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Familiäre Abneigung gegen akademische Bildung


HobbyArzt

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Über Pfingsten traf ich einen Großteil meiner Familie. Wir sprachen über alle möglichen Dinge, so auch über diverse Neuigkeiten und so erwähnte ich auch, dass ich die Prüfung zum Wirtschaftsfachwirt bestanden habe und nun BWL studiere und mich für ein Medizinstudium beworben habe. So weit, so gut! Auf die Reaktionen in Bezug auf mein Studium war ich aber nicht gefasst und teilweise haben sie mich echt schockiert. Ein großer Teil meiner Familie scheint ein Problem damit zu haben, dass gerade ich irgendwann der einzige Akademiker seit 385 Jahren in meiner Familie sein werde. Das ich der erste Akademiker seit 385 Jahren sein werde, weiß ich, weil ich lange intensiv Ahnenforschung betrieben habe und jedes Familienmitglied von mir ihren Stammbaum bekommen hat. Im Jahre 1630 wurde in direkter Linie jemand Baumeister, was heute in etwa einen Architekten entspricht. Bis 1887 bestand der größte Teil meiner Familie aus Bauern, Heuerlingen und normalen Dienstknechten und -mägden und Arbeitern. Bis heute haben ca. eindrittel meiner Familienmitglieder keine Berufsausbildung, der Rest ist vorwiegend im Handwerk tätig und die meisten Frauen in meiner Familie, auch die jüngeren, sind Hausfrauen. Das Abitur hat bis 1630 niemand geschafft, weshalb wir maximal Realschüler bei uns haben.

So viel zur Familiengeschichte...

Ich konnte mir über Pfingsten Dinge anhören wie...

"Wer nichts wir, wird Gastwirt und wer gar nix wir, wird Betriebswirt"

"BWL studieren doch nur Leute, die nicht wissen, was sie werden wollen"

"Und...wirst du nun auch so ein eingebildeter Schnösel, der von richtiger Arbeit keine Ahnung hat?"

usw.

Ich habe das Gefühl, als würde der größte Teil meiner Familie eine akademische Ausbildung mit Hochverrat gleichsetzen.....oder sie sind einfach nur neidisch. Aber mir ist natürluch auch bekannt gewesen, das meine Familie Probleme hat mit Akademikern und Uniformträgern.

Kennt ihr sowas auch? Und wenn Ja, wie geht ihr damit um?

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Ach ja die liebe Familie. Wir hatten Pfingsten so ein ähnliches Thema, aber mit anderem Vorzeichen. Da wurde nur gesagt was Bildungswissenschaften für ein Gammelfach ist und dass das alles nur faule Studenten sind. Und es gibt richtige Studien und Pseudostudien, zu dem gehört BiWi. Das witzige ist, dass ich jetzt wirklich vor habe BiWi in Hagen zu studieren, aber das wissen sie nichteinmal.

Ich denke es ist egal was man macht, es muss einem Spaß machen und es ist dein Leben.

Aber ich finde auch dass ein guter Handwerksberuf gleichwertig ist mit einem guten Studium. Und es derzeit echt viele nicht so optimale Studiengänge gibt. Ich finde dass alle egal ob Akademiker oder Arbeiter die Arbeit des jeweils anderen wertschätzen.

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Wenn ich deine Aussagen so lese, habe ich das Gefühl wir könnten die gleiche Familie haben :sleep:

Auch in meiner Familie hat bisher außer mir niemand einen höheren Schulabschluss als den Hauptschulabschluss. Als ich nach der Realschule auf das Wirtschaftsgymnasium wechseln wollte, meinte mein Vater (Schreiner) ich solle lieber endlich arbeiten gehen und meine Zeit nicht verschwenden. Als ich anschließend auch noch studieren wollte, bekam ich zu hören, dass ich mir so einen sch*** gefälligst selbst finanzieren soll und keine Unterstützung erwarten kann.

Ich habe dann ein Studium zum Diplom-Verwaltungswirt gemacht und bin mittlerweile Beamter im öffentlichen Dienst. Für meine Familie der Supergau. Ein Studierter und dann auch noch Beamter; schlimmer geht es eigentlich nicht.

Mein Masterstudium an der Fernuni Hagen befindet sich mittlerweile in den letzten Zügen, auch hier gab es seitens der Familie die immer gleichen Aussagen: "Warum macht man den sowas?"; "hast du zuviel Zeit als Beamter um nebenher noch studieren zu können" oder mein Lieblingsspruch: "Was willst du eigentlich mal wedern: Schlau oder wie?"

Ich habe drei Brüder, die alle auf der Hauptschule waren. Abschluss mehr schlecht als recht, einer hat anschließend eine Ausbildung gemacht, einer noch nie einen Tag gearbeitet. Hier schlägt mir mitunter sehr viel Feindesligkeit entgegen, unter anderem höre ich immer wieder die Unterstellung ich würde mich für "was besseres halten". Ich erzähle mittlerweile so gut wie gar nichts mehr berufliches oder von meinem Studium um derartige Situationen zu vermeiden.

Man könnte auch sagen ich bin das schwarze Schaf der Familie.

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Vielleicht entstehen diese Aussagen auch aus einer Art Minderwertigkeitsgefühl. Deine Eltern können stolz auf dich sein und das sind sie wahrscheinlich auch, nur können sie es nicht richtig vermitteln. Habe eine Freundin und deren Eltern sind Bauern und die waren auch voll enttäuscht als sie studieren wollte und haben es nicht verstanden wofür, jetzt ist sie schon mehrere Jahre fertig und steht mit beiden Beinen voll im Leben und ihre Eltern sind stolz auf sie, es hat halt einfach gedauert.

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Vielleicht entstehen diese Aussagen auch aus einer Art Minderwertigkeitsgefühl

Eher "umgekehrter Snobismus".

Für die meisten "Akademikerkinder" ist es umgekehrt und klar das sie studieren müssen... Tlw, völlig egal was.

Gruppendruck aus dem Kaiserreich noch, "ist nix für unsere Sorte Leute"... "Schuster bleib bei deinen Laisten". "Malocher müssen zusammen halten"

Das wirkt alles im kollektiven (Unter)bewusstsein mit.

Wie auch alle möglichen politischen Parolen und Vorstellungen zur "Verteilungsgerechtigkeit" die schon längst nichts mehr mit der Realität zu tun haben. Aber immernoch die Debatten mitbestimmen und dafür sorgen das einem Leute das Auto verkratzen oder anzünden wenn sie es zu groß finden.

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zunächst mal: coole und interessante Recherche zur Ahnengeschichte deiner Family. Zu dem Rest, um es kurz zu sagen: Das musst du drüber stehen, es ist dein Leben. Ich denke auch, dass es oft Neid oder schlichtweg vorurteilbehaftete Unkenntnis ist...

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Aber ich finde auch dass ein guter Handwerksberuf gleichwertig ist mit einem guten Studium. Und es derzeit echt viele nicht so optimale Studiengänge gibt. Ich finde dass alle egal ob Akademiker oder Arbeiter die Arbeit des jeweils anderen wertschätzen.
Ich bin der selben Meinung und eine akademische Ausbildung ist heutzutage auch kein Garant mehr für ein üppigs Einkommen. Wenn ich sehe, dass mein Vater vor seiner Krebserkrankung als Altgeselle deutlich mehr verdiente, als frisch von der Uni oder FH gekommene Ingenieure in seiner Firma und selbst mit den alten Hasen unter den Ingenieuren verdiensttechnisch mithalten konnte, frage ich mich teilweise auch ob ein Studium heutzutage überhaupt noch irgendeinen Wert hat.

Auch in meiner Familie hat bisher außer mir niemand einen höheren Schulabschluss als den Hauptschulabschluss. Als ich nach der Realschule auf das Wirtschaftsgymnasium wechseln wollte, meinte mein Vater (Schreiner) ich solle lieber endlich arbeiten gehen und meine Zeit nicht verschwenden. Als ich anschließend auch noch studieren wollte, bekam ich zu hören, dass ich mir so einen sch*** gefälligst selbst finanzieren soll und keine Unterstützung erwarten kann.

[...]

Ich habe drei Brüder, die alle auf der Hauptschule waren. Abschluss mehr schlecht als recht, einer hat anschließend eine Ausbildung gemacht, einer noch nie einen Tag gearbeitet. Hier schlägt mir mitunter sehr viel Feindesligkeit entgegen, unter anderem höre ich immer wieder die Unterstellung ich würde mich für "was besseres halten".

Einen ähnlichen Werdegang ahbe ich auch. Ich habe den Hauptschulabschluss mit einen Gesamtnotendurchschnitt von 4,4 gerade so bestanden. In der Mathe-Abschlussprüfung bekam ich zum Beispiel mit einem viertel Punkt noch eine 5, weil ich etwas richtig unterstrichen hatte. Nach der Schule fand ich keinen Ausbildungsplatz. Mein Vater hat jahrelang versucht mich in Richtung Handwerk zu drängen, was mir aber absolut nicht liegt. Ich arbeitete ungelernt in der Produktion und Altenpflege und hatte irgendwann die Schnauze voll davon, mir für teilwise keine 1000 Euro netto (40Std./W.) den Arsch aufzureißen und habe mich dann bei der Arbeit so dermaßen daneben benommen, dass man mich kündigte, was ich damit ja bezwecken wollte. Jahrelang übte ich nur noch einige Ehrenämter aus und half einen bekannten Hotelbesitzer, weshalb ich letztendlich auch ohne Ausbildung die Zulassung zur Prüfung zum Wirtschaftsfachwirt bekam. Beim ersten Versuch fiel ich durch, im zweiten Versuch war ich einer der drei Besten! Dadurch bekam ich meine Hochschulzugangsberechtigung. Ich denke, dass meine Familie sowas auch nie von mir erwartet hat. Vielleicht war ich für sie immer der Versager aus dem eh nichts werden würde. Dass ich aber von der Grundschule bis zum Schulabschluss mit Mobbing zu tun hatte, regelmäßig erpresst und verprügelt wurde, interessiert keinen. Sicherlich hätte ich selbst etwas anders machen können, aber bei solchen Umständen ist das sehr schwer und vielleicht haben meine Eltern auch versagt, weil sie mich auf keine andere Schule brachten.

Jedenfalls habe ich jetzt eine Qualifikation auf Meisterbene, stehe jetzt hierarchisch im Berufsleben schon über den Rest meiner Familie und will noch weiter aufsteigen. Momentan stehe ich auf einer Fähre und mache die Schranken auf und zu und bediene die Ampelanlage per Knopfduck, aber diese wenig stressig arbeit wird besser bezahlt, als die Altenpflege und ich habe in Vollzeit noch genug Zeit zum lernen, sogar am Arbeitsplatz. Zur Studienfinanzierung reicht es.

Aber genau das ist wieder so eine Sache. Mein Vater unterstützt mich zwar in Bezug auf das STudium und findet es Klasse, dass ich den Arsch überhaupt nochmal hochgekriegt habe, er sagte aber auch schon zu mir, dass die Leute, die auf der Fähre stehen nach drei Jahren Beamte im einfachen Dienst sind und ja auch nicht schlecht verdienen. Anstatt des Studiums könne ich das ja machen. Das ich aber mal mehr als 1600 Euro netto Grundgehalt verdienen will und mir auch selber noch etwas beweisen möchte, berücksichtigt er bei solchen Äußerungen wohl auch nicht.

Vielleicht entstehen diese Aussagen auch aus einer Art Minderwertigkeitsgefühl. Deine Eltern können stolz auf dich sein und das sind sie wahrscheinlich auch, nur können sie es nicht richtig vermitteln. Habe eine Freundin und deren Eltern sind Bauern und die waren auch voll enttäuscht als sie studieren wollte und haben es nicht verstanden wofür, jetzt ist sie schon mehrere Jahre fertig und steht mit beiden Beinen voll im Leben und ihre Eltern sind stolz auf sie, es hat halt einfach gedauert.
Meine Eltern sind stolz auf mich, aber fühlen sich wohl auch irgendwie unwohl, wenn der größte Teil der Rest-Familie so über mich spricht. Vor allem mein Vater legt sehr viel Wert darauf, was andere sagen, denken und von ihn bzw von uns halten.

zunächst mal: coole und interessante Recherche zur Ahnengeschichte deiner Family.
Es war wirklich sehr interessant, aber auch zeitraubend und häufig war ich kurz vor der Verzweiflung. Vor allem die ehemaligen deutschen Ostgebiete und Kolonien sind für Ahnenforscher sehr schwer zu erforschen, da viele Unterlagen im Krieg vernichtet wurden.

Jedenfalls....

Als Kind wollte ich Arzt werden und bis heute hat sich daran nichts geändert. Ich habe mich für ein Medizinstudium beworben, soll aber mit ca. 10 bis 14 Wartesemestern rechnen. Bis dahin bilde ich mich halt fort und wenn die Zusage kommt werde ich alles stehen und liegen lassen und Medizin studieren. Auch wenn ich dann schon anfang bis mitte 40 bin, wenn ich mit allem fertig bin (Studium + Facharztfortbildung).

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Als Kind wollte ich Arzt werden und bis heute hat sich daran nichts geändert. Ich habe mich für ein Medizinstudium beworben, soll aber mit ca. 10 bis 14 Wartesemestern rechnen. Bis dahin bilde ich mich halt fort und wenn die Zusage kommt werde ich alles stehen und liegen lassen und Medizin studieren. Auch wenn ich dann schon anfang bis mitte 40 bin, wenn ich mit allem fertig bin (Studium + Facharztfortbildung).

Hast Du mal geklärt, ob ein Studium zum Dipl. Kfm. (FH) in Wismar nicht Deine Wartesemester zum Medizinstudium hemmt?
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Vor allem die ehemaligen deutschen Ostgebiete und Kolonien sind für Ahnenforscher sehr schwer zu erforschen, da viele Unterlagen im Krieg vernichtet wurden.

Deswegen habe ich mich gar nicht groß mit Ahnenforschung beschäftigt. Mein Opa hatte damals wohl einiges gesammelt, es aber nie irgendwo aufgeschrieben. :confused:

In der näheren Verwandtschaft (meine direkte Linie) bin ich die erste, die nach meinem Vater Abitur gemacht hat und studiert. Das war für die weitläufigere Verwandtschaft schon sonderbar, dass eine Frau (Mädchen) auf das Gymnasium geht. Aber die fanden das alle gut.

Ich denke, dass es in vielen Familien gar nicht Neid ist, sondern einfach unbekannt und ungewöhnlich - und sowas wird oft pauschal abgelehnt, weil man es eben nicht kennt.

Teilweise wird es auch als eine Bedrohung empfunden, weil das eigene Leben/der eigene Beruf dadurch "minderwertiger" werden.

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Hast Du mal geklärt, ob ein Studium zum Dipl. Kfm. (FH) in Wismar nicht Deine Wartesemester zum Medizinstudium hemmt?

Teilzeitstudium stört die Wartesemester nicht, jedenfalls Teilzeitstudium in Hagen nicht, das wird anderswo auch so sein. Aber den Abschluss darf er nicht machen, dann ist er Zweitstudiumsbewerber und Wartesemester gelten nicht mehr.

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