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Wann ist jemand studierfähig?


KanzlerCoaching

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Die ausführlichen Schilderungen des oben verlinkten Erziehungswissenschaftlers scheinen mir zu beklagen, dass Schule die fehlenden Kompetenzen nicht mehr einfordert und gleichwohl formal Studierfähigkeit bescheinigt. Dazu möchte ich eine kleine Annekdote beisteuern.

 

Meine Tochter studiert an einer FH. Studienberechtigt war sie durch ihr Fachabitur, erlangt im Bundesland Bayern. Dort rühmt man sich gerne damit, die schulischen Anforderungen seien im Vergleich zu anderen Bundesländern hoch.

 

Eines Tages kam sie von der Fachoberschule nach Hause und berichtete, sie müsse ein Referat über Weimarer Klassik halten und in diesem Zusammenhang Goethes Faust vorstellen. Da die Anzahl der Schullektüren bis zur 12 Klasse einstellig geblieben war und keine Texte umfasste, die weiter zurückreichten als 1978, war ich recht gespannt, wie sie diese Anforderung bewältigen würde. Ich erinnerte mich daran, wie intensiv wir mit dem Faust gerungen hatten. Leicht zugänglich war er ja nicht. Ich schlug ihr vor, sich die Verfilmung mit Gründgens anzuschauen. (Immerhin sieht man es so als Theaterstück und hat die Interaktion der Charaktere vor Augen.)

 

Am nächsten Tag kam sie aus der Schule und meinte, ihre Deutschlehrerin habe gesagt, den Film zu schauen, dauere ganz schön lange und sei gar nicht nötig. Es genüge völlig, den Wikipedia-Artikel zum Faust zusammenzufassen.

Bearbeitet von kurtchen
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vor 12 Minuten schrieb kurtchen:

 

Am nächsten Tag kam sie aus der Schule und meinte, ihre Deutschlehrerin habe gesagt, den Film zu schauen, dauere ganz schön lange und sei gar nicht nötig. Es genüge völlig, den Wikipedia-Artikel zum Faust zusammenzufassen.

 

Ups! Das ist ja eher ein peinliches Zeugnis für die Lehrerin. Und es ist ziemlich daneben, jemandem eine Aufgabe zum Thema Faust zu geben, wenn der noch nicht gelesen wurde.

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vor 7 Stunden schrieb KanzlerCoaching:

Ich stimme Ihnen zu, dass diese Person in der Lage ist, sich auf die Anforderungen der Prüfungsordnung der Hochschule einzustellen. Aber so, wie Sie schreiben, koppeln Sie das Thema "Studierfähigkeit" vom Prozess des Studierens ab.

 

Nun, Prüfungen sind nun mal das Mittel, auf das sich unser Bildungssystem geeinigt hat, um einigermaßen Vergleichbarkeit der Leistungen schaffen zu können. Wenn eine – wie auch immer geartete – Prüfung nicht genügt um sagen zu können, dass es jemand gepackt hat, sich in das jeweilige Thema mindestens ausreichend einzuarbeiten, dann können wir den akademischen Zirkus auch bleiben lassen.

 

Worauf ich mit meiner Aussage eigentlich hinauswollte, war, dass ich von Barrieren wie der vorausgesetzten (allgemeinen) Hochschulreife nicht viel halte. Wer ein akademisches Studium aufnehmen will, soll das tun können, auch wenn er Jahre vorher nach der 9. Klasse von der Schule abgegangen ist. Die notwendige Methodenkompetenz wird er oder sie sich schon draufschaffen, oder eben schnell auf unüberwindbare Hürden stoßen und abbrechen. Insofern anerkenne und begrüße ich die in den letzten Jahren enorm gestiegene Durchlässigkeit des deutschen Bildungssystems sehr.

 

Natürlich gibt es auch gute Gründe für Barrieren wie einen NC oder Eignungsprüfungen, z.B. da, wo die Nachfrage das Angebot an Studienplätzen bei Weitem übersteigt, bzw. wo Steuergelder sinnvoll allokiert werden müssen. Aber auch da, in Medizin beispielsweise: Warum sollte eine ehemalige Realschülerin mit einer Ausbildung in der Pflege nicht die Chance haben, Ärztin zu werden? Dass das inzwischen leichter geht als früher, finde ich sehr positiv.

 

Das ist das, was ich als harte Faktoren bezeichnen würde. Die "weichen" scheinen mir sehr subjektiv. Ich beobachte auch, dass manche Kommiliton:innen Schwierigkeiten haben, in den WhatsApp-Gruppen zwei vernünftige Sätze am Stück zu bilden. Aber vielleicht ist das unter Leuten in ihren frühen 20ern heute normal, ich weiß es nicht. Es sagt aber sicherlich nichts darüber aus, wie gut sie bspw. inhaltlich eine Hausarbeit gestalten können. Insofern halte ich mich an der Stelle lieber raus.

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vor 8 Stunden schrieb Explorer:

Studierfähig ist für mich, wer sich im Verlauf des Studiums als fähig erweist, die Anforderungen an dieses in Form erfolgreich absolvierter Prüfungsleistungen zu erfüllen.

 

Das hieße ja soviel wie: "studierfähig" = "fähig, die Prüfungsleistungen zu bestehen". Das wiederum würde das Studieren auf das erfolgreiche Ablegen von Prüfungsleistungen reduzieren - eine These, die vermutlich problemlos eine eigene Diskussion füllen könnte. Denn dann ist man auch schnell bei der Frage nach Sinn und Zweck eines Studiums und dem Bildungsauftrag von Hochschulen. Allerdings hilft das alles nicht weiter, wenn man im Vorfeld abschätzen möchte, ob man wohl "studierfähig" ist.

 

Interessant fand ich in dem Artikel den Verweis auf handgeschriebene Klausuren. Dass Rechtschreibung und sprachlicher Ausdruck selbst bei einem überwiegenden MC-Studium spätestens bei der Abschlussarbeit essenziell sind, würde ich sofort unterschreiben. Ob eine lesbare Handschrift auch dazu gehört, würde ich aber im IT-Zeitalter schon eher bezweifeln. Das hat in meinen Augen weniger mit Studierfähigkeit zu tun als mit der Prüfungsorganisation der Hochschulen; viele Fernhochschulen zeigen ja bereits, dass es auch ohne Handgeschriebenes geht. Tatsächlich würde ich dann eher eine grundlegende Kompetenz im Umgang mit Word & Co. erwarten.

 

Bearbeitet von Alanna
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vor einer Stunde schrieb Alanna:

Das hieße ja soviel wie: "studierfähig" = "fähig, die Prüfungsleistungen zu bestehen". Das wiederum würde das Studieren auf das erfolgreiche Ablegen von Prüfungsleistungen reduzieren

 

Um beim Artikel zu bleiben: Die Reduktion auf diesen Aspekt war auch einer der bemängelten Punkte. Ausgeprägtes Regurgitieren von Wissen, ohne Reflektion und Anpassen des eigenen Seins.

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Ich hatte beim Lesen des Artikels auch den Eindruck, dass der Autor zu hohe Ansprüche hat. Es geht hier ja um Studienanfänger. Fachlich mögen seine Aussagen korrekt sein. Aber wundert es wirklich jemanden, dass frische Schulabgänger Schwierigkeiten damit haben, Hegel zu lesen oder eigene Standpunkte zu komplexen fachlichen Fragen zu entwickeln? Den Anspruch, dass die Studierenden bitte ihr eigenes Leben aufgrund des Studiums hinterfragen bzw. ändern sollen, finde ich geradezu vermessen.

 

Aus meiner Sicht beschreibt der Autor Dinge, die das ZIEL eines Studiums sind. Nicht ihr Anfang. Er klingt gnatschig, dass er tatsächlich seinen Job machen und den Studierenden was beibringen soll. Er hätte wohl lieber, dass sie es einfach alles schon können.

 

Ich sehe in dem Artikel auch keine Belege dafür, dass sich an den Fähigkeiten der Studierenden in den letzten Jahren/Jahrzehnten etwas verändert hat. Es klingt eher wie ein allgemeines Lamento über "die Jugend", das es in jeder Generation zu jeder Zeit gegeben hat.

 

Und selbst wenn das allgemeine Niveau gesunken sein sollte: Was folgt daraus? Politisch und gesellschaftlich ist es gewollt, dass größere Teile eines Jahrgangs heute Abitur machen und studieren als noch in den 60er Jahren. Dadurch verändern sich eben auch die Studierenden. Anstatt darüber zu lamentieren und den Studierenden die Schuld zu geben, könnten sich die Unis auch darauf einstellen. 

 

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Ich finde es schwer zu sagen, wann jemand studierfähig ist - und frage mich auch, wie sinnvoll es ist, dieses Konstrukt zu messen und unbedingt feststellen zu wollen. 
Wie man sieht, hat jeder eine sehr subjektive Meinung dazu, je nachdem, was für Ansprüche man so an Leistung hat und vor allem was man glaubt, damit erzielen zu können. 

Meine persönliche ist: Wenn man den emotionalen Reifegrad erlangt hat, zu riskieren, seine Eltern zu enttäuschen. Bei der Studienwahl nicht deren stille Aufträge in die Zukunft trägt. Wenn man verstanden hat, dass Selbstwert nicht mit Leistung und Außenwirkung überspielt werden kann. Und wenn man mit einer gewissen Mischung aus Freude, Neugierde und Respekt an das Studienfach herangeht. Die Fähigkeit besitzt, das zu schätzen, was  man tut. Natürlich gehört dazu auch, dass ich weiß, wo ich mir Hilfe suchen kann, wenn ich sie brauche. 

Das wären die einzigen ,,Auflagen", die ich an Studierfähigkeit knüpfe. 

Ansonsten  bin ich der Meinung, dass wir unserer Jugend mal etwas mehr vertrauen sollten, statt permanent Gefahren und Enttäuschungen lauern zu sehen, nur weil sie Kommasetzung etc. nicht mehr so gut beherrscht - das tun unsere Chefärzte auch nicht (mehrere Kliniken). An deren Brillanz besteht dennoch kein Zweifel. 
Stattdessen sollte man vielleicht auch ein wenig deren Vorzüge ins Auge fassen, die sie z.B. als Digital Natives so mitbringen und die nicht jeder von uns überhaupt versteht. Ansonsten gönnen wir ihnen vielleicht einfach, dass sie einige Erfahrungen an der Uni und im Berufsleben erst machen. 

LG

Bearbeitet von Vica
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vor 9 Minuten schrieb Silberpfeil:

An keinem einzigen Punkt stellt er seinen eigenen Standpunkt in Frage: Hat er sich selbst möglicherweise im Laufe der Jahre zu weit vom Stand der Studierenden entfern

 

Ich denke, dass ist genau sein Punkt.

Aus seiner Sicht sollte Studium kein Service sein, den die Lehrenden anbieten.

 

Er beklagt die oberflächliche Einverleibung des Wissen und das "Give-me" Verhalten der Studierenden.

Er erwartet eine Auseinandersetzung mit dem Thema auf einer tieferen, transformierenden Ebene.

 

vor 13 Minuten schrieb Silberpfeil:

Was mir an dem Artikel grundsätzlich nicht gefällt, ist dass der Autor einen wichtigen pädagogischen Grundsatz nicht beachtet: nämlich dass Lernen von den Lernenden ausgeht - und nicht von der Lehrperson.

Dem würde ich widersprechen.

Ganz im Gegenteil - er beklagt diesen Punkt, eben dass die Motivation und das Verständnis für die Sachverhalte beim Einstieg in das Studium nicht (mehr) hoch genug sind.

Die Universität muss nach seiner Sicht einen Teil der Arbeit übernehmen, der bisher im Schulsystem erledigt wurde. Sieht man das Ziel des Gymnasiums auf eben diese "Studierfähigkeit" und definiert diese als "in der Lage zu sein, die gestellten Aufgaben zu erfüllen,"  dann hat er da auch recht.

 

Man könnte sagen, er müsse sich anpassen und eben "den Anfang des Studiums" auf das Niveau dessen ziehen, was "geliefert" wird. Was natürlich eine weitere Absenkung dieses Niveaus bedeuten würde.

Er sieht hier die Gefahr, dass durch eine Anpassung an das Niveau der Studierenden die Qualität leidet, wodurch dieser Weg für ihn kein gangbarer ist.

 

Die beschriebene Unselbstständigkeit kann ich bestätigen - ähnliches Verhalten zeigt sich regelmäßig in den WA Gruppen meiner Hochschule. Stellenweise auch auf einer deutlich grundlegenderen Weise.

 

Man könnte meinen, dass durch die Reduktion der Hürden und dem stärker ausgeprägten Service Gedanken die geforderte Selbstständigkeit und das kritische Denken nicht unbedingt gefördert werden. 

 

Und hier schlagen dann auch zwei Seelen in meiner Brust.

Das  Bewältigen von Herausforderungen hat einen positiven Effekt. Anderseits sollten die Hürden möglichst gering gehalten werden. Was dann einen geringeren Lerneffekt nach sich zieht. Hier ist Lernen im Sinne der Verhaltensänderung gemeint, nicht im Sinne des Speichern von Wissens.

 

 

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vor 42 Minuten schrieb DerLenny:

Ich denke, dass ist genau sein Punkt.

Aus seiner Sicht sollte Studium kein Service sein, den die Lehrenden anbieten.

Das beantwortet aber meine Frage nicht. Nur weil er seinen eigenen Standpunkt hinterfragen sollte, ist Studium kein Service. Es hat eher etwas damit zu tun, dass man sich auf Lernende einlassen kann. Denn die sind doch eben alle verschieden, bringen unterschiedliches Vorwissen und Erfahrungen mit. Das, was er anbietet, scheint ein "Universalprodukt" zu sein, und er will unbedingt, dass das für alle Studierenden passt. Das ist natürlich auch leichter, als wenn man seinen Unterricht anpassen muss.

vor 48 Minuten schrieb DerLenny:

Man könnte sagen, er müsse sich anpassen und eben "den Anfang des Studiums" auf das Niveau dessen ziehen, was "geliefert" wird. Was natürlich eine weitere Absenkung dieses Niveaus bedeuten würde.

Er sieht hier die Gefahr, dass durch eine Anpassung an das Niveau der Studierenden die Qualität leidet, wodurch dieser Weg für ihn kein gangbarer ist.

Aus meiner Sicht zeigt das nur, dass unser Bildungssystem extrem starr ist, sowohl das Schulsystem als auch die Universitäten. Schüler:Innen und Studierende müssen sich an das System anpassen, und nicht umgekehrt.

Es wird überhaupt nicht eingegangen auf die Diversität von Menschen. Und wenn Lehrende das eben doch tun müssen, wird über eine Absenkung des Niveaus geklagt. Wie gesagt... Selbstreflexion findet nicht statt.

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