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Lebensläufe modellieren?


Markus Jung

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Bei der DUW hat es kürzlich einen Themenabend "Berufsbiografien strategisch gestalten" gegeben. Hier ein Video darüber:

Ich habe mich jetzt mit den Inhalten des Themenabends gar nicht so detailliert beschäftigt, bin aber an der Überschrift hängen geblieben.

Kann es wirklich sein, dass man heute sein Leben danach gestaltet, dass die Biographie perfekt zur Karriere passt? - Geht da nicht das Leben als solches ein Stück weit verloren und weicht einer künstlichen, oft auch gleichgemachten, Darstellung?

Insbesondere: Ergibt sich dadurch die Notwendigkeit, jede Weiterbildung und jede berufliche Aktivität nur auf den Nutzen für die Karriere auszurichten? - Meiner Meinung nach ginge einer Gesellschaft dabei viel an Substanz verloren, aber mich interessieren zu diesem Thema Eure Meinungen und auch Erfahrungen. Lebensläufe von Fernstudierenden sind ja oft nicht so gradlinig.

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Hallo Markus

Ich hab dann doch mal in das Filmchen reingeguckt. ;)

Im Prinzip wird da von den verschiedenen Referentinnen darum "geworben", sich berufliche Ziele bzw. Weiterbildungsziele zu setzen, die dann "Step-by-Step" angegangen werden sollen.

Ich finde das gar nicht so verkehrt, weil man bei einer gut überlegten Zielsetzung ("Was habe ich denn eigentlich hinterher von meinem Zertifikat?") einfach motivierter zur Sache geht und auch Durststrecken übersteht.

Ob man sich die eigene Biographie immer so stricken kann/will, wie das im Berufsleben erforderlich ist, bezweifle ich.

Dafür müsste man vielleicht auch erst einmal genau definieren, welche Lebenswege es denn sind, die berufliche Pluspunkte bringen und ob es nicht auch jede Menge Menschen gibt, die bei ihrer Berufswegplanung auch mal ab und einen Schlenker gemacht haben - und dann doch noch beruflich gut positioniert sind. Auch Menschen mit "ungeraden Lebensläufen" kommen ja meist irgendwo an....

Was ich immer mal wieder mitbekomme, ist, dass von manchen der eigene Berufsweg fast nicht bis gar nicht geplant wird. Wer sich da in Sachen Berufs- und Lebensplanung überhaupt keine Ziele setzt, kommt eben ggf. auch nirgendwo an. ;)

Was man dann an "Weiterbildung" noch zusätzlich in die Entwicklung der eigenen Persönlichkeit steckt, bleibt ja jedem selbst überlassen... Und das kann dann U.U. auch ein Sabbatical sein, das man auf einer Weltreise verbringt. Auch eine Form der "Weiterbildung"... ;)

Viele Grüße

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Hallo!

Ihre Argumentation bzw. Ihre Fragen kenne ich aus vielen Debatten und kann sie, ehrlich gesagt, nicht so richtig nachvollziehen. Denn wollte man ihr folgen, dann hieße es ja, dass Aktivitäten und Entscheidungen im Leben, die eher unter "privaten" Aspekten getroffen wurden, eher zur "Substanz für eine Gesellschaft" beitragen als solche, die unter beruflichen Gesichtspunkten getroffen werden.

Ich möchte mal folgende Sichtweise vorschlagen: Jeder hat in seinem Leben eine begrenzte Menge Zeit und Möglichkeiten, Entscheidungen für oder gegen etwas zu treffen. Die Entscheidung für oder gegen Kinder ist ein sehr klassisches Beispiel: Für Frauen ist das auf ca. 25 bis 30 Jahre begrenzt. Wenn man zwischen 15 und 45 damit nicht "zu Potte" gekommen ist, dann wird das nichts mehr.

Beide Entscheidungen sind im Prinzip gleichwertig, beide können sich für das Individuum als richtig oder falsch herausstellen. Auch für "die Gesellschaft"! Sowohl zu wenig Kinder als auch zu viele können, je nach den jeweiligen Gegebenheiten, problematische Auswirkungen haben. Mit beiden Entscheidungen schafft man Fakten, die Veränderungen auslösen.

Nicht anders ist es mit Entscheidungen für oder gegen berufsbezogene Schwerpunktsetzung im eigenen Leben. All diejenigen, die andere Präferenzen setzen, können es (gesamtgesellschaftlich betrachtet) auch deswegen ohne allzu großes Risiko tun, weil ein paar andere (Idioten?) wirtschaftliche (Karriere-)Gesichtspunkte oben an stellen und somit was fürs Bruttosozialprodukt tun. Denn mit ihren Steuern und Abgaben füttern sie den Topf für den Rest der Bevölkerung. Ihr eigenes Konto natürlich auch....

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Ja, ich kann Ihre Argumentation nachvollziehen. Und ich denke das System funktioniert so auch, solange es Menschen gibt, die sich für Kinder entscheiden und andere, die sich dagegen entscheiden und Menschen gibt, die sich für die berufliche Schwerpunktbildung entscheiden und andere, die auch andere Ziele einbeziehen.

Das ist es auch gar nicht so sehr, was mich stört. Es geht eher darum, dass teilweise vermittelt wird bzw. wurde, dass im Grunde genommen vom Kleinkindalter an (besser noch sofort im Mutterleib) damit begonnen werden muss, den Menschen auf Leistung zu optimieren. Perfekte Förderung, nur keine Zeit verlieren, früh in den Kindergarten, verkürzte Schulzeit, am besten schon nebenbei mit dem Studium anfangen und mit 20 als Hochschulabsolvent in den Job einsteigen - und mit 25 in den Burnout... Da bleibt meiner Meinung nach dann keine Zeit, sich wirklich persönlich zu entwickeln und das zu machen, was einem am besten liegt. Ich habe manchmal den Eindruck, dass hier uniforme Kunstprodukte geschaffen werden statt individuell zu schauen, wie jeder einzelne für sich, sein Leben, seinen Beruf und die Gesellschaft das Optimale raus holen kann.

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Aber das geht doch in alle Richtungen so, dass etwas missbräuchlich gemacht werden kann: den Eltern gegenüber, die ihre Kinder auf Leistung trimmen, stehen andere gegenüber, die sich einen Dreck drum scheren, dass ihre Kinder das Maß an Förderung bekommen, das ihnen gut tun würde. Das passiert sowohl innerhalb einer Generation also auch in Wellen, in denen Generationen aufeinander folgen. Schauen Sie sich beispielsweise in Deutschland die Generation derjenigen an, die in den Jahren nach dem Krieg Lebensentscheidungen zu treffen hatten. Und irgendwann später die weltweite Hippy-Bewegung.

Außerdem haben Sie - jedenfalls nach meinem Dafürhalten - in Ihren letzten Ausführungen Punkte angesprochen, die nach meinem Geschmack in diese Diskussion gar nicht reingehören. Das sind "früh in den Kindergarten" und "mit 25 in den Burnout". Es gibt genügend Fachleute, die Burnout als sozial akzeptierten Begriff für Depression benennen. Und zur Entstehung von Depressionen gibt es eine Menge Theorien und Erkenntnisse - und bei weitem besteht kein Konsens, dass sie durch (zu) viel Arbeit oder Leistungsanforderung entsteht.

Ähnliches gilt für Fremdbetreuung im Kindergarten. Dass Kinder in so enger Abhängigkeit zur Mutter aufgezogen werden (bzw. dass es ein Glaubenssatz ist, dass das optimal sei), ist erst im letzten Jahrhundert und da auch nur in einer bestimmten Bevölerungsschicht entstanden. Ein Großteil der Menschen konnte sich so etwas früher nämlich überhaupt nicht leisten. Man konnte sich ebenso wenig leisten, die Kindheit und Adoleszenz bis weit über 20 hinaus auszudehnen - und damit den Raum zu lassen für solche Überlegungen über Lebensentscheidungen, wie wir sie hier gerade führen!

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Hi Markus

Kurz zum Thema "individuelle Förderung" (bei Kindern...)

Ich glaube, dass das im Moment ein gewisser Hype ist, dass Kinder gefördert werden um jeden Preis. Sicherlich gibt es solche Extrembeispiele wie Förderung schon im vorgeburtlichen Zustand. ;)

Was ich aber als Mutter eines Achtjährigen und einer Vierjährigen derzeit mitbekomme, ist, dass die beiden wirklich als Einzelpersonen in Schule und Kindergarten gesehen werden und sich weitestegehnd (nicht ganz, muss ich zugeben) nach ihrem eigenen, inneren "Zeitplan" entwickeln können.

Ich habe also (zumindest bei meinen Kindern) nicht das Gefühl, dass sich aus ihnen "uniforme Kunstprodukte" entwickeln.

Das sind wir sicherlich als Eltern gefragt, die Kindern genug Zeit zu lassen. Aber "vernünftige" Eltern machen das ja auch eigentlich...

Obwohl ich schon zugeben muss, dass es natürlich auch die "überfrachteten" Kinder gibt, die einen Terminplan wie ein Manager haben. Aber eben doch eher selten...

Viele Grüße

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