Zum Inhalt springen

Das Studium - im Spannungsfeld von Wissenschaft und Praxis?


psycCGN

Empfohlene Beiträge

Im Online-Self-Assessment studyNavi der FU Hagen habe ich folgendes gelesen:

 

Zitat

Ein Studium soll die Studierenden dazu befähigen, eine Disziplin wissenschaftlich zu erforschen, zu analysieren und zu evaluieren. Darüber hinaus sollen die Studierenden die Fähigkeit erhalten, die erworbenen Kenntnisse in die berufliche Praxis zu übertragen. Allerdings ist ein universitäres Studium in erster Linie wissenschaftlich ausgerichtet und ist weniger als praxisnahe Erweiterung zu verstehen.

 

Meine näheren Gedanken dazu möchte ich gerade noch gar nicht äußern. Stattdessen formuliere ich überspitzt, dass heutzutage, wo in vielen beruflichen Positionen ein Studium vorausgesetzt wird oder zum Teil gefordert wird (z.B. in der Pflege), eine in erster Linie wissenschaftliche Ausrichtung nicht genügt, um auf die tatsächliche Berufsausübung vorzubereiten. Wie seht ihr das?

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Anzeige: (wird für registrierte Benutzer ausgeblendet)

Uff, das ist ein komplexes Thema. Ich betrachte das ganze mal aus Sicht eines (semi-)technischen Studierten:

 

Grundsätzlich soll ein Studium vor allem dafür dienen, nach den Deskriptoren des DQR komplexe betriebliche oder wissenschaftliche Aufgaben eigenständig und in einem Umfeld mit sich häufig ändernden Rahmenbedingungen bewältigen zu können. Gegenüber dem DQR 6 setzt der DQR 7 noch unvorhersehbare Rahmenbedingungen oben drauf, sodass sowohl bei Bachelor, als auch Master umfassende Fach- und Methodenkompetenzen erfordern (ich blende mal das Thema Bachelor Professional/ Master Professional an der Stelle aus, da es explizit um Studiengänge geht). Es steht also der Problemlösungscharakter für komplexe Aufgaben im Vordergrund, die zielgerichtet und anhand eines bestimmten Instrumentariums methodisch sauber bearbeitet werden sollen. 

Das Problem ist hier meines Erachtens nach, dass Studiengänge oftmals einem Drahtseilakt zwischen wissenschaftlicher Methodenkompetenz einerseits und praktischem Anwendungsbezug andererseits gerecht werden sollen. Während sich das methodische Handwerkszeug zumeist über Jahre und ggf. Jahrzehnte nicht signifikant ändert, veralten die  Inhalte praxisorientierte Fächer (insbesondere im technischen Umfeld) inhaltlich aufgrund der schnellen Innovationszyklen häufig ebenso schnell.

Ergo: Auch in universitären Studiengänge wird man nie drumherum kommen, auch praktische bzw. anwendungsorientierte Inhalte zu vermitteln, damit der Abschluss auch tatsächlich dem Anspruch erfüllt, berufsqualifizierend zu sein. Und machen wir uns nicht vor: Wenn man nicht von Anfang an als theoretischer Elfenbeinturm-Lehrling ins kalte Wasser geworfen zu werden möchte, kommt man nicht um die ein oder andere berufspraktische Phase drumherum. Das ist aber mMn ein höchstpersönliche Entscheidung, die von vielen Faktoren (u.a. auch persönliche Rahmenbedingungen) abhängt, die jede*r für sich entscheiden muss.

 

Passend dazu noch ein abschließender Fun Fact: Erfolgreiche Promotionen oder Habilitationen sind nach deutscher Gesetzgebung kein berufsqualifizierender Abschluss, denn beide Formate haben keinerlei anwendungsbezogenen Schwerpunkt, der eine Berufsqualifikation rechtfertigen würde. Vielleicht ändert sich das irgendwann mit dem Promotionsrecht an HAW's oder vielleicht auch mit anwendungsorientierten Promotionen (wie man sie bspw. mit dem DBA aus dem Angelsächsischen lange kennt). Bis dahin fließt aber noch jede Menge Wasser die Isar runter.

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Also ich glaube grundsätzlich auch, ein Job ist überwiegend auf "training-on-the-job" aufgebaut und hat mit dem Studium rein von der Praxis (bis auf genutzte Theorien oder Modelle, z. B. SWOT) eher weniger wirklich direkte Berührungspunkte. :) Es sei denn es gibt einen stark theoretischen Schwerpunkt wie z. B. in der Forschung.

 

Aber ich denke auch ein Studium verhilft einer ohnehin schon gebildeten Person (sei es durch den Abschluss oder z. B. das Abi) zu mehr Wissen und Weisheit, wenn man das so nennen kann. Es hilft, auf Ebenen zu denken die ohne es evtl. gar nicht erreicht werden können, komplexere Zusammenhänge besser zu verstehen und mehr Raum für kreative Lösungen zu erschaffen. Dass die Praxis eben nicht nur in einem "effektivem" Weg erledigt wird, sondern darüber hinaus auch effiziente, andere Potenziale mehr genutzt werden können.

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Mir stellt sich da die Frage, wieso Berufsfelder denn akademisiert werden, wenn dann im nächsten Zug der fehlende Praxisbezug der Ausbildung beklagt wird. Bzw. generell, welchen Zweck eine mehrjährige wissenschaftliche Ausbildung für Menschen hat, die danach gar nicht wissenschaftlich arbeiten (was ja der Großteil der Absolvent:innen ist). Bei manchen Berufen (Ärztin, Lehrerin, Richterin usw.) hat die akademische Ausbildung ja Tradition und deren Notwendigkeit ist weithin akzeptiert, aber man kann sich ja mal generell fragen, was mit der Akademisierung eigentlich erreicht werden soll. 

Dass Universitäten in erster Linie wissenschaftlich ausbilden, finde ich im Grunde selbstverständlich. Für etwas anderes sind sie m.E. auch gar nicht geeignet. Professor:innen kennen sich nun mal in erster Linie mit Wissenschaft aus und können diese vermitteln, und arbeiten oft überhaupt nicht in den Berufen, die die Studierenden anstreben. Wie sollten sie also "praxisorientiert" ausbilden können? 

 

In der Realität ist es jetzt natürlich so, dass Studiengänge auf alle möglichen Berufsfelder vorbereiten (sollen), und daher werden ja auch Praxisphasen usw. in fast jedes Studium integriert. Aber der Kern des Studiums bleibt m.E. eben die wissenschaftliche Ausbildung, ansonsten könnte man es sich auch sparen. Dazu kommt noch, dass viele Studiengänge ja gar nicht auf ein klares Berufsfeld vorbereiten, sondern auf eine Vielzahl an möglichen Stellen und Tätigkeiten. Eine zu "enge" praxisorientierte Ausbildung wäre also gar nicht möglich und m.E. auch nicht wünschenswert.

 

vor 13 Stunden schrieb MartinGS:

Passend dazu noch ein abschließender Fun Fact: Erfolgreiche Promotionen oder Habilitationen sind nach deutscher Gesetzgebung kein berufsqualifizierender Abschluss, denn beide Formate haben keinerlei anwendungsbezogenen Schwerpunkt, der eine Berufsqualifikation rechtfertigen würde. 

 

Da würde ich einfach mal ketzerisch fragen, warum Promotionen und Habilitationen denn überhaupt "berufsqualifizierend" für Berufe außerhalb der Wissenschaft sein müssen? Es sind wissenschaftliche Qualifikationen für Menschen, die beruflich in der Wissenschaft tätig sein wollen. Dass manche Leute auch aus anderen Gründen promovieren, ändert daran erst mal auch nichts. Warum müssen sie über ihren definierten Zweck hinaus noch für etwas anderes qualifizieren? Ich mache doch auch keinen Abschluss in BWL und beschwere mich hinterher, dass mich das jetzt aber gar nicht zum Arzt qualifiziert...

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

vor 19 Stunden schrieb psycCGN:

Allerdings ist ein universitäres Studium in erster Linie wissenschaftlich ausgerichtet

 

Hier wird ja explizit von universitärem Studium geschrieben und nicht von akademischem Studium.

 

Und das ist meiner Meinung nach auch weiterhin der wichtigste Unterschied zwischen Universitäten und den Hochschulen, die sich nicht mehr als Fachhochschulen bezeichnen, was eigentlich schade ist. Denn gerade die eher praxisorientierte Vorgehensweise an den (Fach-)Hochschulen ist für viele Studierende doch viel wichtiger als das rein wissenschaftliche Vorgehen. Gerade, wo es immer mehr Akademisierung von Berufen gibt und der überwiegende Teil doch später in die Praxis und Wirtschaft gehen wird und auch dafür studiert.

 

Und hier sind Fachhochschulen besser aufgestellt, zum Beispiel dadurch, dass die Lehrenden auch Praktiker sind und oft sogar auch weiter in der Praxis tätig sind. Und weniger Vorgaben erfüllt werden müssen, was die Forschungsaktivitäten angeht (auch wenn da einiges im Wandel ist), sodass an Universitäten oft die Lehre zur Nebensache werden kann.

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Erstelle ein Benutzerkonto oder melde Dich an, um zu kommentieren

Du musst ein Benutzerkonto haben, um einen Kommentar verfassen zu können

Benutzerkonto erstellen

Neues Benutzerkonto für unsere Community erstellen. Es ist einfach!

Neues Benutzerkonto erstellen

Anmelden

Du hast bereits ein Benutzerkonto? Melde Dich hier an.

Jetzt anmelden



×
  • Neu erstellen...