ängste als Stellvertreter-Angst bei Traumata, Trennung, Streits, wichtigen Entwicklungsschritten (Schulwechsel usw.), Verlust/Tod auf. Das müssen wir immer mit beachten und mit behandeln. Denn hier kann es sonst zu einer Angstverschiebung kommen: Hat man dann die Nachtängste behandelt, treten auf einmal Zwänge oder soziale Ängste auf. Aber das ist glücklicherweise nicht oft der Fall. Kleiner Fact am Rande: Alle oben erwähnten Ängste gibt's NATRÜLICH auch im Erwachsenenalter und zwar häufiger, als ihr denkt. Aber das ist eine andere Geschichte :-). In diesem Sinne: Fröhliches Halloween! Bleibt gesund und haltet zusammen, LG Feature Foto: Jan_Van_Bizar/pexel.com
  17. * Als ich am ersten Tag des Praktikums an der Anmeldung stehe und meinen Essensplan für eine Woche ausfülle, fällt mir die Dame bereits auf. Mit sehr schweren Schritten schreitet sie die Haupttreppe zur Lobby herunter, obwohl sie insgesamt zierlich ist und auch gefütterte Hausschuhe trägt. Sie zieht die Aufmerksamkeit auf sich. Das liegt nicht nur daran, dass sie so groß und komplett wie eine Trauernde in Schwarz gekleidet ist. Es ist auch, als schiebe sie etwas Schweres, Undefinierbares vor sich her. Es ist unsichtbar, aber doch irgendwie wechselswirkend mit allen anderen, denn viele drehen sich nach ihr um und machen gemischte Gesichter. Ein wenig wie die Definition von Dunkler Materie: Etwas, das wir nicht sehen, aber gleichzeitig doch nachweisbar gravitativ mit der Umwelt reagiert. Schwer zu sagen, wie alt sie ist. Bestimmt kaum 20, aber sie hat den Bewegungsapparat einer 80jährigen. Ich habe noch nie gesehen, dass sich jemand so bewegt, als gehöre er einer anderen Raumzeitdimension an als alle anderen. Sie erinnert mich auch an eine Tim-Burton-Figur, als sich wie ein Gespenst an mir Richtung Physio-Raum vorbeischiebt. Oder auch an eine Trauerweide, die sich mit größter Mühe aus der Erde gelöst hat. Passend dazu spreche ich von ihr nun als Frau T. Ich sehe Frau T. immer mal wieder im Verlauf der Wochen über das Klinikgelände gespenstern. Entweder beim Essen, alleine im Hof oder im Treppenhaus. Als Noch-Master-Studentin überlege ich die ganze Zeit fieberhaft, zu welchem Krankheitsbild diese Störung passen soll. Irgendwie schaffe ich es dann auch, einen Hospitationstermin bei ihrem Bezugstherapeuten zu kriegen und während der Therapiesitzungen dabei sein zu dürfen. Der Therapeut, selbst noch PiA, war damals ziemlich angenervt von der Patientin und verstand meinen Ehrgeiz weniger. Er sei schon der Dritte, der sich an ihr probieren würde, und der Chef habe auch keine Ideen mehr – auch medikamentös schlage alles fehl. Sie gelte als therapieresistent, hoffnungsloser Fall - und sei nur hier, damit das Schlimmste verhindert werden könne. Ich lernte, dass sie eine Major Depression hatte, eine schwere Form der Depression. In ihrem Fall auch eine hartnäckige Variante. Sie war nicht mehr arbeitsfähig und musste ihren Job aufgeben. Die Traurigkeit und die Antriebslosigkeit hatte sie komplett im Griff und zog sich durch alle Bereiche ihres Lebens. Insofern brachte Frau T. nichts mehr mit, womit wir arbeiten können und was wir „Ressourcen“ nennen: Keine Hobbies, keine Freunde, keine Beziehung, keine Zukunftsvorstellungen, kein soziales Umfeld außer den komplett ratlosen Eltern. Deswegen bissen sich vermutlich andere Therapeuten die Zähne an ihr aus. Dass auch die Medikation nichts daran änderte, machte die Ärzte und Psychotherapeuten etwas misstrauisch. Schnell entsteht der Verdacht eines Krankheitsgewinns für den Patienten. Dass sich eigentlich nichts ändern soll, weil es Vorteile mitbringe. Z.B. dass sich alle um einen kümmern. Und das kann sein. Dennoch finde ich sowas heikel. Es wäre ja auch pathologisch, auf diese Weise Aufmerksamkeit zu suchen. Schon während der ersten Therapiesitzung, bei der ich mit etwas Abstand anwesend sein durfte, fiel mir auf, was mir später in meiner eigenen PiA-Zeit bei sehr vielen Depressiven auffällt: Der gesenkte Blick nach unten. Um Blickkontakt muss man bitten. Es scheint den Betroffenen selbst nicht aufzufallen, sie erschrecken oft ein wenig. Wenn sie den Blick heben, sieht das sehr angestrengt aus. Als würde man aus dem Keller kommen und in die Sonne gucken. Die Mimik der Patientin ist quasi nicht vorhanden. Sie wirkt kalt, aber auch irgendwie sehr, sehr angestrengt. Erstaunlicherweise berichtet sie (mit monotoner Stimme ohne Timbre, was ich auch sehr typisch finde bei dem Krankheitsbild), dass es ihr heute eigentlich ganz gut würde. Das bringt sie aber nicht rüber. Sowas wird man als klinischer Psychologe im Befundbericht später als „affektverflacht“ eintragen. Frau T. geht mit dem Therapeuten ihre Diary Card durch, eine Art Tagebuch mit Vordruck, die sie von den Ärzten bekam. Täglich muss sie ankreuzen, wie lange der Schlaf, wie hoch die Suizidgedanken, wie viele Mahlzeiten sie eingenommen hat. Daraus geht auch hervor, dass sie erneut von ihren Therapiegruppen ferngeblieben ist. Es sei zu viel Angst aufgekommen und sie hätte sich nicht motivieren können. Ich nehme ein bisschen Genervtheit beim Therapeuten wahr. Offenbar haben sie schon oft Situationsanalysen mit konkreter Hilfestellung besprochen, die die Patientin aber nicht umgesetzt hat. Auch das ist typisch bei dieser Depressionen: Fehlender Glaube, die Zukunft irgendwie positiv beeinflussen zu können. Das Schlimme ist auch: Man hält dieser Düsternis für die Realität. Häufig ist die Aussage: „Das bringt ja eh nichts.“ Auch diese Patientin spricht ein heikles Thema an: Sie habe gehört, dass man im Team schon Witze über sie reiße. Natürlich beschwichtigt der Therapeut hier, aber es scheint mit schon zu stimmen. Wo immer man ihren Namen anspricht im Haus, überall werden die Augen über sie gerollt. Ich verstehe das weniger – sicher, einerseits ist die Reaktion authentisch, andererseits ist Ablehnung und Genervtheit bei Depressiven immer Gift und wird sie wohl kaum motivieren. Dass auch Depressive lernen müssen, dass sie bei anderen aufgrund ihres (beinflussbaren) Verhaltens unter anderem zwischenmenschliche Probleme bekommen, mag ja stimmen – aber dafür würde ich eher Phasen wählen, wo der Patient viel stabiler ist. Meinem Verständnis entzieht sich aber, warum alle diesem Fall so abgeneigt sind. Ich finde ihn unheimlich interessant. Das Leid der Patientin ist nachvollziehbar. Klar, ihre Sorgen entsprechen nicht der objektiven Realität - aber andererseits empfindet sie es eben so und leidet darunter. Während ich im Raum sitze und zuhöre, spüre ich fast körperlich diese unfassbare Schwere, die von der Patientin ausgeht. Wie ein schwarzes Loch, das die Raumzeit anders dehnt als alle anderen Objekte im Raum. Das erzeugt eine unangenehme Stimmung. Ein wenig, als würde man einer Beerdigung beiwohnen. Sie berichtet vergleichsweise offen, was sie quält. So viel Hoffnungslosigkeit, Befürchtungen, Ängste und das Gefühl, dass die Zukunft gar nichts für sie bereit hält (nichts Positives jedenfalls). Sie kämpfe den ganzen Tag gegen den Drang, sich im Bett zu verkriechen. Zuhause tut sie das auch, manchmal tagelang. Schuldgefühle plagen sie bis in den kleinsten Lebensbereich. Dann folgt eine Abhandlung über die Überzeugung, für andere eine Last zu sein und die macht mich beim Zuhören traurig. Es ist bedauerlich, dass ein so junger Mensch so denkt. Mich lässt dieser Fall jedenfalls nicht los. Jeden Abend krame ich noch ein wenig in den sehr guten Studienbriefen meiner Hochschule (die sind ja von Hogrefe) und bestelle etwas über Major Depressions. Wir hatten auch sehr gute Vorlesungen zu diesem Fall, so dass ich weiß, wo ich suchen muss. Ich frage mich, wie es sein muss, so am Leben zu leiden. Und stelle mir vor, dass man sich vielleicht fühlt wie jemand, der durch die Dunkelheit des Weltalls schwebt. Kein Licht zu sehen. Völlig orientierungslos. Alles eher bedrohlich. Man könnte sich bewegen und kämpfen, um seine Richtung zu beeinflussen, aber es wäre sehr schwer. Erst recht würde man die Kraft nicht aufbringen, wieder auf einem Planeten zu landen und dort Fuß zu fassen. Warum auch? Man weiß ja nicht, ob es gut sein würde dort. Und in seiner Zeit im leeren All hat man vielleicht verlernt, mit den Bewohnern zu kommunizieren. In diesem Bild überlege ich mir, welchen Mehrwert ich da als kleiner Praktikant noch liefern kann. Oberarzt: Hat medikamentös schon alles ausprobiert. Ist genervt, weil langsam zu viele teure Medikamente bestellt werden müssen. Stationsarzt: Häufig zufällig nicht anwesend, wenn sie bei ihm klopft. Komplett ratlos. Chefarzt: Verliert die Geduld mit ihr. Will ein neues Bett. Ihr PiA-Therapeut: Genervt, hat alles ausprobiert, sie macht aus seiner Sicht nichts mit, das gilt als „nicht änderungsmotiviert“. Ergotherapeutin, Sporttherapeutin, Krankenschwester, Koch: Alle verdrehen die Augen. Allein bin ich deutlich älter als viele Jung-Therapeuten und der übliche Praktikant. Kann ich mir dadurch mehr Geduld abringen? Und was mache ich damit? Wenn ich also so jemand wäre, der in der Dunkelheit schwebt, was bräuchte ich, um mich auf dem Planeten wieder zu erden? Und den Aufwand zu betreiben, dort zu landen? Vielleicht eine Art Guide. Einen Vermittler zwischen den beiden „Biotopen“. Sicher aber keinen, der mir Vorwürfe macht. Und auch keinen mehr, der mir sagt – direkt oder indirekt – dass ich mit meiner Depression nicht okay bin. Und auch dass das All, die Dunkelheit, nunmal existiert, das muss man akzeptieren. Aber vielleicht kann man dann ebenfalls akzeptieren, dass es außerhalb des Planeten existiert und weil es da ist, das Leben auf dem Planeten nicht direkt beeinflusst. Da kommt mir die Idee der therapeutischen Spaziergänge. Der PiA-Therapeut ist nun auch langsam genervt von mir, aber hält es für eine gute Idee. Die Gespräche bringen ja eh nichts. Er hat keine Zeit, also kann ich mit ihr gehen. Und das machen wir die nächsten 4 Wochen. Immer eine ganze Stunde. Wir brauchen lange, da sie sehr langsam geht. Was mir auffällt, ist dass sie die Dinge um sich herum nie so betrachtet. Also lenke ich die Aufmerksamkeit dahin. Auf simple Dinge, wie Blätter, Blütenformen, Hunde, Spaziergänger, Geschäfte, Schaufenster. Immer wieder frage ich sie nach ihrer Meinung, um sie ins „Diesseits“ zu holen. Anfangs ist es nicht leicht, weil sie sehr in ihrer Welt ist. Wie sie sich bewegt und wie sie so in ihren dunklen Gedanken versunken ist, erinnert sie mich an einen Kriegsheimkehrer, der unglaubliche Dinge gesehen hat. Es fällt auch anderen Leuten auf. Und doch fällt mir ein wesentlicher Punkt auf, den alle anderen nicht berücksichtigen: Bei ihr darf nichts sein, wie es ist. Von allen Seiten gibt es Aufträge und Erwartungen. Die weiteren Qualitäten dieses Menschen mit Depressionen scheinen niemanden zu interessieren. Also lasse ich das Psycho-Gebabbel. Ich bringe sie stattdessen dazu, mir Dinge zu erklären, die sie gut kann (und natürlich nicht wertschätzt). Ich lobe sie nicht - weil sie kein Hund ist. Stattdessen erkläre ich, dass ich das demnächst mal so umsetzen will, wie sie es empfiehlt. Ich frage mich, ob das Bild mit dem Weltall vielleicht nicht so gut passt. Vielleicht ist so eine schwere Depression eher eine Mauer, die jeden Morgen droht, auf einen zu fallen. Um nicht erschlagen zu werden, muss der Erkrankte seine ganze Kraft dagegen stemmen. Links und rechts von ihm sind allerdings so viele Leute, die noch etwas von einem wollen: Medikamente, Arbeit, „Lach doch mal!“, „Du musst dies, das…du darfst nicht…du machst nicht…“ etc. Dabei geht’s nicht darum, die Mauer zu sprengen und abzubauen. Sondern mehr darum, sie zu stemmen. Entweder, indem man helfende Arme anbietet. Oder Ideen, die Mauer zum Stehen zu bringen. Auch mit einer Mauer kann man im Leben teilnehmen. In den nächsten Wochen freuen wir uns beide auf die Spaziergänge. In der Klinik ist das bald ein Running Gag. Frau T. kauft sich sogar neue Schuhe, die längeres Wandern zulassen. Ihre Depression ist natürlich immer noch da. Unter anderem. Ihr PiA-Therapeut zieht irgendwann Bilanz beim Chefarzt und seinem Supervisor. Er lobt dort die Entwicklungen seit der Spaziergänge. Die Patienten spreche nun mehr und gehe immerhin schon wieder zu den Gruppen. Doch dann ist Schluss. Der Chefarzt, der sie nicht mal mehr in den Visiten empfängt, schmeißt sie raus. Besser gesagt: Überweist sie in einer Klinik, in der sie sich einer Elektrokrampftherapie unterziehen soll. Die ist am anderen Ende des Landes. Vielleicht bringt das ja noch was, stellt er schulterzuckend fest. Den PiA-Therapeuten hört er gar nicht erst an dazu. Keiner im Kollegium versteht es, auch die Sonst-so-Genervten nicht. Für die Patientin ist es die ultimative Ablehnung. 5 Wochen hätten sie noch gehabt hier. Nun muss sie gehen. Und das schon recht schnell. In nur 3 Tagen muss sie gehen. Ich finde es höchst bedauerlich. Den Chefarzt interessiert aber nicht, was die Praktikantin zu sagen hat, das hatte ich mir vorab schon gedacht. Dass er sie jetzt kickt, wo sich ihre Lage wieder entspannt und sie auch wieder mehr teilnimmt: Bedauerlich. Dass es nur "eine gute Phase" ist, ist natürlich nicht von der Hand zu weisen. Dennoch wird es beschlossen, nicht mit ihr abgeklärt. Sie schreibt damals fleißig Briefe an alle, bei denen sie sich bedanken will. Auch an mich. Ich habe ihn sogar immer noch. Trotz des Ausgangs bin ich vergleichsweise froh über die Erfahrung. Heute immer noch sozusagen mein innerer Präzedenzfall im Umgang mit Depressiven. :-) ______________ * Dies ist eine kleine Serie über meine Ersterfahrung mit gewissen Störungsbildern aus meiner Klinikzeit, über die ich damals nicht so gerne sprechen wollte. Es sind Störungsbilder und Situationen, die viele beim Wunsch, Psycholog:in bzw. Therapeut:in zu werden, nicht so auf dem Schirm haben. Wenn du Psycholog:in werden willst, denk dran, dass du auch mal damit konfrontiert wirst und mit Patient:innen, die man nicht immer ,,heilen“ kann. Heilung ist auch nicht immer das Ziel. In regelmäßigen Abständen stelle ich euch meine Ersterfahrung mit Störungsbildern vor. Dabei beziehe ich auch mit ein, wie mir das (Fern)studium half. Die Patienten sind dabei oft ein Konglomerat aus verschiedenen Patienten. Bleibt gesund und haltet zusammen 😊. LG FEature Foto: Andrea Piacuquadio/pexels.de
  18. Nach fast 3 Jahren und über 40 Seminaren sowie 600 Theoriestunden kann ich freudig verkünden: An diesen Ausbildungs-Baustein kann ich nun ebenfalls einen Haken machen. Mit anderen Worten: Das war's mit dem theoretischen Teil der Ausbildung. Und das bedeutet nicht nur, der großen Staatsprüfung immer näher zu kommen, sondern auch, dass unheimlich viele zeitliche und finanzielle Kapazitäten frei werden. Denn ich muss nun weder für ein Wochenende regelmäßig zum Institut (150 km) pendeln, noch an Zoom-Veranstaltungen teilnehmen. Letztere wurden Ende 2021 ohnehin fast komplett wieder abgeschafft. Anders als bei den 2 Klinikjahren blicke ich trotz der ganzen Anstrengung - physisch wie psychisch - doch etwas wehmütig zurück. Denn es waren unfassbar intensive und wesensverändernde 3 Jahre. Ich habe viel gelernt über Störungsbilder, Interventionen und im Endeffekt auch über mich selbst. Ich würde sagen, dass ich heute ein komplett anderer Typ bin. Vor allem aber bekam ich Kontakte und Vernetzung und auch Berührungspunkte zu psychotherapeutischen Stars. Gute Freunde und Bekannte habe ich ebenfalls gefunden. Sogar meine Familie kennt sie mittlerweile sehr gut. Nicht nur unsere 3 Institutsambulanzen werde ich vermissen. Sondern auch Dinge aus dem zwischenmenschlichen Bereich: Das Hotel mit dem Kinobildschirm (kommt hier nicht so gut rüber) Hier fing es vor gut 3 Jahren im Dezember 2020 an. Ins Hotel durfte man aufgrund der damaligen Pandemiemaßnahmen nur, wenn man einen sehr guten Grund für eine Geschäftsreise nachweisen konnte, die irgendwie mit Systemrelevanz zu tun hatte. Deswegen war ich damals auch nur 1 von einer Handvoll Gäste, als alles startete. Mitarbeiter gab es gar nicht, der Check-in & out fand über Telefon statt. Später fuhr der Gastronomiebetrieb natürlich wieder hoch. Nimmt man immer dasselbe Hotel, wird es irgendwie heimisch mit der Zeit. Frühstück Anfangs waren Hotel-Bars und Restaurants natürlich noch geschlossen, so dass ich mich mit meinen Mitstreitern traf und wird durch die unbekannte Großstadt tuckerten, um irgendwo eine Bäckerei zu finden, in der man Frühstück to-go mitbekam. Später fand das Hotelfrühstück wieder statt und war so eine Bereicherung vorm Seminar, dass wir uns mitunter vor der Reise drauf freuten. Es hielt teilweise bis zum Abend der Abreise vor. Die Abende nach dem ersten Seminartag Der erste Seminartag ist immer der anstrengendste, wenn er um ca. 20 Uhr zu Ende ist. Also ging es in Gruppen stets nochmal zur Gastronomie. Das hob jedes Mal die Stimmung und man ging zumindest nicht hungrig ins Bett. 😁 Chillen in Bordrestraurant Sich mit ebenfalls pendelnden Mitstreitern im Bordrestaurant treffen und gemütlich die 150km-Fahrt mit Kaffee und Kuchen hinter sich bringen war immer eine phantastische Art und Weise, die Reise zu starten. Manchmal sind wir so auch wieder zurückgefahren. Und natürlich darf ein persönliche Hitliste nicht fehlen: Bestes Seminar (Präsenz): Für mich ein Seminar über Essstörungen, weil die Dozentin so begeistert aus dem Berufsalltag plauderte. Sie hat es geschafft, dass man ahnungslos in das Seminar ging und sich hinterher super gut zutraute, auf so einer Station zu arbeiten. Dass an dem Tag die Flipchart auseinander fiel und der apfel für die Präsentationen einfach starb hielt sie nicht auf. Ansonsten eins zu Suizidalität&Krisenintervention aus demselben Grund. Bestes Seminar (Zoom): Ein Seminar zum Thema "Ausscheidungsstörungen". Hier passte alles: Die virtuelle Arbeitsumgebung via gather.town, die mir totales Secret-of-Mana-Feeling gab, bis hin zur Tasse der Dozentin, die der Poo-Smiley aus WhatsApp war. Einfach superb! Ebenfalls toll: Das zu Mutismus. Das einzige Seminar, in welchem es erlaubt war, im Chat zu schreiben, statt nur Wortmeldungen zu machen. Schlechtestes Seminar: Eines via Zoom, in welchem die Dozentin inklusive cringer Schauspieleinlage einen Live-Nervenzusammenbruch bekam. Eines zum Thema Autismus, in welchem ein Chefarzt mit Hintergrunddienst in der Klinik von seinem Hinterzimmer aus sendete und permanent auf Station gerufen wurde. Der hatte so wenig Lust und lästerte so viel über Patienten, es grenzte an Arbeitsverweigerung. Und jetzt? Geht's weiter mit dem letzten Baustein der Lehrpraxis, also den Behandlungsstunden. Auch hier müssen 600 zusammenkommen. Ich freue mich über viele freie Wochenenden. Bleibt gesund und haltet zusammen, LG Feature Foto: 100_files/pexels.com Hochgelandene Bilder: Privat
  19. Ich habe mal auf Netflix "Liebes Kind" angeschaut über eine Frau, die aus einem Bunker flieht, in welchem ein Entführer sie festhielt und scheinbar auch einige Kinder mit ihr zeugte. Eine deutsche Mini-Serie, die mich insgesamt stark an "Raum" von Emma Donoghue erinnert, aber irgendwie auch eine dezente "Dark"-Atmosphäre schafft. Es geht dann um alles, was nach der Flucht passiert: Anpassungsstörungen, Aufklärung, Tätersuche, Angehörige. Bei den ersten Episoden war ich mir sogar nicht sicher, ob das in eine leichte Mystery-Richtung geht. Hatte dann leider eine ziemliche PiPaPo-Auflösung à la mittelmäßiger "Tatort". Wer aber Atmosphäre und Spannung mag, kann ja mal reinschauen. Wie bei "Raum" existiert ebenfalls eine Buchvorlage dazu. LG
  20. Jap, das kriegen wir auch regelmäßig zurückgemeldet! :) Was mir auch noch einfällt, sind Adipositas-Zentren, in welchen man Sporttherapie anbieten kann. Das ist ein wachsendes Feld, auch z.B. bei Kindern- und Jugendlichen. Ich fand diese Kurse so spannend, dass ich mir den Sporttherapeuten damals auch mal überlegt hatte (vor der PP-Ausbildung). LG
  21. Absolventenfeiern ohne Begleitpersonen kann ich mir auch nur schwer vorstellen. Schließlich will man ja auch schöne Erinnerungen voller Stolz schaffen. Für manche Angehörige der Fernstudis ist es vermutlich auch ein Moment, in welchem das Fernstudium sich für sie nochmal sehr real anfühlt (sie sehen ja nicht immer viel davon). Und es ist eben auch immer schön, wenn der eigene Erfolg dazu führt, dass die Familie auch was zu Feiern hat (sehe ich jedenfalls so). Unter einer virtuellen Feier kann ich mir gar nichts vorstellen, das wirkt auf mich nicht wie ein attraktives Trostpflaster. Ich habe mal einen virtuellen Stadtrundgang der Uni Bern mitgemacht, den ich mir auch nicht vorstellen konnte und der im Endeffekt mega war - insofern würde ich mir vielleicht mal anschauen, was das ist. Alleine zu kommen, finde ich dennoch, naja, schade. Wenn man sich nicht durch Präsenzphasen oder intensive Zoom-Meetings vorher kennengelernt hat, ist man sich dort ja eher fremd. Ich mische mich zwar gerne auch mal unters Volk, aber ich finde dennoch, dass man auch Angehörigen die Gelegenheit geben sollte, mitzufeiern, da sie es ja auch oft sind, die einem den Rücken frei halten. In Form von Zeit entbehren, Kinderbetreuung, Zahlungen, Mut/Trost zusprechen oder whatever. Da finde ich auch, dass die Hochschulen mutiger werden dürfte, es klappt ja überall anders auch. Sollte es an Sparmaßnahmen beim Catering liegen, kann man ja Eintrittspauschalen erheben. Machen hier die Abibälle ja auch. LG
  22. * Der Herr im Anzug ist auf Station eine imposante Erscheinung. Nadelstreifen und Budapester da, wo Patienten sich üblicherweise notdürftig Bekleidung beim Sozialarbeiter ausborgen müssen. Herr X. weiß das. In der kurzen Zeit, die er hier ist, hat er schon alle genau gescannt. Nur der Chefarzt, der hat ihn trotz seines guten Aussehens noch nicht angesprochen. Das wäre ja der Normalfall gewesen. Vielleicht ein Versehen: Man könnt ihn mit einem Bewerber auf eine Oberarztstelle verwechselt haben. Dabei ist Herr X. eigentlich Anwalt. Also: Nicht wirklich. Er hat keinen Abschluss, kein Stück Papier, welches das bestätigen würde. Aber er kennt sich aus. Garantiert mehr als die meisten Anwälte. Er hat schon einige verklagt. Oder naja, vielleicht auch nur angezeigt. Aber hey: Zurecht. Er mag von Haus aus Handwerker sein. Das aber eigentlich nur, weil man ihn dazu gezwungen hat, da man seine Intelligenz nie erkannt hat. Juristisch begabt. Also auch Anwalt. Im Herzen. Das zählt genauso. Von der Pflege hält Herr X. bisher nicht so viel. Die sind für ihn wie die 7 Zwerge, während er lieber mit Schneewittchen sprechen will: Dem Chefarzt Wo ist der denn bloß? Zehn Mails hat er ihm gestern vom Handy aus geschrieben. Und noch öfter hat er seine Nummer gewählt, die auf der Homepage steht. Aber Pech, da landet man ja nur beim Pförtner. Der Stümper will ihn nicht verbinden. Dabei können nur Höchstkompetente ihm helfen, hier wieder rauszukommen. Dass er hier ist, liegt an einer Verschwörung der Polizei gegen ihn. Der Chefarzt wird dies verstehen. Er hofft nur, dass er dem Chefarzt gewachsen ist. Was, wenn sich mal nicht so gut ausdrücken kann? Er ihn vielleicht am Ende nicht versteht? Eine Reihe von Befürchtungen bricht über ihn herein und er muss seinen Kragen lockern. Herzrasen und schon wieder diese verdammten Schwitzanfälle. Angst. Durchfall-Gefühl. Flüchtige Gedanken an Wodka und Diazepam – der offizielle Grund, warum er hier ist. Außer Reichweite leider. Herr X. muss also doch zunächst von der ersten in die zweite Klasse umsteigen: Mal sehen, was Stationsätzte und Psychologin so machen. Die kommen ran an den Chefarzt. Doch: Was steht da aber an der Tür des Stationsarztes? Sprechstunde erst heute Nachmittag! Gut, aber für besondere Fälle wie ihn werden die eine Ausnahme machen. Die sind doch eh da. „Du! Mädchen!“ sagt er zu der 46jährigen Dame, als spreche er mit einem Äffchen, für das er eine Banane dabeihat. ,,Komm, schließ mir mal auf! Ich weiß, dass er Arzt da ist und ich muss da rein. Und du siehst aus wie jemand, der Ahnung hat. Weißt dich ja auch zu kleiden!“ Doch er hat sich in die Nesseln gesetzt. Statt sich geschmeichelt zu fühlen, faucht sie ihn an: ,,Herr X., wie oft soll ich es Ihnen noch sagen? Auf Station herrscht Maskenpflicht. Und die Sprechzeiten stehen dran! Sie zählen für alle!“ Soviel zu dieser Idee. Blöde Ziege. Nachher mal beim Staatsanwalt anrufen und aufs Band sprechen, dass der mal seinen Hintern hierher bewegt. Kurze Zeit später steht er in der Tür der Psychologin und streckt ihr die Hand entgegen. Er sagt widerwillig: ,,Guten Tag! Ich bräuchte mal jemand Kompetentes, der mir weiterhilft.“ Widerwillig, weil er sie natürlich nicht für kompetenter hält als sich selbst. Aber er muss das ja sagen, anders hören diese Spinner hier ja nicht richtig zu. Dazu muss man schleimen. Ihn würgts, dass er das tun muss. Aber so läuft es im Leben – nur die Besten wissen, wie man es spielt. Denkt er. Verlassen kann man sich auf Leue nicht. Vertrauen kann man niemanden. Schwächen dürfen auch nicht sein, die machen einen SO angreifbar. Das hat er früh gelernt, in seiner Kindheit. Etwa als sein Vater ihm mit der Zange die Zähne rausdrehte, wenn er mit schlechten Noten nach Hause kam. Oder ein Brief von der Lehrerin kam, dass er heute schon wieder eingenässt hätte. Sei’s drum. Er ist es gewohnt, unterschätzt zu werden. Das hat nur abgehärtet. Herr X. betrachtet die Psychologin wie ein schlecht gebratenes Steak. In welchem Film ist er denn jetzt hier? Der sind gerade die Blätter aus der Akte gefallen. Der Stift, den sie hat, schreibt nicht, sie muss einen anderen holen. Ohje, denkt er. Ich seh schon, da muss ich aber mal für Ordnung sorgen. „Das ist ja ein ganz schönes Chaos hier, Fräulein!“ meint er und deutet auf den Aktenstapel auf dem Schreibtisch. Die Psychologin merkt tatsächlich Schamgefühl aufkommen: Für den Vorwurf, unordentlich zu sein. Den hat sie in ihrer Kindheit oft gehört. Da hängt viel Beschämung dran an solchen Erinnerungen, auch Gefühle von Kontrollverlust. Die werden noch krasser angezapft, als der Patient mit hochgezogenen Brauen loslegt: ,,Wir können das hier abkürzen, wenn Sie mir einfach den Chefarzt ranzitieren und ihm sagen, dass ich gehen kann. Denn mal ehrlich: Was soll das hier? Mal ehrlich: Würden SIE für sowas hier Krankenkassenbeiträge zahlen?“ Da ist der Imposter in ihr angezapft, wie ihn Fernstudis oft haben. Sie spürt den Druck, Herr der Situation zu werden – weiß aber auch: Darum geht’s hier nicht wirklich. Der Chefarzt hat schon in die Akte geschrieben: F60.8. Keine klare Diagnose, ein Sammelbegriff für vieles. Aber jeder Kliniker weiß es, was gemeint ist: Narzissmus. Ja, der Chefarzt hat keine Lust auf ihn – sie weiß es aus der Nachtdienstübergabe. Und auch die Pflege will ihn nicht, und auch nicht die Patienten. Alle beschweren sich über sein manipulatives Verhalten. Dass er seinen Urin am Mitpatienten verkauft, abgepackt in die Duschgelflasche, damit sie ihn am nächsten Morgen für die Urinkontrolle nutzen können. Dass er sich Dinge nimmt, als gehörten sie ihm, ins Pflegezimmer marschiert und fordert ohne Ende. Aber: Sie kann nicht anders, sie muss ihn damit konfrontieren, dass er mit Rechtsbeschluss hier ist. Und nur der Richter das aufheben kann. Da gibt’s kein Halten mehr: „ Das ist ja das Dümmste, Unattraktivste, Inkompetente, was ich je gehört habe! Ein Drecksladen ist das hier hoch!“ brüllt er, steht auf und geht aufgebracht im Kreis hin- und her. Es folgt ein Schwall an Gemeinheiten und Wut. Nicht auf sie, auf alles. Er lässt sie nicht ausreden, unterbricht sie, kränkt bewusst. Er ahnt es, auch wenn er es verdrängt: Er ist ein schwieriger Typ. Man KANN ihn nicht aushalten, das ist ihm bewusst. Im Ansatz. Aber keiner darf das sehen. Oder erahnen. „Sagen Sie mal“, meint sie, „Sie sind doch ziemlich hochgewachsen, wie groß sind Sie eigentlich?“ „Naja, so ungefähr 1,87. Eigentlich Standard…“ antwortet Herr X. verwirrt. „Aus meiner Sicht ist alles über 1,75m riesig“, sagt sie. „Seit Wochen bekomme ich das obere Kippfenster nicht zu. Darf ich Sie darum bitten, es einmal zu schließen?“ „Aber sicher!“ antwortet Herr X. altväterlich und schließt es. Danach kehrt er zum Platz zurück. „Sehen Sie, ich verstehe, was Sie mit Drecksladen meinen. Selbst bei mir ist das manchmal so, dass ich so denke. Denn ich finde hier keinen, der mir mal kurz hilft, das Fenster zu schließen. Ich höre immer nur: Sorry, keine Zeit! Wissen Sie, was da in mir aufkommt? So ein Gefühl von Hilflosigkeit. Und wenn Sie sagen, dass sie schon so lange versuchen, den Chefarzt zu sprechen, weil sie ein Anliegen haben, aber alle Türen immer wieder zu sind, ist das im Grunde doch dasselbe. Aber ich arrangiere mich damit, ich ziehe mich etwas dicker an. Und wenn ich lese, dass Sie seit vielen Jahren obdachlos sind, aber aussehen wie ein CEO, denke ich, Sie müssten auch ein dickes Fell haben, richtig?“ Die nächsten Tage kommt Herr X. häufiger zur Psychologin. Er fühlt sich beschwingt wie lange nicht. Die nächsten Tage nimmt die Psychologin Extra-Termine mit der Supervisorin wahr. Sie fühlt sich ausgebrannt wie lange nicht. Keine Ahnung, warum. Sie schläft schlechter, hat Kopfweh, fühlt sich irgendwie inkompetenter als sonst. Die Supervisorin nimmt sich die Zeit. Aus der Tasse Kaffee bei ihr wird ein Liter Kaffee und Kuchen bringt sie auch mit. So sind sie, die Grünschnäbel. Immer diese Rettungsphantasien und den Anspruch, Patienten von allem heilen zu wollen. Es sind sehr intensive Gespräche. Aber sie werden der Psychologin viel bringen, die sich später sehr intensiv mit dem Thema Narzissmus auseinandersetzt. Wenige Tage später hat Herr X. erreicht, was er wollte: Er hat sein Chefarzt-Gespräch bekommen. Und ist wieder auf freiem Fuß. Nur 5 Minuten hat das gedauert. Gut, es lief anders, als geplant. Am Ende sprach er eine Morddrohung gegen den Chefarzt aus und bekam Hausverbot. Kann ich doch nichts für, dass der mich so weit bringt. Und Herr X.? Hat doch gleich gewusst, dass das nichts taugt. Sauladen. Ein bis zwei wertschätzende Erinnerungen gab es aber doch. Der Pfleger, der ihm Haargel lieh. Vielleicht auch die Gespräche mit der Psychologin. Die Putzfrau, die war wenigstens noch so menschlich. Dennoch: Sauladen. Hat er doch gesagt. ______________ * Dies ist eine kleine Serie über meine Ersterfahrung mit gewissen Störungsbildern aus meiner Klinikzeit, über die ich damals nicht so gerne sprechen wollte. Es sind Störungsbilder und Situationen, die viele beim Wunsch, Psycholog:in bzw. Therapeut:in zu werden, nicht so auf dem Schirm haben. Wenn du Psycholog:in werden willst, denk dran, dass du auch mal damit konfrontiert wirst und mit Patient:innen, die man nicht immer ,,heilen“ kann. Heilung ist auch nicht immer das Ziel. In regelmäßigen Abständen stelle ich euch meine Ersterfahrung mit Störungsbildern vor. Dabei beziehe ich auch mit ein, wie mir das (Fern)studium half. Die Patienten sind dabei oft ein Konglomerat aus verschiedenen Patienten. Bleibt gesund und haltet zusammen 😊. LG FEature Foto: Andrea Piacuquadio/pexels.de
  23. Hallo @Shirani, ich finde deine Überlegungen schon recht spannend. Es ist aber häufig eine Frage, wie die Leute den Weg zu einem finden. Ich arbeite z.B. in einer KiJu-psychiatrischen Praxis und habe viele Patienten mit LRS und generell Lernschwierigkeiten. Meines Erachtens kommen viele Eltern dahin, wo der bürokratische Aufwand generell geringer ist und wo die Kosten von der Krankenkasse gezahlt werden. Bei Kindern mit speziellen Schwierigkeiten haben sich da z.B. solche Praxen wie unsere oder aber die Ergotherapie erfolgreich etabliert. Gegen solche Praxen würde man auf dem Markt als Selbstständige(r) dann antreten. Andererseits könntest du als so ein Lernpsychologe ggf. auch in einer Ergo-Praxis oder auch einer psychiatrischen Praxis arbeiten. In unserer Praxis sind z.B. ein Bachelor in Pädagogik oder Psychologie das Minimum. Man muss bedenken, dass viele Eltern strukturelle Schwierigkeiten haben, weil sie sich für Termine freinehmen müssen, nicht gut deutsch können oder generell das verwirrende System nicht so gut durchblicken (viele denken z.B., dass sie beim Psychiater beim Psychotherapeuten wären, auch die Ergos werden wohl oft verwechselt!). Es ist für viele schon schwierig, an Krankenkarten oder Termine zu denken. Um Termine beim Coach wahrzunehmen, müsste ein gewisses Maß an Struktur und Zahlungsfähigkeit m.E.n. schon bestehen. Aus dem Internet finden die einen selbstständigen Lerncoach nicht unbedingt oder sind schnell verwirrt, das JA und die Schulen haben so jemanden auch nicht direkt auf dem Schirm. Ich glaube, dass mit einem Praktikum in solchen Praxen-Systemen noch viel mehr Ideen und Möglichkeiten auf dem Radar aufploppen! LG
  24. Wie läuft's mit denn jetzt mit deinem Psychologie Master an der Apollon, Lenny? Notendruck? Struggle mit Deadlines? Erfolgserlebnisse? Ups, downs? Praktikum schon am Start? Erste Einblicke in das Erleben und Verhalten von Menschen bekommen? Berufsgenossen kennengelernt? Die nächsten 20+ Jahre als Psychologe vorstellbar?
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